Weihnachtstrubel im kleinen Buchcafé an der Isar - Emilia Thomas - E-Book
SONDERANGEBOT

Weihnachtstrubel im kleinen Buchcafé an der Isar E-Book

Emilia Thomas

0,0
6,99 €
3,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Bücherduft und Weihnachtszauber

Antonia kann ihr Glück kaum fassen: Sie darf das liebevoll eingerichtete Buchcafé von Lotte Eigner übernehmen, mitten im Herzen des weihnachtlich geschmückten Kapuzinerviertels! Doch Lotte fällt der Abschied nicht leicht, und die schüchterne Antonia hat das Gefühl, ständig unter ihrer wachsamen Beobachtung zu stehen.

Als direkt gegenüber eine hippe Brauerei eröffnen soll, ist es vorbei mit der Weihnachtsidylle. Schuttcontainer vor der Tür, Baustellenlärm statt leiser Adventsmusik ... Da gelingt es selbst der geduldigsten Buchhändlerin nicht, in Feststimmung zu bleiben.

Und dann ist da auch noch Florian. Der selbstbewusste, um nicht zu sagen überhebliche Jungbrauer mit dem charmanten Lächeln, der sich hartnäckig in Antonias Gedanken schleicht, obwohl sie sich das ganz bestimmt nicht erlauben will ...

Der dritte Band der beliebten Wohlfühlreihe um das Münchner Buchcafé: Eine winterlich-warme Geschichte über Mut, Liebe und die Magie der Weihnachtszeit.

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 301

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Inhalt

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Nachwort

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Hat es Dir gefallen?

Impressum

Cover

Inhaltsverzeichnis

Titelseite

Inhaltsbeginn

Impressum

    

Liebe Leserin, lieber Leser,

herzlichen Dank, dass du dich für ein Buch von beHEARTBEAT entschieden hast. Die Bücher in unserem Programm haben wir mit viel Liebe ausgewählt und mit Leidenschaft lektoriert. Denn wir möchten, dass du bei jedem beHEARTBEAT-Buch dieses unbeschreibliche Herzklopfen verspürst.

Wir freuen uns, wenn du Teil der beHEARTBEAT-Community werden möchtest und deine Liebe fürs Lesen mit uns und anderen Leserinnen und Lesern teilst. Du findest uns unter be-‍heartbeat.de oder auf Instagram und Facebook.

Du möchtest nie wieder neue Bücher aus unserem Programm, Gewinnspiele und Preis-Aktionen verpassen? Dann melde dich für unseren kostenlosen Newsletter an:be-heartbeat.de/newsletter

Viel Freude beim Lesen und Verlieben!

Dein beHEARTBEAT-Team

Melde dich hier für unseren Newsletter an:

Über dieses Buch

Antonia kann ihr Glück kaum fassen: Sie darf das liebevoll eingerichtete Buchcafé von Lotte Eigner übernehmen, mitten im Herzen des weihnachtlich geschmückten Kapuzinerviertels! Doch Lotte fällt der Abschied nicht leicht, und die schüchterne Antonia hat das Gefühl, ständig unter ihrer wachsamen Beobachtung zu stehen.

Als direkt gegenüber eine hippe Brauerei eröffnen soll, ist es vorbei mit der Weihnachtsidylle. Schuttcontainer vor der Tür, Baustellenlärm statt leiser Adventsmusik ... Da gelingt es selbst der geduldigsten Buchhändlerin nicht, in Feststimmung zu bleiben.

Und dann ist da auch noch Florian. Der selbstbewusste, um nicht zu sagen überhebliche Jungbrauer mit dem charmanten Lächeln, der sich hartnäckig in Antonias Gedanken schleicht, obwohl sie sich das ganz bestimmt nicht erlauben will ...

Emilia Thomas

Für meine Tochter - unser kleines, großes Weihnachtswunder.

Kapitel 1

     Die kühle Novemberluft pfiff Antonia um die Nase, als sie den alten Wohnkomplex verließ, in dem sich ihre WG befand. Bereits nach ein paar Schritten zog sie ihre Wollmütze weiter über die Ohren und den Schal noch etwas fester um ihren Hals. So war es besser – nun hatte der feuchte Nebel keine Chance mehr, unter ihren dicken Mantel zu kriechen.

Tief atmete sie den Duft des herannahenden Winters ein. Doch als ihre Lungen sich füllten, stellte sie fest, dass die Luft hier nicht annähernd so klar und frisch schmeckte wie in ihrem Heimatdorf nahe Würzburg. Dort hatte der Wintereinbruch stets etwas Romantisches und Verträumtes. Hier im Münchner Kapuzinerviertel, das nun schon seit gut fünf Wochen ihr neuer Lebensmittelpunkt war, wirkte der November viel nüchterner, dunkler und irgendwie auch ein bisschen einsam.

Zumindest empfand es Antonia jeden Morgen so, wenn sie den kurzen Weg zur Arbeit durch die Straßen ging. Vielleicht lag es einfach daran, dass sie schon immer eher der Typ Land als der Typ Großstadt gewesen war. Oder dass ihre Heimat in Franken lag. Obwohl Franken zu Bayern gehörte, war hier in München doch etliches anders als bei ihr zu Hause. Die Leute hatten einen anderen Dialekt, es gab andere Gerichte zu essen, man trank lieber Bier als Wein, und auch die Mentalität schien ihr völlig verschieden ...

Automatisch musste Antonia an ihren Vater denken, der gerne von der »Frangenidendidäd« sprach. Sie lächelte kurz bei dem Gedanken an seine trockene Art, doch das Lächeln hielt nicht lange. Wem wollte sie etwas vormachen? Dass ihr hier alles so trüb und einsam vorkam, lag weder daran, dass sie Fränkin war, noch daran, dass sie jetzt in einer Großstadt wohnte. Es lag daran, dass sie nicht mehr wie vor einem halben Jahr mit Jens in der Heimat lebte – nah bei ihrer Familie und den vertrauten Straßen und Häusern ihrer Kindheit. Stattdessen teilte sie nun eine Wohnung mit einer fast fremden Frau, die kaum zu Hause war – in einer Stadt, die zwar spannend, aber auch einschüchternd war und in der sie niemanden wirklich kannte.

Beim Gedanken an Jens entwich Antonia ein gequältes Seufzen. Als die Obdachlose an der Ecke sie daraufhin fragend ansah, lächelte sie ihr etwas verlegen zu.

Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie es war, die ganze Nacht dieser Kälte ausgesetzt zu sein. Selbst mit einem dicken Schlafsack, den die Frau zu haben schien, war das doch sicher kaum auszuhalten. Antonia dachte darüber nach, sie zu fragen, ob sie ihr helfen, etwas bringen konnte, aber schließlich traute sie sich nicht und ging stattdessen weiter.

Als sie ihrem Ziel nahekam, tat ihr Herz einen freudigen Hüpfer. Allzu oft in den letzten Wochen – wenn sie allein in ihrer Zweier-WG saß, drei Stunden entfernt von ihrer Familie und ihrem vertrauten Umfeld – hatten sich Zweifel in ihr breitgemacht, ob sie wirklich das Richtige getan hatte. Doch wann immer sie an diesem Ort war, traten ihre Sorgen in den Hintergrund.

»Aua!«

Antonia wurde ordentlich durchgeschüttelt und musste erst ihr Gleichgewicht wiederfinden. Ein Fußgänger war regelrecht in sie hineingerauscht, so als ob ihm gar nicht aufgefallen wäre, dass ihm jemand auf dem Gehsteig entgegengekommen war.

»Ups, wo kommst du denn her? Sorry, hab dich übersehen«, sagte er nachlässig und ging im selben zügigen Schritt weiter.

Antonia sah ihm ungläubig hinterher.

Natürlich war sie sich bewusst, dass so etwas in einer Großstadt passieren konnte und dass sie nicht gerade eine auffällige Erscheinung war. Menschen, nach denen man sich umdrehte und dachte; »Wow«, die sahen anders aus. Die trugen keine einfachen Jeans-Pullover-Kombinationen in gedeckten Farben, und die waren keine schmalen Gestalten ohne Kurven. So etwas passierte ihr außerdem auch nicht zum ersten Mal. Schon oft hatten Leute sie übergangen oder gar nicht erst wahrgenommen – wobei das letzte Mal, dass sie so stark angerempelt wurde, lange zurücklag, in ihrer Schulzeit. Damals war es selten ein Versehen, sondern meist absichtlich gewesen. Trotzdem störte sie der Gedanke, dass der Mann sie hier, auf einer nahezu leeren Straßenseite, an diesem Morgen offenbar nicht einmal bemerkt hatte.

Um nicht weiter über ihre Schulzeit oder rempelnde Fußgänger nachzudenken, machte sie sich nun schnell wieder weiter auf zu dem Ort, der bereits nach so kurzer Zeit Sicherheit und Glück für sie bedeutete und der Grund war, weshalb sie überhaupt hier in München diesen spontanen Neuanfang wagte: Lotte Eigners einzigartiges Buchcafé, das östlich unweit der Isar lag.

Antonia drückte die dunkelgrün lackierte Eingangstür auf und sah sich einmal mehr mit klopfendem Herzen um. In ihr machte sich ein aufgeregtes Kribbeln breit. Eine große Glasfront erlaubte einen neugierigen Blick von einem der vier zusammengewürfelten Bistrotische hinaus auf die Straße. Noch war das Buchcafé leer, doch bereits in einer Stunde würden sich hier Jung und Alt treffen. Das Innere des Ladens sah aus wie aus einer anderen Zeit, aber versprühte eine Art modernen Retro-Charme, der Antonia bei ihrem ersten Besuch sofort in den Bann gezogen hatte. Sie dachte an den Tag zurück, als ihre Patentante Doro und Lotte hier Hochzeit gefeiert hatten. Neugierig war sie durch den kleinen Laden gestreift und hatte, während die anderen tanzten und feierten, den winzigen Raum im hinteren Teil entdeckt. Dort musste man achtgeben, nirgendwo anzustoßen. Einheitliche Bücherregale suchte man vergebens, aber genau das liebte Antonia. Alles Lesbare war in drei Kommoden und zwei fast antik aussehenden Regalen untergebracht. Und nicht nur in den Schränken drängten sich Bücher, auch auf dem Boden stapelten sie sich. Und zwischen all dem fanden ein kleines Zweiersofa und ein gemütlicher Ohrensessel Platz. Antonia hatte sich bei der Hochzeitsfeier sofort in den kleinen Laden an der Isar verliebt; und als sich einige Monate danach die Gelegenheit bot, das Buchcafé zu übernehmen, da hatte sie – so untypisch es für sie auch war – gerade mal zwei Tage später und völlig aus dem Bauch heraus zugesagt.

Antonia hängte ihren dicken Daunenmantel an die Garderobe im Lager, das ganz hinten im Laden versteckt lag, und nahm ihre Mütze ab. Zwar hatte sie diese nur für den kurzen Arbeitsweg aufgehabt, doch das hatte gereicht, ihr langes, aber dünnes rotes Haar, das sie am Morgen extra noch zurechtgeföhnt hatte, langweilig an ihren Kopf zu drücken. Kurzerhand versuchte sie sich daher – wie auch an jedem anderen Tag im Jahr – an einem Messy Bun, der jedoch wieder einmal in etwas endete, das eher wie ein Drittklässler-Dutt aussah.

»Egal«, befand Antonia schließlich und machte sich an die Arbeit. Sie war gerade dabei, die Siebträgermaschine in der kleinen Küchenzeile startklar zu machen und die durchgelaufene Spülmaschine von gestern auszuräumen, da hatte sie plötzlich das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Automatisch drehte sie sich um und bekam beinahe einen Herzkasper. Kaum drei Schritte hinter ihr stand Lotte und schien genau zu beobachten, was sie tat.

»Guten Morgen, Lotte!«, quetschte Antonia atemlos heraus. Es war unheimlich, wie geräuschlos sich die zierliche alte Dame mit dem schulterlangen weißen Haar fortbewegte. Dabei steuerte sie langsam, aber sicher schon auf ihren achtzigsten Geburtstag zu.

Wie sonst auch trug Lotte eine Stoffhose in gedeckten Farben, darüber ein T-Shirt und das farblich passende Jäckchen. Das Haar hatte sie sich mit ein paar Haarklammern aus dem Gesicht frisiert.

»Du solltest die kaputte Glocke reparieren und wieder über die Tür hängen, dann würdest du bemerken, wenn jemand den Laden betritt«, erklärte Lotte statt einer Begrüßung. Dann zeigte sie auf die kleine Spülmaschine. »Und die solltest du am besten immer vor dem Feierabend ausräumen. Nicht erst am nächsten Morgen.«

Antonia lächelte. »Danke für den Tipp. Ich werde das zukünftig so machen. Und die Glocke habe ich gestern Abend repariert. Sie ist noch in meiner Tasche.« Sie wusste, wie die Leute von Lotte dachten und dass ihre Patentante Doro sie über alles liebte. Doch sie selbst fand Lotte irgendwie einschüchternd, und nicht zum ersten Mal fragte sie sich, wieso Lotte das Buchcafé ausgerechnet ihr angeboten hatte, wo sie für Antonia doch ganz offensichtlich nicht besonders viel übrig hatte. Buchmenschen, die liebend gerne Besitzer eines so idyllischen Ladens wären, gab es in München schließlich zuhauf. Es war ihr schleierhaft, dass die Leute unter anderem nur ihretwegen herkamen und das Buchcafé deswegen als zweite Heimat betrachteten. Das junge Mädchen im Rollstuhl zum Beispiel, ihr Name war Amelie, war mindestens einmal pro Woche hier und betrachtete den Tisch hinten in der Ecke als eine Art persönlichen Schreibtisch.

Lotte streckte Antonia die Hand entgegen, die blickte allerdings nur ratlos zurück.

»Nun gib schon her, die Glocke. Der Laden sollte ja in fünf Minuten offen sein, und du trödelst noch am Geschirrspüler herum. Ich hänge sie für dich auf.«

»Mach dir keine Umstände, ich erledige das sofort. Es ist vermutlich mit deiner Arthrose keine gute Idee, wenn du auf einen Stuhl ...«

Antonia kam nicht dazu, den Satz zu Ende zu sprechen, da ging Lotte schon los und zog sich einen Stuhl in Richtung Eingangstür. Resigniert holte sie die wunderbare, antik wirkende Glocke aus ihrer Tasche und legte sie Lotte auf die Theke.

Als Lotte vorgeschlagen hatte, dass Antonia von Oktober bis Dezember erst einmal als alleinige Geschäftsführerin einsteigen sollte, ehe sie im Januar alles komplett übernehmen würde, da war sie mehr als einverstanden gewesen. So konnte sie in Ruhe noch alles von Lotte erfahren, was sie über das Buchcafé wissen musste, ehe sie auf sich allein gestellt sein würde. Antonia hatte sich dabei vorgestellt, dass Lotte sie in den ersten zwei oder auch drei Wochen gut einarbeiten und sich dann eher im Hintergrund halten würde. Doch irgendwie zweifelte sie langsam daran, dass Lotte dieses Buchcafé wirklich jemals loslassen und abgeben wollte. Arthrose hin oder her ...

Kaum hatte Antonia das Schild an der Tür von »geschlossen« auf »offen« gedreht, betraten auch schon die ersten Kunden das Geschäft. Die meisten holten sich an diesem Montagmorgen nur einen Kaffee zum Mitnehmen. Ein älterer Herr nahm mit einer Zeitung unter dem Arm seinen gewohnten Platz am Fenster ein, und einige Leute wollten ihre Post aufgeben. Tatsächlich hatte Antonia es anfangs sehr befremdlich gefunden, dass dieses idyllische Buchcafé gleichzeitig eine Brief- und Paketannahmestelle war. Doch Lotte hatte ihr jede Menge Vorteile aufgelistet, und die Tatsache, dass es nirgendwo im näheren Umfeld des Kapuzinerviertels eine Post gab, sorgte dafür, dass der Bedarf da war und der Umsatz stimmte. Vorerst würde sie daran also nichts ändern. Schon allein deswegen, damit Lotte nicht dachte, Antonia würde ihre Ratschläge nicht ernst nehmen. Das tat sie, es war nur so, dass sie in manchen Belangen eben andere Ansichten hatte. Sie wollte den Charakter des Buchcafés nicht verändern, sie wollte nur ein paar Dinge anpassen und vielleicht sogar das ein oder andere erneuern.

Antonia liebte es, die Leidenschaft für Literatur mit anderen zu teilen, und das Buchcafé war ein Ort, an dem Menschen zusammenkamen, um ihre Liebe zu Büchern regelrecht zu zelebrieren. Sie kauften hier nicht mal eben nur ein Buch, sie nahmen sich Zeit. Es war ein Ort der Ruhe und Inspiration, an dem jeder willkommen war, um für einen Moment dem Alltag zu entfliehen. Und deshalb kamen die Menschen hierher ...

»Guten Morgen, kann ich helfen?«, begrüßte Antonia einen eintretenden Kunden freundlich, um zu signalisieren, dass sie bereit war, Empfehlungen auszusprechen und Gespräche über die neuesten Buchveröffentlichungen zu führen. Das war ihr wichtig, auch wenn sie dabei immer klang, als wäre sie noch in ihrem ersten Ausbildungsjahr. Daran hatten auch ihre über zehn Jahre Berufserfahrung nichts ändern können.

Wie so oft, wenn Lotte im Buchcafé war, deutete aber auch dieser Kunde auf sie und suchte das Gespräch mit ihr.

Antonia wollte sich das nicht zu sehr zu Herzen nehmen, doch nach der dritten Begegnung dieser Art an diesem Tag fiel es ihr schwer, das Gefühl der Enttäuschung und Ablehnung von sich zu schieben.

Hoffentlich würden Antonia all die Stammgäste nicht wegbrechen, wenn Lotte ab Januar nicht mehr die Eigentümerin war, grübelte sie, während sie Lotte und den Herrn für einen Moment beobachtete.

»Wenn du noch etwas anderes zu erledigen hast, dann tu das ruhig. Ich übernehme hier vorn für ein, zwei Stunden.«

Antonia stutzte. Vermutlich sollte sie dankbar sein für das Hilfsangebot – schließlich hatte sie noch keine passende Aushilfe gefunden –‍, aber es fühlte sich irgendwie so an, als wollte Lotte sie in ihre Schranken weisen.

»Danke, Lotte«, sagte sie zögernd. »Ich habe es gestern Abend nicht mehr geschafft, alles wegen des neuen Inventarverwaltungssystems fertigzukriegen. In dem Fall werde ich das jetzt erledigen.«

»Ein Inventarverwaltungssystem?« Lottes Augen wurden zu kleinen Schlitzen. »Ist das denn nötig? So groß ist das Buchcafé ja nun nicht ...«

Antonia wusste natürlich, dass Lotte bisher mit Excel-Listen gearbeitet hatte. Und auch, wenn sie diese sorgfältig gepflegt hatte, so hatte Antonias neue Verwaltungssoftware doch einige Vorteile. Vieles konnte damit automatisiert werden, und ihr war dadurch eine viel genauere und aktuellere Verfolgung des Lagerbestands möglich. Doch anstatt Lotte mit vollster Überzeugung von ebendiesen Vorteilen zu berichten, ließ Antonia sich von der kritischen Rückfrage aus dem Konzept bringen.

»Ja, also ... ich denke ...«

Lotte winkte ab. »Ach, schon gut. Es ist ja deine Entscheidung.«

Kapitel 2

     »Ich muss jetzt los ...«, setzte Antonia bereits zum zweiten Mal an diesem Morgen an, doch irgendwie fand das Telefonat mit ihrer Mutter und ihrer kleinen Schwester Nathalie trotzdem kein Ende. Im Grunde genommen war das bei fast jedem ihrer Videotelefonate so, seit Nathalie im Auslandssemester in Schottland und Antonia nach München gezogen war. Doch Antonia hatte mittlerweile wirklich nicht mehr viel Zeit, bis sie das Buchcafé öffnen musste ...

»Nur noch ganz kurz ... Hast du dir eigentlich nochmals Gedanken wegen des Weihnachtsgeschäfts gemacht?«, begann Nathalie unbeirrt ein neues Thema. »Ich war gestern in einem Buchladen hier in Edinburgh, der hatte so schöne Winter- und Weihnachtsartikel. So was brauchst du unbedingt auch!«

Antonia zögerte. Es war Mitte November, und tatsächlich war das eine Sache, um die sie sich so schnell wie möglich kümmern musste. Buchläden bestellten Weihnachtsromane typischerweise einige Monate vor der Saison, um sicherzustellen, dass sie rechtzeitig für das Weihnachtsgeschäft verfügbar waren. Bei ihrem früheren Arbeitgeber hatten sie dies sogar schon im September erledigt, damit ausreichend Zeit war, um die Lieferung der Bücher zu planen, den Bestand zu verwalten und die Romane entsprechend zu präsentieren. Ihr Start im Buchcafé war jedoch so spontan gewesen, dass dazu gar keine Gelegenheit war. Und ein bisschen hatte sie auch Angst davor, was Lotte tun oder sagen würde, wenn sie mehr als die von ihr bereits vorbestellten Weihnachtsklassiker auslegen würde. Denn tatsächlich hatte sie so ihre Vorstellung davon, wie Lotte darauf reagieren würde ...

Dabei liebte Antonia Weihnachten und den Winter so sehr. In dieser Zeit gab es so gut wie nichts, das ihr zu kitschig oder zu viel war. Adventskalender, gefüllt mit Schokolade oder Tee; Lichterketten, die den Raum in ein sanftes Licht tauchten; Weihnachtskränze aus Tannenzweigen und mit Beeren und Schleifen verziert, die man an die Tür hängen konnte; Kerzen für gemütliche Leseabende; handbemalte Christbaumkugeln oder weihnachtliches Geschenkpapier und Etiketten, überall der Duft nach Zimt und Nelken ... Von all dem konnte sie nicht genug bekommen, und das Buchcafé konnte viel davon vertragen.

»Sie hat doch gerade erst den Umzug hinter sich gebracht, Nathalie«, sprang ihre Mutter ein und wandte sich dann an sie. »Nimm dir Zeit, Antonia, du musst ja nicht gleich von null auf hundert.« Bestärkend lächelte sie, wohl wissend, wie aufreibend die letzten Wochen für ihre alles andere als abenteuerlustige Tochter gewesen waren.

»Ich weiß, ich weiß ...« Nathalie winkte ab. »Ich find's nur so cool, dass Antonia jetzt ein eigenes Buchcafé hat und in München wohnt. Wer hätte das gedacht, meine schüchterne große Schwester startet in der Großstadt voll durch!« Nathalie hüpfte sichtbar auf ihrem Stuhl auf und ab.

Die Art, wie sie sich mit ihr freute, war eine der vielen Eigenschaften, weshalb Antonia ihre Schwester so lieb hatte. Doch Antonia musste ihr in Gedanken widersprechen. Was sie hier tat, das fühlte sich nicht gerade nach durchstarten an. Seit dem ersten Tag in München hatte sie heftiges Heimweh, und nur nach den Gesprächen mit ihrer Familie fühlte sie sich nicht wie der einsamste Mensch auf der Welt. Die Telefonate waren für Antonia so zu einem zentralen Element ihrer Woche geworden. Doch natürlich sagte sie nichts dergleichen.

Die drei Frauen telefonierten weiter, bis es fast Viertel vor neun war und Antonia schleunigst das Buchcafé aufmachen musste. Und natürlich kam es, wie es kommen musste. Als sie um kurz vor neun die dunkelgrüne Eingangstür aufsperren wollte, war diese bereits geöffnet, und drinnen wartete Lotte. Zwar sagte sie nichts zu Antonias spätem Auftauchen, doch die konnte die Missbilligung in ihrem Blick erkennen. Und obendrein blieb sie – wohl um sicherzugehen, dass das Buchcafé nicht verwahrloste – auch den restlichen Tag, unterhielt sich mit den Stammgästen und arrangierte die vorgestern von Antonia eingeräumten Romane nochmals ein wenig anders. Doch weil Antonia viel zu viel Respekt vor Lotte hatte, ließ sie sie gewähren und tat einfach so, als hätte sie es nicht bemerkt. Der rege Betrieb an diesem Tag ließ es ohnehin nur selten zu, dass Antonia sich um etwas anderes kümmern konnte als um das Kochen von Kaffee und das Entgegennehmen von Post.

***

Mit einem tiefen Gähnen drückte Antonia am Abend die Tür zu ihrer WG auf. Der Tag war anstrengend gewesen, vor allem deshalb, weil sie sich ständig von Lotte beobachtet gefühlt hatte. Doch anstatt des Gefühls, nach Hause zu kommen, begrüßte die kleine Gipfel-WG im Dachgeschoss des in die Jahre gekommenen Wohnkomplexes sie, wie auch die letzten drei Wochen, mit Dunkelheit und Leere. Zudem war es unangenehm kühl. Sie war dazu übergegangen, die Heizung am Morgen herunterzudrehen, weil die Wohnung sowieso den ganzen Tag leer stand. Die Energiekosten konnte man sich also sparen. Heute jedoch bereute sie ihren Entschluss.

Wehmütig dachte Antonia an den Kachelofen im Haus ihrer Eltern. Würde sie noch in ihrem Heimatdorf wohnen, würde sie an einem Tag wie diesem bei ihren Eltern vorbeischneien und sich dann bei ihnen zum Abendessen einladen. Ihr Vater würde den Kachelofen anfeuern, und dann würde sie einfach eine Weile lang den Flammen zusehen. Es gab wenig, was im Winter schöner war als ein loderndes Feuer, das eine gemütliche Wärme ausstrahlte und beruhigend knisterte.

»Reiß dich zusammen, du bist schließlich keine zwölf mehr«, schimpfte sich Antonia. Vermutlich würden andere achtundzwanzigjährige Frauen sie für ihr Heimweh auslachen, zumal Antonia erst am Morgen mit ihrer Familie telefoniert hatte ... Aber so war es schon immer gewesen. Sie war ein Familienmensch durch und durch. Während andere Teenager ihre Eltern peinlich fanden oder versucht hatten, Dinge vor ihnen zu verheimlichen, gab es für Antonia nichts Schöneres als einen Familienausflug. Auch besprach sie ihre Gefühle und Gedanken schon immer lieber mit ihrer Mutter oder ihrer Schwester als mit einer Freundin. Apropos, Antonia fiel ein, dass sie ihrer Freundin Corinna noch ein paar Fotos vom Buchcafé schicken wollte. Die hatte ihr gestern ein paar Grüße aus der Heimat geschickt und gefragt, wie es mit dem Geschäft lief. Corinna hatte ihre Ausbildung gemeinsam mit Antonia absolviert, und so verband sie die Liebe zu den Büchern und zum Beruf.

»Weißt du, jede gute Geschichte beginnt mit einem Neuanfang. Ich finde es großartig, dass du nach München gehst. Auch wenn du mir hier ganz schrecklich fehlen wirst.« Corinna hatte Antonia zum Abschied in ihr gemeinsames Lieblingsrestaurant eingeladen und zu Antonias Überraschung hatte Corinna sogar ein paar Tränchen vergossen.

»Danke ... und ich bin ja nicht aus der Welt. Ich komme sowieso her, um euch zu besuchen, und wer weiß, vielleicht habt ihr ja Lust, einen Familientrip nach München zu machen.«

Corinnas Lächeln war zurück. »Meine Kids haben sich schon beschwert und gefragt, wer sie denn jetzt sittet, wenn Rainer und ich eins unserer seltenen Dates haben. Du bist nämlich die Einzige, die es durchhält, zwei Stunden vorzulesen, bis sie endlich schlafen.«

Antonia hatte lachen müssen. Bei einer solchen Mutter war es nicht verwunderlich, dass die fünfjährigen Zwillinge so verrückt nach Büchern waren. »Apropos – ich habe noch etwas für die beiden.« Sie zog ein Geschenk aus ihrer Tasche und reichte es ihrer langjährigen Freundin. »Es ist der Räuber Hotzenplotz. Eigentlich sind sie ja noch ein bisschen jung dafür, aber ich hatte den Eindruck, es kann ihnen nicht aufregend genug sein.«

Corinna lachte. »Oh, sie werden den Zauberer Petrosilius Zwackelmann lieben!«

Bevor sie es wieder vergaß, verfasste Antonia, noch immer in Mantel und Mütze, eine ausführliche Nachricht an Corinna und fügte zwei der Fotos an, die sie für den Social-Media-Account gemacht hatte, den Lotte tatsächlich für das Buchcafé pflegte. Und weil ihr danach noch immer kalt war, stieg sie in die Dusche und ließ sich das heiße Wasser über den Kopf rieseln. Langsam, aber sicher kroch die Wärme in sie hinein, und damit sie auch dort blieb, schlüpfte Antonia nach der Dusche direkt in ihren kuscheligen Schlafanzug und mit einem angefangenen Roman und einem Früchtetee unter die Bettdecke.

Gedankenversunken sah sich Antonia um, während sie an ihrem Tee nippte. Ihr Zimmer war wie die gesamte WG winzig, aber im Grunde sehr schön. Unter dem nach Süden ausgerichteten Fenster, das das Zimmer, wenn es nicht so winterlich-nebelig war wie heute, den ganzen Tag mit ausreichend Licht versorgte, hatte sie ihren gepunkteten Teppich und den uralten Sitzsack gelegt. Eigentlich hatte sie sich vorgestellt, dort in ihren Büchern zu versinken. Bisher war dies jedoch erst ein einziges Mal geschehen. Den Schrank, den Schreibtisch und das französische Bett hatte sie von ihrer Vorgängerin Marlene übernommen, denn ihr gefielen die weißen Vintage-Möbel, und so hatte sie weniger Arbeit. Doch trotz all dem und obwohl sie die wunderbare Foto-Kollage von ihrer Schwester mittlerweile an die Wand gehängt hatte, kam bei ihr noch immer kein Gefühl von Zuhause auf. Vielleicht sollte sie sich am Wochenende ein paar Pflanzen kaufen?

Sie liebte Pflanzen. In ihrer alten Wohnung hatten in jeder Ecke große und kleine Topfpflanzen gestanden, sogar im Bücherregal waren Mini-Kakteen untergebracht gewesen, und von der Decke waren Pflanzen in Makramee umflochtenen Töpfchen herabgehangen. Ja, es war eindeutig zu leer hier in ihrem neuen Zimmer. Unweigerlich schweiften ihre Gedanken zu Jens ab, mit dem sie in ebenjener Wohnung drei glückliche Jahre lang gelebt hatte ...

Er hatte sie gerne damit aufgezogen, dass es in ihrer gemeinsamen Wohnung keinen freien Zentimeter mehr gab. Und zugegeben, so gefiel es ihr auch am besten. Das war auch einer der Gründe, weshalb sie sich sofort in Lottes Buchcafé verliebt hatte. Es standen überall Dinge herum, die dem Laden Charakter verliehen. Alte Tassen und Kännchen aus einer anderen Zeit; Leselampen, die eine gemütliche Atmosphäre schafften, gerahmte schwarz-weiße Fotografien von Münchner Schauplätzen, die eine nostalgische Stimmung erzeugten; eine Schreibmaschine, die an alte Zeiten erinnerte ... Es gab so viel zu entdecken.

Jens' Schreibzimmer, in dem er an seinem ersten Roman geschrieben hatte, wenn er nicht gerade in derselben Buchhandlung wie Antonia gearbeitet hatte, war da wie eine seltsame kleine Oase gewesen. Die Wände waren weiß und leer, es stand im Grunde nur ein Schreibtisch darin, auf dem im besten Fall einmal eine Kaffeetasse vergessen wurde. Für Antonia hatte der Raum alles andere als Inspiration versprüht, und es hatte sie beinahe ein wenig Überwindung gekostet, das Zimmer für Jens' Einzug so leer zu räumen. Doch Jens hatte die Abende und die Wochenenden liebend gern darin verbracht und immer davon geschwärmt, wie gut er schreiben konnte, seit er zu ihr gezogen war. Und für Antonia war das ein weiteres Zeichen gewesen, dass sie zusammengehörten und ihre Zukunft miteinander verbringen würden.

Antonia versuchte, die aufsteigenden Tränen wegzublinzeln, und zog sich die Decke über den Kopf. Doch die immer wiederkehrenden Fragen kreisten trotzdem quälend hinter ihrer Stirn. War es wirklich richtig gewesen, ihre Heimat zu verlassen und in München einen kompletten Neustart zu wagen, wodurch sie jede noch so kleine Möglichkeit auf eine Versöhnung mit Jens verbaut hatte?

Auch wenn sie bereits seit einigen Monaten getrennt waren und Antonia wieder bei ihren Eltern eingezogen war, durch den gemeinsamen Arbeitgeber hatten sie noch immer in Kontakt gestanden, und als Jens durch das Kleinstadtgeflüster von ihren Plänen erfahren hatte, hatte er plötzlich angerufen.

»Du gehst nach München?« Antonia erinnerte sich daran, wie ihr Herz schneller zu schlagen begonnen hatte, als sie den enttäuschten Unterton in seiner Stimme bemerkte.

»So wie es aktuell aussieht schon, ja ...« Sie hatte keine Ahnung, wieso sie das so vage hielt. Eigentlich war es längst beschlossene Sache, der Umzug war geplant, doch scheinbar war da ein kleiner Funke tief in ihrem Inneren, der ihm eine letzte Möglichkeit geben wollte, sie zurückzugewinnen. Schnell hatte sie weitergeredet: »Du erinnerst dich an meine Patentante, Doro, bei der ich vor gar nicht langer Zeit auf der Hochzeit war?« Dass sie damals alleine zur Hochzeit gefahren war, weil ihm der Termin zu kurzfristig gekommen war, ließ sie unerwähnt, und er bestätigte mit einem gebrummten »Ja«.

»Ihre Frau, Lotte, hat ein kleines Buchcafé, ganz in der Nähe des Isarufers.«

»Und sie würde dich einstellen?«

Die Art, wie Jens das fragte – als vermutete er darin einen reinen Mitleidsakt –‍, verursachte ein Zwicken in Antonias Magen. Und zugegeben, als Doro zum ersten Mal angerufen hatte, um Antonia vorzuschlagen, nach München zu kommen, hatte sie eine ähnliche Vermutung gehabt. Zumal Antonia und Lotte nicht gerade ein besonders enges Verhältnis hatten. Die Frau ihrer Patentante hatte schon immer etwas ruppig und abweisend auf sie gewirkt. Aber als Lotte dann auch noch persönlich angerufen hatte, zeigte sich die Situation von einer anderen Seite. »Lotte leidet seit einigen Jahren an Arthrose und ist langsam in einem Alter, in dem sie das Buchcafé nicht mehr alleine führen kann. Sie möchte sich bald zur Ruhe setzen und sucht eine Nachfolgerin.«

Eine Weile schwiegen sie sich an, und Antonia glaubte beinahe hören zu können, wie er nachdachte. Wahrscheinlich hatte er wie sonst auch, wenn er sich konzentrierte, seine Finger auf die Schläfe gelegt und die Augen zugekniffen.

»Du wirst mir ... uns hier fehlen, weißt du ...«, sagte er schließlich. Leise und ein wenig unsicher. Und da war Antonia endgültig klar geworden, wenn sie einen Neuanfang wollte, dann musste sie ihre Heimatstadt verlassen. Dann musste sie fort von ihm, sonst würde da immer dieses dünne Band zwischen ihnen bestehen bleiben, das er mit solchen Worten gespannt zu halten verstand.

Als Antonia Nathalie von dem Anruf erzählt hatte, polterte sie direkt los: »Wieso gehst du überhaupt ran, wenn der anruft? Der Typ hat dich betrogen!«

»Ich weiß, aber ich habe ihn damals mit meinen Zukunftsplänen ja auch ziemlich überrollt«, hatte Antonia zu seiner Verteidigung vorgebracht, worauf Nathalie nur genervt mit den Augen gerollt hatte.

»Aha, und weil die langjährige Freundin einem vorsichtig eröffnet, dass man bereit wäre, darüber zu sprechen, irgendwann den nächsten Schritt zu gehen, gibt ihm das die Erlaubnis, mit jemand anderem zu schlafen? Ich weiß, wie du Dinge ansprichst, Antonia, und du hast ihm sicherlich nicht die Pistole auf die Brust gesetzt und gesagt: Hochzeit und Kinder in einem Jahr, oder ich bin weg.«

Wäre Antonia damals nicht so verunsichert gewesen, hätte sie über die Bemerkung ihrer Schwester vermutlich gelacht, aber so hatte sie nur geschwiegen und Nathalie hilflos angeblickt.

»Ich dachte, er hat mir vielleicht etwas Wichtiges zu sagen.«

Nathalies Augen hatten sich zu Schlitzen verformt. »Und? Hatte er?«

Antonia musste den Kopf schütteln. »Nicht wirklich ...« Und das war die Wahrheit.

»Hör mal, ich weiß, du hast trotz allem, was er verbockt hat, noch Gefühle für ihn. Aber dass du Lottes Buchcafé übernehmen willst, ist das Beste und Coolste, was du je in deinem Leben vorhattest. Knick jetzt nicht ein wegen dieses Trottels, der nicht weiß, was er will. Zieh es durch, und wenn du in drei Jahren immer noch der Meinung bist, dass es ein Fehler war, dann kannst du ja zurück nach Hause kommen. Abgesehen davon, Jens hätte um dich kämpfen, dich daran hindern können, aus eurer gemeinsamen Wohnung auszuziehen. Aber hat er das gemacht?«

Antonia seufzte. Sie hätte Jens seinen Ausrutscher vermutlich verziehen, wenn er nur um sie gekämpft hätte. Immerhin hatte sie sich vorstellen können, mit ihm in die Zukunft zu gehen, Kinder zu kriegen. Doch Jens hatte es einfach so passieren lassen. Antonia war noch am selben Tag, an dem er ihr den One-Night-Stand mit der neuen Kollegin Stella gestanden hatte, aus der gemeinsamen Wohnung aus- und in ihr altes Kinderzimmer im Haus ihrer Eltern eingezogen.

»Nein«, murmelte Antonia.

»Eben. Und wieso wartet er fast ein halbes Jahr, um dich anzurufen, und flirtet in der Zwischenzeit fröhlich mit dieser Tussi rum ...?«

Antonia dachte an die vielen Situationen bei der Arbeit, in denen Jens mit der neuen Kollegin getuschelt oder sie beiläufig berührt hatte. Sie hatten sich nie vor Antonia geküsst, aber es war auch so die reinste Folter für sie gewesen, die beiden mehrmals in der Woche bei der Arbeit sehen zu müssen ...

Nathalies Worte waren hart gewesen, denn tatsächlich hatte zu dem Zeitpunkt immer noch ein kleiner Funke der Hoffnung in Antonia gelebt. Aber Nathalie hatte natürlich recht gehabt. Hätte Jens wirklich etwas an ihr gelegen, dann hätte er genügend Gelegenheiten gehabt, etwas zu unternehmen ...

»Genug!«, schimpfte sich Antonia in Gedanken, stellte ihre Tasse beiseite, nahm ihr Buch zur Hand und versank sogleich in der Geschichte.

Kapitel 3

     Als Antonia am nächsten Morgen zum Buchcafé hinüberging, war es im Kapuzinerviertel lauter als sonst. Ein kleiner Kran ließ langsam einen Mann in die Höhe. In dem »Korb«, in dem er stand, lag ein weiteres Teil des sternenförmigen Lichterschmucks, von dem er und sein Kollege bereits drei an den Straßenlaternen im Viertel angebracht hatten. Aus der Ferne sah Antonia, dass sogar der Imbissbudenbesitzer nebenan gerade eine Art Tannengirlande mit roten Schleifen und kleinen Kugeln an seinem Türrahmen anbrachte. Statt Weihnachtsstimmung machte sich in ihr Nervosität breit. Wenn sogar der Bratwurstkönig schon in weihnachtlichem Glanz erstrahlte, dann musste sie sich mit dem Buchcafé schleunigst ranhalten. Ihr Blick fiel auf ein Haus, das eine heruntergekommene Kneipe beheimatete und an dem schon die letzten Wochen über kleinere Arbeiten vorgenommen worden waren. Was genau gemacht wurde, darüber waren weder sie noch Lotte informiert worden.

Nun aber war vor dem alten Gebäude ein riesiges Gerüst aufgebaut. Zudem versperrte ein Schutt-Container die halbe Straße, und das Fahrzeug eines Heizungsinstallateurs stand auch noch in der Nähe.

Antonia ging weiter, bis direkt vor ihr etwas, das aussah wie eine Theke oder Küchenzeile, von fünf Mann aus dem Haus getragen und in den Container geworfen wurde, was so laut schepperte, dass es ihr in den Ohren klingelte.

»Uff«, machte sie und zog eine Grimasse. Im nächsten Moment begann jemand zu bohren oder zu meißeln ...

Antonia versuchte, den Baustellenkrach beiseitezuschieben, und schloss rasch das Buchcafé auf, um es für den Tag vorzubereiten. Nachdem sie erst einmal eine Weile in ihrem kleinen Bücherparadies verbracht und den ersten Kaffee getrunken hatte, war das Meißeln nur noch ein entferntes Surren im Hintergrund.

Gerade als sie mit ihrem Schiefer-Aufsteller nach draußen ging und ihn vor dem Laden platzierte, rauschte ein kleiner Lastwagen auf den Gehweg.

Antonia sprang erschrocken mit einem lauten »Hey!« einen Schritt zur Seite, weil er so eng an ihr vorbeischoss, dass sie sicher war, er hätte sie sonst angefahren. Direkt vor dem Buchcafé kam er schließlich ruckartig zum Stehen. Antonia hätte erwartet, dass die Bremsen quietschen würden.

Hektisch sprang ein Mann vom Fahrersitz und knallte die Tür schwungvoll hinter sich zu.

Während Antonias Puls noch immer raste, sah sie dem Mann ungläubig hinterher, wie er direkt im Laderaum des LKWs verschwand, ohne ein Wort der Entschuldigung und ohne sie überhaupt zu beachten. Als der Schreck ein wenig nachgelassen hatte, begann es in ihr zu brodeln.

Was fiel diesem Kerl denn ein! So verhielt man sich im Straßenverkehr nicht. Und überhaupt, wollte der etwa hier stehen bleiben? Nicht genug, dass die Baustelle das untere Ende des Kapuzinerviertels belegte und aus dem beschaulichen Plätzchen einen Lärmhotspot machte. Jetzt versperrten sie auch noch das Buchcafé – ihr Buchcafé!

Antonia war noch so voller Adrenalin, dass sie, ohne nachzudenken, um das Fahrzeug herum zur Laderampe ging. Heute hatte sie keine Lust, sich alles gefallen zu lassen. »Entschuldigen Sie ...«, sagte sie in strengem Ton.

Da der Mann sie offenbar nicht hörte, räusperte sie sich und versuchte es erneut, diesmal aber lauter. »Entschuldigung!«

Endlich tauchte der Mann aus den Tiefen des LKWs auf. Er trug eine verwaschene Jeans und einen dunkelgrauen, abgetragenen Hoodie mit der Aufschrift »Hopslave«, also »Hopfensklave«. Unter der weiß-roten Norweger-Bommel-Mütze, die Antonia ein wenig an das Modell von Macaulay Culkin in Kevin allein zu Haus erinnerte, lugten hellblonde Locken heraus, die sich im Nacken kräuselten. Und obwohl es weder zur Jahreszeit noch zu einer Baustelle passte, trug er ein paar ausgelatschte, weiße Sneaker.

Ah, schoss es Antonia durch den Kopf. Ihn kannte sie doch! Er war der Typ, der sie neulich auf der Straße angerempelt hatte. Antonia fühlte sich plötzlich ziemlich unwohl. Konfrontationen scheute sie in der Regel konsequent, und das Adrenalin, das sie gerade noch dazu angetrieben hatte, in den LKW hineinzuschreien, schien mittlerweile verpufft zu sein. Erschwerend kam hinzu, dass dieser Straßen-Rowdy leider wirklich gut aussah, was sie zusätzlich verunsicherte.

»Sagen Sie mal, haben Sie mich nicht gesehen? Sie können hier doch nicht so auf den Gehsteig rasen ...«, brachte sie trotz allem bestimmter und wütender hervor, als sie selbst erwartet hätte. Ihre Ohren begannen zu glühen.

»Sorry, ist was passiert?« Überrascht ging er einen Schritt auf Antonia zu und musterte sie aus seinen blauen Augen von oben bis unten, wohl um zu prüfen, ob noch alle Gliedmaßen vorhanden waren.

»Äh, nein«, sagte Antonia wahrheitsgetreu.

Der »Hopslave«-Typ schien dank der Entwarnung nicht weiter interessiert zu sein und verschwand wieder im Laderaum, sprach aber weiter: »Okay. Dann ist ja gut.«

Dass er so läppisch reagierte, ärgerte sie maßlos. Was stimmte denn mit diesem Kerl nicht?

»Du kannst hier nicht parken«, sagte sie deshalb anklagend.

»Ich weiß. Ich parke hier auch gar nicht. Wir laden nur etwas aus.«

»Aha.« Antonia zögerte. »Und wie lange wird das dauern?«

Sie hörte ihn seufzen, und er klang genervt, als er wiederauftauchte. »Keine Ahnung. Solange es eben dauern wird, die zwei riesigen Tanks da hinten reinzuverfrachten.« Er deutete zum Epizentrum der Baustelle, und weil Antonia noch immer vor dem LKW stand, ergänzte er: »Wenn's gut läuft, dann sind wir in zwei Stunden fertig.«

Antonia gab sich damit zufrieden, murmelte: »Gut, das will ich aber auch hoffen«, und stapfte zurück ins Café. Den Aufsteller nahm sie wieder mit hinein. Vor dem Laden war nun ja kein Platz mehr dafür. Sie konnte nur hoffen, dass der Hopslave-Typ Wort halten würde, wobei er nicht gerade vertrauenswürdig wirkte. Aber vielleicht irrte sie sich ja. Ihre Menschenkenntnis war immerhin nicht die beste. Jüngstes Beispiel: Jens ...