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In den schönsten Ausflugsgebieten im Ruhrgebiet und Münsterland treibt ein Serienmörder sein lustvolles Unwesen. Da er größenwahnsinnig und sicher ist, dass ihn niemand fassen wird, kündigt er seine brutalen Morde mit Angabe von Ort und Zeit an. Wenn seine Opfer vor ihm niederknien und um ihr Leben wimmern, löst das in ihm, den größten Kick aus. Vor allem führt er sich dem Profiler Ralf Mettermann und seiner Assistentin Anja Meier haushoch überlegen. Immer wenn sie seine Spur verfolgen und ihn nicht fassen, schwelgt er in Glückseligkeit.
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Seitenzahl: 177
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Einführung
Anruf vom Polizeipräsidenten
Unter allen Gipfeln.
Der Leichenfund.
Am Rhein-Herne-Kanal.
Angst in der Bevölkerung.
Wiedersehen mit Anja.
Die Rückkehrerin.
Eine aufgewärmte Beziehung.
Der Anruf.
Zwischen Altenessen und Duisburg.
Der Campus.
3000 Hinweise.
Neuer Anruf.
Bei der SOKO in Recklinghausen.
Wetterscheide.
Unheimliche Stille.
Miese Stimmung.
Der Killer.
Die Suche.
Aufatmen.
Im Dienstzimmer.
Enttäuschung.
Ermittlungen.
Besuch bei einem Verdächtigen.
Aus dem Hinterhalt.
Mettermann schrieb unter dem Bericht:
Entführung.
Hubschrauber.
Spurensuche im Umfeld von Schloss Beck.
Eingaben und Nachforschungen.
Im Krankenhaus.
Fröndenberg.
Mettermanns neue Bekannte.
Speichelprobe.
Albern.
Anjas Programmierung.
Neues Opfer.
Alarmierung.
Pathologie.
Tatorte.
Versuch, ein Suchbild zu erstellen.
Eine frühe Liebe.
Maiausflug.
Erneute Flucht.
Eine neue Untersuchung.
Rekonstruktion.
In Marvins Büro.
Marcels Träumereien.
Der Anruf.
Treffpunkt Reken.
Spazierweg, Hohe Mark, Reken.
Wildkameras.
Waldbrandgefahr.
Treffen der SOKO.
Neuer Auftrag.
Zweiter Testgalopp.
Sylt.
Oer-Erkenschwick.
Neuer Fund.
Lokalausgabe.
Altenessen.
Zweifel.
DNA.
Straßenverkehrsamt.
Die Suche.
München.
Suche.
Schwabing.
Mettermanns Frauenprobleme.
Schellingstraße.
SOKO in Recklinghausen.
Besuch bei der ehemaligen Nachbarin.
Rosie ratlos.
Neueste Spur.
Vorbei.
Am Düsseldorfer Flughafen.
Aus den Mittelmeerländern strömten tropische Luftmassen in das Ruhrrevier. Viele erkrankte Menschen verloren vorübergehend die Orientierung. Ihre Herzen erhöhten den Blutdruck, um ihr Leben zu erhalten.
Obwohl erst Mitte März, blühte der erste Flieder. Die Drosseln brüteten vorzeitig in den Dornenhecken. Am Himmel hetzten die Störche viel zu früh, zu ihren Brutplätzen. Die Meisen stellten vom Winterfutter in den Siedlungen auf Selbstversorgung um.
Für die kranken Revierbewohner war der Wärmeschub Balsam für ihre müden Organe. Die Alten und Kranken mit ihren Vorerkrankungen atmeten auf, weil sie den harten Winter überlebten. Jedoch die Endlichkeit fraß sich weiter in ihre Körper.
In Gladbeck mit seinen 78 000 Einwohnern platzten durch die Zechenstilllegungen und der Abschied von Siemens der Traum von einer Großstadt. Viele der achtstöckigen, einfältigen mit Waschbeton verkleideten Hochhäuser aus den 70-Zieger-Jahren wurden Herbergen für Problemfamilien. Ralf Mettermann weilte vom April 2017 bis zum März 2018 in Aleppo mitten im Terror bei den Ärzten ohne Grenzen.
In den Flüchtlingslagern beteiligte er sich mit operativen Eingriffen sowie mit medizinischer Versorgung von Brandopfern. Aleppo gehörte zur Hölle. Das Lächeln der geschundenen Kinder und die Zuneigung einer Ärztin halfen ihm, halbwegs unbeschädigt heimwärts zu gehen zurückzukehren.
Trügerischerweise wollte ihm der perfekte blaue Morgenhimmel, mit der schmeichelnden Frühlingstemperatur bei seiner Ankunft auf dem Düsseldorfer Flughafen Frieden auf Erden vorgaukeln. Nach seinem letzten Kriminalfall vor zwei Jahren im Revier, bei dem er mithilfe der Spürhunde, einen Serienkiller verhaftete, wollte Mettermann Abstand gewinnen.
Leben besteht nicht darin, Erfolge aufzuweisen, sondern sich gemeinschaftlich einzubringen. Der Mediziner verfügte über mehrere Ausbildungen. Da musste er nicht an Gewohnheiten ersticken, sondern das Leben herauszufordern. Ralf war 41 Jahre, 1,85 m groß. Seine blassblauen Augen, sein hageres markantes Gesicht wirkten auf den ersten Blick kalt und abweisend. Sein auffälliges blondes Langhaar ergraute allmählich an den Schläfen. In der Jugend wollte er Pianist werden. Er scheiterte nach zwei Semestern an der Folkwangschule in Essen, an den Klavierstücken von Frederic Chopin.
Ralf beherrschte zwar die Technik, aber sein Gehirn speicherte die Noten nicht ab. Seine Mutter enttäuschte er. Sie wollte einen besonderen Sohn.
Er empfand ihre Zurückweisung nicht als Scheitern. Das Leben bietet tausend Möglichkeiten. Niemand ist zur Hochleistung, sondern zu einem eigenständigen Leben verpflichtet. Nach seiner Rückkehr aus Aleppo luden ihn Bekannte und Kollegen aus Neugier zum Abendessen ein.
Pflichtgemäß fragten sie anfangs nach der zerbombten Stadt. Ausgiebig erzählten sie danach von ihren Reisen, von ihren neuen Autos sowie ihren Bungalows. Weil er nicht mithalten konnte, luden sie ihn nicht erneut zu sich ein.
Zwei Tage nach seiner Rückkehr aus Aleppo klingelte das Telefon. Der Heimkehrer glaubte, seine Mutter werde ihn zum Kaffee einladen. Es war der Polizeipräsident, sein ehemaliger Chef: »Mettermann guten Tag!« Mettermann erkannte seine Stimme: »Guten Tag Herr Polizeipräsident! Woher wissen Sie, dass ich wieder zurück bin?«
Worauf der Angesprochene erwiderte: »Gestern Abend berichtete die Lokalzeit aus Essen über ihren Einsatz in Aleppo. Respekt! Sie hämmern einem ein schlechtes Gewissen ein!«
Gelernt erwiderte der Profiler: »Das müssen sie nicht haben. Jeder sollte persönliche Bedürfnisse niemals auf andere übertragen!«
Nach einer kurzen Zeit des Innehaltens kam der Präsident auf den Punkt: »Ein Jogger fand vor einer Stunde eine Frauenleiche im Gladbecker Wittringer-Wald. Geben sie sich einen Ruck. Ihr Freund der Kommissar Thomas Marvin erwartet sie sehnsüchtig. Außerdem kehrt nächste Woche ihre ehemalige Assistentin Anja aus Amerika zurück. Nach den Strapazen sollten sie in den Schoss ihrer alten Familie zurückkehren. Nur durch einen reibungslosen Übergang kommen sie in den Alltag zurück. Ihr Platz ist hier bei uns!«
Obwohl er die Taktik des Polizeipräsidenten Weiler durchschaute, lockte ihn die Herausforderung.
Da der Heimkehrer lange schwieg, trommelte der Präsident unruhig mit seinen Fingern auf die Tischplatte: »Was ist, sind sie noch da?« Warum wollen sie in München, Hamburg oder Berlin leben? Beruflich können sie bei uns in die Vollen gehen. Es gibt nichts Traurigeres, als in einer überteuerten Mietwohnung in München sich die angestaubten öffentlich-rechtlichen Quizsendungen anzuschauen. In jeder Großstadt wird ihnen bewusst, dass die Tuchfühlung fehlt!«
Um nicht vereinnahmt zu werden, legte er auf, nuckele an einer Bierflasche, schaltete den Fernseher ein. Seine Gefühle wechselten zwischen neuer Herausforderung sowie dem Bedürfnis nach einer langen Pause. Die Männer von der Spurensuche und der SOKO vermisste er in Syrien. Seine Gedanken lösten in ihm eine innere Unruhe aus. Der Zurückgekehrte taugte nicht zum langweiligen Leben. Entweder in Aleppo arbeiten oder im Revier Mörder jagen.
Als Rentner konnte er an der Nordsee oder auf der Zugspitze spazieren gehen. Sobald er an Anja dachte, bekam er eine Gänsehaut. Ihm war jede Pore ihres Körpers vertraut.
Hartnäckig rief der Präsident erneut an. Mit seiner geschulten, einnehmenden Stimme säuselte er: » Mettermann, lassen sie sich nicht länger bitten. Sie sind der geborene Profiler. Gibt es eine größere Herausforderung, als sich mit den Abgründen der Menschen zu beschäftigen?
Wir vereinbaren vertraglich, dass sie nach jedem Fall, für ein Jahr, zu den Ärzten ohne Grenzen wechseln dürfen!« Worauf Ralf, ohne an die Konsequenten zu denken, zusagte.
Vor Freude atmete der Präsident hörbar durch: »Der Staatsanwalt und ich freuen uns über die erneute Zusammenarbeit. Der lässt sie grüßen. Ihre ehemalige Freundin Anja schmerzte ihre Abreise nach Asien. Um sie fortzubilden, schickte ich sie zum FBI. Sie kommt nächste Woche zurück.«
Bevor der Präsident auflegte, sagte Ralf: »Danke, dass sie sich um sie kümmerten! Wir treffen uns am Gladbecker Ehrenmal im Wittringer Wald. Ich freue mich, die ehemaligen Kollegen von der Kripo, der Polizei sowie der Spurensuche anzutreffen.
Roter Falter.
Für Mettermann ging die Wiedereinstellung zu rasch. Jetzt saß er in seinem alten Opel Corsa und fuhr an die betagten Zechenhäuser auf der Schultenstraße vorbei in Richtung Innenstadt. Viele der angejahrten, mausgrauen Behausungen wurden vorzugsweise an die Mieter verkauft und mit dicken Styroporplatten wärmegedämpft.
Während er den Parkplatz von Schloss Wittringen zusteuerte, standen die Fahrzeuge der Polizei, der Feuerwehr, der Spurensuche und des Polizeiarztes nebeneinander.
Zwei Streifenpolizisten wollten ihm die Zufahrt verweigern. Aufgeregt schrien sie ihm entgegen: »Für Spanner ist die Zufahrt verboten!« Unbeirrt fuhr der Profiler sein Fahrzeug, an den beiden verdutzten Beamten vorbei zu einer freien Parkbucht. Beim Aussteigen zeigte er ihnen seine abgelaufene Dienstmarke.
Da sie nicht genau hinsahen, entschuldigten sie sich phrasenhaft. Sie riefen ihm nach: »Wie einer von der Kripo sehen sie nicht aus!« Der Wittringer Wald ist eine Oase der Erholung. Ein Überbleibsel aus der Zeit, als Gladbeck ein Waldgebiet war. Zum Beginn des Frühlings roch es überall nach neuen Erwartungen, nach dem Sinn des Lebens. Alle verbliebenen Vogelmännchen kannten ihn. Sie schrien sich die Stimmbänder wund.
Einer von den aussterbenden Lerchen flatterte über eine weite Rehwiese, die sich wie ein Tal zwischen den uralten, gewaltigen Eichenbäumen erstreckte. Das Männchen sang verzweifelt, um ein Weibchen anzulocken, sondern zusätzlich; um die Welt mit ihren Verirrungen anzuklagen.
Eilig schritt der Profiler durch einen alten wuchtigen Buchenwald. In den Lichtungen blühten auf dem Boden die Buschwindröschen und das Scharbockskraut. Verlassen standen in unregelmäßigen Abständen mächtige vergreiste Eichenbäume. An den Wegesrändern rankten die wilden Brombeersträucher mit den Brenn- sowie Goldnessel um die Wette, als wollten sie die Welt erobern.
Intuitiv steuerte er den Teich am Ehrenmal an. Den Kleinsee, der nördlich des Wasserschlosses Haus Wittringer lag, besuchten an regenfreien Tagen zahlreiche Spaziergänger. Die Rhododendronbüsche, die sich im Frühjahr rechts vom Ehrenmal in unterschiedlichster Blütenpracht aneinanderreihten, warteten auf den Mai, um ihre farbenfreudigen Knospen zu entfalten.
Die Männer von der Spurensuche zogen die auf dem Teich aufgetauchte Leiche mit langen Stangen an Land. Der Profiler kannte die meisten Einsatzkräfte. Sie begrüßten ihn überschwänglich, als käme aus dem Krieg zurück.
Der Polizeipräsident wirkte durch seine Gewichtsabnahme viel jünger. Erfreut streckte er ihm seine Hand entgegen: »Seit dem Tode meiner Frau versorgt mich meine Tochter. Die mag keine dicken Männer. Ihr Gatte und ich müssen draußen rauchen. Sie zählt die Erbsen ab, die wir essen dürfen!«
Mettermann lästerte: »Jetzt ernten sie die Lorbeeren ihrer Erziehung!« Gerührt antwortete der Witwer: »Wir mussten die nicht erziehen. Sie kam vernunftbegabt auf die Welt. Meine Frau ließ sie laufen. Unsere Tochter arbeitet als Richterin!«
Ralf ging zum Leichenfundort, um den Professor Schneider überschwänglich zu begrüßen: »Du wolltest deine Pension auf der Insel Ibiza genießen? Stattdessen schnibbelst du erneut an den Leichen herum!« Ohne ihn anzusehen, lästerte der Professor: »Unser verlorener Profiler ist zurück. Mit deinen guten Taten in Aleppo Verbessertes du dein Karma. Im nächsten Leben wirst du den Menschen beibringen, sich zu lieben, statt zu hassen!«
Damit er keine Spuren verwischte, zog Ralf das Ganzkörperkondom an.
Der Doktor Schneider gehörte nicht zu den Menschenliebhabern. Es ärgerte ihn, dass die meisten, ihre Probleme selber verursachten. Früher reichte für eine mittlere Stadt ein Arzt. Heute benötigt jede größere Straße einen.
Beim Umdrehen der Leiche erzählte der Professor: »Der Killer erschoss das Opfer von hinten in den Kopf, um sie nicht sterben zu sehen. Wie es aussieht, missbrauchte er sie nicht!« Die Männer von der Spurensuche sperrten vom Schloss-Parkplatz aus, alle Zugänge zum Teich mit eingesteckten Eisenstangen und weißroten Flatterbändern ab. Alle Beamten von der Spurensuche trugen die weiten Plastikanzüge, um keine Spuren zu verwischen. Intensiv suchten sie in dem Absperrgebiet mit kleinen Staubsaugern, Haken und Bürsten nach Fußabdrücken, Haaren, Blutflecken, Fasern mit Hautresten: »Uns stehen harte Arbeitstage bevor«, meinte der Polizeipräsident, als seine Untergebenen einen Kreis um ihn schlossen. Wir werden unsere letztjährige SOKO, unter der Leitung von dem Kommissar Marvin Thomas und dem Profiler Mettermann erneut aufstellen!«
Der Kommissar, der von einer Tagung in Düsseldorf, verspätet eintraf, begrüßte alle mit Handschlag. Seinen Freund Ralf umarmte er überschwänglich: »Ich freue mich über unsere Zusammenarbeit!
Wir müssen alles über das Vorgehen des Mörders herauszufinden!« Nach einer kurzen Bedenkzeit erwiderte Ralf: »Oft fängt bei den Tätern in der Jugend alles mit Voyeurismus, Exhibitionismus oder Tierquälerei an. Nicht jeder von denen wird zum Mörder.
Es reicht vielen, für ihr Wohlbefinden andere zu denunzieren und zu hassen.«
Professor Schneider referierte: »Da er keine Sexualhandlungen vornahm, fehlen uns wichtige Spuren. Der Gesuchte tötet aus der Distanz, wie ein Auftragsmörder!«
Der Polizeiarzt, mit einem zufriedenen Rundgesicht bestätigte, dass das Opfer mit zwei Kopfschüssen getötet wurde. Nachdenklich erzählte er: Da ich keine Schmauchspuren fand, erschoss sie der Täter aus etwa fünf Metern!«
Alle Anwesenden bildeten um Ralf einen Halbkreis. Sie wirkten ratlos, sie kannten Morde aus Habgier, aus Vergewaltigungen, aus Rache, aus Perversität, aber nicht aus Mordlust.
Ralf mutmaßte: »Alles spricht dafür, dass der Täter sich daran aufgeilte, sie zu demütigen. So jämmerlicher sie um ihr Leben flehte. So stärker empfand er seinen Orgasmus!«
Der abgebrühte Präsident schauderte vor dem zerschossenen Kopf. Mit belegter Stimme erzählte er: »Nach den Gesichtszügen zu urteilen, gehörte sie zu den zielstrebigen Menschen!« Schneider spottete: »Jetzt übertreiben sie. Sie sah wie ein Opfer aus! Täter besitzen ein Gespür für leichte Beute!«
Marvin mutmaßte: »Normalerweise spazieren um den Teich viele Besucher. Unser Opfer wartete nicht ab, bis der Regen aufhörte. Eine Elster wartete ungeduldig unter der spritzenden Fontäne des Teiches, bis der Polizeiarzt endlich die Leiche zum Fressen freigab. Leonard Velsener, der Gruppenführer der Spurensuche erklärte den Anwesenden: »Nach meiner Erkenntnis erschoss der Täter das Opfer am hinteren Ufer. Anschließend schob er ihre Leiche in den Teich.« Mit einem Stock in der Hand zeigte er allen die Schleifspuren einschließlich der abgeknickten Zweige eines Holunderstrauchs.
Der Polizeipräsident nickte ihm anerkennend zu. Ermuntert redete er weiter: »An der Stelle befinden sich viele Blut- mit Fußspuren vom Killer. Nach meiner Erkenntnis begegnete der Täter seinem Opfer am Ehrenmal zufällig. Ihr verschlissener Jogginganzug spricht dafür, dass sie öfter Ausdauersport betrieb.«
Ein junges Pärchen, das nach den Schüssen, einen Mann zum Parkplatz laufen sah, flüchtete aus Angst, in dem Fall verwickelt zu werden, mit dem Auto. Erst in Essen Karnap hielten sie an, um zum Tatort zurückzuführen. Nervös stiegen sie am Schlossparkplatz aus. Sie gingen zögernd auf Mettermann zu, den sie für den Anführer der Truppe hielten.
Ihre nervösen Herzschläge wollten vor Aufregung ihren Körper sprengen. Ralf gab ihnen Mineralwasser zu trinken. Unter Schock beantwortete das Paar die Fragen des Profilers.
Jenny, 18 Jahre, blond, ähnelte einer gepushten 15-Jährigen: » Mit meinem Freund wollte ich mir wie jedes Jahr, die blühenden Rhododendronbüsche ansehen. Wir lieben sie. Nirgendwo in Deutschland gibt es so eine farbenfreudige Hecke. Bei jedem Besuch bedanke ich mich hier für die Schönheit der Natur.«
Ihr Liebhaber, den ihre lange Beschreibung nervte, unterbrach sie: »Uns kam ein großer kräftiger Mann mit einem eingefallenen Gesicht auf dem Schlosshof entgegen. In seiner Anspannung vermied er es, mich anzusehen. Trotz des Nieselregens ging er langsam in Richtung Ehrenmal.«
Mit zittriger Stimme ergänzte Jenny: »Als ich die Schüsse hörte, dachte ich, der Förster erschoss einen Fuchs. Nach dem Verhallen des Knalles hörten wir den jämmerlichen Aufschrei einer Frau!«
Ihr Freund Daniel, der mit dem Ärmel seiner Windjacke, seinen Schweiß abwischte, ergänzte: »Wir sind keine Helden. Statt zu helfen, flüchteten wir mit unserem Auto!«
Marvin lächelte gütig: »Hauptsache, ihr seid zurückgekommen!« Mit der rechten Hand gab er ihnen seine Visitenkarte: »Kommt morgen Nachmittag um 15 Uhr in mein Büro. Da besprechen wir in Ruhe alle Einzelheiten!« Anerkennend gab er ihnen die Hand: »Vielen Dank!«
Schneider, der die Leiche von allen Seiten gründlich filmen ließ, meinte: »Ich hoffe, dass wir in der Pathologie, der Essener Uniklinik, seine Fingerabdrücke feststellen. In ihrer Handtasche fand ich weder einen Personalausweis, Führerschein noch irgendein Schriftstück mit ihrem Namen!«
Angesäuert drehte er die Leiche auf den Rücken und scherzte: »Wie ihr seht, war das Mädchen für einen Mann zu traumhaft. Wer die zur Freundin besaß, dem wehte ein parfümiertes Lüftchen aus dem Paradies entgegen!
Rhein-Herne-Kanal.
Ralf höhnte: »Geht die Fantasie mit dir durch?« Überschwänglich winkte er den Polizeifotografen heran: »Marc, lichte die Ermordeten aus allen Perspektiven. Anschließend maile das beste Abbild, den regionalen Medien, mit der Unterschrift, wer kennt die Tote, zu? Schreibe, dass die Polizeidienststellen in Bottrop, Essen und Recklinghausen alle Informationen zu der Toten, unter der Telefonnummer 110, entgegennehmen!«
Am nächsten Morgen klingelte Mettermanns Smartphone. Weil er die Nummer auf dem Display nicht kannte, sagte er: »Hallo!« Eine von einem Computerprogramm verzerrte Stimme schimpfte: »Hallo Drecksack! Warum kehrtest du aus Aleppo zurück? Hier führe ich dich gnadenlos als den größten Loser aller Zeiten vor. Für dich bin ich einige Nummern zu groß! Dir sieht jeder den Verlierer an!
In 14 Tagen werde ich eine Leiche an der Emscher in Altenessen wie mein Vorgänger ablegen. Langweile deine Kollegen mit deinen Mutmaßungen nicht! Damit solltest du bei der Cranger Kirmes auftreten!«
Bevor Ralf den Aufnahmeknopf des Rekorders auf seinem Smartphone drückte, legte der Anrufer auf.
Von der Zentrale der Telekom erfuhr er auf Nachfrage, dass er von einer offenen Telefonanlage vom Marktplatz in Castrop-Rauxel anrief. Im Anschluss rief er den Leiter der Spurensuche an. Der schickte zwei Experten zu der öffentlichen Anrufsäule.
Nachdenklich ging der Profiler am nächsten Tag mit dem Kommissar Marvin Thomas zu den wartenden Journalisten auf den Willy-Brandt-Platz in Gladbeck: »Meine Damen und Herren vielen Dank, dass sie kamen. Wie der Kommissar ihnen mailte, zogen wir gestern eine erschossene Frauenleiche aus dem Teich am Ehrenmal in Wittringen.«
Marvin benickte seine Aussage und erzählte: »Wir wissen nicht, wie die junge Dame heißt? Ob es sich um einen zufälligen Mord oder um eine Beziehungstat handelt?
Gestern war ein verregneter Sonntag, sodass am Teich wenige Besucher umherspazierten. Um die Bevölkerung und die Besucher von Wittringer nicht abzuschrecken, bitte ich sie, den Abscheulichen-Mord nicht zu dramatisieren!«
Entschuldigend hob er die Arme: »Es bringt nichts, wenn sie weitere Fragen stellen! Sobald wir mehr erfahren, laden wir sie erneut ein! Danke für ihr Verständnis!«
Angespannt holte Mettermann seine ehemalige Freundin Anja und frühere Mitarbeiterin vom Düsseldorfer Flughafen ab.
Es war ein nasskalter, nebeliger Morgen, der jedem die Wohlfühltemperatur aus dem Körper presste. Die hohe Luftfeuchtigkeit kondensierte an den Blättern der Parkplatzbäume. Von denen patschten die Tropfen in Zeitlupe zu Boden.
Seine frühere Arbeitskollegin wurde bei den FBI-Analysten in Amerika als Computer- und Mobilfunkspezialistin ausgebildet.
Um seine zu überpünktliche Ankunft zu verkürzten, ging der Profiler zum Besucherbalkon. Von dem beobachtete er das ankommende Flugzeug mit dem Fernglas. Beim Aufsetzen tupfte der schwere, breitflügelige Flieger wie ein flacher Stein, der auf die Wasseroberfläche geworfen wird, mehrmals mit seinen Reifen auf. Die Triebwerke heulten beim Landen auf, als jaulten tausend Katzen.
Als Anja die Gangway hinunter trippelte, fiel ihm, ihre Gewichtszunahme auf. Ihre kurzen burschikosen braunen Haare ließ sie in Amerika bis zur Schulter wachsen. Ihre ehemaligen angespannten Gesichtszüge schienen wie weggebügelt. Ihre damalige Beziehung ergab sich durch die enge Zusammenarbeit. Nichts Dramatisches. Keine von den aufgeblasenen Romeo- und Julia-Geschichten.
Weil er vorwurfsvoll auf sie wirkte, mochte sie ihn anfangs nicht. Erst als er bei einem Anschlag einem Kollegen das Leben rettete, kam sie ihm näher. Bis dahin wirkte er unausgeglichen auf alle, weil er sein Lebensziel vergeblich suchte. Bei den Ärzten ohne Grenzen und als Profiler fand er das nicht.
Statt sich zu betrinken oder eine Nacht durchzuvögeln, schrieb er Artikel über das menschliche Verhalten in Fachzeitschriften. An der Uni hielt er Vorträge wie Beziehungen, die Betroffenen verändern.
Nachdem er vor 15 Monaten nach Aleppo zog, beendete sie ihre Beziehung. Für sie gehörte er nicht zu den Männern, mit dem sie, ohne das Leben zu spüren, altern wollte. Trotz einer neuen Freundschaft vermisste sie ihn in Amerika.
Sie schrieb ihm jeden Tag über WhatsApp eine Nachricht. Durch die strenge Ausbildung fehlte ihr die Leichtigkeit des Seins. Statt viel auszugehen, konzentrierte sie sich auf die Weiterbildung beim FBI. Die vorherige Zusammenarbeit mit Mettermann beeinflusste ihr Handeln.
Obwohl er ein Kilometer von ihr entfernt auf dem Besucherbalkon stand, spürte sie ihn. Ihre Gänsehaut lief wie ein zugezogener Reißverschluss über ihren Rücken. Ihre Eingebung und ihr Bauchgefühl schienen unschlagbar.
Der Profiler schlenderte zum Gepäcklaufband in die Ankunftshalle. Um die Absperrung zu ihr zu überwinden, zeigte er dem Sicherheitsbeamten seinen Polizeiausweis. Beim Näherkommen bemerkte er, dass ihre frühere an Magerkeit grenzende Erscheinung Fettgewebe an ihren Kurven ansetzte. Sie sah jetzt aus, wie sich ein Mann im Kopf eine lustvolle Frau vorstellt. Ralf überschauerte ein wohliges Gefühl von Steißbein bis ins Gehirn. Bei ihrer Umarmung lobte er sie: »Du bist zur Traumfrau in Amerika mutiert. »
Sie sah ihn lange, lächelnd an. Vor zwei Jahren nervte er sie mit seiner Gelassenheit, aber wenn es darauf ankam, ging er voran.
Beim letzten Einsatz rettet er ihr zweimal das Leben. Anja musste ihn küssen. Beim FBI befolgte sie zum ersten Male einen seiner Ratschläge. Die Angst zu degradieren, damit sie ihn nicht daran hinderte, den eigenen Weg zu gehen
Beim Hinausgehen streichelte sie ihn über die Hinterkopfglatze: »Als Mädchen träumte ich davon, Surflehrerin zu werden. Mörder jagen, ist etwas für Masochisten. Stell dir vor, wir setzen Kinder in die Welt? Die müssten sich selber erziehen und versorgen, weil wir rund um die Uhr Geistesgestörte jagen.
Wir kommen auf die Welt, um friedlich miteinander auszukommen. Dass die Kinder verhungern, kann sich kein Schöpfer ausgedacht haben! Deswegen sollten alle versuchen, sich einen Hauch von Paradies auf Erden zu schaffen! Wir sollten uns nicht auf das Jenseits verlassen!«
Mit ihrer Größe von 1,80 m, der Ausweitung ihres knackigen Hinterns, ihrer hervorstehenden Brüste sowie die dadurch bedingte schmaler wirkende Taille,
wirkte sie mit ihren 32 Jahren begehrenswerter als mit 18 Jahren.
Lavastrom.
Wie im Teenageralter trug sie einen von ihren verwaschenen Jeansanzügen mit einem weißen T-Shirt. Neu waren ihre hochhackigen bunt gemusterten Cowboystiefel.
Bevor sie in der Tiefgarage in seinen Wagen stiegen, fragte er sie: »Wie sind denn diese Latin Lovers in den Staaten?« Um ihn zu ärgern, erwiderte sie: »Großartig! Wie reizvoll waren die Krankenschwestern oder die jungen Ärztinnen in Syrien?«
Ohne sie anzusehen, antwortete er lächelnd: »Bei dem Elend dem Dauereinsatz vergeht einem die Lust. Mit einer jungen deutschen Ärztin arbeitete ich öfter zusammen. Wir flogen gemeinsam zurück. Sie arbeitet in einem Krankenhaus in Bielefeld. Ich schickte ihr mehrere WhatsApp-Nachrichten und E-Mails. Sie antwortet nicht. Wenn ich sie anrufe, hebt sie nicht ab!«