Wein und Haschisch - Charles Baudelaire - E-Book
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Wein und Haschisch E-Book

Charles Baudelaire.

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Beschreibung

"Ein Mensch, der nur Wasser trinkt, hat seinen Mitmenschen etwas zu verbergen."

Wer Charles Baudelaire ausschließlich als Verfasser der dunkel-brillanten Gedichte aus «Die Blumen des Bösen» kennt, lässt sich ein wahres Lesevergnügen entgehen. In seinen geist- und pointenreichen Essays vergleicht Baudelaire die unterschiedlichen – und nicht gleichermaßen empfehlenswerten – Wirkungen von Wein und Haschisch, gibt jungen Schriftstellerkollegen Tipps zum Umgang mit Gläubigern, schildert seine Begeisterung nach der ersten Aufführung einer Wagner-Oper in Paris oder erteilt Ratschläge, wie man das Glück in der Liebe finden kann. In dieser exklusiven Zusammenstellung in Neuübersetzung begegnet uns der feinsinnige Ästhet als ironischer Lebenskünstler, als hellsichtiger Literaturkritiker und als wortmächtiger Protagonist der Pariser Boheme.

Gebunden in dunkelroten Samt mit Glanzfolienprägung, ist der Band zudem ein bibliophiler Hingucker.

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Wer Charles Baudelaire ausschließlich als Verfasser der dunkel-brillanten Gedichte aus «Die Blumen des Bösen» kennt, lässt sich ein wahres Lesevergnügen entgehen. In seinen geist- und pointenreichen Essays vergleicht Baudelaire die unterschiedlichen – und nicht gleichermaßen empfehlenswerten – Wirkungen von Wein und Haschisch, gibt jungen Schriftstellerkollegen Tipps zum Umgang mit Gläubigern, schildert seine Begeisterung nach der ersten Aufführung einer Wagner-Oper in Paris oder erteilt Ratschläge, wie man das Glück in der Liebe finden kann. In dieser exklusiven Zusammenstellung in Neuübersetzung begegnet uns der feinsinnige Ästhet als ironischer Lebenskünstler, als hellsichtiger Literaturkritiker und als wortmächtiger Protagonist der Pariser Boheme.

CHARLES BAUDELAIRE

WEIN UND HASCHISCH

Essays

Aus dem Französischen übersetztvon Melanie Walz

Nachwort von Tilman Krause

MANESSE VERLAGZÜRICH

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Copyright © 2017 by Manesse Verlag,Zürich in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umsetzung eBook: Greiner & Reichel in Köln Einbandgestaltung: Cornelia Niere, München ISBN 978-3-641-20569-0V002
www.manesse.ch

INHALTSVERZEICHNIS

Auswahl tröstlicher Maximen über die Liebe

Ratschläge an junge Literaten

Wein und Haschisch

Was uns das Spielzeug lehrt

«Madame Bovary» von Gustave Flaubert

Richard Wagner und der «Tannhäuser» in Paris

Anmerkungen

Nachwort

Editorische Notiz

AUSWAHL TRÖSTLICHER MAXIMEN ÜBER DIE LIEBE

Wer Maximen verfasst, will sich verkleiden – die Jungen schminken sich auf alt, die Alten putzen sich heraus.

Die Gesellschaft, dieses große System von Widersprüchen, schätzt Hinfälligkeit jeder Art hoch – schwärzen wir uns geschwind Runzeln ins Gesicht – und rühmt sich ihrer Empfindsamkeit, also lasst uns unser Herz wie ein Frontispiz schmücken.

Und wozu? – Wenn Sie keine wahren Menschen sind, seien Sie wahre Tiere. Seien Sie naiv, und so mancher wird Sie nützlich oder erfreulich finden. Mein Herz – schlüge es auf der Rechten – würde gewiss tausend Mitparias unter den drei Milliarden Geschöpfen erkennen, die an den Brennnesseln der Gefühlsseligkeit nagen!

Wenn ich mit der Liebe beginne, dann weil die Liebe für alle – mögen sie es ruhig leugnen – das Wichtigste im Leben ist!

Ihr alle, die ihr einen unersättlichen Geier nährt – hoffmanngleiche1 Dichter, die ihr in kristallenen Gefilden zur Harmonika tanzt und denen die Violine das Herz zerreißt wie eine Klinge, ihr gierigen, unersättlichen Betrachter, die das Schauspiel der Natur in gefährliche Ekstasen versetzt –, möge die Liebe euch ein Beruhigungsmittel sein.

Stille Dichter, sachliche Dichter, edle Parteigänger der Methode, Architekten des Stils, gewiefte Köpfe, die ihr eine tägliche Pflicht zu erfüllen habt – möge die Liebe euch ein Exzitans sein, ein belebendes und anregendes Getränk, und die Gymnastik der Lust ständige Ermunterung zum Handeln!

Für die einen eine nervenberuhigende Arznei, für die anderen der Alkohol.

Ihr, die ihr die Natur für grausam und die Zeit für kostbar haltet – möge die Liebe euch ein heißer, Herz und Seele stärkender Trank sein.

Es heißt also, seine Liebschaften zu wählen.

Ohne die Liebe auf den ersten Blick zu leugnen, was undenkbar wäre – man vergleiche Stendhal, «Über die Liebe», 1. Buch, 23. Kapitel2 –, muss man dennoch annehmen, dass Schicksalsfügungen gewissen Schwankungen unterliegen, hervorgerufen durch die menschliche Handlungsfreiheit.

So wie für die Theologen die Freiheit darin besteht, die Versuchung eher zu meiden, als ihr zu widerstehen, so besteht in der Liebe die Freiheit darin, die Frauen der gefährlichen Sorte zu meiden, das heißt die Frauen, die Ihnen gefährlich wären.

Ihre Geliebte, die Frau Ihres Himmelreichs, werden Ihnen Ihre naturgegebenen Vorlieben hinreichend deutlich offenbaren, das bestätigen auch Lavater3, die Malerei und die Bildhauerei.

Die physiognomischen Merkmale wären unfehlbar, kennte man sie allesamt und gründlich. Ich kann an dieser Stelle nicht alle weiblichen physiognomischen Merkmale aufführen, die für immer und ewig zu diesem oder jenem Mann passen. Vielleicht werde ich eines Tages diese titanische Aufgabe in einem Buch bewältigen, das zum Titel haben wird: «Der Katechismus der geliebten Frau», doch ich halte es für unstreitig, dass ein jeder, der sich von seinen gebieterischen, wenn auch schemenhaften Vorlieben und seiner Beobachtungsgabe leiten lässt, zu gegebener Zeit die erforderliche Frau finden kann. Außerdem sind unsere Vorlieben in aller Regel nicht gefährlich; beim Kochen wie in der Liebe versieht uns die Natur nur selten mit Geschmack an dem, was uns schadet.

Da ich den Begriff der Liebe im umfassendsten Sinn verstehe, sehe ich mich genötigt, einige besondere Maximen zu delikaten Fragen aufzustellen.

Mann des Nordens, der du dein Schiff mit Leidenschaft durch die trügerischen Nebel lenkst; der du die Schönheit des Polarlichts höher schätzt als die der Sonne; der du unermüdlich nach dem Ideal dürstest: Liebe die kalten Frauen! Liebe sie innig, denn sie zu lieben ist mühsamer und beschwerlicher und wird dir eines Tages zu größerer Ehre gereichen vor dem Liebesgericht, das jenseits der blauen Unendlichkeit tagt!

Mann des Südens, dessen heitere Natur keinen Geschmack an Geheimnissen und Rätseln findet, frivoler Mann aus Bordeaux, Marseille oder Italien – mögen die feurigen Frauen dir genügen; Lebhaftigkeit und Temperament sind dein natürliches Reich – ein amüsantes Reich.

Junger Mann, der du ein großer Dichter sein willst, hüte dich in der Liebe vor dem Paradoxen; überlasse es den von ihrer ersten Pfeife berauschten Schülern, lauthals Lobgesänge auf die dicke Frau anzustimmen; überlasse diese Lügen den neu bekehrten Anhängern der pseudoromantischen Schule. Die dicke Frau mag bisweilen eine reizende Caprice sein, doch die magere Frau ist eine unerschöpfliche Quelle dunkler Wollust!

Verleumde nie die erhabene Natur, und wenn sie dir eine Geliebte ohne Busen zugeteilt hat, sage: «Ich habe einen Freund – mit Hüften!», und geh in den Tempel, um den Göttern zu danken.

Versteh sogar aus der Hässlichkeit Gewinn zu ziehen: aus der eigenen, das ist allzu leicht; jedermann weiß, dass Trenck4, die verbrannte Visage, von den Frauen vergöttert wurde;* und zwar von der eigenen – was seltener und schöner ist, durch die gedankliche Assoziation aber nachvollziehbar und schlüssig wird.

Denken wir uns Ihre Göttin krank. Ihre Schönheit ist unter der abscheulichen Kruste der Blattern verschwunden wie das Grün unter dem schweren Eis des Winters. Noch bewegt von der ständigen Angst und dem wechselhaften Verlauf der Krankheit betrachten Sie voller Kummer die unauslöschlichen Stigmata am Körper der geliebten Genesenden; in Ihren Ohren erklingt unvermutet eine ersterbende Melodie, von Paganinis rasendem Bogen ausgeführt, und diese mitfühlende Melodie spricht von Ihnen selbst und scheint Ihnen das ganze Gedicht Ihrer verlorenen Hoffnungen zu deklamieren. Von nun an werden die Spuren der Blattern Teil Ihres Glücks sein und unter Ihrem zärtlichen Blick immer die geheimnisvolle Melodie Paganinis singen. Diese Narben werden nicht nur Gegenstand liebevollen Mitgefühls sein, sondern auch körperlicher Wollust, sofern Sie zu jenen empfindsamen Geistern gehören, denen die Schönheit vor allem das Versprechen des Glücks bedeutet. Es sind also in erster Linie die gedanklichen Assoziationen, die lehren, die Hässlichen zu lieben, denn wenn Ihre pockennarbige Geliebte Sie betrügt, laufen Sie Gefahr, sich nur mit einer Pockennarbigen trösten zu können.

Bei gewissen neugierigeren und blasierteren Zeitgenossen leitet sich das Vergnügen an der Hässlichkeit aus einem noch mysteriöseren Gefühl her, dem Durst nach dem Unbekannten und dem Geschmack am Grauenhaften. Dieses Gefühl, dessen Keime jeder von uns mehr oder weniger ausgeprägt in sich trägt, drängt manche Dichter in die Seziersäle und Kliniken und die Frauen zu den öffentlichen Hinrichtungen. Wer das nicht versteht, den kann ich nur bedauern – eine Harfe, der eine tiefe Saite fehlt!

Was die Schreibfehler betrifft, die manche Einfaltspinsel für ein Kennzeichen moralischer Hässlichkeit halten: Muss ich Ihnen eigens erklären, dass sie ein ganzes naives Gedicht der Erinnerungen und Genüsse ergeben können? Der bezaubernde Alkibiades5 stotterte so reizend, und das Kauderwelsch der Kindheit ist göttlich! Hüten Sie sich also davor, junge Adepten der Wollust, Ihre Freundin im Französischen zu unterrichten – sofern man nicht ihr Französischlehrer sein muss, um ihr Liebhaber zu werden.

Es gibt Männer, denen es die Schamesröte ins Gesicht treibt, eine Frau geliebt zu haben, sobald sie merken, dass sie dumm ist. Das sind eitle Besserwisser, dazu bestimmt, sich von den elendsten Disteln der Schöpfung zu ernähren oder von der Gunst eines Blaustrumpfs. Die Dummheit ziert oft die Schönheit; sie verleiht den Augen die düstere Klarheit dunkler Teiche und den öligen Frieden tropischer Meere. Die Dummheit hält die Schönheit frisch; sie hält die Falten fern; sie ist ein himmlisches Kosmetikum; sie bewahrt unsere Göttinnen vor jenen Verletzungen, die für uns hässliche, kluge Denker bestimmt sind!

Manche verargen ihren Geliebten deren Freigebigkeit. Das sind Geizkragen oder Republikaner, denen die Grundsätze der politischen Ökonomie unbekannt sind. Die Laster einer großen Nation sind deren größter Reichtum.

Andere wiederum, gesetzte Personen, vernünftige und moderate, genau im rechten Maß gläubige Deisten, erzürnt es, wenn ihre Frauen sich der Frömmigkeit hingeben. Ach! Was für Tölpel, die nie ein Instrument zu spielen verstünden! Ach! Was für Erzdummköpfe, die nicht begreifen, dass die bewundernswürdigste Form, die die Religion annehmen kann – ihre eigene Frau ist! Ein Ehemann, den es zu bekehren gilt: welch köstlicher Apfel! Eine große Gottlosigkeit: welch herrliche verbotene Frucht – in einer stürmischen Winternacht am Feuer, mit Wein und Trüffeln –, stummer Lobgesang auf das häusliche Glück, Sieg über die unerbittliche Natur, die auf ihre Weise die Götter zu lästern scheint!

Ich käme nicht so bald zum Ende, wollte ich alle schönen und guten Seiten dessen aufzählen, was man als Laster und moralische Hässlichkeit bezeichnet; doch oft geraten herzensgute, intelligente Menschen in eine schwierige und beängstigende, geradezu tragische Situation, wenn sie in der Zwickmühle stecken zwischen dem Hang zur Sittlichkeit, den sie vom Vater geerbt haben, und dem Hang zur Tyrannei, den eine verachtenswerte Frau erkennen lässt. Zahlreiche schändliche Treulosigkeiten, Gewohnheiten, die sich niedriger Herkunft verdanken, abscheuliche Geheimnisse, zur Unzeit entdeckt, flößen Ihnen Grauen vor Ihrer Göttin ein, und es kann geschehen, dass Ihre Lust Sie erschrecken lässt. Platonisches Urteilen führt da nicht weiter. Tugend und Stolz rufen Ihnen zu: Verlasse sie! Die Natur flüstert Ihnen ins Ohr: Wohin vor ihr fliehen? Entsetzliche Alternativen, angesichts deren die stärksten Geister die ganze Unzulänglichkeit unserer philosophischen Bildung offenbaren. Die Gewandtesten, vom Naturtrieb genötigt, die ewige Romanze von Manon Lescaut oder von Leone Leoni6 nachzuspielen, haben sich mit der Behauptung getröstet, die Verachtung sei mit der Liebe sehr wohl vereinbar. – Ich will Ihnen ein recht einfaches Remedium verraten, das Ihnen nicht nur solche beschämenden Rechtfertigungen erspart, sondern Ihnen auch erlaubt, Ihre Göttin nicht zu schmähen und Ihre Kristallbildung** nicht zu beeinträchtigen.7

Ich stelle mir vor, dass die Bezwingerin Ihres Herzens am Rand des Abgrunds steht, nachdem sie alle Grenzen des Erlaubten und des Unerlaubten überschritten hat und – letzte Untreue und unübertreffliche Qual – die Macht ihrer Reize an ihren Kerkerknechten und Henkern ausprobiert hat.*** Werden Sie dann ohne Weiteres dem Ideal abschwören? Oder werden Sie, wenn die Natur Sie treu und tränenselig in die Arme der bleichen Guillotinierten treibt, gekränkt und resigniert sagen: «Verachtung und Liebe sind Cousins!» O nein, denn da haben wir es mit der Widersprüchlichkeit eines ängstlichen Geistes und einer trüben Intelligenz zu tun. Sagen Sie kühn und mit der Offenheit des wahren Philosophen: «Weniger schändlich wäre mein Ideal nicht vollkommen. Ich betrachte es und unterwerfe mich ihm; die großartige Natur allein wird wissen, was sie mit einer so raffinierten Übeltäterin bezweckt. Höchstes Glück und höchste Vernunft! Unübertrefflich! Ergebnis der Gegensätze! Ormuzd und Ahriman,9 ihr seid eins!»

Und auf diese Weise, indem Sie die die Widersprüche versöhnen, wird Sie die Bewunderung ganz von allein zur reinen Liebe zurückführen, dieser Sonne, deren Inbrunst jeden Makel tilgt.

Behalten Sie dies im Gedächtnis, dass man sich vor allem vor dem Paradox in der Liebe in Acht nehmen muss. Die Naivität ist die Rettung, die Naivität macht glücklich, und wäre Ihre Mätresse auch so hässlich wie die alte Mob, Königin der Schrecknisse!10 Im Allgemeinen ist die Liebe für die feinen Leute – wie es ein gewandter Moralist11 sagte – nichts anderes als die Liebe zum Spiel, die Liebe zum Kampf. Das ist ein großes Missverständnis; die Liebe soll nichts sein als die Liebe; Kampf und Spiel sind in der Liebe nur als List erlaubt.

Das größte Missverständnis der modernen Jugend besteht in ihren Illusionen. Nicht wenige Verliebte sind eingebildete Kranke, die viel Geld für Arzneibücher ausgeben und Monsieur Fleurant und Monsieur Purgon12 in Lohn und Brot setzen, ohne die Vorzüge und Privilegien einer ernsthaften Erkrankung zu genießen. Man beachte, dass sie ihren Magen mit albernen Mittelchen quälen und dabei die verdauungsfördernde Wirkung der Liebe schmälern.

Man muss mit seiner Zeit gehen, doch man hüte sich, den berühmten Don Juan nachzuäffen, der bei Molière zuerst ein ungehobelter Schurke war, elegant gekleidet und mit einem Hang zur Liebe, zum Verbrechen und zu Spitzfindigkeiten, sodann dank der Herren Alfred de Musset und Théophile Gautier zu einem künstlerischen Müßiggänger aufstieg, der in verrufenen Häusern nach der Vollkommenheit suchte,13 und nun zuletzt nichts anderes ist als ein alter Dandy, kreuzlahm von all seinen Reisen und die lächerlichste Erscheinung neben einer ehrbaren Frau, die ihren Ehemann aufrichtig liebt.

Grundsätzliche und allgemeingültige Regel: Hüten Sie sich in der Liebe vor dem Mond und den Sternen, hüten Sie sich vor der Venus von Milo, vor Seen, Gitarren, Strickleitern und allen Romanen – selbst vor dem besten der Welt, und hätte Apoll ihn verfasst!

Aber lieben Sie von ganzem Herzen, mit aller Kraft, keck, zielstrebig und unerbittlich die Frau, die Sie lieben; und möge Ihre Liebe – denn Harmonie sei vorausgesetzt – nie der Liebe eines anderen in die Quere kommen, möge Ihre Wahl dem Staat keine Sorgen bereiten. Bei den Inkas liebte man die eigene Schwester, begnügen Sie sich mit Ihrer Cousine. Erklettern Sie keine Balkone, beleidigen Sie nicht die Ordnungskräfte; nehmen Sie Ihrer Geliebten auf keinen Fall den Trost, an Götter zu glauben, und wenn Sie sie zum Tempel begleiten, lassen Sie es sich angelegen sein, Ihre Finger sittsam in das klare und frische Weihwasser zu tauchen.

Jede Moral zeugt vom guten Willen der Gesetzgeber, jede Religion ist der höchste Trost für alle Bedrückten, jede Frau ist auch die Frau an sich, und die Liebe lohnt als Einziges die Mühe, dass man ein Sonett drechselt und erlesene Wäsche anlegt. Diese Dinge achte ich deshalb mehr als jeder andere und zeihe jeden der Verleumdung, der meint, sich angesichts meiner Moralhäppchen bekreuzigen oder seiner Empörung Nahrung geben zu müssen.

Eine schillernde Moral, nicht wahr? Farbige Gläser, die vielleicht das ewige Licht der Wahrheit darin zu stark färben? – Keineswegs, keineswegs. – Hätte ich beweisen wollen, dass in der besten aller Welten alles zum Besten steht, hätte der Leser das Recht, mir ebenso wie dem genialen Faxenmacher14zu sagen:Du Lästerer! Ich aber wollte beweisen, dass in der schlechtesten aller möglichen Welten alles immer noch zum Besten stehen kann. Mir wird also vieles verziehen werden, weil ich viel geliebt habe … meinen Leser … oder meine Leserin.

* Wir hätten Mirabeau anführen können, aber das wäre allzu gewöhnlich, und obendrein argwöhnen wir, dass er von sanguinischer Hässlichkeit war, was wir besonders abstoßend finden (Anmerkung des Verfassers).

** Wir wissen, dass unsere Leser alle Stendhal gelesen haben (Anmerkung des Verfassers).

*** So wie in L’Âne Mort (Anmerkung des Verfassers).8

RATSCHLÄGEAN JUNGE LITERATEN

Die folgenden Gebote sind Frucht der Erfahrung; die Erfahrung setzt ein gewisses Maß an Schnitzern voraus; da sie jedem unterlaufen – allen oder fast allen –, hoffe ich, dass meine Erfahrung sich durch die der anderen bestätigt finden wird.

Besagte Gebote haben keinen anderen Zweck als den, ein Vademecum zu sein, und keinen anderen Nutzen als den eines Höflichkeitskatechismus. Gewaltiger Nutzen! Man denke sich Höflichkeitsregeln, von einer Warens1 mit klugem und gutem Herzen verfasst; die Kunst, sich nutzbringend zu kleiden, von einer Mutter gelehrt! Und so will ich in diese Gebote, die ich den jungen Literaten widme, eine ganz brüderliche Zärtlichkeit einfließen lassen.

I.

Vom Glück und Pech der Anfänger

Junge Schriftsteller, die nicht ohne eine Spur Neid von einem jungen Kollegen sprechen, sagen: «Was für ein schönes Debüt, er hat famoses Glück gehabt!», ohne zu bedenken, dass jedes Debüt seine Vorgänger hat und sich aus zwanzig anderen Debüts speist, von denen sie nichts wissen.

Ich weiß nicht, ob ein Ruf jemals mit Pauken und Trompeten begründet wurde; ich denke eher, dass ein Erfolg, abhängig vom Können des Schriftstellers, nach allen Regeln der Arithmetik und der Geometrie das Ergebnis vorheriger Erfolge ist, die mit bloßem Auge oft nicht zu erkennen sind. Die langsame Anhäufung molekularer Erfolge ist möglich, doch wundergleiche und spontane Schöpfungen, die gibt es niemals.

Diejenigen, die sagen: «Ich habe Pech gehabt», hatten noch nicht genug Erfolg und wissen es nur nicht.

Ich ziehe die tausend Umstände in Betracht, die den Willen des Menschen beeinflussen und jeweils ihren eigenen berechtigten Ursprung haben; diese Umstände umgeben den Willen wie eine Hülle; doch die Hülle ist beweglich, lebendig, wandelbar und ändert von Tag zu Tag, von Minute zu Minute und von einer Sekunde zur nächsten Beschaffenheit und Größe. Und davon mitgerissen, ändern all die Wünsche des Menschen, die darin eingeschlossen sind, ständig ihr wechselseitiges Spiel, und das macht die Freiheit aus.

Freiheit und Schicksalsfügung sind Gegensätze; von nahe und von ferne betrachtet, sind sie ein einziger Wille.

Und deshalb gibt es kein Pech. Wenn Sie Pech haben, dann mangelt es Ihnen an etwas: Erkennen Sie dieses Etwas, und ergründen Sie das Spiel Ihrer Wünsche, damit Sie die Umstände anpassen können.

Ein Beispiel unter tausenden. Manche, die ich liebe und schätze, erregen sich über beliebte zeitgenössische Schriftsteller wie Eugène Sue2 und Paul Féval3, menschgewordene Buchstabenrätsel; doch das Talent dieser Leute, mag es noch so oberflächlich sein, ist unanfechtbar, während man den Zorn meiner Freunde sehr wohl anfechten oder zumindest für irrelevant halten kann, denn er bedeutet verlorene Zeit, das Sinnloseste, was es auf der Welt gibt. Es geht nicht um die Frage, ob die Literatur des Herzens oder die der Form der Modeliteratur überlegen ist. Das ist allzu evident, wenigstens für mich. Dennoch bliebe es nur zur Hälfte wahr, solange Sie in dem Genre, dem Sie sich widmen wollen, nicht mindestens so viel Talent entfalten wie Eugène Sue in dem seinen. Wecken Sie ebenso viel Interesse mit neuen Mitteln; wirken Sie mit gleicher oder größerer Kraft in eine andere Richtung; verdoppeln, verdreifachen, vervierfachen Sie die Dosis bis zur gleichen Konzentration, und Sie werden den Bourgeois nicht mehr schmähen müssen, denn der Bourgeois wird auf Ihrer Seite sein. Bis dahin, vae victis!4, denn nichts übertrifft die Kraft, die das Recht auf ihrer Seite hat.

II.

Vom Honorar

Mag ein Haus noch so schön sein, zunächst einmal ist es – bevor seine Schönheit augenfällig wird – soundso viele Meter hoch und soundso viele Meter breit. Ebenso besteht die Literatur – als am schwersten einzuschätzender Gegenstand – vor allem aus Zeilen, die gefüllt werden müssen; und der literarische Architekt, dessen Name allein keinen Gewinn abwirft, muss um jeden Preis verkaufen.

Manche jungen Leute sagen: «Wenn das so wenig wert ist, warum sich dann solche Mühe geben?» Sie hätten beste Arbeit abliefern können und wären in diesem Fall nur durch die gegenwärtige Notlage beraubt worden, durch das Gesetz der Natur; doch sie haben sich selbst beraubt – die Schlechtbezahlten hätten sich selbst alle Ehre machen können; die Schlechtbezahlten haben sich entehrt.

Ich fasse hier alles, was ich über diesen Gegenstand schreiben könnte, in folgendem hehren Grundsatz zusammen, den ich allen Philosophen, allen Historikern und allen Geschäftsmännern als Denkanstoß überlasse: Nur durch edle Gefühle gelangt man zum Erfolg!

Die gleichen Leute, die sagen: «Warum sich ein Bein ausreißen für nichts und wieder nichts!», wollen später, wenn sie es zu etwas gebracht haben, ihre Bücher für 200 Franc pro Feuilletonabdruck verkaufen, und im Fall einer Ablehnung kommen sie am nächsten Tag und bieten sie für 100 Franc an.

Vernünftig ist derjenige, der sich sagt: «Ich denke, dass dies und das soundso viel wert ist, weil ich begabt bin; aber wenn ich mich auf Zugeständnisse einlassen muss, werde ich es tun um der Ehre willen, zu euch zu zählen.»

III.

Von Sympathien und Antipathien

In der Liebe wie in der Literatur hat man keinen Einfluss auf seine Vorlieben; dennoch muss man sich ihrer vergewissern, und die Vernunft spielt dabei eine ausschlaggebende Rolle.

Wahre Sympathie ist ausgezeichnet, denn sie vereint zwei Dinge in sich – vorgetäuschte Sympathie ist verabscheuenswert, denn sie erreicht nur eines, sieht man von der schlichten Gleichgültigkeit ab, die ich dem Hass vorziehe, dieser notwendigen Folge des Betrugs und der Enttäuschung.

Deshalb befürworte und bewundere ich die Kameradschaft, sofern sie auf wesentlichen Übereinstimmungen in Verstand und Temperament gründet. Sie ist eine der göttlichen Offenbarungen der Natur, eine der vielen Anwendungen des ehrwürdigen Sprichworts: Einigkeit macht stark.

Das gleiche Gesetz der Offenheit und Unbefangenheit gilt für die Antipathien. Es gibt allerdings Menschen, die ihren Hass ebenso unbesonnen offenbaren wie ihre Bewunderung. Das ist höchst unklug; es heißt, sich Feinde schaffen, ohne daraus einen Vorteil oder Profit zu ziehen. Ein Schlag, der nicht trifft, verletzt das Herz des Rivalen, für den er bestimmt war, darum nicht weniger, ganz davon zu schweigen, dass er links oder rechts einen der Sekundanten treffen kann.

Während einer Fechtstunde wurde ich einmal von einem Gläubiger belästigt; ich verfolgte ihn mit Floretthieben ins Treppenhaus. Als ich zurückkam, sagte der Fechtmeister, ein friedlicher Riese, der mich nur hätte anpusten müssen, um mich zu Boden zu werfen: «Wie können Sie Ihre Abneigung nur so vergeuden! Sie, ein Dichter! Ein Philosoph! Pfui!» Ich hatte Zeit vertan, die ich für zwei Fechtkämpfe hätte nutzen können, war außer Atem, beschämt und von einem weiteren Mann verachtet, dem Gläubiger, dem ich nicht viel hatte anhaben können.

In der Tat ist der Hass ein kostbarer Likör, ein teureres Gift als das der Borgia5 – denn er wird aus unserem Blut, unserer Gesundheit, unserem Schlaf und zwei Dritteln unserer Liebe gebraut! Damit muss man geizen!

IV.

Vom Schmähen

Schmähen sollte man nur die Spießgesellen des Irrtums. Sind Sie stark, schaden Sie sich nur, wenn Sie einen Starken angreifen; wenn Sie auch in manchem nicht einer Meinung sein mögen, so wird er doch bei Gelegenheit auf Ihrer Seite stehen.

Es gibt zwei Methoden des Schmähens: auf Umwegen oder auf dem geraden – und schnellsten – Weg.

In den Feuilletons von Jules Janin6 findet man genügend Beispiele für den Umweg. Der Umweg amüsiert das Publikum, bildet es aber nicht.

Der gerade Weg wird zurzeit von einigen englischen Journalisten mit Erfolg beschritten; in Paris ist er außer Gebrauch gekommen, und nicht einmal Monsieur Granier de Cassagnac7 scheint ihn noch zu kennen. Er besteht darin, dass man schreibt: «Monsieur X. ist ein Spitzbube und obendrein ein Esel; dies beweise ich wie folgt» – und es beweist! Erstens, zweitens, drittens und so weiter … Diese Methode empfehle ich all jenen, die über die Zuversicht des Verstands und kräftige Fäuste gebieten.

Eine verfehlte Schmähung ist ein bedauerlicher Unfall, ein Pfeil, der zurückfliegt oder Ihnen zumindest beim Losschnellen die Haut aufreißt, eine Kugel, deren Rückstoß Sie töten könnte.

V.

Von den Kompositionsmethoden

Heutzutage muss man viel produzieren – es heißt also, schnell zu arbeiten; es heißt also, sich mit aller Sorgfalt zu beeilen; es heißt also, dass alle Hiebe sitzen müssen und dass keiner danebenzielt.

Um schnell zu schreiben, muss man viel nachgedacht haben – den Gegenstand immer wieder im Geist gewälzt haben, beim Spazierengehen, im Bad, im Restaurant und fast auch bei der Geliebten. Eugène Delacroix8 hat einmal zu mir gesagt: «Die Kunst ist ein derart flüchtiges Ideal, dass man nie sorgfältig und schnell genug arbeiten kann, um es zu erreichen.» So verhält es sich auch mit der Literatur; ich bin daher kein Befürworter von Korrekturen, denn sie trüben den Spiegel des Denkens.

Einige, darunter nicht die Geringsten und äußerst Gewissenhafte – Édouard Ourliac9 zum Beispiel –, schwärzen anfangs viel Papier; das nennen sie ihre Leinwand bedecken. Dieses wirre Vorgehen dient dem Zweck, alles zu behalten. Und jedes Mal, wenn sie ihren Text abschreiben, variieren und erweitern sie ihn. Selbst wenn das Ergebnis hervorragend wäre, bleibt es doch albern, seine Zeit und sein Talent so zu vergeuden. Eine Leinwand zu bedecken heißt nicht, sie mit Farben vollzuschmieren, sondern mit leichtem Farbauftrag einen Entwurf zu gestalten, in zarten und durchsichtigen Tönen das Gesamtbild zu skizzieren. Die Leinwand muss bedeckt sein – im Geist –, in dem Augenblick, in dem der Schriftsteller zur Feder greift, um den Titel hinzuschreiben.

Es heißt, Balzac überfrachte seine Manuskripte und seine Druckfahnen aufs Lächerlichste und Unordentlichste. So erlebt ein Roman eine Reihe von Entwicklungsphasen, in deren Verlauf sich nicht nur die Einheit der Sprache verliert, sondern auch die des Werks. Zweifellos verleiht diese schlechte Methode dem Stil oft etwas Unbestimmtes, etwas Konfuses und Unfertiges – das ist der einzige Fehler dieses großen Geschichtsschreibers.

VI.

Von der täglichen Arbeit und von der Inspiration

Die Orgie ist nicht mehr die Schwester der Inspiration: Diese illegitime Verbindung haben wir gelöst. Die schnelle nervliche Zerrüttung und die Kraftlosigkeit mancher schönen Geister zeugen von der Abscheulichkeit dieses Klischees.

Eine kräftigende und gesunde, aber regelmäßige Ernährung ist das Einzige, was fruchtbare Schriftsteller benötigen. Die Inspiration ist zweifellos die Schwester der täglichen Arbeit. Diese zwei Gegensätze schließen einander so wenig aus wie alle Gegensätze der Natur. Die Inspiration gehorcht wie der Hunger, wie die Verdauung, wie der Schlaf. Gewiss gibt es im Geist eine Art himmlischer Mechanik, deren man sich nicht schämen muss, sondern aus der man das Beste machen soll, wie die Ärzte aus der Mechanik des Körpers das Beste machen. Will man sich unermüdlich auf sein künftiges Werk konzentrieren, wird die tägliche Arbeit der Inspiration zugutekommen – so wie eine lesbare Schrift dazu dient, das Denken zu erhellen, und ungestörtes, kraftvolles Denken dazu verhilft, entzifferbar zu schreiben, denn die Zeiten schludrigen Schreibens sind vorbei.

VII.

Von der Dichtkunst

Was diejenigen betrifft, die sich erfolgreich der Poesie verschreiben oder verschrieben haben, so rate ich ihnen, sie niemals aufzugeben. Die Poesie ist eine der Künste, die das meiste einbringen, doch sie ist eine Anlage, deren Erträge einem erst sehr spät zuteilwerden, wenn auch zum Ausgleich in großen Mengen.

Neider fordere ich auf, mir gute Gedichte zu nennen, die einen Verleger ruiniert hätten.

In moralischer Hinsicht bildet die Poesie eine solche Scheidelinie zwischen erstrangigen und zweitrangigen Geistern, dass selbst das spießbürgerlichste Publikum sich ihrem machtvollen Einfluss beugt. Ich kenne Menschen, welche die oftmals mediokren Feuilletons von Théophile Gautier10 nur deshalb lesen, weil er die «Comédie de la Mort» verfasst hat; zweifellos sind sie nicht für alle Reize dieses Werks empfänglich, aber sie wissen, dass er ein Dichter ist.

Was wäre daran im Übrigen erstaunlich, wenn man bedenkt, dass jeder gesunde Mensch zwei Tage ohne Nahrung auskommen kann – aber niemals ohne Dichtung?

Die Kunstform, die das dringendste Bedürfnis befriedigt, wird immer die größte Ehre genießen.

VIII.

Von den Gläubigern

Sie entsinnen sich gewiss einer Komödie mit dem Titel «Désordre et Génie»11. Dass die Unordnung bisweilen das Genie begleitet, dies beweist lediglich, dass das Genie unglaublich stark ist; leider aber fassen viele junge Leute diesen Titel nicht als Ausdruck eines Zufalls, sondern als den einer Notwendigkeit auf.

Ich bezweifle sehr, dass Goethe Gläubiger hatte; selbst Hoffmann, der liederliche Hoffmann, der oft in Not geriet, strebte immer danach, sich daraus zu befreien, und im Übrigen starb er just in dem Moment, als ein bequemeres Leben seinem Genie eine strahlendere Entfaltung erlaubt hätte.

Begeben Sie sich nie in die Hände von Gläubigern; wenn Sie wollen, tun Sie so, als hätten Sie Gläubiger, das ist alles, was ich Ihnen raten kann.

IX.

Von den Mätressen

Will ich mich an das Gesetz der Gegensätze halten, das sowohl die moralische wie auch die physische Ordnung der Welt bestimmt, dann muss ich in die Klasse der für Literaten gefährlichen Frauen die ehrbare Frau, den Blaustrumpf und die Schauspielerin einreihen – die ehrbare Frau, weil sie zwangsläufig zwei Männern gehört und für die despotische Seele eines Dichters eine magere Weide abgibt; den Blaustrumpf, weil er ein verhinderter Mann ist; die Schauspielerin, weil sie oberflächlich von der Literatur Kenntnis hat und Theaterjargon spricht – kurz, weil sie keine Frau im wahren Sinne des Wortes ist, denn das Publikum ist ihr wichtiger als die Liebe.

Können Sie sich einen Dichter vorstellen, der mit ansehen muss, wie die Frau, die er liebt, eine Hosenrolle spielt? Mir scheint, er wird das Theater in Brand stecken müssen.

Können Sie sich einen Dichter vorstellen, der sich gezwungen sieht, eine Rolle für seine Frau zu schreiben, obwohl sie kein Talent hat?