Weiche Ziele - Robert Gernhardt - E-Book

Weiche Ziele E-Book

Robert Gernhardt

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Beschreibung

Mal melancholisch, mal heiter, mal nachdenklich und mal nur der reinen Komik verpflichtet durchstreift Robert Gernhardt die Gefilde des Allzumenschlichen. Meisterlich karikiert er körperliche Lust und Beziehungsfrust, verständliche Irrungen und manch lächerliche Verwirrungen. Dabei balanciert er leichtfüßig auf dem Hochseil seiner Sprachkunst und zaubert unnachahmliche Gedichte.

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Seitenzahl: 86

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Robert Gernhardt

Weiche Ziele

Gedichte 1984-1994

Fischer e-books

Weiche Ziele

1994

I Zu Paaren

Sehen und hören und fühlen und denken

Sieh, wie rasch sich Augen finden,

Arme lockern, Finger binden.

Hör, wie zart es Lippen treiben,

Zungen spielen, Wangen reiben.

Fühl, wie tief sich Menschen lieben,

Schenkel spreizen, Knie schieben.

Denk! wie hoch sie sich verschulden,

Herzen brechen, Seelen dulden.

Gelungener Abend

Kommst du mit rein?

Aufn Schluck Wein.

Setzt du dich hin?

Aufn Schluck Gin.

Bleibst du noch hier?

Aufn Schluck Bier.

Gehn wir zur Ruh?

Aufn Schluck Du.

Schweigen und Freude

Es ist viel Schweigen

zwischen Männern und Frauen.

Viel Fremdheit auch,

wenn sie einander beschauen,

und Kummer.

Es eint viel Freude

die, die sich lieben,

Frauen und Männer. Sie

lächeln und schieben

noch eine Nummer.

Die Vielfältige

Sehr vielfältig bist du, Schöne, du hast:

Zwei Beine, die einander sehr gleichen

und beide bis zu dem Boden reichen:

Du hast schöne Beine.

Zwei Arme, einen an jeglicher Flanke.

Sah ich je schmalere? Ich schwanke:

Du hast schöne Arme.

Zwei Brüste, jede mit Händen zu greifen,

Pfirsichen gleich, die im Halbschatten reifen:

Du hast schöne Brüste.

Zwei Augen, beide sehr grün und sehr wach.

Sie blicken so stark, und sie machen so schwach:

Du hast schöne Augen.

Zwei Männer, jeder an seinem Platz.

Der nennt dich Liebling, und der ruft dich Schatz:

Du hast schön dumme Männer.

Verdrehter Kopf

Das muß ich erst hinterfragen,

sagt der Kopf

Ich glaube, sagt die Liebe

Das kann ich nicht so stehenlassen,

sagt der Kopf

Ich vertraue, sagt die Liebe

Das wird mich Kopf und Kragen kosten,

sagt der Kopf

Ich liebe, sagt die Liebe

Und wenn alle so dächten wie du?

fragt der Kopf

Komm, sagt die Liebe

Ich weiß gar nicht mehr, wo mir der Kopf steht,

klagt der Kopf

Am Arsch, sagt die Liebe.

Zur Beherzigung

Man soll nicht hängen

sein Herz an Dinge,

an Tiere nicht

und nicht an Menschen.

Durch die Zeit sinken sie

wie Steine durchs Wasser.

Weh dem, der sich ihnen

verbunden.

Das Herz ist ein Falke.

Je freier, je höher

reißt es empor

aus dem Strudel der Zeiten,

was es ergreift,

ob Ding oder Wesen.

Wohl dir, wenn dich eines

mitreißt.

Stadtnacht

Mädchen, die zum Vögeln gehen

Nicht, daß sie gevögelt würden

Diese vögeln selber. Hürden

Überspringen sie gleich Rehen

Die dem Bock beweisen müssen

Daß er ungleich mehr genösse

Wenn er sich nur nicht verschlösse

Ihren Wünschen, ihren Küssen–:

Und so ward er denn genommen.

Morgens aber in den Städten

Sieht man stolz ins Zwielicht treten

Mädchen, die vom Vögeln kommen.

Die natürlichste Sache der Welt

Natürlich gibt es Wollust

Natürlich gibt's Begehren

Das wäre ja noch schöner

Wenn auch die zwei nicht wären

Wir wären ja verloren

Wenn uns die zwei nicht hätten

Und schwiegen ungeboren

In ungemachten Betten.

Fatum

Nicht anders als das Lamm zum Block

Nicht anders als zum Beil der Bock

Nicht anders als zum Spieß die Sau

Nicht anders geht der Mann zur Frau:

Mit Schmerz in den Gedärmen

Mit Zagen und mit Härmen

Mit furchtbarem Getue

Mit Angst um seine Ruhe

Mit inwendigem Brüllen

Und ohne eignen Willen.

So schmale Handgelenke

So schmale Handgelenke,

wie können die überhaupt eine Hand halten,

ohne andauernd abzubrechen? Die Frage

will mir schier den Verstand spalten.

So schmale Handgelenke,

sie lassen sich mit Daumen und kleinem Finger umfassen.

Sehe ich so schmale Handgelenke, dann kann ich

dieses Umfassen nur schwer unterlassen.

So schmale Handgelenke,

die in Fingern wie Reisig enden.

Sie knistern unter deinem Händedruck,

und du bist Wachs in diesen Händen:

Sie sind schon Danaergeschenke,

so schmale Handgelenke.

Bildnis des Künstlers als alternder Filou

Bist du bei mir,

fragt sie ihn.

Bist du wirklich bei mir?

Ich bin bei dir,

sagt er ihr.

Ich bin wirklich bei dir.

Er sagt wirklich:

Ich bin bei dir.

Als sie ihm sagte: schau nicht so

Ach Kind, ich hab nur diesen Blick,

doch den will ich dir schenken.

Ich werfe diesen Blick zurück

auf dich und mich und unser Glück,

mußt deinen Blick nicht senken.

Du gehst ja nun ein bißchen fort,

ich kann den Blick entbehren.

Die Zukunft ist ein dunkler Ort,

zum letzten Blick ein letztes Wort:

Da, nimm. Halt ihn in Ehren.

Bitte um Trennung

Ich muß dir weh tun, bitte hilf mir, ich

Muß dir jetzt sagen, bitte, sag du selbst,

Was du längst weißt, daß ich es sagen muß:

Es läuft nichts mehr.

Ich, bitte hilf mir, tu mir doch nicht weh

Und sag doch selbst, was ich jetzt sagen muß,

Daß nichts mehr läuft, was du doch wissen mußt:

Weil's nicht mehr läuft.

Siegfried

Zigmal den Verlust geübt,

manches Wässerchen getrübt.

Jede Trennung ernst gemeint,

schon mal auf Verdacht geweint.

Mich in Drachenblut gestählt

und dann trotzdem rumgequält,

als ich an der Quelle stand

und dein Pfeil die Stelle fand.

Das mir

Da mir die Liebste fortging,

war ich froh.

Ich trank und war

guter Dinge.

Ich lachte mit Freunden, und so

lief die Zeit ab.

Die, die mir blieb

fürs Erinnern.

Die, die ich hatte

zum Trauern.

Bis eine solche Gelegenheit wiederkommt,

das kann dauern.

Überraschung

Nach Jahr und Tag

dann wieder ein Brief

Die Handschrift schräg

und die Marke schief

und du wagst ihn gar nicht zu öffnen

Du drehst ihn um

Kein Absender drauf

So lange her

doch da ist er schon auf

Und du wolltest ihn gar nicht lesen

Dann liest du ihn doch

und denkst schon entspannt

Es wird ja weder Roß

noch Reiter genannt

Und die beiden kennst du persönlich

Da erwischt sie dich wieder

kalt diese Schrift

Sie teilt dir nichts mit

doch sie ist immer noch Gift

Und du schaffst es gerade zum Waschbecken.

Lang her

Vor Jahren schrieb ich ein Gedicht,

das versteh ich heute nicht:

Deiner Schritte auf der Treppe,

Schöne, Hämmern treibt den Nagel

mir in Herz und Eingeweide,

draus mein Hammer mächtig auffährt,

dich zu nageln, Schöne, die du

lächelnd eintrittst. Sorglos, da du

weißt, wie ganz und gar zuschanden

das Genagel meines Hammers

da wird, wo wir immer enden:

In der Zange deiner Lenden.

Wer kann, der will

Will keine Verlierer mehr sehn

Gehöre zu den Gewinnern

Wann ich selber zuletzt verlor?

Kann mich nicht erinnern:

Das begann in diesem Lokal

Wo ich so tierisch gut drauf war

Mann, hatten wir vier einen Spaß

Solange der Laden da auf war

Danach hätte ich heimgehen sollen

Statt dessen ging ich noch mit

Irgendwo haben wir Paul verloren

Da waren wir nur noch zu dritt

Axel, Beate und ich

Wir drei also rauf zu Beate

Was wir zwei von der einen wollten

Lass ich mal aus. Man rate

Er hat dann den Kürzeren gezogen

Mit dieser ganz linken Nummer

Versteht: Wenn einer klüger ist

Ist zwangsläufig einer dummer

Der Dumme war übrigens er

Das macht: Ich war einfach klüger

Es heißt doch: Der Klügere gibt nach

Und im Nachgeben blieb ich Sieger

Das ist nun schon elend lang her

Eine Woche? Zwei Wochen?

Ist egal, Karl. Mir steckt dieser Sieg

Auf jeden Fall noch in den Knochen:

Kann keine Verlierer mehr sehn

Gehöre zu den Gewinnern

Wann ich selbst zuletzt verlor?

Will mich nicht erinnern.

Jugendtreff in Kaiserslautern

Was weiß ein junger Mensch denn von Schultern?

Um nur von Schultern zu reden, nicht von Brüsten.

Lust mag so ein junger Mensch ja vielleicht haben -

Doch was weiß er von Lüsten?

Das junge Mädchen weiß nicht, was ihre Schulter bewirkt.

Der junge Mann weiß nichts damit anzufangen.

Er spürt vielleicht, daß es sie nach Berührung verlangt -

Doch was weiß er schon vom Verlangen?

Die Welt des jungen Menschen ist geheimnislos und flach.

Von denen da könnte niemand ertrinken.

Natürlich verschränken die sich hier wie anderswo -

Doch was wissen sie schon vom Versinken?

Kaiserslautern ist eine so häßliche Stadt.

Hier dürfte es nur Monster und Zombies geben.

Aber nicht die da, schön und so furchtbar lebendig -

Doch was weiß ich schon vom Leben?

In Mantua

Du siehst diese scharfe Frau,

sie geht über diesen Platz.

Du denkst, wie scharf die im Bett sein muß,

bei dem Gang.

Du hoffst, diese scharfe Frau

sei im Bett so stumpf wie ihr Typ.

Dich schmerzt, daß der die hernehmen darf

und nicht du.

Man hat dir erzählt, scharfe Fraun

sein im Bett schlicht katastrophal.

Du hast ihnen stets nur zu gern geglaubt,

diesen Stimmen.

Die hatten nie scharfe Fraun,

genausowenig wie du.

Denn hätten die scharfe Frauen gehabt,

wüßten sie:

Scharfe Frauen, die sind nicht scharf,

scharfe Fraun, die machen scharf.

Das macht die Liebe mit scharfen Fraun

so einfach.

Du hast das ja immer geahnt.

Nur schreckte dich die Gesellschaft

dieser schlichten Typen, die sich einfach das nehmen,

was du gern hättest.

Unzeitgemäße Verse

Ihm gesagt

In jeder Frau da steckt

ein Sexualobjekt.

Das muß der Mann erwecken,

sonst bleibt es in ihr stecken.

Ihr gesagt

Zu Frauen kommt man

wie zu Kindern,

paßt kurz nicht auf,

schon sind sie da,

sperren den Mund auf,

nicht daran zu hindern

zu nehmen. Wer je Frauen sah,

der weiß, daß ihre Fähigkeit

zu schlingen

die aller andern Wesen übersteigt,

weshalb der Mann,

wie unter großem Zauber,

den vollen Schnabel stets in

Frauen neigt.

Dem Paar gesagt

In hellen wie in heitern Tagen

soll eine froh die Lust des andern tragen.

Burschi

Niemals nie allein gewesen,

immer war da so ein Besen:

War da Frau, Geliebte, Mutter,

war'n da Socken, Liebe, Futter.

Sind da Uralt-Phantasien:

Burschi wird per se verziehen.

Niemand darf mit Burschi rechten,

Burschi aber alle knechten.

Da doch alle Burschi brauchen,

darf der vögeln, trinken, rauchen,

Darf sich mopsen, darf sich aalen,

ohne jemals zu bezahlen,

Darf bestrafen, darf beerben,

kann nur eines nicht: nicht sterben.

Superkräfte wär'n vonnöten,

wollte jemand Burschi töten,

Dreifach müßten die agieren,

sollte Burschi je verlieren,

Da je eine dieser Mächte,

Burschi lediglich leicht schwächte,

Und sie auch als Paar von Mächten

Burschi nicht zur Strecke brächten–:

Dreifach also. Muß ich sagen,

Welches Trio welcher Plagen

Burschi ins Verderben triebe?

Richtig: Futter, Socken, Liebe.

Das Hohelied vom Heimlichtun

Wie lieb' ich dich

O Heimlichtun

Wie bist du mir verhaßt

Wie schwindelt mir in dieser Höh'

Wie gern säg' ich am Ast

Wie selig ich

Den Schwindel spür'

Wie fürcht' ich mich vorm Fall

Wie süchtig ich die Säge führ'

Wie wart' ich auf den Knall.

Paargesang

Was mir gehört

Was dir gehört

Wir scheren uns nicht drum