Weck den Optimisten in dir! - Angelika Rohwetter - E-Book
SONDERANGEBOT

Weck den Optimisten in dir! E-Book

Angelika Rohwetter

0,0
12,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 11,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Wissenschaft der Hirnforschung zeigt: Im Unglück fühlt sich das Gehirn zu Hause. Wenn es gilt, Probleme zu wälzen oder eigene Unzulänglichkeiten zu entdecken, läuft es zu Höchstform auf. Wenn dem Menschen hingegen etwas Positives widerfährt, nimmt das Gehirn es kaum wahr oder reagiert skeptisch. Dieses Gebaren sichert das Überleben der Spezies. Glücklich macht es allerdings nicht. Doch wie entkommt man dem eigenen Gehirn? Psychologin Angelika Rohwetter erklärt auf unterhaltsame Weise, wie man dem Miesmacher im Kopf mit einfachen Strategien und Tricks beikommt. Anhand vieler Beispiele zeigt sie, wann das Gehirn auf Schwarzmaler-Modus schaltet und was psychologisch und hirnphysiologisch dahintersteckt. Wirksame Übungen helfen, automatisierte negative Abläufe im Gehirn zu unterbrechen und in Zukunft das Glas eher halb voll als halb leer zu sehen. Ein Buch für alle, die ahnen, dass sie ihrem Glück manchmal selbst im Wege stehen, und nach einfachen MItteln für mehr Zufriedenheit suchen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 201

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



So kam es zu diesem Buch

Die Idee zu diesem Buch wurde am Ende eines furchtbaren Tages geboren. Schon die Nacht war grauenvoll gewesen für mich: Ich hatte befürchtet, blind zu werden (siehe ab >). Nachdem die Nacht überstanden war, konnte ich zum Meditieren meinen CD-Player nicht benutzen (siehe ab >), weil ich meinem Mann mein intaktes Gerät geliehen und das defekte für mich behalten hatte. Als ich beides in einem Gespräch erzählte, wurde mir klar, dass alles Unglück dieses Tages selbst gemacht war.

Außerdem bekam ich beim Mittagessen nichts mehr von den köstlichen Antipasti ab, weil ich zu spät zum Essen gegangen war; man will ja nicht als gierig erscheinen … Noch so ein »Unglück«.

Dieses Buch handelt davon, wie wir uns selbst das Leben schwer machen – und natürlich davon, wie wir das stoppen können, um unser Dasein besser zu genießen. Wut, Angst, Ärger und Enttäuschung sind nicht immer zu vermeiden und unsere latente Angst und Verletzlichkeit sind sehr groß. Aber wir können Strategien entwickeln, um unserer überbordenden Fantasie Grenzen zu setzen und schneller aus dem Unglück herauszukommen.

Unseren Sorgen widmen wir alle viel Aufmerksamkeit. Um sich unglücklich zu fühlen, braucht es nicht viel. Manchmal reicht es, sich nur aufzusagen, was noch alles zu erledigen ist: Einkaufen, Kind abholen, Gespräch mit Kollegin führen, Mutter anrufen und und … und schon sind wir mies gelaunt, genervt, manchmal sogar verzweifelt. Aber das alles produziert unser Gehirn selbst. Immer wieder gehen uns die ewig gleichen Gedanken durch den Kopf: »Werde ich das denn schaffen?« oder: »Warum widerfährt mir so viel Unrecht?« So begeben wir uns in eine Abwärtsspirale der negativen, schlechten Gefühle und hindern uns daran, ausgeglichen und zufrieden zu sein.

Jeder Anlass, und sei es nur ein Gelächter am Nachbartisch, kann die schlimmsten Vorstellungen auslösen. Aber in der Regel sind die Dinge in der Realität viel harmloser als in unserer Fantasie.

Eine zweite »zuverlässige« Technik, mit der wir uns oft unglücklich machen, ist es, sich das in der Vergangenheit erlebte Unglück immer wieder vor Augen zu führen. Erlebtes Leid zu vergessen ist sehr schwer. Wir können es ja noch jetzt fühlen, es steckt noch in uns. Und je öfter wir an altes Leid denken, umso realer und gegenwärtiger fühlt es sich an. Aber es geschieht nicht, es ist vorbei und die äußere Realität hat sich längst gewandelt: Wir tragen ein anderes Kleid, schreiben ein anderes Jahr, leben in einem anderen Haus. Es existiert »nur« noch im Kopf als unsere »innere Realität«. Und die können wir ändern!

Beide Arten, sich selbst unglücklich zu machen, sind einander rein physiologisch sehr ähnlich: Unser Gehirn spielt uns einen Streich, indem es auf eine gedachte Geschichte wie auf ein echtes Erlebnis reagiert. Diese Irrtümer zu durchschauen und ihnen etwas entgegensetzen zu können, davon handelt dieses Buch.

Trotzdem ist das Gehirn nicht nur ein »Miesmacher«, sondern bietet Schutz und ist Ratgeber, wenn wir rasch reagieren müssen. Und gleichzeitig ist das Gehirn auch der Ursprungsort aller guten Gefühle: Diese werden in der gleichen Region des Gehirns erzeugt wie die schlechten, nämlich im »limbischen System«. Der Teil, der für die guten Gefühle zuständig ist, heißt Nucleus accumbens. Ihn können wir beeinflussen, indem wir über das Bewusstsein neue Informationswege im Gehirn anlegen. Unser Gehirn ist nämlich unglaublich flexibel und lernfähig.

Die Freude steckt nicht in den Dingen, sondern im Innersten unserer Seele.Therese von Lisieux (1873–1897)

Wie Sie dieses Buch nutzen können

Als praktische Anwendungsfälle aus dem Leben erzähle ich Ihnen eine Reihe wahrer Erlebnisse und Geschichten, die ich von anderen, meist von Patienten, gehört oder selbst erlebt habe. An passender Stelle finden Sie für die jeweilige Situation hilfreiche Tipps. Diese Ratschläge können Sie auf viele Lebenslagen anwenden.

Zusätzlich finden Sie viele Übungen. Unter dem jeweiligen Titel steht eine Charakterisierung in Stichworten. Manche Übungen sind für den Notfall gedacht; sie brauchen oft nicht viel Zeit, sind meist leicht zu erlernen und wirken bei akuten Konflikten und Krisen. Es ist gut, zwei oder drei davon als festes Repertoire parat zu haben. Andere Übungen sind zwar schnell zu erlernen, sollten aber geübt werden, bevor Sie sie im Ernstfall einsetzen. Sie wirken gut im Umgang mit den Tücken des Alltags und stärken Ihre Selbstsicherheit. Manche Übungen erfordern einige Wiederholungen, sind dann aber sehr wirksam. Sie werden sogar in der Traumatherapie eingesetzt. Bei regelmäßigem Üben können Sie damit auf Dauer Ihre Stimmung stabilisieren.

Benutzen Sie dieses Buch, ganz wie es Ihnen am meisten Freude macht. Sie können alle Übungen durcharbeiten, ein- oder mehrmals. Sie können sich eine gerade passende Übung aussuchen oder Sie führen gar keine Übung aus, sondern amüsieren sich über die eine oder andere Geschichte, in der Sie sich wiedererkennen. Das kann Sie schon erleichtern und von dem Gedanken befreien, dass nur Sie so merkwürdiges Zeug denken oder tun.

Mein persönliches Repertoire, meine »innere Notfallapotheke«, enthält eine »Realitätsprüfung« (siehe ab >), in der ich mir die reale Situation vergegenwärtige. Außerdem umfasst sie Atemübungen (>) und die Übung »Innere Sicherheit« (ab >). Diese versetzt mich innerlich an meinen Lieblingsplatz. Je deutlicher das Bild wird, umso mehr Ruhe kehrt in mich ein.

Einleitung: vom Segen des Unglücks

Wozu die Angst? Woher die Wut? Hier erfahren Sie, woher diese unangenehmen Gefühle kommen, welche Funktionen sie in der Entwicklungsgeschichte des Menschen einst hatten und wozu sie in unserem heutigen Leben nützlich sein können. Und dann werden wir darangehen, sie besser in den Griff zu bekommen …

Das Gehirn und wie es für uns sorgt

Vielschichtig: vom Aufbau des menschlichen Gehirns

Wir kennen auf Erden kaum etwas Großartigeres als unser eigenes Gehirn. Es hat sich in Jahrmillionen entwickelt; manche seiner Teile sind nach uraltem Plan gebaut. Über diesen langen Schatten können wir nur schwer springen.

Die Amygdala (siehe Abbildung gegenüber) ist ein Teil unseres älteren Säugetierhirns und für Angst und Flucht zuständig. Man könnte ihr geradezu eine angstgesteuerte Feindseligkeit nachsagen. Sie ist der Teil des Gehirns, in dem die meisten jener Gefühle ihren Ursprung haben, die wir als negativ empfinden, weil sie unangenehm sind. Ich spreche von Angst und Wut sowie ihren zahlreichen Variationen und Mischformen. Die Amygdala bildet zusammen mit dem Nucleus accumbens das limbische System. Der Nucleus accumbens ist das Belohnungszentrum, das die meisten subjektiv angenehmen, positiven Gefühle erzeugt.

Um zu verhindern, dass die ängstliche Amygdala die Alleinherrschaft über unser Gehirn an sich reißt, ist es wichtig, durch gute Erfahrungen – und Erinnerungen an gute Erfahrungen – die Frontallappen zu stärken. Dort sitzt nämlich unser persönliches Denken. Der cinguläre Cortex hat mit Emotionalität, Lernen und sozialen Beziehungen zu tun. Er tritt dann in Aktion, wenn wir die Flexibilität und Lernfähigkeit unseres Gehirns nutzen wollen. Ein aktiver Frontallappen reduziert unsere Ängstlichkeit und bewirkt Gelassenheit. Wir können diesen Effekt durch positive Bilder erreichen, die uns bald zufriedener machen.

Die Zeichnung unten stellt unser Gehirn in stark vereinfachter Form dar. Um nicht zu sehr ins Detail zu gehen, betrachten wir nur die drei wesentlichen Bestandteile:

Den entwicklungsgeschichtlich ältesten Teil des Gehirns nennen wir

Stammhirn

oder

Reptilienhirn.

Wie schon der Name andeutet, sichert es unser nacktes Überleben. Im Ruhemodus sorgt es für so zentrale unwillkürliche Funktionen wie Atmung und Herzrhythmus, Hunger und damit Nahrungsaufnahme, für Verdauung, Bewegung und Fortpflanzung. Wird das Stammhirn aufgeregt, organisiert es auch unsere Notmaßnahmen, nämlich Flucht, Angriff oder Totstellen.

Der zweitälteste Hirnteil ist das

limbische System,

das für Fühlen und Empfinden zuständig ist. Hier sitzen die Mandelkerne (Amygdala), die alle hereinkommenden Sinnesreize blitzartig beurteilen und dann entsprechende Aufträge ans Stammhirn geben. Die Amygdala ist unser Angstzentrum. Von ihr gehen fast alle Reaktionen aus, die uns das Leben schwer machen. Aber manchmal rettet sie uns durchaus vor realen äußeren Gefahren.

Der entwicklungsgeschichtlich jüngste Teil unseres Gehirns ist das

Großhirn

(Cortex). Hier werden alle »höheren« Gehirnleistungen vollbracht, also die intellektuellen. Wichtig für unser Fühlen, Urteilen und Verhalten ist dessen vorderer Teil, der sogenannte präfrontale Cortex hinter der Stirn. Das Stirnhirn funktioniert allerdings nur, wenn wir uns im »Ruhemodus« befinden, also fern von realen oder eingebildeten Gefahren.

So tickt das Fühl- und Denkorgan

Alle Sinneseindrücke aus der Außenwelt, die unser Gehirn erreichen, durchlaufen bestimmte Kontroll- und Bewertungsstationen im Gehirn, meist die Amygdala oder einen anderen Punkt des limbischen Systems. Egal was wir hören, sehen, riechen, schmecken oder tasten – alles wird dort streng untersucht auf lebensgefährliche Bedrohungen, unüberwindliche Schwierigkeiten, starke oder schwache Gegner. Die Aktivität des limbischen Systems – und zwar im echten Gefahrenfall ebenso wie bei Fehlalarm – hat im Gehirn immer Vorfahrt. Das limbische System unterdrückt also schlicht unsere kognitiven Fähigkeiten! Das Reptiliengehirn übernimmt im Zweifel die Kontrolle.

Das kann recht unangenehm werden, wahlweise auch peinlich, denn bevor wir auch nur einen Gedanken fassen konnten, hat der mächtige ältere Hirnteil längst eine Reaktion aus seinem urtümlichen Repertoire befohlen. Viel Auswahl hat er dabei nicht: Angriff oder Flucht, Angst oder Wut oder notfalls Totstellen.

Wir beschimpfen also unser Gegenüber, brechen den Kontakt ab oder verfallen in tiefes Schweigen. Die Amygdala hat Gefahr gemeldet; unser Stammhirn befiehlt Angriff. Dann – nach einer Pause, in der der Adrenalinspiegel absinkt – setzt das Großhirn wieder ein und bewertet die Situation neu. Und vielleicht müssen wir uns jetzt entschuldigen.

Nebenbei gesagt wird hier deutlich, dass Angst und Wut fast dasselbe sind. Doch Angst macht uns hilflos (Totstellen oder, wenn möglich, Flucht) und Wut lässt uns handeln. Wenn wir als Kinder niemals lernen konnten, mit Wut umzugehen, weil es nicht gestattet war, wütend zu sein, haben wir als Erwachsene sehr darunter zu leiden. Wir richten unsere Wut gegen uns selbst oder sehr subtil gegen die anderen.

Erst wenn wir uns von der Situation distanziert haben und in der Lage sind, all das häufig irreale Negative auszuschalten, können wir die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass es gar nicht so schlimm oder sogar ganz nett ist, was uns da eben begegnet ist.

Das Gehirn ist die Schaltzentrale der guten Gefühle.

Doch leider neigt dieses Organ zu ein paar Winkelzügen, die verhindern, dass wir so glücklich sind, wie wir sein könnten. Wir nehmen sie hin – nicht weil uns diese Taschenspielertricks nutzen, sondern weil wir sie einfach nicht kennen. Stefan Klein (* 1965)

Tief in uns lauert der Säbelzahntiger

Das Gehirn: flexibel, leistungsfähig … rückständig

Unser gutes altes Denkorgan ist ein erstaunliches Erfolgsmodell – ein Wunderwerk, leistungsfähiger als jeder Computer. Aber im Kern erwartet es jederzeit urzeitliche Bedrohungen. Die Amygdala wacht ängstlich über uns, als wären wir noch heute von Säbelzahntigern und Mammuten bedroht. Und in manchen Menschen wacht sie ganz besonders aufmerksam.

Bei uns allen »produzieren« zwar die chemischen Botenstoffe (Neurotransmitter) die Gefühle, aber wie schnell jemand bereit ist, mit Angst, Flucht oder Angriff auf ein Geschehnis zu reagieren, hängt maßgeblich von seiner individuellen Vergangenheit ab. Das wissen wir immerhin, obwohl die komplizierten Zusammenhänge zwischen Gehirn, Psyche, Gefühlen und Lebensgeschichte erst zu einem winzigen Teil erforscht sind. Kommt uns etwas Bedrohliches in die Quere, kann das Gehirn äußerst nachtragend sein. Haben wir in früher Kindheit viel Stress erfahren, Verlassenheit und Ängste erleben müssen, bleiben wir anfälliger dafür, auf schwierige Lebenslagen mit Stresssymptomen zu reagieren. Die Stressbereitschaft ist dauerhaft größer als bei anderen, weil nicht nur die Amygdala aufbraust, sondern ihr auch die Erinnerungen recht geben: Das Leben ist gefährlich und das war es schon immer, denn wir haben viele schreckliche Dinge erlebt.

Derartige Komponenten stecken in unserer Persönlichkeit und die ist eindeutig mehr als die Summe ihrer bekannten Teile, mehr als alle messbaren Gehirnfunktionen zusammen. Das beschreibt eindringlich der junge amerikanische Philosoph und Kognitionswissenschaftler Alva Noë in seinem Buch »Du bist nicht dein Hirn«, einer leidenschaftlichen Kritik an der Hirnforschung (Buchtipps siehe ab >).

Warum wir manchmal das Unglück lieben

Hungrige Bärenmütter, giftige Kräuter oder auch feindliche Stämme stellen in unserem heutigen Alltagsleben zu vernachlässigende Gefahrenquellen dar. Vor den meisten dieser Bedrohungen müssen wir nicht mehr gewarnt werden. Trotzdem haben wir einen Gewinn davon, dass wir uns auf die Gefahr fokussieren. Wir führen diesen prähistorischen Zustand fort, auch und vielleicht besonders in unseren Beziehungen. So bekommen wir einfach mehr Aufmerksamkeit (siehe ab >). Das ist durchaus ein Gewinn, sozusagen ein »Glück im Unglück«, wenn auch kein erstrebenswertes.

Oft erzählen mir Patienten, wie liebevoll sich die Eltern um sie gekümmert haben, wenn sie krank waren. So bekommt meine Freundin Marlies noch heute leuchtende Augen, wenn sie an ihre Scharlacherkrankung zurückdenkt. Sie war damals vier Jahre alt und ihre Mutter war mit dem dritten Kind schwanger. Scharlach galt als sehr gefährlich für Schwangere, und die kleine Schwester sollte auch nicht angesteckt werden. Deswegen kam Marlies in Quarantäne. Das heißt, sie wurde bei der Oma untergebracht, die oben in der ersten Etage des Elternhauses wohnte. Jeden Morgen, gleich nach der Frühmesse, kam Tante Maria vorbei und las aus einer Sammlung von Heiligenlegenden vor – die katholische Kirche hat bestimmte Heilige für jeden Tag des Jahres. Für Marlies war dies der erste Fortsetzungsroman ihres Lebens und sie war jeden Morgen gespannt auf den weiteren Verlauf. Vielleicht stammt der leicht morbide Humor, den ich an ihr so mag, von den Märtyrergeschichten ihrer Scharlachzeit.

Die Oma versorgte sie bestens, schimpfte nicht wie sonst mit ihr und trug sie ab und zu zum Treppenabsatz, von wo aus sie der Mutter und der kleinen Schwester zuwinken konnte. Dabei fühlte sie sich wichtig – fast wie eine Prinzessin. Abends, zur Krönung des Tages, setzte sich noch der sonst immer viel beschäftigte Vater an ihr Bett, plauderte mit ihr und erzählte ihr ein Märchen.

Sind also ausgerechnet Kranksein oder Unglück etwa erstrebenswerte Zustände?! Natürlich sind sie das, gar keine Frage. Diese liebevolle Aufmerksamkeit, die intensive Versorgung und Unterstützung bekommen wir niemals, wenn wir rundum gesund sind! Aber abgesehen davon, dass wir ja gar keine Hilfe brauchen, wenn es uns gutgeht: Wollen wir den Preis dafür wirklich zahlen? Wollen wir in der ersten Etage im Bett liegen, wie fein auch immer umsorgt, wenn im Parterre das bunte Leben vorüberzieht?

Was tun für ein glücklicheres Leben?

Obwohl sie es als anscheinend einsichtige Erwachsene rational längst besser wüssten, sind viele Menschen geradezu manisch auf ihr Unglück fixiert. Sie ziehen ihren Gewinn daraus, weil sie gar nicht gelernt haben, dass Freude ein viel direkterer Gewinn ist und uns außerdem gesund hält. Kennen Sie das von sich?

Dann ist es Zeit, etwas zu unternehmen. Wechseln Sie Ihre Perspektive! Dafür gibt es hier gleich eine erste Übung.

Zu meinem persönlichen Alltagsunglück zählt schlechtes Wetter. Es schlägt mir wirklich aufs Gemüt. Ich werde richtig wütend, wenn jemand behauptet, es gäbe kein schlechtes Wetter, sondern nur falsche Kleidung. Besserwisser, gefühllose! Zum Thema Sauwetter empfehle ich die folgende Übung.

Schlechtwetterausflug

◦ Einsteigerübung

◦ Versöhnt mit Wind, Wetter und der Welt

◦ Macht Spaß und ist gesund

Draußen ist es düster, grau und feucht – das Wetter, bei dem man den sprichwörtlichen Hund nicht vor die Tür schicken möchte. Die Kälte kriecht einem zwischen Haut und Pullover, sobald man nur aus dem Haus tritt. Lust auf eine neue Erfahrung? Also: Tee aufbrühen und in eine Thermoskanne füllen. Und dann wappnen sie sich für draußen – mit Freundin, Mann und Kindern, allen zusammen, in jeder beliebigen Kombination oder auch allein. Alle ziehen sich ganz warm an! Vielleicht haben Sie sogar einen Handwärmer oder einen Muff – schade, dass die aus der Mode gekommen sind. Nehmen Sie mit, was Sie jetzt draußen brauchen: eine Taschenlampe, den Lampion vom letzten Laternenzug, etwas Studentenfutter? Mütze nicht vergessen, Schal, Gummistiefel … So eingepackt und gerüstet verlassen Sie das Haus. Auf dem Weg ist es erlaubt, ein Lied zu singen, durch Pfützen zu platschen, das Gesicht in den Regen zu halten … Ihnen ist warm. Und das bisschen Sauwetter hindert Sie nicht daran, die Welt als angenehmen Ort zu erleben, an dem Sie sich geborgen fühlen.

Wann braucht man eine Therapie?

Dieses Buch soll ein Helfer für Sie sein, mit dem Sie den kleinen und mittleren Unbilden des Alltagslebens besser begegnen können. Es soll Sie dabei unterstützen, sich nicht alten, schwarzen Gedanken hinzugeben. Sie sollen in meinen Geschichten Ihren »ganz normalen Wahnsinn« wiedererkennen und sehen: Er ist absolut menschlich. Mithilfe der Tipps und Übungen sollen Sie den Teufelskreis des Negativen durchbrechen und den Schleifen von Unglück und Selbstmitleid entrinnen. Das geht nicht von heute auf morgen und in manchen Fällen genügt all das nicht.

Gebranntes Kind scheut das Feuer

Besonders ängstlich und verletzt reagieren unser Gehirn und unsere ganze Persönlichkeit, wenn uns im Leben, vor allem in unseren frühesten Jahren, viel reales Unglück widerfahren ist. Dann glauben wir zu wissen, dass unser angeborenes Misstrauen berechtigt ist, und im Stirnhirn, dem präfrontalen Cortex (siehe >), werden die Bewertungen, die die Amygdala vornimmt, dieser urtümliche, mächtige Teil unseres Gehirns, gar nicht mehr rational angezweifelt. Wir fühlen uns dann grundsätzlich unglücklich und sind hilflos diesem Gefühl ausgeliefert, das sich teuflischerweise laufend selbst bestätigt. Es scheint sich immer wieder zu bewahrheiten, weil wir einfach nicht über den Tellerrand blicken können.

Sehen Sie bei sich eine ähnliche Eigendynamik des Unglücks? Trifft diese Beschreibung in etwa auf Sie zu? Dann lassen Sie sich nicht einreden, Sie seien »nur zu empfindlich« und müssten sich endlich mal »ein dickeres Fell zulegen«. Menschen mit vielen schrecklichen frühen Erfahrungen haben einfach empfindliche Seelen. Vernachlässigung und Misshandlungen können seelische Folgen haben wie Depressionen, Panikattacken und Ängste sowie körperliche Auswirkungen, etwa Bluthochdruck oder Übergewicht.

Manche Patienten erkennen bei sich vielleicht schon rational einen Mangel an Urvertrauen, wissen aber noch gar nicht, was konkret hinter ihrem Leiden steckt, denn die schlechten frühen Erfahrungen können ganz unterschwellig und unauffällig gewesen sein und vor jeder Erinnerung begonnen haben. Misshandlungen sind ja beileibe nicht immer körperlich oder nach außen sichtbar. Aber die langfristigen Effekte verfestigen und verselbstständigen sich und sind nur mühsam und mit viel Ausdauer und Achtsamkeit zu heilen.

Brauchen Sie eine Begleitung?

Für die Bewältigung einer allzu belasteten Vergangenheit brauchen wir jemanden, der sich unsere Geschichte geduldig anhört – in aller Regel viele Male – und der Verständnis hat für unser akutes Elend. Wir brauchen jemanden, der uns hilft, endlich das zu verarbeiten und überwinden, was uns einst zugestoßen ist, der uns behutsam dabei begleitet, von diesem Unglück allmählich loszukommen ins erwachsene Leben der Gegenwart hinein.

Eine Therapie wirkt natürlich nicht so schnell wie eine Tablette bei Kopfweh. Sie ist ein Weg, den Sie gegebenenfalls selbst gehen müssen, und nichts, was jemand an Ihnen von außen vollbringen könnte. In der Zwischenzeit können Sie es auf jeden Fall mit diesem Buch versuchen. Wenn aber keine der Geschichten in meinem Buch Sie zum Lächeln bringt und keine der Übungen Ihre Stimmung ein wenig heben kann, auch nach mehreren Wiederholungen nicht, wenn Ihnen manche davon sogar eher Angst einflößen oder Beklemmungen verursachen, dann brauchen Sie wahrscheinlich eine Psychotherapie. Diese kann Ihnen für eine gewisse Zeit den sicheren Raum bieten, den Sie für diese Entwicklungsphase benötigen. Wie Sie die den richtigen Therapeuten oder die für Sie passende Gruppe finden können, wissen Ihr Hausarzt oder Ihre Krankenkasse (Adressen siehe >).

Die Versöhnung mit dem Säbelzahntiger

Warum wir es uns gut gehen lassen sollten – und können

Wir haben nun gesehen, dass die große Vorsicht, die unser Gehirn an den Tag legt, also seine latente Angst und Fluchtbereitschaft, nachvollziehbare Gründe aus der Vergangenheit hat. Der Hirnforscher Manfred Spitzer sagt, die lustigen, tanzenden Frühzeitmenschen habe damals schon der Säbelzahntiger oder ein anderes Monster gefressen. Von diesen Unvorsichtigen können wir also gar nicht abstammen. Er will damit sagen: Für einen permanenten Glückszustand ist unser Gehirn nicht angelegt. Glück ist immer ein kurzes, nicht alltägliches Gefühl. Als Dauerzustand ist es nicht zu haben, Zufriedenheit und Freude dagegen können wir zu unserem überwiegenden Lebensgefühl machen.

Mit jeder kleinen Übung kommen wir diesem Ziel näher, bis wir merken: Die realen Gefahren, die uns im Alltag begegnen, sind mit alltäglicher, geringer Wachsamkeit leicht zu bewältigen. Das Gute daran ist: Wir können unsere Aufmerksamkeit auf etwas anderes richten, nämlich auf das, was schön ist im Leben: nicht die großen Tage mit erhebendem Glücksgefühl, sondern all die kleinen Schätze des Alltags: Sonnenstrahlen, blühende Blumen, Lächeln, Spiele, gutes Essen, Arbeit, Hobbys, Laufen, unser Lieblingsbild an der Wand – öfter wechseln, das macht neue Freude –, eine Landschaft, Abende im Garten und und und …

Was spricht dagegen, glücklich(er) zu sein?

Immer wieder bin ich in Therapien verwundert, wie viel Widerstand Menschen gegen positive (!) Veränderungen leisten können. Das klingt dann etwa so: »Ich will mich ja ändern, aber ich kann nicht!« Daran mag etwas Wahres sein, denn Veränderungen sind schwer. Unsere Gehirnzellen haben per Synapsen-Verkabelung eine Schneise geschlagen, die dann routinemäßig befahren wird: Auslöser, Angst oder Wut, bekannte Reaktion, Resignation … Manchmal allerdings habe ich das Gefühl, es muss noch eine andere Erklärung geben. Nicht immer kann ich dem »Ich will ja, aber …« so recht glauben. Die gemeinsame Suche mit dem Klienten stößt oft auf ähnliche Klischees. Es ist tatsächlich eine Reihe von Vorbehalten gegen das Glück im Umlauf – die wir hier der Reihe nach aus dem Weg räumen.

Irrlehre 1: Glückliche Menschen sind oberflächlich

Das Unglück findet in unserem Leben ungleich mehr Beachtung als sein Gegenteil. Tragödien und Katastrophen sind doch tief, schicksalhaft, interessant und geheimnisvoll. Oder? Glücklich zu sein und dankbar dafür zu sein ist aber nicht weniger interessant, wenn wir nur die richtigen Fragen stellen. Ich ärgere mich zum Beispiel manchmal, wenn in den Medien von Verbrechen berichtet wird, die sich angeblich mit der unglücklichen Kindheit des Täters erklären lassen. Wo sind die Sensationsberichte über Menschen, die als Kind misshandelt und vernachlässigt worden sind und aus denen trotzdem etwas geworden ist? Wie haben sie das gemacht? Was hat ihnen dabei geholfen, ihren Weg zu finden? Ist das nicht ebenfalls spannend?

Auch die Literatur, Belletristik ebenso wie Sachbücher, bevölkern vor allem unglückliche Menschen und tragische Gestalten, Bösewichter und ihre Opfer. Ich kenne nur einen Roman, der von glücklichen Menschen handelt: »Pallieter« von dem Flamen Felix Timmermans, entstanden 1916. Pallieter ist ein »Lebensgenießer« und er findet das keineswegs langweilig. Er genießt sein Glück, nicht eines, das er sich schwer verdient hätte, nein, es ist ein Glück, das er einfach hat. Und er weiß, dass er es hat. Raten Sie mal, welches Buch ich am öftesten gelesen habe.

Irrlehre 2: Zufriedenheit ist auf Dauer langweilig

Ein ähnlicher Einspruch gegen die Zufriedenheit ist der, sie sei doch irgendwie lau und durchschnittlich. Aber daraus sprechen nur Neid und unbefriedigte Sensationslust. Denn es ist keineswegs einfach und selbstverständlich, sich Zufriedenheit zu erarbeiten und aufrechtzuerhalten. Es braucht sogar viel Fantasie und Aktivität – am besten in einem Freundeskreis. Lesen Sie einmal das Buch »Sternhagelglücklich« von Christoph Koch über das Abenteuer, sein Glück zu suchen und festzuhalten.

Irrlehre 3: Die Glücklichen sind Egoisten

Ist es nicht eigennützig, sich immerzu darum zu kümmern, dass es einem gut geht? Diese Kritik ist blanker Unsinn! Egoisten sind doch genau die, deren Gedanken sich nur um ihr eigenes negatives Befinden drehen, womit sie liebend gern uns alle behelligen! Nachzudenken, wie wir den anderen bei ihrem Glück behilflich sein können, das könnte uns sehr glücklich machen.

Der gesunde und sich selbst verwirklichende Mensch erlebt Glück dann, wenn er anderen etwas geben kann. Stephan Lermer (* 1949)

Noch zufriedener macht es uns tatsächlich, Gutes zu tun. Das zeigt ein bekanntes Experiment aus der Hirnforschung: Es macht Menschen für einen Tag glücklich, wenn man ihnen etwas Geld schenkt. Länger macht es sie glücklich, wenn sie dieses Geld mit anderen teilen und zum Beispiel Freunde zum Essen einladen.

Irrlehre 4: Meine Eltern waren auch unglücklich

Kaum jemand weiß ganz genau, wie glücklich seine Eltern sind oder waren. Aber für manche Menschen ist das Unglücklichsein so etwas wie Treue zu ihren angeblich so unglücklichen Eltern.

Das kann seltsame Blüten treiben. In der Ausbildung hörte ich die Geschichte von einem begabten und erfolgreichen Chirurgen, der ein auffälliges Problem hatte: Körpergeruch aufgrund mangelnder Hygiene und ungewaschener Kleidung. Er wurde deshalb mehrfach ermahnt. Als es ihm nicht gelang, den Zustand dauerhaft zu ändern, machte er eine Therapie. Der Therapeut brauchte nicht lange, um gemeinsam mit ihm den Grund zu finden: Der Vater des jungen Mannes war ein Nichtsesshafter, ein »Berber«. Der Chirurg ließ ihm ab und an Geld zukommen, aber er schämte sich, seinem Vater »geschniegelt« zu begegnen. Er wollte ihm nicht das Gefühl geben, er, der Sohn, sei »etwas Besseres«.

Um ein gutes Leben zu führen, müssen wir das Unglück der Eltern unbedingt hinter uns lassen. Sie wollten doch, dass wir es einmal besser haben. Nehmen wir sie beim Wort! Und wenn wir unglücklich sind, hilft das niemandem. Wir sind selbst Erwachsene und haben ein Recht auf ein zufriedenes eigenes Leben!