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Wasser - unser kostbarstes Gut auf dem Planeten. Doch die Menschheit ist am Ende ihrer Tage angekommen. Zwei von ihnen treffen in der Ödnis der einst prächtigen Zivilisation an einem surrealen Fund aufeinander – doch in Bruchteilen von Sekunden müssen sie sich entscheiden: Leben oder Tod. „Wasser“ ist die neue fesselnde Low-Fantasy Kurzgeschichte in einer postapokalyptischen Zeit der Menschheit. Mit packender Handlung und ungleichen Charakteren bietet dieser literarische Snack für unterwegs seine völlig eigene Mischung aus Dystopie, Verzweiflung und Zukunftsvision.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Unsere Welt. 2050. Verloren. Der Mensch hat seinen Fingerabdruck unabänderlich unserem Planeten eingebrannt. Die Warnungen der Wissenschaftler und Forscher wurden ignoriert – und in der Folge wurde die prophezeite Katastrophe epischen Ausmaßes noch um ein Vielfaches übertroffen. Alle Prognosen und Szenarien waren weit von dem entfernt, was wirklich passieren sollte: Der deutlich früher erreichte Kipppunkt im Atlantischen Ozean stieß binnen weniger Wochen wie ein Dominostein angrenzende Ökosysteme um. Nicht einen. Nicht zwei. Alle. Es verbreitete sich rasend schnell. Pflanzen verödeten. Tierarten starben der Reihe nach aus. Wir konnten nur ohnmächtig zusehen. Ein nimmersatter Tod fraß sich durch die Kontinente – und ist bis heute nicht gesättigt.
Neugeborene gibt es nicht mehr. Als die anpassungsfähigste und robusteste Spezies des Planeten hält der Mensch in dieser selbstgemachten Hölle noch durch – selbst gejagt von alten und neuen Krankheiten, alten und neuen Feinden. Das letzte Zeitalter der Menschen schreitet konsequent und qualvoll voran. Das Leben ist fort. Unsere Erde schwebt sterbend im All – so wie die überheblichen Verursacher namens Menschheit.
Die Sonne brennt gnadenlos vom wolkenlosen Himmel herab. 75 Gerons bei Tageslicht sind eher Durchschnitt. Der Boden ist rissig und vertrocknet. Schon lange gibt es keinerlei Niederschlag mehr. Und mit der unendlichen Trockenheit kam die Wasserknappheit. Niemand erinnert sich noch an Kriege um Einfluss, Territorien, das schwarze Öl oder wer den besseren imaginären Freund besäße. Anfangs gab es noch ein gewisses Maß an Ordnung und Vertrauen in das System. Die Regierungen waren um Kontrolle und Körpersprache bemüht. Sie propagierten eine nahende, weltweite Lösung. Die Bevölkerung hielt durch und glaubte daran. Doch mit der Zeit schwiegen ihre Vertreter immer lauter. Und eines Tages waren sie fort.
Eines Nachts entzündete sich purer Hass an einer der vom Militär eingerichteten Trinkwasserrationsausgaben. Jemand schoss. Dann fielen viele Schüsse. Unzählige Menschen starben. Brände wurden gelegt, die sich rasant ins Stadtzentrum ausbreiteten. Sie säumten die überbevölkerte Metropole und verschlangen in ihrem synthetischen Dasein alles und jeden. Plünderungen. Vergewaltigungen. Exzesse aus Gewalt. Fanatiker mit Blutopfern. Kannibalismus. Endloses, sinnloses Morden. Es gab unzählige Täter. Und noch weit mehr Opfer. Der Nachthimmel war hell erleuchtet. Glut, Asche, Rauch und der widerliche Geruch von verbrennendem Menschenfleisch – ein Inferno sondergleichen. Die Schreie waren endlos. Der Tod höchstselbst, so erzählt man sich, soll die Pforten zur Hölle in dieser Nacht lachend aufgestoßen haben. Die Alten nennen diese Nacht „Red End“.
Jeder Schritt auf diesem toten Planeten wirbelt feinen Sand empor. Der Untergrund ist aus unzähligen, alten Skeletten von Menschen oder Tieren, welche sich einst hier einfach niederlegten, um ihrem Tod in der Kapitulation zu begegnen. Die Knochen, in denen sich vom Wind getriebene Stoff- und Müllreste gefangen haben, sind stark vertrocknet. Sie zerbrechen knackend unter Belastung. Als würde man durch eine Gruft waten – hier, in der einstigen Oase des blühenden Lebens dieser so großen Metropole.
Die Atemluft. Sie ist trocken. Viel dünner. Und bei jedem Atemzug steht nur wenig Sauerstoff zur Verfügung. Reizungen der Atemwege sind durch den feinen Sand in der Luft unumgänglich – das tägliche Geschäft der Heiler in den zersplitterten und sogar verfeindeten Siedlungen.
Ein Mann sackt auf die Knie. Der abgenutzte Leder-Schutzanzug knirscht unter der Bewegung, seine Ausrüstung am Rucksack klappert leise. Für einen Moment senkt er den Blick, schämt sich fast, doch dann zwingt er sich, wieder auf den Fund vor ihm zu starren: das endlose Nass in einem alten Swimmingpool, versiegelt mit einer dicken „SealTex“-Plane – hermetisch und luftdicht. Randvoll. Mehrere Liter Leben funkeln unter der dreckigen Plane. „Der Spinner hatte recht“, flüstert er leise. Ein bitteres Lächeln zieht über sein Gesicht, als er sich an das barbarische Verhör vor wenigen Tagen erinnert. Dieser verwahrloste Bastard aus einer anderen Siedlung, welcher mit Preisgabe dieser Information sein Leben retten wollte, kostete uns am Ende nur eine Patrone. Und nun, hier – das Wasser im geheimen Reservoir. Er hatte nicht gelogen, dieses arme Schwein. „Ich komme als Held zurück, verdammt!“, flüstert er euphorisch – „zurück in die Arme meiner Familie!“
Er erinnert sich nicht mehr, wann er zuletzt so viel Wasser gesehen hat. Vorsichtig blickt er sich um, während er seine Handschuhe abstreift. Die sengende Hitze trifft ihn sofort, und er duckt sich, um möglichst viel Haut vor der brennenden Sonne zu verbergen. Mit einer Hand zieht er eine rostige Metalldose aus der zusätzlichen Tasche seines Rucksacks und zieht sie rasch in den selbst geworfenen Schatten. Der Schnellverschluss hakt ein wenig, gibt aber schließlich unter mehr Druck nach. Es ist ein altes Spritzenset – die verschiedenen Kanülen aus Metall, in unterschiedlichen Größen, sind im Deckel ordentlich sortiert. Er wählt die längste, die stabilste. Ein kurzer Blick, und er stellt fest: Niemand da. Ein leises Klicken ertönt, als die Spritze einsatzbereit ist. Mit einem festen Ruck drückt er die Nadel durch die dicke „SealTex“-Plane und zieht dann kräftig am anderen Ende der Spritze. Fünfzig Milliliter für einen Qualitätstest wären üblich, doch er zieht hundertfünfzig auf. Ein leises Quietschen begleitet das Herausziehen der nassen Nadel aus der Plane. Seine zerbrochenen Fingernägel reißen die vorbereiteten Klebebandstücke auseinander – das winzige Loch wird sofort abgedichtet. Durchatmen. Niemand da. Sein Blick fällt auf die Spritze: ihr Inhalt funkelt – welch ein kostbarer Schatz!
Seine trockene Zunge streicht hinter der Atemschutzmaske über die stark spröden, vollends ausgetrockneten Lippen. Nur ein Tropfen! Hier. Jetzt. Sofort. „Erst testen, du Idiot!“, ermahnt er sich selbst und drückt 50 ml Wasser in eine kleine, gummierte Öffnung seiner Metalldose. „Wehe deine Batterie macht jetzt schlapp!“, raunzt er die Dose an und drückt den Schalter zur Aktivierung. Drei Tropfen Wasser auf den Zeigefinger. Er schmiert über das verdreckte Display. Doch da leuchtet die Zeile für die Analyse auf. Das Gerät startet. Er lächelt aufgeregt. Vorfreude.
Mehrere Anzeigen der veralteten Militärausrüstung blinken jetzt. Die Analyse läuft. Die Einweisung auf das Gerät war simpel und viel zu kurz. Aber als Draußengänger musste man sich nur einen Satz der Ausbilder merken: „Rote LED bedeutet Tod, gelbe ist verunreinigt, blaue ist unbekannt und grün ist der Jackpot!“. Leise murmelnd wiederholt er diesen Satz. Wieder. Und wieder. Und wieder.
Die ersten LEDs hören auf analytisch zu blinken. Das Gerät signalisiert so geräuschlos den Fortschritt. Weitere Analysemarker schließen sich an und erlöschen. Immer mehr LEDs verdunkeln sich und treten den Rückzug an. Noch drei. Nur noch zwei. Die letzte. Das Display wird schwarz. Die wenigen Sekunden fühlen sich wie Minuten an. „Mach schon!“, faucht er das Gerät an. Die Aufregung in ihm ist greifbar. Das Gerät verstummt, deaktiviert sich. Test abgeschlossen. „Sag schon!“, drängelt er. Dann, als hätte es ihn verstanden: grün.
Er erschrickt, als ein metallenes, quietschendes Geräusch unweit von ihm ertönt, und fährt herum. Eine Gestalt in einer Mischung aus Mantel, alter Uniform und ziviler Kleidung lehnt an einem rostigen Rest eines Zauns, direkt an der Seite des Beckens. Das Gesicht ist vermummt. Man kann eine Atemhilfe erahnen, doch die dunkle Schutzbrille lässt keine weiteren Merkmale erkennen. Auf dem Arm trägt die Gestalt eine Armbinde mit einem selbstgemalten Symbol – ein Tier, oder sowas. Ist das … Blut?
Ein halblautes, elektronisches Warnsignal ertönt. Erst bei ihm, dann bei dem ungebetenen Gast. Beide greifen instinktiv in die Beintasche, um es vom EchoTracer abzulesen. „Toxinwelle – verdammt, nicht jetzt!“, kommt es zähneknirschend aus ihm raus.