Wenn die Liebe fehlt... - Toni Waidacher - E-Book

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Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. »Du machst ja ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter.« Mit diesen Worten empfing Jonas Aschinger seinen älteren Bruder Johannes, als dieser am Morgen den Kuhstall betrat. »Ist dir die Mama wieder einmal wegen der Koller-Kathi in den Ohren gelegen?« Der achtundzwanzigjährige Johannes nickte, und als er sprach, schien sich seine Miene noch um einige Nuancen zu verfinstern. »Es ist immer wieder das gleiche, mit dem mich die Mama nervt. Sie möcht', dass ich die Kathi heirat', damit die beiden Höf' zusammengelegt werden.« Jonas, drei Jahre jünger als sein Bruder, grinste frech und sagte: »Was hast du denn gegen die Kathi? Sie ist gerade gewachsen, kann zupacken, ist net auf den Kopf gefallen und sie erbt mal den Kollerhof.« »Mag sein«, versetzte Johannes achselzuckend. »Aber das ist net ausschlaggebend für mich.« Jetzt lachte Jonas auf. Er schien das Problem, das seinem älteren Bruder ziemlich zuzusetzen schien, nicht besonders ernst zu nehmen. »Ich weiß schon, Hannes, du träumst von der großen Liebe.« »Dir mag das lächerlich vorkommen«, brummte Johannes unwirsch. »Ich jedoch bin davon überzeugt, dass ohne Liebe niemals eine gute Ehe zustande kommen kann. Ich könnt' in einer Verbindung, die nur den Zweck verfolgt, Besitz und Vermögen zu mehren, niemals glücklich werden.« »Du lebst halt in einer Traumwelt, Hannes«, erwiderte Jonas mit leichtem Spott im Tonfall und wandte sich der Melkanlage zu.

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Der Bergpfarrer Extra – 18 –

Wenn die Liebe fehlt...

Johannes wehrt sich gegen Heiratspläne

Toni Waidacher

»Du machst ja ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter.« Mit diesen Worten empfing Jonas Aschinger seinen älteren Bruder Johannes, als dieser am Morgen den Kuhstall betrat. »Ist dir die Mama wieder einmal wegen der Koller-Kathi in den Ohren gelegen?«

Der achtundzwanzigjährige Johannes nickte, und als er sprach, schien sich seine Miene noch um einige Nuancen zu verfinstern. »Es ist immer wieder das gleiche, mit dem mich die Mama nervt. Sie möcht’, dass ich die Kathi heirat’, damit die beiden Höf’ zusammengelegt werden.«

Jonas, drei Jahre jünger als sein Bruder, grinste frech und sagte: »Was hast du denn gegen die Kathi? Sie ist gerade gewachsen, kann zupacken, ist net auf den Kopf gefallen und sie erbt mal den Kollerhof.«

»Mag sein«, versetzte Johannes achselzuckend. »Aber das ist net ausschlaggebend für mich.«

Jetzt lachte Jonas auf. Er schien das Problem, das seinem älteren Bruder ziemlich zuzusetzen schien, nicht besonders ernst zu nehmen. »Ich weiß schon, Hannes, du träumst von der großen Liebe.«

»Dir mag das lächerlich vorkommen«, brummte Johannes unwirsch. »Ich jedoch bin davon überzeugt, dass ohne Liebe niemals eine gute Ehe zustande kommen kann. Ich könnt’ in einer Verbindung, die nur den Zweck verfolgt, Besitz und Vermögen zu mehren, niemals glücklich werden.«

»Du lebst halt in einer Traumwelt, Hannes«, erwiderte Jonas mit leichtem Spott im Tonfall und wandte sich der Melkanlage zu. »Fertig«, sagte er und schaltete sie ab. Dann ging er zu der Kuh, die zuletzt gemolken worden war, und nahm ihr die Melkbecher ab. »Ich an deiner Stelle würd’ zugreifen, bevor’s ein anderer tut, Bruderherz«, sprach Jonas weiter. »Damit wär’ zwischen dir und der Mama endlich wieder der Friede hergestellt, wir hätten eine junge Bäuerin auf’m Hof und der Besitz des Aschingeranwesens würd’ sich gut und gern verdoppeln.«

Johannes schoss seinem Bruder einen wütenden Blick zu und stieß hervor: »Heirat’ halt du die Kathi. Ich überlass’ sie dir gern. Was meinst, was du für einen Stein bei der Mama im Brett hättest.«

»Mich will die Kathi net«, versetzte Jonas. »Aber wenn du sie heiraten tätest, hätt’ auch ich ausgesorgt.«

»Schau an! Daher weht also der Wind. Dir geht’s nur um deine Zukunft. Hast du Angst, ich könnt’ dich vom Hof jagen, wenn ich ihn mal übernehm’?«

»Na ja, du wirst doch sicher mal heiraten und eine Familie gründen. Und ich werd’ mein Leben auch net als Junggeselle verbringen. Für zwei Familien bietet der Hof net genug Platz und auch net genug zum Leben. Also müsst’ ich ihn verlassen. Das wär’ net der Fall, wenn er doppelt so groß wär’.«

»Darüber hab’ ich noch nie einen Gedanken verschwendet, Jonas«, erklärte er ernst. »Und du solltest dir deswegen auch keine Gedanken machen. Für dich wird’s immer einen Platz auf dem Hof geben. Aber die Sach’ mit der Koller-Kathi könnt ihr euch – du und die Mama –, aus dem Kopf schlagen. Die Frau, die ich mal heirat’, muss ich von ganzem Herzen lieben – und sie mich natürlich auch. Auf alles andere kann ich verzichten.« Das hatte abschließend und auf besondere Art endgültig geklungen. »Und jetzt fahr’ ich in den Wald und schaff’ mehr von dem Windbruch raus«, fuhr Johannes fort und zog somit einen Schlussstrich unter das Thema. »Was du zu tun hast, weißt du. Und wie gesagt: Mach’ dir keine Gedanken wegen ungelegter Eier. Das Heiraten ist das Letzte, woran ich denk’. Mir ist die Richtige nämlich noch net über’n Weg gelaufen.«

»Gib auf dich acht, Hannes«, rief Jonas seinem Bruder hinterher, als dieser den Stall verließ. Das kam nicht von ungefähr, denn er wusste, wie gefährlich die Arbeit im Wald war.

»Mach’ ich«, kam es zurück, dann trat Hannes in den Hof hinaus.

Es war früher Morgen und die Sonne schien auf den zerklüfteten Graten der Berge im Osten des Wachnertals zu stehen. Für einen Moment schloss er geblendet die Augen. Er spürte die Wärme auf seinem Gesicht. Auf der Giebelspitze des Wohnhauses saß ein Star und begrüßte mit seinem Gezwitscher den Tag. Sein Gefieder glitzerte wie Perlmutt im Morgensonnenschein.

Die Luft war frisch und sauber und Johannes atmete tief durch. Wenn er den Blick in die Lücke zwischen Stall und Scheune richtete, konnte er ein Stück weiter das Kolleranwesen sehen. Es war in der Tat ein stattlicher Hof, mit vielen Hektar Land und großem Waldbesitz, und die Kathi war ganz sicher eine Frau, die ihre Wirkung auf die Männerwelt nicht verfehlte. Sie war ihm sympathisch, sie verkehrten miteinander auf einer freundschaftlichen Basis, mehr aber war da nicht. Wie Kathi im Endeffekt zu ihm stand, wusste er nicht, und er hatte sich darüber auch nie irgendwelche Gedanken gemacht.

Er mochte sie, aber lieben konnte er sie nicht.

Als er zufällig zum Wohnhaus hinüberschaute, sah er seine Mutter am Küchenfenster stehen. Er fragte sich, warum sie partout nicht einsah, dass er nur eine Frau heiraten wollte, die er auch liebte? Für sie schien Liebe dabei eher zweitrangig zu sein, was für ihn sogleich eine weitere Frage aufwarf: Hatte sie seinen Vater, mit dem sie immerhin fast dreißig Jahre verheiratet gewesen war, denn nicht geliebt?

Er wollte freundlich sein und winkte ihr zu, Mathilde aber rührte sich nicht. Als er seiner Mutter vor etwas über zehn Minuten zum x-ten Mal erklärt hatte, dass die Koller-Kathi für ihn niemals als Frau in Frage komme, hatte sie ziemlich aufgebracht reagiert.

Scheinbar war ihr Zorn auf ihn noch immer nicht verraucht.

›Sie kriegt sich schon wieder ein‹, tröstete er sich und holte den Traktor aus der Garage. Das notwendige Werkzeug sowie Benzin und Öl befanden sich im Werkzeugkasten des Bulldogs, sodass er sich nicht länger aufhalten musste.

Johannes tuckerte vom Hof und fuhr zwischen Felder, Äcker und Wiesen. Alles gedieh hervorragend, und auf den Wiesen blühten die Frühlingsblumen. Süßer Duft hing in der klaren Luft.

Es war ein Anblick, bei dem sich ihm das Herz öffnete. Er liebte das Wachnertal und empfand es als ein Geschenk des Himmels, hier leben zu dürfen. Das war seine Welt, die er gegen nichts eintauschen würde.

Vor ihm verlief der Wirtschaftsweg, auf dem er zum Wald gelangen würde. Es zog sich wie ein Schnitt durch die Felder und Wiesen; zwei ausgefahrene Spuren, zwischen denen ein grüner Streifen wuchs. Weit vor Johannes war die dunkle Front des Waldes auszumachen, der sich die Berge hinaufzog und sie rund um das Tal mit ihrem satten Grün bedeckte. Dahinter bildete das Hochgebirge eine beeindruckende Kulisse.

Johannes erreichte den Wald, in dem sich der Wirtschaftsweg fortsetzte. Harziger Geruch stieg ihm in die Nase.

Er musste noch ein ganzes Stück fahren, dann befand er sich in dem Teil des Waldes, der zum Aschingerhof gehörte. Er parkte den Schlepper am Wegrand und holte die Kettensäge, den Kanister mit dem Benzin und alles andere, was er für die Arbeit benötigte, aus dem Werkzeugkasten.

Die Stille des Waldes, die nur vom morgendlichen Konzert der Vögel gebrochen wurde, umgab ihn. Das änderte sich allerdings, als er die Motorsäge anwarf. Sie sprengte die Stille mit ihrem Aufheulen. Wenig später fiel auch schon der erste Baum, der mit einem roten Punk gekennzeichnet war. Krachend, begleitet vom trockenen Brechen und Splittern der Äste, schlug er am Boden auf. Johannes machte sich sogleich daran, den dicken Stamm zu entasten. Mehr und mehr befreite er sich von den unerfreulichen Gedanken, die der Streit mit seiner Mutter immer wieder in ihm auslöste, er konzentrierte sich voll auf seine Arbeit.

*

Als Sebastian Trenker an diesem Vormittag die Kirche betrat, fielen ihm unter einigen anderen Besuchern, die die Kirche besichtigten, zwei junge Frauen auf, die er noch nie gesehen hatte.

Sie verharrten in stummer Andacht vor dem Bild ›Gethsemane‹, das an der Wand neben dem Zugang zur Sakristei hing.

Sie waren beide Mitte zwanzig und sehr hübsch. Eine trug ihre langen, blonden Haare zum Pferdeschwanz gebändigt, während die andere einen dunklen Kurzhaarschnitt trug, der ihr etwas leicht Burschikoses verlieh.

Sein Blick begegnete der jungen Frau mit den blonden Haaren. Sie besaß blaue Augen, in denen jetzt ein Lächeln strahlte. »Guten Tag«, grüßte sie und nickte ihm zu.

»Grüß Gott«, erwiderte Sebastian den freundlichen Gruß.

Jetzt erregte er auch das Interesse der dunkelhaarigen Besucherin. Auch sie grüßte lächelnd und sagte: »Sie sind ganz gewiss der Herr Pfarrer Trenker, von dem uns Frau Stubler erzählt hat.«

»Ah, Sie haben mit der Ria über mich gesprochen«, versetzte Sebastian. »Ich hoff’, sie hat nur Gutes über mich zu berichten gewusst.« Er lächelte und schaute die beiden jungen Damen abwechselnd an.

»Natürlich«, antwortete nun die Blonde und reichte dem Pfarrer spontan die Hand. »Mein Name ist Larissa Kolbeck. Das ist meine Freundin Aileen – Aileen Huber. Wir kommen aus Frankfurt und sind gestern in St. Johann angekommen.«

Sebastian hatte die Hand ergriffen, drückte sie und erwiderte: »Ich nehm’ an, den Besuch unserer Kirche hat Ihnen die Ria ans Herz gelegt.« Er schüttelte auch Aileens Hand und hörte Larissa antworten: »Ja, und zwar hat sie uns die Kirche als die Sehenswürdigkeit Nummer eins in St. Johann beschrieben. Sie hat nicht übertrieben. Wir sind begeistert.«

»Das freut mich«, erklärte Sebastian. »Wie lang’ haben S’ denn vor zu bleiben?«

»Insgesamt zwei Wochen«, beantwortete Larissa seine Frage. Sie lachte hell auf. »Am liebsten würde ich hier für immer meine Zelte aufschlagen«, sagte sie dann. »Ich hab’ mich nämlich gestern, als wir über den Pass gekommen sind und der Blick auf das Wachnertal frei war, sofort in diese Gegend verliebt, und kann es kaum erwarten, morgen in aller Frühe zu einer Tour in die Berge aufzubrechen.«

Aileen verzog das Gesicht. Sie schien Larissas Begeisterung im Hinblick auf eine Bergtour nicht zu teilen.

Sebastian blieb es nicht verborgen und er unterdrückte ein Schmunzeln. »Haben S’ denn schon eine Tour ausgewählt?«, fragte er an Larissa gewandt.

»Ja, ich habe mich entschlossen, den Klettersteig am Himmelsspitz zu begehen. Im Reiseführer sind mehrere Klettersteige beschrieben. Der einfachste von allen scheint der am Himmelsspitz zu sein. Ich muss nämlich erst mal ein wenig üben, ehe ich mich an etwas Anspruchsvolleres heranwage.«

»Einfach ist auch der Steig am Himmelsspitz net«, gab Sebastian zu bedenken. »Haben S’ denn Erfahrung am Berg?«

»Ja. Ich bin im Salzburger Land schon auf Klettersteigen gewesen, und auch in Südtirol. Die erforderliche Ausrüstung hab’ ich mir schon vor fünf Jahren angeschafft.«

»Na, dann muss ich mir ja keine Sorgen machen«, gab Sebastian lächelnd zu verstehen. »Recht durchtrainiert sehen S’ ja auch aus. An der Kondition scheitert Ihre Tour ganz sicher net.«

»Ich laufe Halbmarathon«, sagte Larissa. »Außerdem bin ich im Jahr wohl an die dreitausend Kilometer mit dem Fahrrad unterwegs. Außerdem geh’ ich in der Woche dreimal ins Studio.«

»Dann sind S’ ja in der Tat ausgesprochen sportlich«, bemerkte Sebastian. »Dennoch sollten S’ den Steig am Himmelsspitz net unterschätzen. Aber …«, er zuckte mit den Schultern, »… Sie sind ja zu zweit und können sich gegenseitig helfen. Sie dürfen halt nur net leichtsinnig werden. Sich immer zu sichern ist oberstes Gebot. Die Stahlseile, Geländer und Haken sind net von ungefähr bei den schwierigen Stellen angebracht.«

»Mich bringen da keine zehn Pferde hinauf«, meldete sich nun Aileen geradezu entsetzt zu Wort.

»Sie gehen net mit Ihrer Freundin?«, fragte Sebastian nach.

»Nein!« Aileen schüttelte den Kopf. »Ich mag die Berge sehr gerne, sehe sie mir aber lieber von unten an. Larissas Begeisterung für Marathonläufe und ausgedehnte Touren mit dem Bike teile ich ebenfalls nicht. Ich bin nämlich hierhergekommen, um Urlaub zu machen. Das heißt für mich entspannen, mal fünfe gerade lassen. Ich fahre hinaus zu dem See, der im Reiseführer und in den Prospekten angepriesen wird. Dort lege ich mich in die Sonne, schwimme hin und wieder eine Runde und versuche, an nichts von dem zu denken, was ich in Frankfurt für die nächsten zwei Wochen zurückgelassen habe.«

»Aileen ist ein Sportmuffel«, klärte Larissa den Bergpfarrer auf. »Nun ja, das muss jede für sich entscheiden. Mich jedenfalls würde es krank machen, müsste ich den ganzen lieben langen Tag lang faul herumliegen und mich in der Sonne schmoren lassen.«

»Wenn S’ allein’ gehen«, sagte Sebastian, »dann ist doppelte Vorsicht angesagt. Wenn Ihnen dort oben was zustößt, kann das sehr problematisch werden, denn in der Höhe und zwischen den Felsen ein Handynetz zu kriegen ist meist ausgeschlossen. Dann müssen S’ sich drauf verlassen, dass jemand des Weges kommt, oder Sie müssen versuchen, zu einer Stelle zu gelangen, von der aus Sie telefonieren können – wenn S’ dazu noch in der Lage sind.«

»Ich habe bisher alle Klettersteige alleine bewältigt«, erklärte Larissa, »und es ist immer gut gegangen. Ich passe schon auf mich auf, Herr Pfarrer.«

»Neunundneunzig Mal geht’s gut …«, philosophierte Sebastian. Dann aber zuckte er mit den Schultern und sagte: »Ich möcht’ ihnen die Tour net madig machen, Frau Kolbeck. Und ich bin auch davon überzeugt, dass Sie auf sich Acht geben können.«

Als Sebastian wenig später ins Pfarrhaus zurückkehrte, war er sich sicher, dass es sich bei Aileen und Larissa um zwei Charaktere handelte, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. ›Dennoch scheinen sie die besten Freundinnen zu sein‹, dachte der Bergpfarrer. ›Aber das ist halt mal so: Gegensätze ziehen sich an. Warum sollt’ das unter Freundinnen net auch so sein?‹

Er fand sie beide sehr sympathisch. Ehe er sich von ihnen verabschiedet hatte, hatte er ihnen noch die Madonna gezeigt, deren Schönheit sowohl bei Larissa als auch Aileen bewunderndes Staunen hervorgerufen hatte.

Als Sebastian das Haus betrat, schaute Sophie Tappert aus der Küchentür heraus. »Ich hab’ Sie über den Kirchplatz kommen sehen, Hochwürden«, empfing sie ihn. »Sie haben so ein Lächeln im Gesicht. Ist Ihnen was Schönes über’n Weg gelaufen?«

»Zwei junge Frauen«, antwortete Sebastian, »beide sehr hübsch. Sie sind Freundinnen, aber so unterschiedlich wie Tag und Nacht.« Er schnüffelte in die Luft. »Nach was riecht es denn da so köstlich?«

»Zwiebelrostbraten«, sagte die Haushälterin. »Mit Bratkartoffeln und Salat. Sie werden doch net plötzlich einen Blick für die Schönheit des weiblichen Geschlechts entwickeln, Hochwürden?«, kam es geradezu besorgt von Sophie. Diese Besorgnis war jedoch nur gespielt; in ihren Augen blitzte der Schalk.

»Immer diese Unterstellungen?«, ging Sebastian auf den Scherz ein. »Für mich sind nach wie vor nur die inneren Werte, unabhängig vom Geschlecht, maßgebend. Ich stell’ sie auf eine Stufe mit einem guten Mittagessen.«

»Dann hoff’ ich doch, Hochwürden, mit meinem Zwiebelrostbraten zu Ihrer Zufriedenheit und Ihrem Wohlbefinden betragen zu können.«

»Zu meiner Zufriedenheit und meinem Wohlbefinden«, versetzte Sebastian grinsend, »und ganz sicher auch zur Zufriedenheit meines lieben Bruders, der Ihren Zwiebelrostbraten ganz gewiss zu einer seiner Leibspeisen erklären wird.«

*

Tags darauf brachte Larissa ihre Freundin mit ihrem Auto hinaus zum Achsteinsee, wo Aileen den Tag verbringen wollte. Larissa stellte das Fahrzeug auf dem Parkplatz ab und ging mit Aileen sogar bis zur Liegewiese, um sich einen Eindruck vom See zu verschaffen.