Wer einmal lügt ... - Viola Maybach - E-Book

Wer einmal lügt ... E-Book

Viola Maybach

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Beschreibung

Viola Maybach hat sich mit der reizvollen Serie "Der kleine Fürst" in die Herzen der Leserinnen und Leser geschrieben. Alles beginnt mit einem Schicksalsschlag: Das Fürstenpaar Leopold und Elisabeth von Sternberg kommt bei einem Hubschrauberunglück ums Leben. Ihr einziger Sohn, der 15jährige Christian von Sternberg, den jeder seit frühesten Kinderzeiten "Der kleine Fürst" nennt, wird mit Erreichen der Volljährigkeit die fürstlichen Geschicke übernehmen müssen. "Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. »Es ist das schönste von allen Bildern«, sagte eine Stimme hinter Iris von Allenthin. »Meinen Sie nicht auch?Da sie nicht sicher war, ob sie gemeint war, drehte sie sich um und sah sich einem dunkelhaarigen Mann gegenüber, der sie um einen Kopf überragte und charmant auf sie herunterlächelte. Seine Augen ließen ihren Blick nicht los.Sie war eine Frau von sechsundzwanzig Jahren, die sich normalerweise nicht überrumpeln ließ, aber in diesem Moment wusste sie nicht, wie ihr geschah. Mit einem Mal war sie wieder siebzehn und hoffte mit wild klopfendem Herzen darauf, dass ihr Schwarm Lucius sie auf den Frühlingsball einlud – was er zu ihrem größten Kummer nicht getan hatte.»Ja«, brachte sie nach mehreren Sekunden heraus. »Ich finde auch, dass es das schönste Bild ist.»Gehen wir zusammen weiter?«, fragte der Dunkelhaarige. »Ich bin allein, Sie sind allein, dabei sind Museumsbesuche viel schöner, wenn man sich austauschen kann über das, was man sieht.Normalerweise hätte sie spätestens jetzt eine spöttisch-zurückweisende Bemerkung gemacht, um ihm ein wenig von seiner selbstgewissen Art zu nehmen und ihm klar zu machen, dass sie über einen eigenen Willen verfügte und den in der Regel auch durchsetzte, aber es kam ihr nicht einmal in den Sinn, ihm zu widersprechen. »Einverstanden«, sagte sie.Und so kam es, dass ihr Museumsbesuch vollkommen anders verlief als geplant: Sie lief mit Jonathan von Heeren, so hieß ihre neue Bekanntschaft, von Saal zu Saal, von Bild zu Bild und stellte bald fest, dass sie sich fast immer einig waren. Oft sprach sie aus, was er dachte und umgekehrt. Manchmal brachen sie in Gelächter aus, weil es ihnen so komisch vorkam, dass zwei wildfremde Menschen so viele übereinstimmende Urteile fällten.Als sie das Museum verließen, sah Iris zum ersten Mal wieder auf die Uhr und erschrak, weil es viel später war als gedacht. Wo waren die letzten Stunden geblieben? Wie war es möglich, dass ein ganzer Nachmittag einfach so verflogen war?Sie hatte versprochen, bis zum nächsten Morgen einen Bericht für Phillip von Hohenbrunn zu schreiben, einen der leitenden Manager in ihrer Firma, dem sie als Assistentin zuarbeitete.

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Seitenzahl: 114

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Der kleine Fürst – 204 –Wer einmal lügt ...

Bricht er Herzen, oder ist er ein Meisterdieb?

Viola Maybach

»Es ist das schönste von allen Bildern«, sagte eine Stimme hinter Iris von Allenthin. »Meinen Sie nicht auch?«

Da sie nicht sicher war, ob sie gemeint war, drehte sie sich um und sah sich einem dunkelhaarigen Mann gegenüber, der sie um einen Kopf überragte und charmant auf sie herunterlächelte. Seine Augen ließen ihren Blick nicht los.

Sie war eine Frau von sechsundzwanzig Jahren, die sich normalerweise nicht überrumpeln ließ, aber in diesem Moment wusste sie nicht, wie ihr geschah. Mit einem Mal war sie wieder siebzehn und hoffte mit wild klopfendem Herzen darauf, dass ihr Schwarm Lucius sie auf den Frühlingsball einlud – was er zu ihrem größten Kummer nicht getan hatte.

»Ja«, brachte sie nach mehreren Sekunden heraus. »Ich finde auch, dass es das schönste Bild ist.«

»Gehen wir zusammen weiter?«, fragte der Dunkelhaarige. »Ich bin allein, Sie sind allein, dabei sind Museumsbesuche viel schöner, wenn man sich austauschen kann über das, was man sieht.«

Normalerweise hätte sie spätestens jetzt eine spöttisch-zurückweisende Bemerkung gemacht, um ihm ein wenig von seiner selbstgewissen Art zu nehmen und ihm klar zu machen, dass sie über einen eigenen Willen verfügte und den in der Regel auch durchsetzte, aber es kam ihr nicht einmal in den Sinn, ihm zu widersprechen. »Einverstanden«, sagte sie.

Und so kam es, dass ihr Museumsbesuch vollkommen anders verlief als geplant: Sie lief mit Jonathan von Heeren, so hieß ihre neue Bekanntschaft, von Saal zu Saal, von Bild zu Bild und stellte bald fest, dass sie sich fast immer einig waren. Oft sprach sie aus, was er dachte und umgekehrt. Manchmal brachen sie in Gelächter aus, weil es ihnen so komisch vorkam, dass zwei wildfremde Menschen so viele übereinstimmende Urteile fällten.

Als sie das Museum verließen, sah Iris zum ersten Mal wieder auf die Uhr und erschrak, weil es viel später war als gedacht. Wo waren die letzten Stunden geblieben? Wie war es möglich, dass ein ganzer Nachmittag einfach so verflogen war?

Sie hatte versprochen, bis zum nächsten Morgen einen Bericht für Phillip von Hohenbrunn zu schreiben, einen der leitenden Manager in ihrer Firma, dem sie als Assistentin zuarbeitete. »Ich muss nach Hause«, sagte sie. »Wenn ich meinen Bericht noch fertig schreiben will, muss ich mich sofort an die Arbeit setzen. Und ich MUSS ihn fertig schreiben, sonst kriege ich mächtig Ärger. Tut mir leid, dass unser schöner Museumsbesuch so abrupt endet.«

Jonathan von Heeren lächelte auf seine unnachahmliche Art auf sie herunter. »Es geht Ihnen wie mir in der Bank, ich ertrinke auch gerade in Arbeit. Aber wenn ich den Kopf wieder oben habe: Darf ich Sie dann anrufen? Sie werden ja nicht jedes Wochenende einen Bericht schreiben müssen, hoffe ich?«

Sie spürte, wie sie errötete, als sie antworte: »Ganz bestimmt nicht. Wenn Sie anrufen, freue ich mich.«

Er bestand, ganz Gentleman, darauf, sie nach Hause zu bringen. Zum Abschied umarmte er sie ganz leicht und küsste sie auf beide Wangen. »Ich freue mich jetzt schon auf unser Wiedersehen«, sagte er mit seiner schönen tiefen Stimme, bevor er ging.

Auf dem Weg zu ihrer Wohnung hatte Iris das Gefühl zu schweben, und dieses Gefühl verflüchtigte sich auch nicht, als sie ihren Bericht schrieb. Griffige Formulierungen und knappe, präzise Sätze schienen ihr nur so zuzufliegen, in weniger als zwei Stunden war sie mit der Arbeit fertig. Ein wenig ängstlich las sie noch einmal durch, was sie geschrieben hatte, aber es hielt ihrer kritischen Überprüfung stand, was sie selbst kaum glauben konnte: Sie war doch gar nicht bei klarem Verstand, sondern befand sich gerade im siebten Himmel – wie hatte sie da einen äußerst sachlich und geschäftsmäßig klingenden Bericht schreiben können?

Ein Wunder, dachte sie, bevor sie sich erneut ihren Träumen überließ.

*

»So bald schon?«, fragte Hanne Maurer. »Ich hatte gedacht, wir hätten noch ein bisschen Zeit, uns besser kennenzulernen.« Die alte Dame sah aufrichtig bestürzt aus.

Emilia von Hohenbrunn legte ihr über den Tisch hinweg eine Hand auf den Arm. »Ich finde, wir kennen uns schon ziemlich gut, Hanne. Wollen wir uns nicht endlich duzen? Ich bin Emilia.«

Hanne Maurer, die eben noch so niedergeschlagen ausgesehen hatte, lächelte. »Ich hatte nicht den Mut, dir das ‚Du’ anzubieten, du weißt …«

Emilia unterbrach sie. »Ja, ich weiß, wir leben in verschiedenen Welten, trotzdem haben wir uns von Anfang an gut verstanden, oder etwa nicht? Und dass du so lebst …« Sie machte eine Bewegung, die die bescheidenen Wohnküche, in der sie saßen, umfasste, »und ich ein Haus für mich allein habe, kommt mir, was uns beide betrifft, nicht wichtig vor. Ich bin fünfundsiebzig, du bist zweiundachtzig, da sollte man doch allmählich über den Dingen stehen, meinst du nicht?«

Hanne Maurer war eine Frau mit karger Rente, die mit jedem Cent rechnen musste, während Emilia von jeher im Wohlstand gelebt hatte. Kennengelernt hatten sie sich, als sie bei einem Banküberfall in Sternberg zusammen mit mehreren anderen als Geiseln genommen worden waren. Eine Nachtlang hatten sie in der Gewalt der Bankräuber ausharren müssen, diese schweren Stunden waren der Beginn ihrer Freundschaft gewesen.

Kurz nach der Geiselnahme war bei Emilia Brustkrebs festgestellt worden. Sie hatte sich in der Privatklinik von Dr. Walter Brocks behandeln lassen. Zuerst war sie operiert, dann bestrahlt worden. Jetzt war die Behandlung abgeschlossen, und sie wollte in ihr Haus zurückkehren. Die Zeit in Sternberg hatte sie in der Familie ihres Sohnes Phillip verbracht.

Beide Frauen waren alleinstehend, ihre Männer seit langem verstorben. Bei ihren Treffen in den vergangenen Wochen hatten sie einander aus ihrem Leben erzählt, aber auch über die Geiselnahme gesprochen, über Emilias Krankheit und Hannes Sorgen wegen ihrer Gesundheit und der ewigen Geldknappheit.

»Für dich ist es leichter, diese Dinge nicht so wichtig zu nehmen«, sagte sie jetzt. »Du hast Geld, Emilia, ich habe keins. Das führt zu einem Ungleichgewicht zwischen uns. Ich weiß nicht, wie ich mit dir befreundet sein soll, ohne ständig das Gefühl zu haben, mir die Freundschaft mit dir eigentlich nicht leisten zu können. Wir haben ja schon öfter darüber gesprochen, ich nehme also an, du verstehst, was ich meine.«

»Natürlich verstehe ich das«, erwiderte Emilia langsam. »Aber bei uns kann das nun einmal nicht so laufen, dass mal ich dich einlade und dann du mich. Du hast das Geld nicht, ich habe es. Also müssen wir mit diesem Ungleichgewicht entweder leben oder wir können uns ein- bis zweimal im Jahr hier bei dir treffen, bei Kaffee und Kuchen, damit du mir auch ja nichts schuldig bleibst. Das geht, aber es ist nicht das, was ich mir wünsche. Ich fände es so schön, wenn du auch einmal zu mir kämst und eine Weile bliebst. Ich habe so viel Platz, und wir hätten endlich Zeit, in aller Ruhe miteinander zu reden.«

»Ich weiß nicht«, murmelte Hanne. »Du müsstest mir die Zugfahrt bezahlen, bei dir würde ich ohnehin auf deine Kosten leben … Ich kann mir das, ehrlich gesagt, nicht vorstellen. Mein ganzes Leben lang habe ich zugesehen, dass ich unabhängig bleibe und mit dem hinkomme, was ich habe, und jetzt …«

»Das ändert sich doch nicht!«, sagte Emilia energisch. »Du bleibst unabhängig, ob ich dir nun eine Fahrkarte bezahle oder dich eine Weile bei mir bewirte oder nicht. Du glaubst gar nicht, wie sehr ich es genießen würde, jemanden wie dich um mich zu haben. Eine Frau, mit der ich reden kann, die versteht, was ich sage und der es gleichgültig ist, was ich trage und ob ich einen neuen Friseur habe.«

Hanne konnte nicht anders, sie fing an zu lachen.

»Da gibt es nichts zu lachen, glaub mir!«

Ungläubig fragte Hanne: »Du kennst tatsächlich Leute, die sich für deinen Friseur interessieren?«

Emilias Gesicht verdüsterte sich. »Mehr als genug, leider.« Gleich darauf hellten sich ihre Züge schon wieder auf, mit leichtem Spott in der Stimme fuhr sie fort: »Und meine Kleidung interessiert sie noch viel mehr. Keiner ahnt, dass alles, was ich trage, uralt ist. Die Sachen sind teuer in der Anschaffung, dann lasse ich sie umarbeiten.«

»Du siehst immer sehr elegant aus. Schon als ich dich in die Bank kommen sah, ist mir das aufgefallen. Ich war früher nämlich auch elegant. Natürlich nicht so teuer gekleidet wie du, so viel Geld hatten wir nie, auch nicht, als mein Mann noch lebte, aber ich kann ganz gut nähen, vieles habe ich selbst gemacht, und das hat man nicht gesehen. Ich hatte immer meinen Spaß, wenn andere Frauen mich gefragt haben, wo ich dieses oder jenes Kleid gekauft hätte. Dann habe ich Geschäfte in einer großen Stadt genannt, von denen ich gelesen hatte.«

»So ähnlich mache ich das immer noch.«

Sie sahen einander an wie zwei Komplizinnen, dann brachen sie gleichzeitig in Gelächter aus.

Hanne wurde bald wieder ernst. »Du fährst also am Wochenende.«

»Ja. Mit dem Zug. Mein Sohn und meine Schwiegertochter wollten mich fahren, aber ich habe ihnen die Entscheidung abgenommen, indem ich mir eine Fahrkarte besorgt und mein Gepäck bereits aufgegeben habe. Überleg es dir mit einem Besuch bei mir, Hanne. Du könntest mir keine größere Freude bereiten.«

»Eine Reise«, sagte Hanne versonnen. »Die erste seit Jahren.«

»Und ich habe gerade eine Idee! Wenn du so gut nähen kannst und keine Geschenke von mir annehmen willst, dann ändere doch ein paar Kleidungsstücke für mich. Es ist nämlich wieder einmal an der Zeit, meine Garderobe ein wenig zu verändern.«

Hanne strahlte sie an. »Was für eine wundervolle Idee! Wenn ich mich nützlich machen könnte, hätte ich bei der Vorstellung, dich zu besuchen, ein viel besseres Gefühl.«

»Dann ist das hiermit abgemacht«, sagte Emilia und erhob sich. »Und jetzt muss ich fahren. Ich rufe dich an, wenn ich wieder bei mir zu Hause bin.«

Zum Abschied umarmten sich die beiden Frauen lange. »Komm bald«, bat Emilia.

Hanne nickte nur. Sie hatte plötzlich einen Kloß im Hals. Über achtzig Jahre war sie alt, das Leben war beschwerlich geworden, manchmal fühlte sie sich einsam. Ihre Kinder lebten weit entfernt, sie sah sie nicht oft, und das wenige Geld, das ihr zur Verfügung stand, schränkte ihre Aktivitäten fast noch mehr ein als das Rheuma, das sie quälte. Und nun hatte sie plötzlich, vollkommen unerwartet, eine Freundin gefunden, mit der sie sich auf Anhieb verstanden hatte, obwohl ihre Lebensumstände nicht unterschiedlicher hätten sein können. Diese Freundschaft empfand sie als großes Geschenk.

Sie schloss die Wohnungstür und ging zum Fenster in der Küche, von dem aus sie auf die Fußgängerzone hinuntersehen konnte. Emilia schien das erwartet zu haben, denn sie blickte hoch, entdeckte Hanne und winkte ihr zu, bevor sie in das wartende Taxi stieg.

Hanne winkte zurück. Ja, sie würde ihre neue Freundin an deren Wohnort besuchen, ganz sicher!

*

»Der Kerl wird immer dreister«, sagte Arndt Stöver zu seinem Chef, Kriminalrat Volkmar Overbeck. »Er klaut wie ein Rabe, und keiner hat eine Ahnung, wie er aussieht.«

»Vielleicht ist es ja auch eine Sie oder es ist eine ganze Bande«, murmelte der Kriminalrat. Die Aussagen der Bestohlenen zu diesem Punkt waren widersprüchlich.

»Kann sein«, gab Arndt zu, »aber ich glaube irgendwie nicht daran. Jedenfalls hat er gestern seinen bisher größten Coup gelandet, hier.« Er reichte Volkmar Overbeck einen Bericht, den dieser mit zunehmendem Zorn las, der sich freilich nicht nur gegen den Dieb richtete.

»Zwanzigtausend Euro hatte der Mann bei sich? Das ist aber auch ein bodenloser Leichtsinn!«, schimpfte er, als er zu Ende gelesen hatte.

»Er wollte bei einer Versteigerung für ein altes Haus mitbieten«, erklärte Arndt. »Das Geld ist er los, und er weiß noch nicht einmal, wie es passiert sein könnte. Das Einzige, was ihm einfiel, war, dass er sich eine Zeitlang mit einem netten Mitreisenden unterhalten hat, der aber vorher ausgestiegen ist. Da hatte er sein Geld noch.«

»Wie hatte er es denn bei sich? In der Brieftasche?«

»In einem Aktenkoffer. Als er kurz vor der Versteigerung einen Blick hineingeworfen hat, musste er feststellen, dass der Koffer ausgetauscht worden war gegen ein fast identisch aussehendes Modell.«

»Und keinerlei Spur!«

»Nein«, gab Arndt Stöver bedauernd zu. »Wir werden unser Team verstärken müssen. Die Leute werden schon unruhig, auch die Journalisten hängen sich an den Fall. Ein Taschendieb, der bevorzugt in der ersten Klasse von Fernzügen zuschlägt, erregt offenbar mehr Aufsehen, als wir zunächst angenommen haben. Zunächst gab es ja so etwas wie Sympathie für den Mann, weil er vor allem wohlhabende Leute bestohlen hat, aber der Wind dreht sich gerade. Es fahren ja nicht nur reiche Leute in der ersten Klasse, wegen der vielen Sonderangebote der Bahn ist es manchmal sogar günstiger, die erste Klasse zu wählen. Deshalb hat es jetzt schon einige Male auch normale Menschen wie Sie und mich getroffen, die ihr mühsam zusammengespartes Geld auf diese unerfreuliche Weise losgeworden sind.«

»Wir setzen ein paar verdeckte Ermittler ein, es wird Zeit, dass wir dem Spuk ein Ende bereiten«, beschloss der Kriminalrat. »Steht Jonathan von Heeren zur Verfügung oder arbeitet er an einem anderen Fall?«

»Er steht zur Verfügung, er hat sogar schon selbst angefragt, ob wir ihn nicht einsetzen könnten. Die Sache interessiert ihn.«

»Gut«, sagte der Kriminalrat, »wer noch?«

Sein Assistent nannte noch einige weitere Namen, Volkmar Overbeck nickte. »Rufen Sie alle zusammen, heute Nachmittag besprechen wir das weitere Vorgehen. Es wäre doch gelacht, wenn es uns nicht gelänge, den Täter zu fassen.«

»Leicht wird es nicht, schätze ich. Der Mann ist schon außerordentlich geschickt – und außerordentlich vorsichtig. Ich denke, der macht das nicht zum ersten Mal, der war vorher schon auf anderen Strecken tätig. Und immer, wenn die Sache so richtig hochgekocht ist, hat er die Gegend gewechselt.«

»Das heißt, wir sollten uns Ihrer Ansicht nach mit Äußerungen der Presse gegenüber zurückhalten, um die Sache klein zu halten?«

»Ja, ich denke, das wäre die richtige Strategie, Chef.«