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Riley kann es kaum erwarten, die Feiertage mit ihrer Familie am Lake Michigan zu verbringen. Doch ihr Freund Franklin hat andere Pläne und lässt sie unerwartet im Stich. Entschlossen, sich die festliche Stimmung nicht verderben zu lassen, macht sich Riley allein auf den Weg nach Santa's Cove – einem zauberhaften Weihnachtsdorf voller Lichter und Geheimnisse.
Zu ihrer Überraschung schließt sich Franklins bester Freund Cameron ihrer Reise an, um nicht allein zu sein. Während sie das malerische Dorf erkunden, kommen sich Riley und Cameron langsam näher. Doch die Schatten der Vergangenheit verfolgen Riley, und plötzlich taucht Camerons Ex-Freundin auf, die ihn zurückgewinnen will.
Inmitten von funkelnden Lichtern und schneebedeckten Straßen spielt der Weihnachtsmann mit den strahlend blauen Augen eine entscheidende Rolle. Wird er Riley und Cameron dabei helfen, ihre Zweifel zu überwinden und das wahre Weihnachtsglück zu finden?
Erlebe ein Fest voller Romantik, Überraschungen und einem möglichen Happy End unter dem Weihnachtsbaum!
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Lotte R. Wöss
Über das Buch:
Weihnachten in Santa’s Cove: Ein magischer Neuanfang
Riley kann es kaum erwarten, die Feiertage mit ihrer Familie am Lake Michigan zu verbringen. Doch ihr Freund Franklin hat andere Pläne und lässt sie unerwartet im Stich. Entschlossen, sich die festliche Stimmung nicht verderben zu lassen, macht sich Riley allein auf den Weg nach Santa's Cove – einem zauberhaften Weihnachtsdorf voller Lichter und Geheimnisse.
Zu ihrer Überraschung schließt sich Franklins bester Freund Cameron ihrer Reise an, um nicht allein zu sein. Während sie das malerische Dorf erkunden, kommen sich Riley und Cameron langsam näher. Doch die Schatten der Vergangenheit verfolgen Riley, und plötzlich taucht Camerons Ex-Freundin auf, die ihn zurückgewinnen will.
Inmitten von funkelnden Lichtern und schneebedeckten Straßen spielt der Weihnachtsmann mit den strahlend blauen Augen eine entscheidende Rolle. Wird er Riley und Cameron dabei helfen, ihre Zweifel zu überwinden und das wahre Weihnachtsglück zu finden?
Erlebe ein Fest voller Romantik, Überraschungen und einem möglichen Happy End unter dem Weihnachtsbaum!
Die Autorin:
Lotte R. Wöss, geboren 1959 in Graz, absolvierte nach der Matura die Ausbildung zur Diplom-Krankenschwester.
Schon als Kind schrieb und dichtete sie, es folgten Artikel und Gedichte für kleine Zeitungen, doch erst im reiferen Alter fand sie zurück zu ihrer Leidenschaft, dem Schreiben, und veröffentlichte ihren Debütroman »Schmetterlinge im Himmel« als Selfpublisherin. Mittlerweile hat sie zahlreiche Liebesromane, Krimis und auch Kurzgeschichten veröffentlicht, sowohl als Selfpublisherin als auch in Verlagen.
Ihr bevorzugtes Genre bleiben aber Liebesgeschichten mit Tiefgang. Die Entwicklung, die ein Mensch machen kann, die Möglichkeit, an sich selbst zu arbeiten und einen Reifeprozess durchzumachen – das ist für Wöss Thema Nummer eins.
Lotte R. Wöss
Magic Christmas 7
Liebesroman
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
August © 2025 Empire-Verlag
Empire-Verlag OG, Lofer 416, 5090 Lofer
Ansprechpartner: Thomas Seidl
Carolin Wenner
https://www.die-zeilenschleiferei.de/
Korrektorat: Heidemarie Rabe
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Cover: Chris Gilcher
https://buchcoverdesign.de/
Illustrationen: Adobe Stock ID 438771716, Adobe Stock ID 281923508, Adobe Stock ID 130423688
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Riley
»Was soll das heißen, du kommst nicht mit?« So musste es sein, wenn der Himmel einstürzt. Riley blickte vom Treppenhaus durch die offene Tür in den Wohnraum der Familie Montgomery. Es roch nach gebratenem Truthahn, der regelmäßig zu Thanksgiving serviert wird. Dolores, die mexikanische Bedienstete der Montgomerys, rannte gerade zum dritten Mal bei ihnen vorbei, dieses Mal mit einer Schüssel Süßkartoffelpüree.
Franklin trat von einem Bein aufs andere und wirkte nervös. Das war untypisch für ihn. Normalerweise war er beherrscht und gelassen, ein durch und durch professioneller Anwalt. Das schätzte sie an ihm, dass er Ordnung in ihr Leben brachte. Als sie in New York angekommen war, hatte er sie sofort in seinen Bann gezogen und in seine Welt entführt. Die Welt der Reichen und Sorglosen, die lebten und nicht ständig darüber nachdachten, ob sie sich etwas leisten konnten oder nicht.
»Sieh mal«, flüsterte er mit Blick auf die offene Zimmertür, »ich hasse die Kälte in Michigan. Und das Weihnachtsgetue, das deine Familie abzieht. Außerdem …«
»Ach, ihr beiden Turteltäubchen!«, trällerte es an ihrem Ohr. »Könnt wieder nicht die Finger voneinander lassen. Herein mit euch, sonst wird der Truthahn kalt.« Franklins Mutter trat in die Tür. Sie trug eins ihrer teuren Chanel-Kleider, das sich eng an ihren Körper schmiegte sowie eine schwere Goldkette um den Hals, Creolen an den Ohren und eine Reihe Armreifen und Ringe an Armen und Händen. Riley biss sich auf die Lippen, um Franklins Mutter nicht mit scharfen Worten fortzuschicken.
Das gehörte sich nicht. In diesem Haus der Upperclass hatte man sich zu benehmen und unflätige Bemerkungen wurden nicht geduldet. Das war vermutlich auch der Grund, weshalb Franklin genau jetzt die Bombe hatte platzen lassen. Denn er wusste, dass sie ihm hier keine Szene machen konnte.
Dabei hatte sie die allergrößte Lust, genau das zu tun.
»Wir reden später weiter.« Franklin legte den Arm auf ihren Rücken und leitete sie mit sanftem Druck Richtung Wohnraum. Seine Mutter hatte sich bereits umgedreht, sie war sich offenbar sicher, dass sie nachkommen würden.
Der Tisch war festlich für zehn Menschen gedeckt und der weitläufige Raum mit Girlanden geschmückt. Bunte Zierkürbisse lagen über die riesige Tafel verteilt, das orangefarbene Tischtuch passte farblich zu den Tellern, die Servietten waren in Form von Vogelscheuchen gefaltet. Überall brannten Teelichter in thematisch passenden Dekogläsern. Riley, die eine Vorliebe für Dekorationen hatte, wäre normalerweise entzückt gewesen, stattdessen konnte sie nur daran denken, dass Franklin zu Weihnachten nicht an ihrer Seite sein würde. Wie sollte sie das ihren Eltern erklären? Und was bedeutete das für ihre Beziehung?
»So, nun sind unsere Lieben auch endlich hier. John, du kannst den Truthahn anschneiden.«
Das Aufschneiden des Truthahns war eine Tradition im Haus Montgomery und wurde dementsprechend zelebriert.
»Riley, Riley!« Gillian, vier Jahre alt und das einzige Enkelkind von John und Brooke, sprang auf Riley zu. Sie umarmte die Kleine fest, die Einzige in dieser Runde, die ihr herzlich entgegenkam. Gilroy, Franklins Bruder, und Gabriella, seit sieben Jahren verheiratet, nickten ihr mit stoischen Mienen zu. Jeffrey, Franklins jüngerer Bruder, grinste anzüglich, Franklins Tante Olivia und sein Opa sahen nicht mal hoch. Franklin setzte sich schweigend auf seinen Platz.
War sie naiv, nach fünf Jahren Beziehung auf einen Heiratsantrag zu hoffen? Oder war Franklins Weigerung, sie nach Santa's Cove zu begleiten, seine Art, mit ihr Schluss zu machen? Ihre Gedanken kreisten in ihrem Kopf und sie hätte Franklin am liebsten am Ärmel gepackt und zu einer Aussprache unter vier Augen gezerrt. Irgendwohin.
»Ist es nicht wundervoll? Unsere Dolores hat sich wieder selbst übertroffen!« Franklins Mutter Brooke deutete auf die Dekoration und den Tisch. »Sie ist ja so ein Schatz. Ach, Honey«, wandte sie sich an den ›Schatz‹, »sieh mal, die Girlande da drüben hängt schief, ziehst du sie gerade? Und bring bitte noch die Preiselbeeren.«
»Natürlich, Mrs. Montgomery.« Dolores eilte zu besagter Girlande, doch sie war zu klein, um sie wieder an den Platz zu hängen. Ohne nachzudenken stand Riley auf und befestigte das gute Stück an dem vorgesehenen Haken.
»Riley, du sollst doch das Dienstpersonal nicht so verwöhnen.« Brookes Tonfall war weiterhin der hohe Singsang, übertrieben liebenswürdig, dennoch klang unter der Seide die Härte durch. »Ich weiß, dass du das von deinem Familienhintergrund nicht gewöhnt bist, aber es ist wichtig, dass wir hier nichts durcheinanderbringen. Würden wir alle so handeln, verlören wir das letzte bisschen Autorität.«
»Natürlich. Es tut mir leid«, murmelte sie, obwohl sie das Gegenteil meinte. Franklins Eltern waren entsetzliche Snobs. Das Verhältnis zu seinen Eltern war distanziert, sie trafen sich nur selten in der Stadt auf ein gemeinsames Mittag- oder Abendessen. Lediglich das Thanksgivingdinner war Tradition.
Genauso wie der Weihnachtsrummel in Rileys Familie. Sie hatte geglaubt, dass Franklin die zwei Wochen in Santa's Cove Spaß machen würden. Anscheinend weit gefehlt.
»Wo bleibt denn Anna?«, fragte der Opa, ein kleines Männchen, das man in einen zu großen Anzug gesteckt hatte. »Kommt Anna heute später?«
»Ach, Dad, Sweetie! Mom ist doch gestorben, erinnerst du dich? Sie hatte eine Infektion, musste ins Krankenhaus und lag dann im Koma.« Der Singsang von Brookes Stimme nervte Riley bereits. Wie sollte sie das ein ganzes Wochenende ertragen?
Den Tod seiner Frau vergaß Franklins Opa oft. Seit sie nicht mehr war, lebte er im Seniorenstift. Riley fühlte mit dem alten Mann, der sich nicht nur an den Verlust seiner Frau, sondern zusätzlich an eine neue Umgebung hatte gewöhnen müssen. Ihre eigene Granny lebte bei ihren Eltern im Haus. So hätte es auch der reiche Montgomery handhaben können. Weiß der Geier, warum er es seinem Schwiegervater nicht ermöglichte.
»Dad, du musst dich einfach nur konzentrieren, damit kriegst du deine Demenz in den Griff.« Brooke wandte sich an Olivia. »Es wird schlimmer mit dem Armen. Man kann nichts dagegen tun.«
»Leider«, bestätigte die Tante, eine verwitwete Schwester von John. Sie wirkte neben dem Opa wie eine Matrone, brachte bestimmt an die zweihundertfünfzig Pfund auf die Waage.
Der Appetit war Riley ordentlich vergangen, ihre Bitte um eine kleine Portion war ignoriert worden. Sie starrte auf das riesige Stück Fleisch, von dem die Soße tropfte, daneben eine Portion Backkartoffeln und Süßkartoffelpüree. Während alle anderen begeistert aßen, saß sie immer noch vor ihrem unberührten Teller.
»Bist du krank, Riley?«, fragte Olivia und tastete mit wurstigen Fingern nach ihrer Stirn. »Fieber ist es nicht. Kind, du musst essen, bist ohnehin viel zu dünn.« Da sie von sich selbst ausging, musste sie das natürlich sagen. Pflichtschuldig griff Riley zu ihrem Besteck und fing einen ärgerlichen Blick von Franklin auf, der ihr schräg gegenübersaß. Wie üblich war ihr Platz am Ende der Tafel, ein subtiler Hinweis darauf, dass sie kein vollwertiges Familienmitglied war. Immerhin duldete man sie. In ihrem ersten Jahr mit Franklin hatte sie erwartet, dass man sie nicht mit offenen Armen aufnehmen würde: der erfolgreiche Anwalt aus reichem Haus und sie, das Mädchen vom Land, das in New York als Praktikantin arbeitete.
Nach mittlerweile vier Jahren in der Eventagentur Sunshine war sie zur rechten Hand der Chefin Elvira aufgestiegen, die ihr jeden Tag zu verstehen gab, wie sehr sie ihre Arbeit schätzte. Dennoch blieb sie für die Familie ›Franklins kleine Freundin‹, die zwar übertrieben freundlich, doch mit Distanz behandelt wurde. Mit Todesverachtung begann sie zu essen, das saftige Fleisch verwandelte sich in ihrem Mund zu einer zähen Masse, die sie von einem Mundwinkel zum anderen schob. Wie konnte sie Franklin überzeugen, dass er seine Meinung änderte? Das Weihnachtsfest in Santa's Cove war eine einmalige Sache, die ganze Familie kam zusammen. Der gesamte Ort feierte und das verschlafene Nest wurde einmal im Jahr zur spektakulären Schaubühne für zahlreiche Attraktionen. Sie nahm sich extra immer zwei ganze Wochen frei, in den letzten beiden Jahren war Franklin dabei gewesen. Ihr war nicht entgangen, dass er sich vor fast allen Aktionen gedrückt hatte und vor seinem Laptop im Zimmer geblieben war.
War es ihm so eine Qual gewesen? Sie schluckte einen Bissen. Er rutschte nur schwer den Hals hinunter.
»Ich habe gehört, dass du die Wetherby-Hochzeit organisierst?« Tante Olivia hatte keine Probleme, sich einen überdimensional großen Bissen Truthahn einzuverleiben. Während sie mit dicken Backen kaute, musterte sie Riley erwartungsvoll.
»Meine Agentur«, schränkte sie ein, »ich bin Teil des Teams.« Niemals hätte eine Person allein ein Event dieses Ausmaßes ausrichten können. Es wurden fünfhundert Gäste erwartet, die Braut war die einzige Tochter des Milliardärs Walt Wetherby und der Bräutigam war der bekannte Schauspieler Mitch Wendell.
»Wie ist Mitch Wendell privat? Ach, ich beneide dich ja so, dass du ihn kennenlernen durftest«, flötete Brooke.
»Ich habe ihn nur kurz gesehen.« Tatsächlich hatte sich das Brautpaar ausschließlich mit Elvira unterhalten.
»Schade.« Olivia beugte sich zu ihr. »Aber irgendetwas Vertrauliches wirst du schon wissen?«
»Selbst wenn, würde ich es nicht weitertratschen«, erwiderte sie scharf. »Unsere Agentur käme sofort in Verruf, würde ich Interna ausplaudern.«
»Meine Güte, keinen Grund dermaßen zickig zu reagieren.« Olivia schaufelte sich eine Gabel voll Süßkartoffelpüree in den Mund. »Du solltest dich glücklich schätzen, dass wir dich bei uns akzeptieren. Da ist gutes Benehmen das Mindeste.«
»Tante Olivia, Riley hat es nicht so gemeint«, besänftigte Franklin seine Tante. Riley stieß ihm ihren Schuh ans Schienbein. Er verzog schmerzhaft das Gesicht, was sie mit Genugtuung erfüllte. Sein Blick war mörderisch, aber sie war nicht minder wütend. Wie konnte er ihr dermaßen in den Rücken fallen? Sie war nicht dazu da, seine sensationslüsterne Tante zu befriedigen.
Dolores kam und brachte eine weitere Schale mit Kartoffeln.
»Dolores, das ist dir heute exzellent gelungen«, trällerte Brooke. »Mit dem Salz hättest du ein wenig großzügiger sein können, aber die Kruste ist dafür geglückt, wenn sie auch einen Tick krosser hätte sein können. Oder, John?« Sie stieß ihren Mann in die Seite.
»Wirklich ausgezeichnet«, beeilte sich dieser zu sagen. Dolores lächelte, es wirkte ein wenig gequält. Die Angewohnheit, ein Lob mit einem Tadel zu verbinden, war sie vermutlich gewöhnt. Das bedeutete aber nicht, dass es sie nicht traf. Riley ärgerte sich wieder einmal über Brooke. Am liebsten hätte sie die arme Frau getröstet, sodass die nächste Frage sie komplett aus ihren Gedanken riss.
»Riley, darf man gratulieren? Hast du die Beförderung erhalten?« Die Frage kam von Gilroy und klang gelangweilt, als würde ihn die Antwort nicht interessieren.
»Beförderung?«
»Franklin hat erzählt, dass du bald stellvertretende Leitung sein wirst. Das ist wunderbar.« Gabriella sprach gespielt enthusiastisch.
»Aber …«
»Sie ist tüchtig, meine Riley.« Franklin kam ihr zuvor und nickte ihr über den Tisch hinweg zu. »Die Beförderung ist nur noch reine Formsache.«
Keine Ahnung, was ihr schwerer im Magen lag. Das Essen selbst, obwohl sie den Nachtisch, den üppigen Erdnussbutterkuchen, abgelehnt hatte, oder die Gesellschaft.
»Was fällt dir ein, von einer Beförderung zu sprechen?« Riley hasste Lügen. Sie war stolz auf ihren Job, aber sie war lediglich ein Teammitglied und hatte keine führende Position. Das war mit siebenundzwanzig auch verfrüht.
»Riley, du arbeitest seit vier Jahren bei Sunshine-Events. Und du bist doch nicht schlecht.«
»Ich bin gut. Elvira schätzt mich sehr.«
»Eben.« Er zog sie an sich. »Darling, ich weiß, meine Familie ist anstrengend. Aber du könntest dich für die wenigen Male auch ein bisschen zusammenreißen.«
Sie schob ihn fort. »Wie bitte? Du erfindest eine Beförderung …«
»Na und? Sie werden kaum in deiner Agentur nachfragen. Du weißt, wie wichtig meinen Eltern ist, dass du passt. Und Elvira wollte dir doch eine Partnerschaft anbieten.«
»Seit sie verliebt ist, hat sie es nicht mehr erwähnt.« Sie musste schlucken. »Grant beeinflusst sie. Bin ich ohne Beförderung unpassend?«
»Für mich nicht.« Erneut zog er sie an sich und küsste sie. Doch sie war zu verdrossen, um auf seine Liebkosungen eingehen zu können.
»Franklin, hast du es ernst gemeint?«
»Was denn?«
»Dass du nicht mitkommen willst.«
»Ja.« Es klang hart. Er löste sich von ihr und trat zum Fenster. »Ich hasse die Kälte und dieses Weihnachtstrara bei euch. Und deine Familie, die so aneinanderhängt, als hätten sie Klebstoff an Händen und Füßen.«
»Wie bitte?« Ein Kloß machte das Schlucken unmöglich. »Hier ist es schließlich nicht wärmer und Weihnachten gibt es auch in New York.«
»Ich wollte dieses Jahr eben mal was anderes machen. Es sollte eine Überraschung sein, aber«, er ging zu seiner Reisetasche und holte zwei Flugtickets heraus, »wir fliegen nach Florida. Na, was sagst du?« Er strahlte sie an, als hätte er ihr die Welt zu Füßen gelegt.
Riley blieb das Wort im Hals stecken. Entsetzt starrte sie auf die Karten, mit denen er vor ihrem Gesicht herumwedelte.
»Da staunst du, Darling! Ist mir die Überraschung gelungen? Ja oder ja?« Er ließ die beiden Mäppchen auf den Boden fallen, trat zu ihr und hob sie hoch. »Hat es dir die Sprache verschlagen vor lauter Glück? Und das Beste ist, wir fliegen gerade mal drei Stunden hin, das ist halb so lang wie wir nach Michigan brauchen. Und wir sind in der Sonne statt im Schnee.« Er stellte sie wieder auf den Boden und wollte sie küssen, doch sie wand sich aus seinen Armen.
»Das geht nicht.« Sie bemühte sich um Ruhe, obwohl ihre Wut fast überkochte und sie ihn am liebsten angebrüllt hätte. »Ich sehe meine Familie kaum. Wir haben den Kompromiss geschlossen, dass wir Thanksgiving bei deiner Familie verbringen und Weihnachten bei meiner.«
»Darling, du kannst doch nicht ernsthaft ein Wochenende mit zwei Wochen im eiskalten Santa's Cove vergleichen!« Er fuhr sich durchs Haar, sodass es nicht glatt auflag, wie sonst. Da er direkt vor einer Lampe stand, leuchtete es hell. »Glaube mir, die Keys werden dir gefallen! Und im nächsten Jahr fliegen wir von mir aus wieder nach Michigan. Es ist nur fair, wenn ich auch einmal auf meine Kosten komme.«
»Ich kann meine Eltern nicht enttäuschen.« Sie hatte Franklin schon oft erklärt, dass Weihnachten in Santa's Cove zum fixen Bestandteil ihres Jahres gehörte. Zwei Wochen, in denen sie sich wie früher fühlte und ihre Karriere egal war. Und natürlich wollte sie ihre Familie wiedersehen. Seit ihrem überstürzten Aufbruch gleich nach dem furchtbaren Vorfall kam sie nur zweimal im Jahr nach Santa’s Cove: im Sommer und zu Weihnachten.
Um diese Zeit wurde ihre Vergangenheit vom Weihnachtsglitzer überstrahlt.
»Darling«, er zog sie an sich, »überlege es dir. Die Tickets lassen sich stornieren. Wenn du wirklich unbedingt dorthin willst, buche ich den Flug auf Chicago um, kein Problem. Ich möchte nur, dass du ein bisschen drüber nachdenkst.« Er drückte sie an sich. »Frieden? Lassen wir uns doch den schönen Abend nicht verderben.« Nah an ihrem Ohr raunte er: »Und die Nacht.«
Cameron
Cameron sah zum wiederholten Mal auf die Uhr. Er würde wieder zu spät kommen. Aber Unfälle passierten nicht zu festgelegten Zeiten.
»Cam, schnell.« Jennifer winkte ihn hektisch herbei, was selten vorkam. Er eilte in den Behandlungsraum. Überall war Blut, ein kleines Kind lag auf der Liege, der Notarzt hängte gerade eine Infusionsflasche um. »Messerattacke vom Stiefvater«, informierte er knapp. »Mehrere Stichwunden an Armen und Beinen.«
Cameron atmete tief durch, damit ihn die Wut nicht übermannte, die beim Anblick der Stichwunden in ihm aufloderte. Es war schrecklich, dass ein Mann einem Kind so etwas antat. Er schaltete in seinen professionellen Arztmodus und versorgte die Wunden. Der kleine Junge wurde in den OP geschoben. Die Anästhesistin erschien und versetzte den Kleinen in Tiefschlaf, sodass Cameron in Ruhe arbeiten konnte.
Nach einer Stunde setzte er die letzte Naht, und Jennifer entfernte die Blutspuren, ehe sie die Verbände anlegte.
»Ist das Jugendamt verständigt?«
»Natürlich. Aber du weißt, wie das abläuft. Die Mutter wird versichern, dass das eine einmalige Sache war und sie den Kontakt zum Freund ohnehin schon abgebrochen hat. Die völlig überarbeitete Amtsperson wird zufrieden wieder abziehen.«
»Diesmal nicht.« Er schüttelte heftig den Kopf. »Das Kind hätte verbluten können, wäre es nicht rechtzeitig gebracht worden. Ich rede mal mit der Mutter.«
»Sie sitzt draußen.«
Im Wartebereich saßen trotz der Abendstunde zahlreiche Patienten und Angehörige. In der Notaufnahme war immer was los. Cameron entdeckte die Frau etwas abseits von den anderen auf einem der Plastikstühle, sie spielte mit ihrem Handy.
»Hallo, ich bin Doktor Clark«, stellte er sich vor. Die Wanduhr zeigte halb neun. Allyson würde ihm eine gewaltige Szene machen. Seit einer halben Stunde hätte er im Planters Inn sein sollen. Deswegen fiel seine Ansprache unkontrolliert heftig aus. »Ihr Sohn hätte sterben können.«
Sie blickte zu ihm auf, war höchstens zwanzig, mit Piercings in Nase und Lippen, ihre Haare in einem knalligen Rotton. Dass sie Kaugummi kaute, gab ihm den Rest.
»Er hat zahlreiche Stichverletzungen, die Arterie an seinem Bein wurde getroffen. Viel hat nicht gefehlt und er wäre verblutet. Wo waren Sie, während Ihr Freund ihn attackiert hat?« Er hätte mit ihr weggehen sollen, damit nicht alle zuhören konnten. Zu spät, sämtliche Augen waren auf sie gerichtet.
»Ich war«, sie zuckte mit den Schultern, »einkaufen. Meine Güte, machen Sie nicht so ein Drama! Richie hat überreagiert, aber der Kleine ist eine Nervensäge. Sie haben keine Ahnung, was der den ganzen Tag anstellt. Da ist es halt passiert, Richie hat das doch nicht gewollt.«
Für einen Moment war Cam sprachlos. Ein Raunen ging durch die Wartenden, sie schienen ebenso entsetzt wie er selbst.
Dann brüllte er die junge Frau an. »Er ist knapp drei Jahre alt, ein Kleinkind! Und körperliche Gewalt gegen ein Kind geht gar nicht. Ich werde dafür sorgen, dass Sie Ihren Sohn nicht wieder in Ihre Hände bekommen.«
Jetzt kam Leben in die Frau. Sie sprang auf und tippte mit dem Zeigefinger auf Camerons Brust. »Was fällt Ihnen ein, so mit mir zu reden? Bestimmt haben Sie keine eigenen Kinder und wissen nicht, wie sich die Kröten benehmen können. Ich werde Sie anzeigen.«
Cameron packte sie an den Schultern und drückte ihr seine Finger ins Fleisch. »Nichts, aber auch nichts rechtfertigt es, auf ein Kleinkind mit dem Messer einzustechen!«
»Hilfe, er greift mich an«, schrie sie schrill.
»Lass sie los, Cam.« Jennifer zog ihn zurück. Er ließ die Hände sinken.
»Sie sind meine Zeugin, er hat mich angegriffen.« Die Rothaarige drehte sich rundum. »Sie alle haben es gesehen.«
»Was mich betrifft, ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen«, sagte Jennifer streng. »Am besten Sie gehen nach Hause.«
Die Mutter kaute heftiger, sah sich um, doch alle senkten die Köpfe. Cameron war dankbar für die schweigende Unterstützung. »Was ist mit Charly? Ich will zu ihm.«
»Heute nicht mehr, er schläft. Und Sie tun gut daran, sich von diesem gewalttätigen Mann zu trennen«, riet ihr Jennifer.
»Richie hat einen kleinen Fehler gemacht, er ist sonst nicht so.«
»Hinaus, ehe ich Ihnen den Hals umdrehe«, fuhr Cam sie an. Sein Blick musste sie abschrecken, denn sie floh ohne weitere Worte.
»Ich beneide dich, dass du so ruhig reagieren kannst«, sagte Cam zu Jennifer.
»Ich bin auch schon ein paar Jährchen länger dabei als du.« Die ältere Schwester legte ihm die Hand auf die Schulter. »Überlass die Aufklärung der Polizei und dem Jugendamt. Geh heim, Cam, und schalt ab. Du bist seit vierzehn Stunden hier und hattest kaum eine Pause. Hast du überhaupt was gegessen?«
»Ein Sandwich zu Mittag.« Er lächelte. »Aber Freunde erwarten mich im Restaurant.«
»Dann nichts wie hin.«
Es war halb zehn, als er endlich das Planters Inn erreichte. Sein erster Blick fiel auf Allyson, über deren Mimik dunkle Gewitterwolken zogen. Die leeren Teller vor seinen Freunden wiesen darauf hin, dass sie schon gegessen hatten. Lediglich bei Allyson war die Hälfte des Salats übrig, den sie stets bestellte. Sie hatte panische Angst, auch nur ein Gramm zuzunehmen.
Er ließ sich neben seiner Freundin auf die Bank sinken und wollte ihr einen Kuss auf die Wange geben, doch sie drehte den Kopf weg, sodass seine Lippen nur ihre Haare streiften. »Entschuldigt bitte«, wandte er sich an Franklin und Riley, die ihnen gegenübersaßen. »Es kam noch ein Notfall in letzter Minute rein. Ein kleines Kind, das mit dem Messer …«
»Erspare uns die unappetitlichen Einzelheiten«, kam es spitz von Allyson. »Komischerweise kommt immer ein Notfall, wenn wir miteinander ausgehen wollen. Du hast doch Kollegen, die das erledigen können.«
»Es war einiges los.« Selbst in seinen Ohren klang die Antwort lahm. Er hasste es, dass er bei Allyson immer direkt in den Verteidigungsmodus ging.
»Das sagst du jedes Mal!« Allyson nahm einen Schluck Wein und winkte dem Kellner. Ihren geröteten Wangen nach zu urteilen, hatte sie schon mehr getrunken. »Sieh mal, Cam, Franklin hat auch einen aufreibenden Beruf, aber er ist noch nie zu spät gekommen.«
Natürlich nicht.
Zu seiner Überraschung war Riley schneller mit einer Antwort. »Franklin ist Anwalt mit durchorganisierten Terminen. Bei einem Arzt geht das nicht, denn Notfälle passieren eben nicht zu festgesetzten Zeiten.«
»Sehr witzig.« Allyson drehte sich gleich wieder zu Cameron. »Daddy sagt schon lange, dass du dich selbstständig machen sollst. Das Startkapital würde er dir vorschießen, das hast du doch im Nullkommanichts zurückgezahlt. Und wir könnten endlich leben.«
»Tun wir das nicht?« Er seufzte gequält. Sie landeten immer am selben Punkt.
»Was darf’s sein?« Der Ober kam zum Tisch.
»Ein Glas Chardonnay«, orderte Allyson.
»Für mich auch«, kam von Franklin, »Darling?«, fragte er Riley.
»Danke, ich habe noch.«
»Und Sie?«, wandte der Kellner sich an Cameron.
»Mir bitte das Stew und ein Bier.«
»Sehr wohl.« Der Kellner entfernte sich und Allyson drehte sich empört zu Cameron. »Also wirklich! Du bestellst immer das fettige Stew. Und Bier!« Sie rümpfte die Nase.
»Wie war dein Tag?«, fragte er, um von sich abzulenken. »Wie war’s an der Uni?« Allyson studierte seit Jahren, hatte mehrmals die Richtung gewechselt. Es stand in den Sternen, ob sie jemals einen Abschluss erlangen würde. Sie hatte es nicht nötig zu arbeiten. Ihr Daddy, der Immobilienmogul Reginald DiLaurentis, verfügte über ein unüberschaubares Vermögen.
»Die heutige Vorlesung war langweilig.« Sie zog einen Schmollmund. »Stell dir vor, Franklin und Riley fliegen über Weihnachten nach Florida.«
»Wirklich? Ich dachte, Riley möchte zu ihrer Familie?« Franklin hatte ihm vorgejammert, dass er auch in diesem Jahr in dieses kalte Nest nach Michigan reisen müsste.
Der Kellner brachte die Getränke und für einen Augenblick waren alle abgelenkt. Sie stießen miteinander an und Cameron genoss den ersten Schluck Bier.
»Ich konnte meinen Schatz überzeugen, dass sie mal was anderes macht.« Franklin legte den Arm um seine Freundin und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Sie senkte den Kopf, doch Cam entging nicht, dass sich ihre Wangen leicht rosa überzogen. Er mochte Riley, sie hatte mit einem ausgezeichneten Abschluss studiert und arbeitete hart, um sich einen Namen in der Branche zu machen. Zudem war sie stets freundlich, er hatte sie nie austicken gesehen wie Allyson. Schade, dass sie sich von Franklin so beeinflussen ließ. In seiner Gegenwart hatte sie Franklin noch nie Widerworte gegeben, obwohl ihr anzusehen war, dass sie nicht immer seine Meinung teilte.
»Ist deine Familie nicht enttäuscht?«, fragte er. Riley hatte oft begeistert von ihrem Heimatort erzählt, in dem Weihnachten eine ganz besondere Rolle zu spielen schien.
»Ich warte auf eine günstige Gelegenheit, es ihnen zu beichten«, murmelte sie.
»Darling, du hast das Recht, etwas zu tun, was dir gefällt. Jahrelang hast du nach deren Pfeife getanzt und bist brav zu ihnen geflogen. Nun darfst du auch einmal auf dich hören.«
Oder auf ihn, Franklin? Cameron hatte nicht den Eindruck, dass Riley mit vollem Herzen bei dem Florida-Trip dabei wäre.
»Ich habe bis jetzt Weihnachten immer bei der Familie verbracht. Weihnachten in Santa's Cove ist etwas Besonderes, der ganze Ort ist ein einziges Weihnachtsdorf.«
Franklin legte den Arm um sie und drückte sie an sich. »Du wirst sehen, dass du Florida genießen wirst. Dort ist es warm und Weihnachten kann man überall feiern. Ich für meinen Teil bin froh, dass ich für zwei Wochen Winterjacke, Schal und Handschuhe vergessen kann. Und ein weihnachtliches Barbecue am Strand klingt doch mal nach einer Abwechslung statt des fetten Truthahns.«
Riley nickte, wirkte jedoch nicht überzeugt, da sie hastig an ihrem Wein nippte. »Was werdet ihr machen?«, wechselte sie das Thema.
»Wir werden wieder zu Allys Familie fahren, richtig?« Cameron freute sich immer darauf. Die DiLaurentis-Familie hatte ihn anfangs mit Skepsis betrachtet, den Waisenjungen, der sich hochgearbeitet hatte. Mittlerweile mochten sie ihn.
»Ich beneide euch, dass ihr euch traut, aus Traditionen auszubrechen«, kam es von Allyson. Cameron sah sie überrascht an. Ehe er etwas sagen konnte, stellte der Kellner die Schüssel mit dem dampfenden Stew und einen Korb mit knusprigen Brotstücken vor ihm ab. Ihm wurde bewusst, wie hungrig er war, und er griff nach einem Weißbrot mit der einen, nach dem Löffel mit der anderen Hand. Der erste Bissen war himmlisch.
»Florida wäre nichts für mich.« Allyson beugte sich zu Riley. »Ich finde, an Weihnachten soll es kalt sein, Schnee und so.«
»Ja.«
»Hier in New York ist es kalt genug.« Franklin nahm erneut einen kräftigen Schluck. »Ich mag es warm und freue mich auf Key West, tauchen, surfen, Strand, während andere hier frieren müssen.« Er beugte sich zu Riley und gab ihr einen Kuss. »Und beim Christmas Lighting sind wir ohnehin noch da, das ist Romantik pur für euch Frauen.« Er grinste. »Wir feiern das wieder von der Kanzlei aus, das Catering ist bestellt, Ron und Henry freuen sich schon.«
Riley nickte, wiederum hatte Cameron das Gefühl, dass sie gern mehr gesagt hätte und sich unwohl fühlte. Sie stand auf. »Ich muss kurz hinaus«, sagte sie. Franklin erhob sich und ließ sie durch.
»Gute Idee, ich mach mich auch frisch.« Der Platz war eng, aber er machte sich schmal und Allyson drängte sich vorbei.
»Schmeckt’s?«, fragte Franklin.
»Ausgezeichnet.«
»Wir haben die Meeresfrüchteplatte genommen. Stew würde ich niemals bestellen.«
»Geschmäcker sind verschieden.« Er biss vom Brot ab. »Sag mal, bist du sicher, dass Riley wirklich nach Florida möchte?«
»Ich habe sie überzeugt.« Franklin beugte sich vor. »Zweimal war ich mit ihr in diesem eiskalten Nest. Das war ätzend, sag ich dir. Sie hat eine Familie, die ist so verzweigt wie das Nildelta. Ich glaube, der gesamte Ort ist eine einzige Familie. Sie haben ständig irgendwelche kitschigen Weihnachtsbräuche, Theater, Umzug, Deko, Gesang, Markt – nach den zwei Wochen bin ich halb durchgedreht vor lauter Rot und Glitzerkram. Daher habe ich für dieses Jahr eine Alternative gesucht.«
»Aber es ist Rileys Familie.« Wie immer fiel es Cameron schwer, das Wort Familie auszusprechen. Was man nicht hatte, das fehlte einem.
»Ich weiß, dass du das ein bisschen verklärt siehst.« Franklin klang gönnerhaft. »Glaube mir, so eine Familie nervt manchmal ganz schön.«
»Aber Riley sieht ihre Eltern ohnehin selten, hat sie mir erzählt. Nur zu Weihnachten und im Sommer mal.«
»Es wird selbst im Sommer nicht ordentlich warm dort.« Franklin schüttelte den Kopf. »Kein Gebiet, in das ich freiwillig fliege. Na ja, diesmal muss ich ja nicht.«
»Wie hast du sie dazu gebracht, darauf zu verzichten?« Wann immer Riley von ihrer Heimat erzählt hatte, war ihre Stimme begeistert gewesen und ihre Gesichtszüge lebhaft geworden. Franklin musste all seine Überredungskünste eingesetzt haben, damit sie nachgab.
»Ja, sie hängt mit einer Affenliebe dran, aber ich habe ein wenig geheimnisvoll getan und ihr eine Überraschung versprochen. Jetzt glaubt sie vermutlich, ich mache ihr einen Heiratsantrag.« Er lachte.
»Tust du das nicht?«
»Bist du verrückt?« Franklin tippte sich an die Stirn. »Ich möchte nicht heiraten. Ich meine, Riley ist bildhübsch, aber gleich heiraten? Es kommt halt durch, dass sie nicht meiner Gesellschaftsschicht entstammt. Überhaupt will ich mir noch keine Handschellen anlegen lassen.«
»Ich wundere mich, dass du dich mit mir abgibst.« Cameron konnte sein Entsetzen nicht ganz verbergen. Er kannte Franklin seit der Uni, irgendwie hatte sich ergeben, dass sie in der gleichen Studentenclique abhingen. Das Studium war beiden leichtgefallen. Zudem hatten sie eine Zeit lang gemeinsam in der Krankenhausküche gejobbt. Aber seit sie im Berufsleben waren, kamen ihre unterschiedlichen Ansichten zunehmend deutlicher hervor.
»Mensch im Himmel, das ist doch was anderes. Freundschaft und Hochzeit sind zwei verschiedene Dinge. Riley hat mit mir als Freund trotzdem das große Los gezogen. Ihre Familie ist alles andere als reich und ihr Job in der Agentur, ich bitte dich! Du weißt selbst, dass sie sich da keine goldene Nase verdient. Ohne mich könnte sie sich den Urlaub in Florida und manch anderes gar nicht leisten. Und die Butterseite des Lebens ist noch von niemandem verachtet worden. Carpe diem, heißt es so schön, genieß den Tag, die Gegenwart ist jetzt.«
»Was machst du, wenn sie nach der Überraschung fragt?«
»Dass wir nicht allein hinfliegen. Ron und Henry und ihre Freundinnen kommen mit.«
»Aber doch nicht deine Ex?« Cameron wusste, dass einer seiner Kanzleipartner mit Franklins Ex-Freundin liiert war.
»Meine Güte, das mit Gwynnie und mir ist schon ein paar Jährchen her, das bisschen Sex. Da muss sie drüberstehen. Auf jeden Fall werden wir viel Spaß haben ohne das kitschige Weihnachtstrara.«
»Sie wird enttäuscht sein. Sie erwartet einen romantischen Liebesurlaub und stattdessen muss sie dich mit Freunden teilen.« Die sie nicht einmal mag, fügte er in Gedanken hinzu. Riley hatte ihm mal anvertraut, dass Franklins Freunde sie von oben herab behandelten.
Weil der ›Background‹ fehlte, wie Franklin sich ausgedrückt hatte.
»Ich bin anders gestrickt als du! Klar, dass du Heirat und Familie anstrebst, weil du nicht weißt, wie beengend das sein kann. Ich hab meine Eltern vor Augen, möchte ich nicht! Mutter gibt Vaters Geld aus, er vergnügt sich mit seiner Freundin, sie tut, als wüsste sie nichts. Nein danke.« Er leerte sein Glas und winkte dem Kellner. »Noch einen Chardonnay, du auch?«
»Ich bleibe beim Bier.«
»Dann ein Bier.«
»Kommt gleich, Sir.« Der Kellner verschwand.
»Ally ist beispielsweise ein Goldfisch, seit Generationen reiche Familie, daher hat sie die entsprechende Erziehung«, fuhr Franklin fort, »du kannst immer noch dankbar sein, dass ich euch bekannt gemacht habe. Läuten bald die Hochzeitsglocken?«
»Darüber habe ich nicht nachgedacht. Sie ist ein reiches Mädchen und ich liebe meinen Beruf als Arzt. Du weißt, wie schlecht sie es verträgt, wenn ich mal wieder Überstunden machen muss.«
»Ich versteh dich da auch nicht, Cam. Lass dir doch von ihrem Vater eine Nobelpraxis einrichten, dann bist du das ganze Krankenhaustheater los. Sei doch ehrlich, das ist schlecht bezahlt und du bist immer an deinen körperlichen Grenzen. Wenn du so weitermachst, hast du mit vierzig ein Burn-out. Und wofür?«
Das war ein wunder Punkt. Es stimmte, er konnte und wollte nicht ewig in der Notaufnahme arbeiten. Er hatte die Zulassung zum Allgemeinarzt, zusätzlich eine Ausbildung zum Kinderarzt, und eine Praxis wäre nicht zu verachten. Aber nicht so eine teure, wie ihm Reginald DiLaurentis angeboten hatte. Er wollte keine Privatpraxis, die nur reichen Menschen zugänglich wäre. Und die Menge an Geld, die Allysons Vater investieren würde, konnte er ihm niemals zurückzahlen.
»Ich kann so ein überdimensionales Geschenk oder Darlehen, was auch immer, nicht annehmen.« Cameron legte den Löffel hin, der Teller war leer. »Reginald sieht mich schon als zukünftigen Schwiegersohn. Natürlich fühle ich mich geschmeichelt, dass er viel von mir hält. Aber was passiert, wenn das mit Ally und mir schiefgeht? Ich könnte ihm das niemals zurückzahlen.«
»Wo ist das Problem? Du kannst dir ein schönes Leben machen. Gerade du, wo du jeden Cent umdrehen musst …«, er brach ab, die beiden Frauen kamen zum Tisch zurück, gleichzeitig brachte der Kellner die Getränke.
»Was habt ihr alles geplant in Florida?«, fragte Allyson interessiert.
»Tauchen, ich habe bereits einen Kurs gebucht. Wir sind ja direkt auf den Keys, das muss man ausnützen. Zudem …«
Cameron beobachtete Rileys Gesichtszüge, die bei Franklins Aufzählungen von überrascht zu entsetzt wechselten. Offenbar teilte sie Franklins Vorlieben nicht. Oder lag es daran, weil sie doch lieber zu ihrer Familie ins schneebedeckte Michigan geflogen wäre?
»Fantastisch«, flötete Allyson neben ihm. »Obwohl mir der Schnee fehlen würde. Was sagst du, Cam?«
Er löste seinen Blick von Riley und nickte pflichtschuldig. Worum ging es?
Zum Glück bemerkte Allyson nichts, denn sie zeigte Riley ihre neue Handtasche, die sie gekauft hatte.
Franklin erzählte von einem neuen Fall, den er übernommen hatte, und die Stimmung wurde heiter. Rasch leerten sich die Gläser.
»Wollen wir noch auf einen Cocktail ins High Heaven gehen?«, fragte Allyson.
»Tut mir leid, aber heute nicht.« Franklin winkte nach dem Kellner. »Ich übernehme.«
»Nein, das …« Es war Cameron peinlich. Meist zahlte Franklin, wenn sie zusammen ausgingen. Er hasste es, dass er den großen Gönner herauskehrte.
»Lass stecken, Cam!« Franklin winkte ab. »Ich mach das gern, wir sind doch Freunde!«
»Das bedeutet nicht …«
Allyson stieß ihn in die Seite und raunte ihm ins Ohr. »Mach nicht so ein Theater, Cam. Wenn es dir unangenehm ist, musst du nur das Angebot von Daddy annehmen.« Laut sagte sie lächelnd: »Vielen Dank, Franklin. Du bist immer so großzügig.«
»Ein Abendessen kann ich mir leisten«, flüsterte Cameron und ärgerte sich über die herablassende Art. Musste alles auf Geld reduziert werden? Und es war nicht so, dass er am Hungertuch nagte, nur weil er sich keinen Rolls-Royce kaufen konnte!
Franklin zahlte und stand auf. »Machen wir den Tisch frei.« Tatsächlich warteten einige auf einen Platz.
Draußen fuhr gerade ein Angestellter vor und übergab Franklin die Schlüssel zu seinem neuen Tesla Model S. Cameron hingegen hatte sich bis jetzt keinen fahrbaren Untersatz geleistet, wenn man sein Fahrrad nicht mitzählte. Mit der U-Bahn kam er gut von seiner Wohnung zum Arbeitsplatz und zurück. Sie verabschiedeten sich. Cameron wollte Allyson keine öffentlichen Verkehrsmittel zumuten und winkte eines der gelben Taxis zu sich.
»Wohin gehen wir noch?«, fragte sie.
Er schluckte. Nach dem langen Tag in der Klinik waren seine Beine bleischwer und die Augen brannten.
»Du willst aber nicht schon nach Hause?« Sie sah ihn an und er seufzte innerlich.
»Du wolltest doch ins High Heaven, also fahren wir.« Er quälte sich ein Lächeln ab.
Sie strahlte und nannte dem Taxifahrer die Adresse.
Was zum Teufel tat er bloß? Es war bereits halb zwölf Uhr, vermutlich würden sie nicht vor drei Uhr heimkommen.
»Mach nicht so ein Gesicht, du hast doch frei morgen?« Sie stieß ihn in die Seite. »Manchmal denke ich, du bist sechzig, nicht Anfang dreißig.«
Er lehnte sich zurück, sah die Laternen vorbeifliegen, die Weihnachtsbeleuchtung spiegelte sich in den Scheiben, und er wäre bald eingeschlafen. Allyson konnte weder seine harten Tage noch seinen Beruf nachvollziehen. Sie kannte die Befriedigung einer erfolgreichen Operation oder der Rettung eines Lebens nicht. Das warme Gefühl, das ihn ergriff, sobald er die Erleichterung in den Gesichtern der Eltern erkennen konnte. Und noch weniger verstand sie das dunkle schwarze, ihn verschlingende Gefühl, das in ihm lange vorherrschte, wenn sein Versuch ein Leben zu retten, fehlschlug.
Sie erreichten das High Heaven. Um diese Zeit war es übervoll. Zwei kichernde junge Frauen kamen heraus, stickige Luft schlug ihnen entgegen und laute Musik dröhnte in Camerons Ohren. Am liebsten hätte er gleich an der Tür kehrtgemacht. Stattdessen gaben sie ihre Mäntel an der Garderobe ab und Allyson zog ihn an der Hand in den Trubel. An eine ruhige Ecke oder zumindest einen Sitzplatz war nicht zu denken. Sie kämpften sich zur Bar durch. Allyson winkte dem Barkeeper und quetschte sich nach vorn. Notgedrungen bestellte er Cocktails. Seine Fußsohlen brannten. Nach der wohlverdienten Sitzpause im Restaurant protestierten sie, dass er, statt sie hochzulegen, erneut auf ihnen stand.
Verschiedene Gerüche stiegen in seine Nase, Parfums, Schweiß, Lederkleidung und Zitrus von den Cocktails. Ob er wohl Allyson dazu bringen könnte, nach einem Drink nach Hause zu fahren? Mit geröteten Wangen sah sie dem Barkeeper zu, wie er den Shaker schüttelte und die Zitronen aufschnitt.
Komischerweise ging ihm Riley nicht aus dem Kopf. Sie tat ihm leid. Er hatte mitbekommen, wie viel ihr die Familie bedeutete und dass es ihr wichtig war, in jedem Jahr nach Michigan zu fliegen. Sie stammte aus einem kleinen Nest direkt am Lake Michigan, den Namen hatte er vergessen. Dass sie in diesem Jahr Franklin zuliebe drauf verzichtete, empfand er als falsch. Denn genau das war es, ein Verzicht, er hatte es an ihrem Gesicht abgelesen. Vor allem, weil sie nicht der intime Liebesurlaub erwarten würde, den ihr Franklin versprochen hatte. Ob er sie anrufen und vorwarnen sollte? Nein, vermutlich würde sie es für übergriffig halten.
»Träumst du?« Allyson stieß ihn in die Seite. »Hier, dein Cocktail.«
Er griff nach dem Glas, er hatte einen Whiskey Sour gewählt, während Allyson einen kräftigen Schluck von ihrem Cosmopolitan nahm. Das starke Getränk rann heiß die Kehle hinunter, mehr als einen wollte er nicht trinken.
»Cam, so geht es für mich nicht weiter.« Allyson schrie fast in sein Ohr, denn der DJ schien die Musik lauter gedreht zu haben. Rundum waren sich wiegende und tanzende Menschen, die ebenfalls kreischten und lachten. Es war nicht der Ort für ein ernsthaftes Gespräch.
»Was meinst du?«
»Deine Arbeit. Sie macht unsere Beziehung kaputt. Entweder du änderst was oder …« Sie nippte an ihrem Cocktail und sah ihn von unten herauf an. Ihre schwarz umränderten Augen erschienen ihm heute besonders dunkel.
»Was stellst du dir vor?«
»Daddy hat …«
»Ally, ich will nicht von deinem Vater abhängig sein.« Sie hatten das schon oft besprochen. »Verstehst du das nicht?« Er musste ebenfalls brüllen. »Wollen wir das nicht woanders besprechen?«
Sie schüttelte den Kopf, nahm erneut einen großen Schluck und stellte ihren Cocktail ab. »Lass uns tanzen.«
