Wer finanziert die Schweizer Politik? - Peter Buomberger - E-Book

Wer finanziert die Schweizer Politik? E-Book

Peter Buomberger

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Beschreibung

Die Politikfinanzierung in der Schweiz ist ein grosses Geheimnis. Zwar stehen seit Kurzem Transparenzregeln im Gesetz. Aber wer wen mit welchen Beträgen finanziert, weiss niemand. Buomberger und Piazza leuchten mit ihrem Buch diese Blackbox endlich aus – mit dem deklarierten Ziel, die private Politikfinanzierung in die Zukunft zu führen. Diese hat sich in der Schweiz über die Jahre als effizient, effektiv und wenig missbrauchs- und korruptionsanfällig erwiesen. Die Bürgerinnen und Bürger haben neben dem Stimm- und Wahlzettel eine weitere Möglichkeit, Einfluss zu üben: durch die direkte finanzielle Unterstützung ihrer bevorzugten Politakteure. Um das heutige System zu erhalten und weiterzuentwickeln, braucht es allerdings Massnahmen. Buombergers und Piazzas Buch zeigt den Weg auf, der in eine offenere, transparentere und digitalisierte Zukunft der Politikfinanzierung in der Schweiz führt. Ihre Vorschläge zur Stärkung des Schweizer Systems basieren auf der erstmaligen, umfassenden Darstellung und Quantifizierung der politischen Finanzierungsströme. Ihr Buch bietet zudem ein 14-Punkte-Programm für politisches Fundraising – eine Anleitung für Parteien, NGOs und politische Bewegungen.

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Peter BuombergerDaniel Piazza

Wer finanziert die Schweizer Politik?

Auf dem Weg zu mehr Transparenz und Demokratie

Mit 14 Tipps für politisches Fundraising

NZZ Libro

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Der Text des E-Books folgt der gedruckten 1. Auflage 2022 (ISBN 978-3-907291-69-6) © 2022 NZZ Libro, Schwabe Verlagsgruppe AG, Basel

Lektorat: Sandro Malär, Wädenswil

Umschlaggestaltung: Res Eichenberger Design, Zürich

Umschlagabbildung: Shutterstock/Sergio J. Lievano

Gestaltung, Satz Inhalt: Claudia Wild, Konstanz

Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

ISBN Print 978-3-907291-69-6

ISBN E-Book 978-3-907291-81-8

www.nzz-libro.ch

NZZ Libro ist ein Imprint der Schwabe Verlagsgruppe AG.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort von alt Nationalrat Gerold Bührer

1. Das Wichtigste in Kürze – eine Zusammenfassung

2. Politikfinanzierung in der Schweiz – eine Einführung

2.1. Zur Rolle und Funktion der Parteien

2.2. Wer finanziert die Politik?

2.3. Herausforderungen der Politikfinanzierung

2.4. Systematik, Definitionen und Erfassung der empirischen Daten

3. Politikfinanzierung und Transparenz – die letzten 20 Jahre

3.1. Debatten zum Schweizer Politikfinanzierungssystem

3.2. Der lange Weg zu gesetzlichen Transparenzregeln

4. Stand und Entwicklung der Politikfinanzierung 2019/20

4.1. Quellen der Politikfinanzierung

4.1.1. Privatpersonen – ohne ihre Finanzierung geht nichts

4.1.2. Unternehmen – finanziell weniger gewichtig

4.1.3. Staat zahlt Fraktionsbeiträge – «reduced to the max»

4.2. Politakteure – die zwei Epizentren der Politikfinanzierung

4.2.1. Parteien – für die Demokratie fundamental, finanziell unterdotiert

4.2.2. NGOs – immer weiter steigende Finanzkraft

4.2.2.1. Bürgerliche NGOs (Wirtschafts- und Branchenverbände)

4.2.2.2. Links-grüne NGOs – immer wichtiger und geprägt von Rising Stars

4.3. Kampagnen – wo das Geld ausgegeben wird

4.3.1. Abstimmungskampagnen – schneller, höher, stärker

4.3.2. Wahlkampagnen von Parteien – alle vier Jahre teurer

4.3.3. Wahlkampagnen von Kandidierenden – wenige klotzen, viele kleckern

5. Erkenntnisse zur Politikfinanzierung 2019/20

6. Ein Blick auf die Politikfinanzierung im Ausland

6.1. Illustratives zu Ländern mit staatlicher Politikfinanzierung

6.2. Illustratives zu Ländern ohne staatliche Politikfinanzierung

6.3. Erkenntnisse aus ausländischen Erfahrungen

7. Herausforderungen: Transparenz, Digitalisierung und Politikverdrossenheit

7.1. Funktionale Transparenz als Richtlinie

7.2. Digitalisierung fördert die Demokratie

7.3. Politikverdrossenheit und Demokratie

8. Transparente und digitalisierte Zukunft der Politikfinanzierung – acht Postulate

8.1. Die Verantwortung des Staats

8.2. Die Verantwortung der privaten Geldgeber

8.3. Die Verantwortung der Politakteure

9. Exkurs: sieben Grundsätze und 14 Tipps zum Fundraising für Politakteure

9.1. Fundraising-Grundsätze für Politakteure

9.2. 14 Tipps für das Fundraising von Politakteuren in der Übersicht

9.3. Über Geld spricht man nicht, man hat es – aber wer keines hat, muss darüber sprechen!

Anmerkungen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Literatur

Dank

Anhang

I) Vorstösse zu Politikfinanzierung und Transparenz (2000–2021)

II) Vorstösse zu Politikfinanzierung (2000–2021; sortiert nach Themen)

III) Vorstösse zu Transparenz (2000–2021; sortiert nach Themen)

IV) Quellenübersicht

V) Gegenvorschlag vom 18. Juni 2021 zur Transparenz-Initiative

Die Autoren

Vorwort von alt Nationalrat Gerold Bührer

Der Ruf nach mehr Transparenz ist in Politik und Wirtschaft seit einigen Jahren zu einer der zentralen Forderungen geworden. Die starke Präsenz der Medien auf allen Kanälen hat mit dazu beigetragen, dass eine erhöhte Aufklärung darüber verlangt wird, wer wo als Folge finanzieller Unterstützung in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten könnte. In einem stark von latentem Misstrauen gegenüber Politik und Wirtschaft geprägten Zeitgeist hat die Offenlegung der Finanzierung von Parteien einen besonders hohen Stellenwert erhalten. In einzelnen Kantonen sind denn auch Volksinitiativen in dieser Richtung in den Urnengängen auf eine Mehrheit gestossen.

Die Diskussionen im Spannungsfeld zwischen Transparenzanforderungen und dem Schutz der Privatsphäre dürften auch nach der Genehmigung des indirekten Gegenvorschlags der eidgenössischen Räte zur Transparenz-Initiative nicht verstummen. Denn neben den legitimen Ansprüchen an eine verbesserte Offenlegung der Finanzierung politischer Aktivitäten werden vor allem linke Kräfte, die mit diesem Instrument letztlich eine staatliche Parteienfinanzierung anstreben, nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Von daher ist es umso wichtiger, die Diskussionen bezüglich Transparenzanforderungen auch mit Blick auf die Implikationen einer vermehrten staatlichen Finanzierung zu führen.

Vor diesem Hintergrund ist es unumgänglich, sich vertieft mit den grundlegenden Aspekten und dabei insbesondere mit den möglichen Auswirkungen eines Systemwechsels auf die historisch gewachsenen Besonderheiten der schweizerischen direkten Demokratie auseinanderzusetzen. Ein weiteres Vorantreiben einschneidender Transparenzvorschriften zulasten der privaten Spender und zugunsten staatlicher Finanzierung würde nicht ohne Schaden für die Verankerung der Parteien und des Milizsystems bleiben. Offenlegungsvorschriften mit tiefen Beitragsschwellen und einer wachsenden Ungleichbehandlung zwischen den Parteien und beispielsweise den NGOs würden früher oder später die Rolle der Parteien als politische Gestaltungskraft beeinträchtigen.

Es ist daher äusserst verdienstvoll, dass sich Peter Buomberger, ehemaliger Chefökonom der UBS und Verantwortlicher für die Politikfinanzierung bei zwei grossen Finanzunternehmen, und Daniel Piazza, Ökonom und langjähriger Geschäftsführer einer Bundesratspartei, in einer umfassenden Studie dieser Fragen angenommen haben. Mit ihrer Studie vermitteln sie erstmals eine umfassende Darstellung der Politikfinanzierung in der Schweiz. Dabei beziehen sie angesichts deren grosser Bedeutung auch die Verbände und die Besonderheiten der Finanzierung von Abstimmungen in die Analyse mit ein. Das reichhaltige Zahlenmaterial vermittelt einen informativen Überblick über die ganzheitliche Struktur der Finanzierung politischer Aktivitäten in unserer direkten Demokratie. Im Gegensatz zu solchen Studien internationaler Organisationen kommt diesem Werk zugute, dass die beiden Autoren mit den staatspolitischen Besonderheiten unseres Landes bestens vertraut sind. Dadurch werden die unerlässlichen Differenzierungen im Vergleich zu den ausländischen Modellen gebührend in die Schlussfolgerungen einbezogen.

Anders als im Ausland entfällt das Gros der Beiträge bei der Parteienfinanzierung auf private Personen. Deutlich zurück liegen entgegen den weitverbreiteten Vermutungen die Gelder der Unternehmen und auch der Anteil des Staats. Dies allein schon verdeutlicht die Verletzlichkeit dieser besonderen, auf den Bürgerinnen und Bürgern als Finanzierungsquelle basierenden Ordnung. Den Persönlichkeitsschutz zu stark aufweichende Transparenzvorschriften dürften zu einer gefährlichen Erosion dieser Beiträge führen. Statt um die richtigen Beitragsschwellen zu streiten, die für die Veröffentlichung massgebend sind, sollte daher wieder mehr Wert auf die grundlegenden Auswirkungen restriktiver Regelungen auf das Verhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürgern und den Parteien sowie auf unser Milizsystem im Besonderen gelegt werden. Aber auch die Problematik einer durch die Verwaltung zu administrierenden Finanzierung darf nicht ausgeblendet werden.

Es bleibt zu hoffen, dass in den auch nach Inkrafttreten des indirekten Gegenvorschlags zur Transparenz-Initiative anhaltenden Diskussionen über die Offenlegung der Politikfinanzierung solche substanzielle Aspekte, wie sie in der Studie dargelegt werden, mehr Beachtung finden. Ausgehend von der zentralen Frage der Beeinflussbarkeit durch Spender sollte, wie die Autoren fordern, auf das Kriterium des Anteils eines Spenders am Gesamtbudget abgestellt werden. Dieser Wert hat wesentlich mehr Aussagekraft als ein fixer Frankenbetrag. Mit Blick auf das wachsende politische Engagement von NGOs ist es zudem unverständlich, dass hier nicht eine Gleichbehandlung mit den politischen Parteien eingefordert wird.

Über diese und weitere in der Studie gemachten Vorschläge hinaus liegt es natürlich auch an den Parteien und Verbänden selbst, durch Eigeninitiativen das Beitragsaufkommen bei ihren Mitgliedern auszubauen und, was die Parteien angeht, insbesondere die Basis zu verbreitern. Ein verbessertes Politikmarketing und die stärkere Nutzung digitaler Instrumente bieten dazu erhebliche Chancen. Diese noch vermehrt zu nutzen, würde über die Frage der Finanzierung hinaus auch mithelfen, den Stellenwert der Parteien im Verhältnis zu den NGOs und anderen themenfokussierten Organisationen wieder zu stärken.

1. Das Wichtigste in Kürze – eine Zusammenfassung

Die private Finanzierung der Politik hat sich in der Schweiz über die Jahre als effizient, effektiv und als wenig missbrauchs- und korruptionsanfällig erwiesen: Die Schweizer Politik funktioniert seit Jahrzehnten ohne grössere Verwerfungen und Finanzskandale. Die direkte Demokratie ist intakt: Bürgerinnen und Bürger haben im System mit privater Politikfinanzierung eine zusätzliche Möglichkeit, ihre Meinung zu artikulieren. Neben dem Stimm- und Wahlzettel, neben Initiative und Referendum können sie durch eine finanzielle Unterstützung eines Politakteurs oder einer Kampagne ihrer Meinung Nachdruck verleihen. Diese privaten Spenden fliessen nicht nur zu den traditionellen parlamentarischen Parteien, sondern in den letzten Jahren vermehrt zu den immer zahlreicheren und aktiveren NGOs oder politischen Pop-up-Komitees.

Die gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen der letzten Jahre verlangen allerdings nach Modifikationen am heutigen System. Stichworte dazu sind erhöhte Transparenzforderungen, Diskrepanz in den regulatorischen Rahmenbedingungen für unterschiedliche Politakteure und neue Online-Fundraising-Möglichkeiten. Vor diesem Hintergrund werden in dieser Studie Vorschläge gemacht, wie das System der privaten Finanzierung der Politik mit all seinen Vorteilen gegenüber einer staatlichen Finanzierung gestärkt werden kann. Nur ein System mit privater Politikfinanzierung ist kompatibel mit dem schweizerischen Verständnis von direkter Demokratie.

Der aufgezeigte Weg basiert auf einer erstmaligen und umfassenden Darstellung und Quantifizierung der politischen Finanzierungsströme in der Schweiz. Eine solche Gesamtsicht erlaubt eine fundierte Wertung und Einschätzung des heutigen Systems. Bislang waren ausführliche Informationen zu den politischen Mitteln, deren Herkunft, Empfängern und Verwendung weitgehend unbekannt: Die wildesten Behauptungen wurden in den Raum gestellt. Niemand wusste, wer wen und in welchem Ausmass finanziert. Nur häppchenweise schafften es Medienschaffende oder Forschungsinstitute, da und dort etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

Diese Studie zeigt die schweizerischen Eigenheiten der politischen Finanzierung in aller Deutlichkeit auf: Rund 90 Prozent der finanziellen Mittel stammen aus privaten Quellen; von Privatpersonen und der Privatwirtschaft. Der Anteil der öffentlichen Mittel liegt unter 10 Prozent, aktuell bei jährlich 7,6 Millionen Franken. In den meisten europäischen Ländern ist der Anteil der staatlichen Finanzierung der Politik weit höher, am höchsten mit nahezu 80 Prozent in Österreich. Einzig in Grossbritannien liegt der Anteil der privaten Geldgeber in einer ähnlichen Grössenordnung wie in der Schweiz.

In Ländern mit staatlicher Finanzierung ist die Transparenz der politischen Geldströme naturgemäss gross; der Staat muss seine «Subventionen» gegenüber der Öffentlichkeit detailliert ausweisen. In Ländern mit einem hohen Anteil an privater Finanzierung hingegen, wie der Schweiz oder Grossbritannien, ist die Transparenz der politischen Gelder eher gering. Es erstaunt deshalb nicht, dass in diesen beiden Ländern eine verbesserte Transparenz immer wieder zur Debatte steht. Dabei wird aber oft übersehen, dass die Privatsphäre von Privatpersonen geschützt ist und dass dieser Schutz der Privatsphäre insbesondere in der Schweizer Demokratie mit ihren Besonderheiten einen hohen gesellschaftlichen und staatspolitischen Wert geniesst.

Die Studie zeigt auch, dass die substanziellen Beiträge von Privatpersonen das eigentliche finanzielle Rückgrat der Schweizer Politik bilden, und nicht etwa – wie häufig behauptet – die Beiträge von grossen Unternehmen. Von den im Wahljahr 2019 insgesamt von Privaten gespendeten 90 Millionen Franken stammen rund drei Viertel von Privatpersonen und nur ein Viertel von privaten Unternehmungen.

Auch eine andere weitverbreitete Ansicht wird in dieser Studie widerlegt: Es sind nicht die politischen Parteien, sondern die NGOs, die über die grössten Budgets für politisches Engagement verfügen. Die jährlichen kumulierten Budgets der Bundesparteien betragen mit rund 20 Millionen Franken gerade mal die Hälfte der kumulierten Budgets der NGOs. Als NGOs betrachtet werden in dieser Studie neben den traditionellen NGOs auch Wirtschafts- und Branchenverbände, Gewerkschaften und andere politische Bewegungen. Es wurde allerdings nicht das ganze Budget dieser Organisationen in den Berechnungen eingeschlossen. Es wurde nur mit demjenigen Teil gerechnet, der in monetärer Form für konkrete politische Aktivitäten verwendet wurde. Mit diesen Zahlen wird klar, dass die politischen Parteien relativ schwach dotiert sind, obwohl sie für die Funktion eines demokratischen Systems als Transmissionsmechanismus zwischen dem Volkswillen und dem Staat fundamental wichtig oder, in neuerer Terminologie, systemrelevant sind.

Die Studie bestätigt hingegen die Vermutung, dass die links-grünen NGOs (inkl. Gewerkschaften) mit 20 bis 23 Millionen Franken Budget für politische Aktionen zu den finanzstärksten Akteuren in der Schweiz gehören. Sie verfügen nicht nur über ein um ungefähr 20 Prozent höheres Politikfinanzierungsbudget, sondern für die Finanzierung von Abstimmungskampagnen auch über ein um rund ein Drittel höheres Budget (17 bis 20 Millionen Franken) als die bürgerlichen NGOs (inkl. Wirtschafts- und Branchenverbände).

Das wohl eindrucksvollste Resultat der Studie ist, dass die privaten Spender – Privatpersonen wie Unternehmen – die Politakteure in der Schweiz nach wie vor mit substanziellen Mitteln unterstützen. Auch wenn dies aufgrund des auf die Jahre 2019 und 2020 beschränkten Betrachtungszeitraums nicht exakt nachgewiesen werden kann, lassen die Schätzungen vermuten, dass die privaten Spenden in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben und dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Die Mittel flossen jedoch vermehrt über Online-Kanäle und zu neueren Politakteuren. Es ist davon auszugehen, dass die neuen Transparenzregeln der Schweiz (Gegenvorschlag zur Transparenz-Initiative) die bestehenden Ungleichgewichte der Finanzierung der staatstragenden Parteien und der NGOs (inkl. der politischen Ad-hoc- und Pop-up-Komitees und anderer Parallelorganisationen) vergrössern und damit das System der privaten Politikfinanzierung gefährden könnten.

Ein Blick auf die Entwicklung in westeuropäischen Ländern mit weitgehender staatlicher Finanzierung zeigt, wohin der staatliche Weg führt. Auch diese Länder hatten ursprünglich ein System mit vornehmlich privater Finanzierung. Im Lauf der letzten Jahrzehnte wurde der staatliche Anteil dann kontinuierlich erhöht. Dies wurde und wird auch heute mit der Public-Policy-Funktion der parlamentarischen Parteien sowie der besseren Transparenz der Mittelherkunft und -verwendung begründet. Internationale Vergleiche zeigen jedoch, dass das System der staatlichen Politikfinanzierung zu einem enormen Anstieg der Politikkosten je Wähler und zu einer ausufernden Bürokratie führt. Weiter resultiert eine aus demokratischer Sicht unerwünschte Machtverschiebung von den Bürgern zur Politik und zur Verwaltung. Die subventionierten Politakteure geraten in eine problematische Abhängigkeit vom Staat. Die Missbrauchsanfälligkeit wird zudem durch erhöhte Transparenz nicht verringert. Diese hängt viel mehr von anderen Elementen des politischen Systems ab, wie den direkten Einflussmöglichkeiten des Volks und von systemimmanenten Checks und Balances zur Vermeidung allzu grosser Machtfülle von Einzelpersonen oder finanzstarker Interessengruppen.

Aufbauend auf diesen Ergebnissen und Erkenntnissen werden acht Postulate zur Erhaltung des Systems der privaten Finanzierung der Politik aufgestellt. Dies nicht zuletzt, weil der jetzt eingeschlagene Weg mit absoluten Werten für die Transparenzanforderungen möglicherweise in eine Sackgasse führt:

• Postulat 1: Der Staat muss seine Anstrengungen zum Schutz der Privatsphäre von Privatpersonen verstärken. Nur eine geschützte Privatsphäre ermöglicht die für eine funktionierende Demokratie zentrale freie Meinungsäusserung.

• Postulat 2: Zur Vermeidung von Diskriminierung einzelner Politakteure, sollen die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten für Beiträge privater Geldgeber an alle, das heisst namentlich für die Parteien sowie die bürgerlichen und links-grünen NGOs, unabhängig von deren Art und Rechtsform, synchronisiert werden, das heisst die Abzugsmöglichkeit von Spenden an alle Politakteure soll auf 20 Prozent des Einkommens erhöht werden (Bundessteuer). Für testamentarische Spenden und andere grössere Spenden ohne direkte politische Forderungen oder Verpflichtungen sollen spezielle steuergünstige Rahmenbedingungen geschaffen werden.

• Postulat 3: Sämtliche Politakteure – namentlich alle Parteien sowie alle bürgerlichen und links-grünen NGOs – müssen sich an dieselben Transparenzregeln im Rahmen der Politikfinanzierung halten.

• Postulat 4: Auf eine weitgehende und für die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nicht entscheidungsrelevante Offenlegung von finanziellen Beiträgen an Politakteure soll verzichtet werden.

• Postulat 5: Die Unternehmen sollen sich im Rahmen ihrer Verbände auf einheitliche Transparenzregeln zu den politischen Aktivitäten und Spenden (Standesregeln) einigen und diese im Sinn einer Selbstregulierung umsetzen.

• Postulat 6: Für bedingungslose Spenden von Unternehmen an Politakteure, das heisst namentlich für die Parteien sowie die bürgerlichen und links-grünen NGOs, zur Unterstützung ihres Betriebs und ihrer Basisarbeit sollen grosszügige steuerliche Abzugsmöglichkeiten geschaffen werden. Eine Erhöhung der staatlichen Beiträge ist keine Option.

• Postulat 7: Die Politakteure sollen in Eigenverantwortung Regeln zur Transparenz ihrer Finanzierung aufstellen und einführen. Ein koordinierter Ansatz aller Politakteure mit einheitlichen Regeln und Bemessungsgrundlagen im Sinn einer Selbstregulierung wäre als Entscheidungshilfe für die Bürgerinnen und Bürger am sinnvollsten.

• Postulat 8: Die funktionale Transparenz ist als Richtlinie zur Veröffentlichung von für den Bürger relevanten Informationen zur Politikfinanzierung einzuführen.

Das zentrale Element dieses Programms zur Erhaltung des Systems der privaten Finanzierung der Politik ist das von der Ökonomie abgeleitete Konzept der funktionalen Transparenz. Gemäss diesem Konzept sind zusätzliche Informationen dann sinnvoll, wenn sie dem Entscheidungsträger den Entscheid erleichtern und verbessern. Auf die Politikfinanzierung angewendet heisst dies, dass zusätzliche Transparenz dann und nur dann sinnvoll ist, wenn sie den Entscheid der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger erleichtert oder beeinflusst. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Geldgeber versucht, durch seinen Mitteleinsatz versteckten Einfluss auf einen Politakteur – verbunden mit Eigennutz – zu gewinnen. Konkret heisst das, dass es Sinn macht, Spenden über einem gewissen Prozentanteil des Budgets oder Spenden mit klaren politischen Forderungen transparent zu machen.

Transparenz macht wenig Sinn, wenn sie beispielsweise für einen absoluten Beitrag ab 15000 Franken bei einem Gesamtbudget des empfangenden Politakteurs von 5 Millionen Franken gefordert wird. Wird dieser Betrag allerdings einem Politakteur gespendet, der über ein Budget von 50000 Franken verfügt, macht Transparenz Sinn.

Am Schluss der Studie ist ein Exkurs mit sieben Grundsätzen und 14 praktischen Tipps zum Fundraising der Politakteure angefügt. Mit den bei Politakteuren immer weiter verbreiteten Crowdfunding-Aktionen gewinnt zum Beispiel das Prinzip der Schwarmlogik an Wichtigkeit in der Schweizer Politik – und damit auch in der Schweizer Politikfinanzierung. Ob es um Weiterentwicklungen in diesem oder einem der weiteren aufgezeigten Handlungsfelder geht: Es ist staatspolitisch zentral, dass die Politakteure ihr Fundraising weiterentwickeln und damit die für den Fortbestand der direkten Demokratie elementar wichtige private Politikfinanzierung gestärkt und weiterentwickelt wird.

2. Politikfinanzierung in der Schweiz – eine Einführung

2.1. Zur Rolle und Funktion der Parteien

Den politischen Parteien kommt in westlichen Demokratien traditionellerweise eine zentrale Rolle zu. Sie sind das Bindeglied der Bürgerinnen und Bürger zum Staat. Ihre Existenz ist von systemrelevanter Bedeutung für die Gesamtheit der demokratischen Basisprozesse. Die Parteien wirken an der freien Meinungs- und Willensbildung mit, wie dies in Artikel 137 in der neuen Bundesverfassung festgelegt ist. Sie beteiligen sich an Wahlen und Abstimmungen, ergreifen Initiativen und Referenden, führen Kampagnen und stellen Mitglieder in Parlamenten und Regierungen. Natürlich sind es längst nicht nur die Parteien, die sich als tragende Politakteure betätigen; zahlreiche NGOs aller Couleur – inklusive der Verbände, Gewerkschaften, politischen Bewegungen usw. – tragen ebenfalls mit hoher Relevanz zur freien Meinungs- und Willensbildung bei. Und doch: Es sind die Parteien, die sich als einzige Politakteure mit der ganzen Breite der gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen auseinandersetzen, und dies in vielen Themenbereichen ohne mediale Aufmerksamkeit. Es sind die Mandatsträgerinnen und Mandatsträger der Parteien, die zahlreiche Stunden in überparteiliche Gespräche, Fraktions- und Kommissionsarbeit sowie Sessionsdebatten investieren, wo sie nachhaltige und mehrheitsfähige Lösungen für die anstehenden Probleme unserer Gesellschaft erarbeiten.

Bürgerinnen und Bürger schliessen sich jenen Parteien als Mitglieder und Sympathisanten an, deren (Werte-)Positionen ihnen am ehesten entsprechen. Noch bis in die 2010er-Jahre hinein war die Familientradition ein häufig genannter Grund des Beitritts zu einer bestimmten Partei, insbesondere bei den traditionellen Parteien wie zum Beispiel bei der FDP oder der CVP (seit 2021: Die Mitte). Wenn die Grosseltern, die Eltern schon Mitglied einer bestimmten Partei waren, wählte die nächste Generation häufig dieselbe Partei. Für die Generation X (geb. 1966–1980), vermehrt noch für Generation Y (geb. 1981–1995) gelten familiäre politische Bindungen nur noch wenig. Sie fühlen sich zudem häufiger repräsentiert von anderen politischen Organisationen als den Parteien. Nicht untypisch sind dies monothematische Politakteure, die konsequentere und dezidiertere Positionen vertreten als Parteien.

Die traditionellen Parteien ihrerseits positionieren sich innerhalb eines weit gefächerten Spektrums an Ideologien und Positionen, die teilweise historische Wurzeln haben und teilweise das Resultat gesellschaftlicher oder politischer Trends und Entwicklungen sind. Diese Positionierungen sind jedoch nicht statisch, sie verändern sich mit den jeweils aktuellen gesellschaftspolitischen Herausforderungen und Fragestellungen.1 Dies führt über die Jahre und Jahrzehnte zu Veränderungen, die schrittweise neue politische Konstellationen zur Folge haben. Am deutlichsten hat sich dies in den letzten 40 Jahren an der Entwicklung der SVP mit einem lange Zeit stetig zunehmenden Wähleranteil manifestiert. Während die SVP traditionellerweise die Interessen der Bauern und Kleingewerbler vertrat, positioniert sie sich heute betont rechtskonservativ mit starkem Fokus auf Themen wie Beschränkung von Immigration und dem Erhalt der Souveränität, so wie sie von ihr verstanden wird.

Die beiden anderen traditionellen, bürgerlichen Parteien FDP und CVP verlieren spätestens seit 1983 Wähleranteile. Ihnen ist es in den letzten Jahren nicht gelungen, in der bürgerlichen Mitte ihre Wähleranteile zu halten oder gar neue Wählersegmente anzuziehen. Etwas, dass der verhältnismässig jungen Partei GLP gelungen ist.

Neben der rechtskonservativen Verlagerung innerhalb des bürgerlichen Lagers vollzog sich in den letzten Jahren ein zusätzlicher Trend hin zum (links-)grünen Lager. Beides hat in der Konsequenz zu einer zunehmenden Polarisierung der Schweizer Politik geführt; eine Tendenz, die das Schmieden von Kompromissen und damit die Lösung von dringlichen gesellschaftlichen Problemen wie der Altersvorsorge oder der Aussenbeziehung der Schweiz deutlich erschwert hat.

Im gleichen Zeitraum hat das politische Gewicht anderer Politakteure wie von den NGOs aus dem links-grünen politischen Spektrum zugenommen. Dazu gehören der WWF, Greenpeace, Transparency International und neuerdings auch Bewegungen wie Operation Libero oder Fridays for Future. Gerade letztere Politakteure sind zu potenten Stimmen ausserhalb der traditionellen Parteienlandschaft geworden. Dies hat sich im Jahr 2020 bei der Abstimmung zur KVI deutlich gezeigt, als sie sich mit vereinten Kräften für die links-grüne Position einsetzten.

Mit der KVI haben Organisationen aus dem Nonprofit- und dem Kirchenumfeld ein Thema auf die politische Agenda gesetzt, das weder auf dem Radar der traditionellen politischen Parteien noch auf der Sorgenliste der Bürgerinnen und Bürger stand. Diese Organisationen waren in der Lage, Gelder für ihre Kampagne zu mobilisieren, die die üblichen Kampagnenbudgets der traditionellen Parteien um ein Vielfaches übertrafen. Nur mit vereinten Kräften und Mitteln von bürgerlichen Parteien und der Wirtschaft sowie deren Verbänden konnten die Argumente für die Gegenposition zu den Bürgerinnen und Bürgern gebracht werden, worauf die Vorlage letztlich lediglich am fehlenden Ständemehr scheiterte. Es ist damit zu rechnen, dass das Beispiel der KVI bei anderen Themenbereichen, bei denen sich NGOs und andere links-grüne politische Bewegungen zu einer Allianz zusammenschliessen, Schule machen wird und weitere Initiativen und damit ein weiter zunehmendes politisches und finanzielles Engagement in erster Linie von NGOs ausgelöst werden.

Schule machen solche Allianzen mittlerweile auch auf bürgerlicher Seite. So wurde im Juli 2021 veröffentlicht, dass eine von der Wirtschaft unterstützte sicherheitspolitische Organisation namens Allianz Sicherheit Schweiz gebildet wird. Erstmals aktiv ist diese im Rahmen der Kampagne für die Beschaffung des F-35 als neues Kampfflugzeug der Schweizer Luftwaffe. Mit dieser Allianz entsteht eine ebenso schlagkräftige wie finanziell gut dotierte Organisation, wie dies zuvor vor allem im links-grünen Spektrum möglich war.

Zu den eigentlichen und relevanten Eigenstellungsmerkmalen der Schweizer Politik gehört das politisch-soziale System. Dazu zählt einerseits die direkte Demokratie mit ihren zahlreichen Instrumenten wie der Volksinitiative oder der Referendumsmöglichkeit sowie den häufigen Abstimmungs- und Wahlmöglichkeiten. Andererseits zählen dazu das Milizsystem und das Mehrparteiensystem mit Konkordanzregierungen auf Bundes-, Kantons- und Kommunalebene.

Die direkte Demokratie gibt den Schweizerinnen und Schweizern die Möglichkeit, drei bis vier Mal jährlich über konkrete politische Sachverhalte direkt und verbindlich abzustimmen. Dabei haben die sogenannten Abstimmungskomitees grosses Gewicht. Ihre Existenz ist zeitlich begrenzt und ihre Zusammensetzung in aller Regel breit durchmischt: Nicht nur Bürgerinnen und Bürger, sondern auch verschiedene politische Parteien, Branchenverbände oder NGOs sowie deren Exponenten können Mitglieder in einem Abstimmungskomitee sein.

Die Vielzahl direkter Einflussmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der politischen Entscheidungsprozesse relativiert einen potenziell überproportionalen Einfluss einzelner finanzstarker Politakteure.2 Ebenso charakteristisch ist neben dem Konkordanzprinzip der ausgeprägte Föderalismus. Beide Elemente reduzieren die Machtakkumulation einzelner Politakteure oder das Durchsetzen von Eigeninteressen einzelner Gruppierungen. All diese Checks and Balances machen die Schweizer Politik wenig anfällig für Missbrauch oder gar Korruption und ihr Finanzierungssystem zum Erfolgsmodell.

2.2. Wer finanziert die Politik?

Trotz des zunehmenden politischen Gewichts von NGOs werden die traditionellen politischen Parteien systemimmanent ein zentrales Strukturelement im politischen System der Schweiz bleiben. Damit sie aber diese Rolle auch in Zukunft kompetent und umfassend erfüllen können, sind sie auf eine adäquate und nachhaltige Finanzierung angewiesen.

Grundsätzlich können zwei Finanzierungsquellen von politischen Parteien unterschieden werden:

• Erstens: die Finanzierung durch den Staat, verbunden mit einer strikten Regulierung und Kontrolle des Mitteleinsatzes und einer vollständigen Transparenz gegenüber den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern.

• Zweitens: die Finanzierung aus privaten Quellen. Diese kann durch Privatpersonen und durch Unternehmen erfolgen. Die Spenden von Privatpersonen sind im Prinzip durch die Privatsphäre geschützt, Unternehmungen werden teilweise von ihren Besitzern/Aktionären zu einer gewissen Transparenz verpflichtet.

In westeuropäischen Demokratien erfolgt die Finanzierung der Parteien bzw. Politik weitgehend aus beiden Quellen, jedoch mit recht unterschiedlicher Gewichtung. In der Schweiz sind die Politakteure typischerweise privat organisiert, sie haben häufig die Rechtsform von Vereinen oder teilweise Stiftungen. Sie finanzieren sich aus privaten Quellen, also durch Privatpersonen und/oder private Unternehmungen. Als private Organisationen sind sie nicht a priori verpflichtet, ihre Finanzen in der Öffentlichkeit offenzulegen, sie können dies aber tun. Vor allem neuere Politakteure gewähren heute einen weitgehenden Einblick in ihre Finanzen, wie zum Beispiel Operation Libero.

Eine staatliche Finanzierung der Politik in der Schweiz findet in einem klar definierten und limitierten Rahmen statt: Sie fliesst in Form von Fraktionsbeiträgen ausschliesslich an die Fraktionen der im Bundesparlament vertretenen Parteien. Insbesondere in den Nachbarländern der Schweiz hat die staatliche Finanzierung der Parteien und teilweise auch der anderen Politakteure im Lauf der letzten Jahre ein weit höheres Gewicht erlangt. Bis zu 80 Prozent der Einnahmen machen die staatlichen Gelder bisweilen aus, während in der Schweiz der Anteil der staatlichen Politikfinanzierung unter 10 Prozent liegt.

Die Finanzierung durch den Staat ist mit einer grossen Regulierungsdichte und gleichzeitig mit erhöhter Transparenz verbunden; dies verlangt die Legitimität dieser Staatsausgaben gegenüber den Steuerzahlern. Hier liegt auch der Grund dafür, dass die Politikfinanzierung in der Schweiz mit ihrer fast ausschliesslich privaten Finanzierung – zumindest bis vor Einführung der neuen Transparenzregeln – weniger transparent war als in den vielen anderen Ländern mit weitestgehend staatlicher Politikfinanzierung.

Im internationalen Vergleich ist neben der privaten Finanzierung die hohe Bedeutung der Milizarbeit eine schweizerische Besonderheit. Viele freiwillige, unbezahlte Mitglieder und Sympathisanten engagieren sich bei Wahlen, Abstimmungen oder der Organisation und Durchführung von Anlässen. Untersuchungen zeigten, dass im Jahr 2010 37 Prozent der Schweizer Bevölkerung unbezahlte Arbeit für die Gemeinschaft leisteten. Dies gilt in besonderem Mass auf kommunaler, aber auch auf regionaler und kantonaler Ebene.3 Auf nationaler Ebene ist die Milizarbeit weniger ausgeprägt, aber nach wie vor relevant. In anderen westeuropäischen Ländern ist die Milizarbeit verhältnismässig unbedeutender.

2.3. Herausforderungen der Politikfinanzierung

Die private Politikfinanzierung in der Schweiz sieht sich zurzeit mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert:

• Ein verstärkter Ruf nach Transparenz der Finanzierungsquellen. Der Ruf nach Transparenz ist ein gesellschaftlicher Trend, der in den letzten Jahren auch in der Schweiz angekommen ist. Entsprechend steigen die Erwartungen an die Parteien, aber auch an die weiteren Politakteure und Komitees, ihre Finanzierungsquellen offenzulegen. Der Druck kam in den letzten Jahren nicht nur aus dem Ausland, sondern auch aus dem Inland. Dies belegt die Vielzahl von Vorstössen im Bundesparlament sowie in den kantonalen und teilweise auch kommunalen Parlamenten. Viele Schweizerinnen und Schweizer forderten in den letzten Jahren mehr Transparenz in der Politikfinanzierung. Stellvertretend dafür stehen das Zustandekommen der eidgenössischen Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung» und der Erfolg vereinzelter kantonaler Volksinitiativen zu diesem Thema.4 Der Druck der eidgenössischen Initiative führte zu einer Kompromisslösung für neue Transparenzvorschriften durch das Parlament im Juni 2021, worauf die Initianten ihr Ziel erreicht und diese zurückzogen haben.

• Der Einsatz der Digitalisierung bietet für die Finanzierung verschiedenster politischer Anliegen Chancen, die bis anhin vor allem von den neuen Politakteuren genutzt werden. Durch die Digitalisierung ist es einfacher geworden, Bürgerinnen und Bürger für ein bestimmtes Thema zu mobilisieren, inklusive der dazu notwendigen Finanzen. Die Digitalisierung erlaubt es, dass in Zukunft mehr und andere Bürgerinnen und Bürger am Entscheidungsprozess beteiligt sein werden, teilweise ausserhalb der traditionellen Partei- und Verbandsstrukturen. Neue Organisationsformen der Meinungsbildung werden sich neben den traditionellen Politakteuren verstärkt bilden und etablieren, wie zum Beispiel politische Allianzen. Die nach wie vor starke Stellung der traditionellen Parteien, insbesondere der bürgerlichen, wird ohne weitergehende Anpassungen an die digitale Welt abnehmen und damit auch das Potenzial zur Generierung von Finanzen reduzieren.

• Die gesellschaftlichen Trends zur Individualisierung und zum Unverbindlichen haben zu einer Entfremdung von den traditionellen Parteien, den Verbänden und auch den Gewerkschaften geführt. Kennzeichnend sind der Verlust von Parlamentssitzen der traditionellen Parteien auf der linken wie auch bürgerlichen Seite oder die Absetz- und Aufsplitterungsentwicklungen zum Beispiel bei economiesuisse oder der Bankiervereinigung. Einen Aufschwung erleben in diesem gesellschaftlichen Umfeld Politakteure, die sich auf wenige konkrete und einfach fassbare Themen fokussieren (Pop-up-Komitees, Allianzen und andere politische Bewegungen). Solchen Politakteuren gelingt es oft, namhafte finanzielle Mittel zu generieren, während die Geldgeber der traditionellen Parteien oder der traditionellen Verbände oft das Gefühl haben, in eine Blackbox zu investieren.

• Die Wirtschaft sieht sich in der Verantwortung gegenüber dem schweizerischen politischen System – allerdings mit abnehmender Tendenz. Mit der zunehmenden Globalisierung und der damit verbundenen Internationalisierung der Schweizer Grossunternehmungen, aber auch vieler kleinerer und mittelgrosser Unternehmungen, geht das Verständnis für die Eigenheiten des Schweizer Politsystems zunehmend verloren. Entsprechend stehen die finanziellen Mittel der Wirtschaft an die Parteien und die Wirtschafts- und Branchenverbände immer wieder zur Disposition.

2.4. Systematik, Definitionen und Erfassung der empirischen Daten

In dieser Studie wird die Schweizer Politikfinanzierung erstmals in ihrer Gesamtheit erfasst, dargestellt und analysiert. Dazu notwendig sind eine klare, teilweise neue Definition von Begriffen und eine einheitliche Systematik der Analyse.

Politikfinanzierung – statt nur Parteienfinanzierung

Der Begriff Politikfinanzierung steht in der Literatur für die Verwendung öffentlicher und nicht öffentlicher Mittel zum Zweck der Gewährleistung eines funktionierenden demokratischen Willensbildungsprozesses.5 Häufig wird dabei die Finanzierung der politischen Parteien mit der Politikfinanzierung gleichgesetzt. Diese verengte Fokussierung auf die Finanzierung von Parteien wird den veränderten Kräfteverhältnissen in der Schweizer Politik aber immer weniger gerecht. Deshalb wird in dieser Studie die Grössenordnung der Finanzen der Bundesparteien genauso erhoben wie jene der anderen Politakteure auf nationaler Ebene. Ziel ist es, die absolute Finanzkraft aller Politakteure zu erfassen und zu vergleichen.

Wegen der mehrheitlich fehlenden öffentlich zugänglichen Informationen muss vieles geschätzt werden. Die absoluten Grössen sind deshalb mit der notwendigen Zurückhaltung zu interpretieren, sie liegen eher im konservativen Bereich. Da bei allen Politakteuren dieselben Schätzmethoden mit derselben Zurückhaltung angewandt wurden, weisen die relative Finanzkraft und die Relationen unter den verschiedenen Budgets eine höhere Verlässlichkeit auf als die absoluten Grössen.

Diese Analyse der Schweizer Politikfinanzierung beinhaltet folglich nicht nur die Parteien und die traditionellen weiteren Politakteure wie beispielsweise die Wirtschafts- und Branchenverbände oder die Gewerkschaften, sondern auch die politisch immer aktiveren neuen NGOs und politischen Bewegungen. Die Schlussfolgerungen dieser Studie, der Massnahmenkatalog (Kapitel 8) und die Tipps für die Organisation der Finanzierung von Politakteuren in Kapitel 9 basieren auf einer auf diese Weise erarbeiteten gesamtheitlichen Basis.

Um eine aussagekräftige Struktur der Analyse zu erhalten, wird zwischen Finanzierungsquellen, Politakteuren und Kampagnen unterschieden. Diese drei Kategorien werden in jeweils zwei Gruppierungen unterteilt. In der Kategorie Finanzierungsquellen wird primär zwischen staatlicher und privater Finanzierung unterschieden, wobei bei Letzterer zwischen Privatpersonen und Unternehmen unterschieden wird. In der Kategorie Politakteure werden die aus der Optik der Politikfinanzierung relevanten Protagonisten in der Schweizer Politlandschaft in Parteien und NGOs geclustert. NGOs ihrerseits werden aufgeteilt in bürgerliche NGOs und links-grüne NGOs. In der dritten Kategorie wurden die Ausgaben der erfassten Politakteure für Kampagnen erhoben, aufgeteilt in Abstimmungs- und Wahlkampagnen. Die Ausgaben der Wahlkampagnen der Parteien und der Kandidierenden werden separat erfasst.

Der analytische Rahmen ist in der Abb. 1 grafisch dargestellt. Er dient als Basis für die Erhebung.

Nicht erfasst sind Ausgaben für andere Aufgaben, wie zum Beispiel Ausbildung oder allgemeine Informationen für Mitglieder. Solche Ausgaben können bei einzelnen NGOs einen substanziellen Anteil der Ausgaben ausmachen. Sie sind aber für diese politische Analyse nicht relevant, sie würden das Ergebnis eines Vergleichs der relativen politischen Kraft eines Akteurs teilweise erheblich verzerren. Alle drei Kategorien und die darin eingebetteten Gruppierungen weisen Unschärfen auf und bedingen eine individuelle Beurteilung.

Abbildung 1: Analytischer Rahmen und Struktur der Erfassung der Schweizer Politikfinanzierung

Finanzierungsquellen

Die erste Kategorie Finanzierungsquellen umfasst die beiden Gruppen Finanzierung durch Private und Finanzierung durch den Staat. Die private Politikfinanzierung wiederum setzt sich zusammen aus der Finanzierung durch Privatpersonen und jener durch Unternehmen. Diese Unterscheidung kann nicht immer trennscharf vorgenommen werden. Beispielsweise ist bei grosszügigen, publikumswirksamen privaten Geldgebern nicht immer klar auszumachen, ob die Finanzen aus den privaten Mitteln oder aus der Geschäftskasse stammen.

In der Schweiz gibt es im strengen Sinn keine staatliche Finanzierung von Politakteuren. Im Unterschied zu Deutschland oder Österreich werden die politischen Parteien nicht direkt finanziert. Jedoch erfolgt seit 1970 eine öffentliche Finanzierung zugunsten der Mitglieder der eidgenössischen Räte und der Fraktionen. Diese jährliche Finanzierung der Fraktionen dient gesetzlich definiert zur Deckung der Kosten ihrer Generalsekretariate. Bei dieser besonderen Form staatlicher Beiträge stellt sich die Frage, ob und inwiefern diese bei der Analyse der Finanzierung der Bundesparteien miteinbezogen werden sollen. Da diese Analyse von einem umfassenden Bild der Politikfinanzierung ausgeht, werden hier die Fraktionsbeiträge zur staatlichen Finanzierung gerechnet. Sie sind für diesen Zweck bestimmt und decken die Kosten des parlamentarischen Arms der Parteien, der Fraktionen.

Gleich und doch anders gelagert ist der Fall bei NGOs. Die Finanzierung politischer Kampagnen in der Schweiz mit Bundesmitteln ist untersagt, dies gilt auch für NGOs. Eine klare und saubere Abgrenzung zwischen politischen Kampagnen und Informations- und Bildungsarbeit, für die einige NGOs Mittel vom Bund erhalten, ist in der Realität jedoch nicht immer einfach. Aus diesem Grund hat der Bund die Vorgaben für die Verwendung der Mittel in Richtlinien geregelt. Dazu gehört eine umfassende Kontrolle inklusive vertraglich vereinbarter Berichterstattungen. Seit 2021 dürfen Schweizer NGOs für Informations- und Bildungsarbeit in der Schweiz keine Mittel des Bundes mehr verwenden. Aufgrund dieser neuen Regel ist es auszuschliessen, dass NGOs, die sich in der Schweiz als Politakteure betätigen, politische Kampagnen mit staatlichen Geldern finanzieren. Deshalb werden die Gelder des Bundes für die Informations- und Bildungsarbeit von NGOs in der vorliegenden Analyse nicht berücksichtigt.6

Politakteure auf nationaler Ebene

Bei den Politakteuren wird grundsätzlich zwischen Parteien und NGOs unterschieden. Der Begriff Politakteure7 wird definiert als Summe aller Parteien, bürgerlicher NGOs, das heisst Wirtschafts- und Branchenverbände, sowie links-grüne NGOs, inklusive der Gewerkschaften. Die Finanzierung wird entlang dieser Gruppen erfasst. Alle erhobenen und geschätzten Daten beziehen sich auf nationale Politakteure. Auf die Erfassung der kantonalen und kommunalen Ebene wird verzichtet. Die Unschärfe aufgrund der auf kantonaler und kommunaler Ebene vielfach fehlenden und schwer abgrenzbaren Daten wäre zu gross und deshalb deren Interpretation nicht aussagekräftig. Dies ist wichtig zu bemerken, da es bei allen Politakteuren zusätzliche Organisationen gibt, die auch auf kantonaler und kommunaler Ebene ihre Tätigkeit mit Beiträgen von Privaten oder der Zentrale finanzieren. Es werden einzig die Kantonalparteien analysiert und als interne Finanzierungsquelle mehrerer Bundesparteien miteinbezogen, sie werden aber in der Gesamtübersicht konsequenterweise ausgeblendet.

Bundesparteien im Fokus

Die Schweizer Gesetzgebung definiert den Begriff der politischen Partei nicht. Formell stammt der Begriff aus der Bundesverfassung.8 In der Studie werden Parteien berücksichtigt, die auf Bundesebene organisiert sind und Einsitz im Bundesparlament haben. Namentlich sind dies SVP, SP, FDP, CVP, Grüne, GLP, BDP und EVP.9 Auf die Trennung zwischen Partei- und Fraktionskasse10 wird verzichtet. Sie bringt in der Schaffung der Übersicht über die Schweizer Politikfinanzierung keinen Mehrwert, zumal die Höhe der Fraktionsbeiträge des Bundes in der Analyse berücksichtigt werden. Dabei wird in Kauf genommen, dass im staatspolitischen Gefüge die Parteien einerseits als private Vereine organisiert und andererseits die Fraktionen Teil des Parlaments und damit Teil des Staats und seiner Institutionen sind.

Entschädigungen (Löhne usw.) von Mandatsträgern wie zum Beispiel Bundesrichter, National- und Ständeräte werden nicht erfasst, da diese nicht an die Parteien fliessen, sondern an die Mandatsträger selber. Es handelt sich dabei um Entschädigungen für deren Arbeit in ihren Mandaten. Bundesparteien erheben jedoch auf diese Mandatsentschädigungen Abgaben, die in die Parteikasse fliessen. Diese hingegen werden als solche als Teil der Finanzierung der Parteien berücksichtigt.

NGOs

Bisher konnte sich weder in der öffentlichen Diskussion noch in der Fachwelt eine einheitliche Definition von NGOs durchsetzen. Generell definieren sich diese durch ihre öffentliche Sichtbarkeit, eine Ausrichtung auf explizit formulierte politische und nicht politische Ziele sowie ein zum Teil ehrenamtliches Personal.11