Werewolves of Rebellion - Erwählte des Schicksals - Ana Lee Kennedy - E-Book

Werewolves of Rebellion - Erwählte des Schicksals E-Book

Ana Lee Kennedy

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Beschreibung

Im Haus von Jack, Mitglied der Werewolves of Rebellion, treiben mysteriöse Kräfte ihr Unwesen: plötzlich zerberstende Fensterscheiben, unheimliche Geräusche und eine Macht, die Besitz von Jacks Körper ergreift. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als ein Spezialteam für paranormale Angelegenheiten zu rufen.

Nur hat Jack nicht damit gerechnet, dass ein Mitglied des Teams ihm gehörig den Kopf verdreht. Persephone - attraktiv, mutig und unnahbar. Denn sie birgt ein Geheimnis, das sie selbst nicht zu deuten versteht und das alle Beteiligten in tödliche Gefahr bringt ...

Düster, leidenschaftlich und geheimnisvoll: »Erwählte des Schicksals« ist das Finale der Werewolves-of-Rebellion-Reihe von Ana Lee Kennedy. Enthält explizite Szenen und Sprache. Alle Bände der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden.

STIMMEN AUS DER LESEJURY

»Ein leidenschaftliche Geschichte mit fantastischen Charakteren.« (Ebooksava)

»Anna Lee Kennedy hat eine spannende Geschichte mit ganz viel Sex- Appeal und tollen Charakteren geschrieben.« (July_123)

»Ich war einfach gefangen in der Welt und wollte gar nicht aufhören zu lesen.« (Coribookprincess)

»Ich kann euch das Buch wirklich ans Herz legen. Holt euch das Buch, denn sonst versäumt ihr was Großartiges.« (Aloegirl)

»Ein sehr authentischer und starker Fantasy-Roman. Die Figuren haben Tiefe und wachsen mit ihren Aufgaben.« (Kristall)

Wieder spannten sich seine Finger fest um ihre Arme. Seine Pupillen wurden dunkler, größer. Sein würziger, wilder Duft schien sich zu intensivieren und sich wie eine warme, tröstende Decke um sie zu legen.

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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Über dieses Buch

Wieder spannten sich seine Finger fest um ihre Arme. Seine Pupillen wurden dunkler, größer. Sein würziger, wilder Duft schien sich zu intensivieren und sich wie eine warme, tröstende Decke um sie zu legen.

Im Haus von Jack, Mitglied der Werewolves of Rebellion, treiben mysteriöse Kräfte ihr Unwesen: plötzlich zerberstende Fensterscheiben, unheimliche Geräusche und eine Macht, die Besitz von Jacks Körper nimmt. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als ein Spezialteam für paranormale Angelegenheiten zu rufen. Nur hat Jack nicht damit gerechnet, dass ein Mitglied des Teams ihm gehörig den Kopf verdreht. Persephone – attraktiv, mutig und unnahbar. Denn sie birgt ein Geheimnis, das sie selbst nicht zu deuten versteht und das alle Beteiligten in tödliche Gefahr bringt ...

Düster, sexy und geheimnisvoll – »Erwählte des Schicksals« ist der dritte Band der Paranormal-MC-Reihe »Werewolves of Rebellion« von Ana Lee Kennedy.

Über die Autorin

Ana Lee Kennedy alias Faith Bicknell lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und Enkeln, zwei Katzen und zwei Hunden in Ohio. Sie schreibt schon fast ihr ganzes Leben lang. Ihre Lieblingsgenres sind Paranormal, Fantasy und Frauenliteratur mit einer gehörigen Portion Romantik. Seit zwanzig Jahren ist sie auch als Lektorin tätig.

Ana Lee Kennedy

Werewolves of Rebellion

Erwählte des Schicksals

Ins Deutsche übertragen von Michaela Link

Deutsche Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2017 by Ana Lee Kennedy

Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Persephone’s Beastly Lover«

Originalverlag: Riverdale Avenue Books, LLC, New York

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln

Covergestaltung: Guter Punkt, München unter Verwendung von Motiven von © Getty Images/subjob; GettyImages/Anagramm; Getty Images/zegers06; Getty Images/Cris Ritchie Photo; Getty Iamges/LightFieldStudios; Getty Images/schus

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7517-0275-1

be-ebooks.de | luebbe.de

lesejury.de

Kapitel 1

Er hätte den Anruf nicht annehmen sollen.

»Bitte, Jack«, jammerte Tina. »Gib mir noch eine letzte Chance.«

»Wir sind jetzt seit vier Monaten getrennt, Tina. Ich will nicht wieder mit dir zusammen sein.«

»Ich werde den Werewolves of Rebellion beitreten«, fuhr sie hastig fort, als hätte er gar nichts gesagt.

Er seufzte und riss sich gewaltsam zusammen, um nicht ins Telefon zu brüllen. »Mitglied von Franks Motorradclub zu werden ist nie ein Thema gewesen, Tina. Das weißt du.«

»Ich vermisse dich«, flüsterte sie.

Er schwieg. Er nahm das Handy für eine Sekunde vom Ohr weg und erwog, einfach aufzulegen, dann meldete sich Tina wieder zu Wort.

»Vermisst du mich nicht auch, Jack?«

»Nein«, sagte er mit etwas zu viel Nachdruck in der Stimme. »Tut mir leid, Tina. Das mit uns beiden war nett, solange es gedauert hat, aber jetzt ist es nun mal vorbei.«

»Warum willst du es denn nicht einfach noch mal mit mir versuchen?« Ihre Stimme wurde lauter, und Jack verzog das Gesicht. »Ich liebe dich!«

»Wenn du mich wirklich geliebt hättest, hätte ich dich nicht dabei erwischen können, wie du es mit zwei Männern gleichzeitig treibst.« Er unterdrückte seinen Unmut. »Es ist vorbei, Tina. Hör auf, mich anzurufen, und leb einfach dein Leben. Lass mich in Ruhe!«

»Ich kann nicht ohne dich sein, Jack!«

»Tut mir leid. Du hast keine andere Wahl.« Er strich mit dem Daumen über das Displaysymbol für »Anruf beenden«.

Jack saß draußen auf der Veranda vor seinem Haus. Vor einer Stunde hatte sich die Abenddämmerung über das Land gelegt. Er hätte den Anruf auf keinen Fall entgegennehmen sollen, aber er hatte nicht einmal aufs Display geschaut, im Glauben, es sei jemand aus dem Club, der sich nach ihm erkundigen wollte. Luella oder Frank und viele andere taten das häufig. Leider hatte ihm Tina seine einigermaßen gute Laune nun mit einem Schlag verdorben.

Sie hatten in der Tat eine tolle Zeit miteinander gehabt, er hatte es wirklich ernst gemeint. Aber sie auf dem Rücksitz ihres Autos zusammen mit zwei Bikern zu ertappen, beides Mitglieder der Wraithkillers, war ein totaler Schock für ihn gewesen. Klar, Tina war an jenem Abend sturzbetrunken gewesen, und das war während ihrer gemeinsamen Zeit sonst nie vorgekommen, aber das war keine Entschuldigung. Hallo, zwei Typen gleichzeitig? Er war selbst durchaus mal für einen gelegentlichen Dreier zu haben – aber auf der Rückbank ihres Autos auf dem Parkplatz vor einer Bar im nächsten Umkreis, wo jeder hätte vorbeikommen können? Da die Gemeindepolizisten das Gebiet rund um die Bar regelmäßig überwachten, war es ein Wunder, dass keiner von ihnen Tina und die beiden Kerle erwischt hatte.

An jenem Tag hatte Jack einfach die Hintertür des Chrysler Sebring aufgerissen und ihr noch ein schönes Leben gewünscht, während sie gerade den Schwanz des einen Kerls im Mund und der andere sein Ding in ihrer Vagina gehabt hatte. Dann war er davongegangen, als wäre ihm das Ganze scheißegal gewesen – und so hatte es ja auch ausgesehen. Zuerst hatte es fürchterlich wehgetan, aber schon nach ein paar Tagen war der Schmerz lange nicht mehr so heftig gewesen, und ihm war klar geworden, dass er Tina nie wirklich geliebt hatte. Letztendlich hatte sie ihm mit ihrer Aktion sogar einen Gefallen getan.

Aber sie sah das anders. Mindestens alle zwei Wochen hatte sie seither Kontakt zu ihm aufgenommen. Aber nun hatte er seit einem Monat keine Anrufe mehr von ihr erhalten, und so war er eigentlich davon ausgegangen, dass sie sich mit ihrer Trennung endlich abgefunden hatte.

Es sah ganz so aus, als hätte sie ihm nur eine kurze Verschnaufpause eingeräumt.

Entschlossen schob er die Gedanken an Tina beiseite und hoffte inbrünstig, dass das nun das wirklich letzte Telefongespräch mit ihr gewesen war. Vielleicht sollte er einfach seine Handynummer ändern lassen.

Eine kalte Bö ließ ihn frösteln, und eine Gänsehaut überzog seine Arme. Der Wind erinnerte ihn an das andere Problem, um das er sich in diesen Tagen kümmern musste. Er könnte jetzt in seine Werwolfgestalt wechseln, dann würde ihm warm bleiben, wenn die Temperaturen nach Mitternacht in den Keller gingen, aber er hatte es satt, sich nachts nach draußen verziehen zu müssen, um jenem Etwas zu entgehen, das in seinem Haus sein Unwesen trieb. Außerdem nächtigte er ungern im Motorradclub der Werewolves of Rebellion statt unter dem eigenen Dach, da er schließlich noch keine sechs Monate dort Vollmitglied war. Seine Mom hatte immer gesagt, man solle die Gastfreundschaft anderer keinesfalls überstrapazieren. Also quälte er sich lieber draußen durch die kalten Nächte, froh, ein kleines Reisekissen zu haben, auf das er seinen Kopf betten konnte, und seinen Pelz, der ihn warmhielt.

Auch wenn es schon Mitte April war, so roch die Luft heute Abend, als könnte es womöglich noch mal schneien. Vor ein paar Wochen hatte Jack endlich die Restaurierung des alten Motorrads abgeschlossen, das er, vergessen unter einem Haufen Schrott in einer der baufälligen alten Scheunen auf dem Grundstück, gefunden hatte: eine Indian, ein echter Oldtimer. Über den letzten Sommer und den noch nicht allzu lange zurückliegenden Winter hinweg hatte er die Maschine sorgfältig wieder auf Vordermann gebracht. Frank hatte ihm angeboten, die betagte Dame für ihn in der Werkstatt der Nightshade’s Wolves zu restaurieren, aber Jack hatte nicht auf die Befriedigung verzichten wollen, es auch selbst hinzubekommen.

Letzte Woche, als das Wetter für die Jahreszeit noch ungewöhnlich warm gewesen war, hatte er eine erste Spritztour mit seinem Ofen unternommen, aber mit den fast schon sommerlichen Temperaturen war es schon nach einem Tag wieder vorbei gewesen, und die beißende Frische des Frühlings war mit voller Wucht zurückgekehrt. Doch jene kurze nachmittägliche Fahrt auf seiner Indian war genau das gewesen, was er gebraucht hatte, um seine Lebensgeister zu erwecken und seine blank liegenden Nerven zu beruhigen.

Er stand auf und wollte gerade auf die Treppe hinaustreten, von wo aus er einen schönen Blick auf den Sternenhimmel haben würde. Im gleichen Moment jagte ihm ein Krachen aus dem Wohnzimmer einen Angstschauder über den Rücken, und er erstarrte. Es folgte das Geräusch von berstendem Glas und ein Klirren von Splittern, als wären sie über den Couchtisch verstreut worden, dann vernahm er einen dumpfen Knall am Fenster direkt hinter sich, der ihm das Adrenalin ins Blut schießen ließ.

Er wusste, was er sehen würde, wenn er sich jetzt umdrehte. Es war jedes Mal das Gleiche.

Nein, er würde nicht hinschauen.

Konnte nicht hinschauen.

Poch!

Nein. Auf keinen Fall. Der Adrenalinkick der letzten paar Tage reichte für den Rest seines Lebens.

Poch! Poch!

Jack seufzte resigniert. Verdammt. Sie wird einfach so lange gegen das Fenster schlagen, bis ich sie ansehe.

Er nahm all seinen Mut zusammen, viel davon hatte er derzeit nicht, drehte sich um und stellte sich dem Unausweichlichen. Die junge Frau starrte ihn an, Kummer und Verzweiflung in ihren großen, trüben Augen. Sie formte mit den Lippen die Botschaft: Hilf mir!

Er empfand ein solches Mitgefühl für sie, dass er jedes Mal, wenn er sie sah, unwillkürlich die Hand nach ihr ausstreckte. Er legte die Finger an die Scheibe, und wie so oft erschien neben dem Gesicht der Frau eine furchterregende dämonische Fratze, die ihre spitzen Zähne bleckte, während sie ihr gesammeltes Missfallen hinausbrüllte.

Er taumelte zurück, verängstigt bis ins Mark und zugleich mächtig verärgert darüber, aufs Neue auf das stumme Flehen der hübschen Frau hereingefallen zu sein. Das Ding ließ seine roten Augen aufstrahlen und deutete ... auf ihn.

War das eine Drohung?

»Verpiss dich, du rotäugiger Scheißkerl!«, brüllte er. Wilde Wut jagte durch ihn hindurch. »Das hier ist mein Haus, also sieh zu, dass du verdammt noch mal verschwindest!«

Das Fenster zersprang. Plötzlich fand sich Jack mitten in der Luft schwebend wieder, ein wunderliches, aber reichlich beunruhigendes Gefühl. Dann der Aufprall auf dem Boden, abrupt und unwiderruflich, so heftig, dass ihm die Luft wegblieb. Er lag flach auf dem Rücken, bis es ihm endlich gelang, seine fünf Sinne wieder zusammenzunehmen. Mühsam rappelte er sich auf, während sich alles um ihn herum zu drehen schien, und schaute zum Fenster hoch. Da war nichts, nur das klaffende Loch, wo eben noch die Glasscheibe gewesen war, und das weiche, bernsteinfarbene Licht der Küchenlampen, das hindurchdrang.

»Du Drecksack«, schrie er. »Du bist die längste Zeit hier gewesen. Du weißt es nur noch nicht!«

Er taumelte zur untersten Treppenstufe hinüber und ließ sich darauf fallen. Die Kälte des Holzes durchdrang seine dünne Pyjamahose. Er schaute zum Himmel hinauf, dessen klare Weite für ihn etwas Tröstendes hatte. Schon in jungen Jahren hatte er gewusst, dass es neben der Menschenwelt noch andere Wesen und Kräfte auf Erden gab – wozu er als Lykanthrop schließlich auch selbst gehörte – und dass es Hexerei sowie Weiße und Schwarze Magie gab. Verdammt, er hatte am Rande sogar miterlebt, welche Aufregung es gegeben hatte, als im Herbst zuvor ein Inkubus und sein Harem von Sukkubi Franks Motorradclub unterwandert hatten. Aber Geister und Gespenster – oder worum auch immer es sich bei diesen Dingern in seinem Haus handelte –, diese Wesen verfügten über Kräfte, von deren Existenz er nicht das Geringste geahnt hatte. Zumindest jedenfalls hatte er nicht geglaubt, dass es dergleichen wirklich gab. Bis vor Kurzem hatte es für ihn nie einen Anlass gegeben, auch nur in Erwägung zu ziehen, dass das Jenseits in die Welt der Sterblichen eindringen und sie durcheinanderwirbeln könnte wie die Flocken in einer Schneekugel.

Jack seufzte. Aber jetzt war er genau damit konfrontiert.

Vielleicht würde er die eine oder andere Antwort erhalten, sobald das Team aus Detroit eintraf, aber wichtiger noch war, dass er etwas Ruhe bekam.

Er gab wirklich nur äußerst ungern klein bei, aber für die heutige Nacht beschloss er, lieber in den Club rüberzufahren. Er würde sich auf eines der Sofas im Wohnbereich hauen. Zumindest würde er dort halbwegs vernünftig schlafen können. Heute war kein Betthäschenabend, also sollten nicht allzu viele Leute das Haupthaus des Clubs unsicher machen.

Als er sich umdrehte, um noch mal zur Veranda hinaufzuschauen, rechnete er schon halb damit, rote Augen zu sehen, die böse zu ihm herabstarrten. Stattdessen ließ der bernsteinfarbene Schimmer aus dem Inneren des Hauses das Fenster hell hervortreten. Das matte Licht strömte genau im richtigen Winkel durch die Öffnung, um all die über die Veranda verstreuten Scherben zu beleuchten. Er rutschte herum, um einen besseren Blick zu bekommen, und Glas knirschte unter seinem Hintern. Verdammt. Jetzt, wo er darauf achtete, sah er, dass Scherben und Splitter des Fensters sogar bis hinaus in den Garten geflogen waren, wo auch er gelandet war.

Die Vorstellung, jetzt auf seine Maschine zu springen, um zum Club hinüberzudüsen, hatte etwas Verlockendes, aber es war einfach zu kalt. Er könnte sich natürlich verwandeln, doch würden alle, die heute spätabends noch unterwegs waren, vermutlich von der Straße abkommen und direkt in der nächsten Schlucht landen, wenn sie einen Werwolf auf einer vorsintflutlichen Indian an sich vorbeidonnern sahen.

Er musste unwillkürlich schmunzeln. Die Vorstellung war komisch, aber andererseits wollte er niemanden in Angst und Schrecken versetzen oder gar zu Schaden kommen lassen.

Er stand auf und dankte Gott, dass er den Zündschlüssel zu seinem Pick-up stets unter der Fußmatte auf der Fahrerseite aufbewahrte. Hätte er die Schlüssel im Haus gehabt, hätte er nun riskieren müssen hineinzugehen, um sich einem Schicksal zu stellen, das wahrlich Schlimmeres bereithalten konnte als nur berstende Fensterscheiben.

Er stapfte zu seiner selbst gebauten Holzscheune hinüber, in der sein Transporter stand, und freute sich darauf, bald eine ordentliche Mütze Schlaf zu bekommen.

Das sanfte Licht des grauenden Morgens breitete sich über dem Gelände aus. Ein schwacher Wind wehte über den Parkplatz und veranlasste Persephone, den Reißverschluss ihrer Windjacke bis ganz nach oben zu ziehen. Jemand aus der Erkundungsgruppe schlug die Hintertüren des SUVs zu, ein durchdringender Knall und das weithin hörbare Ende ihrer Vorbereitungen auf die Fahrt ins südöstliche Ohio. Seph schaute auf das Display ihres Smartphones. Es war noch nicht einmal sieben Uhr in der Früh, und nachdem sie ihren letzten Fall am Vorabend erst kurz nach ein Uhr nachts abgeschlossen hatten, hatte keiner aus dem Team mehr als drei Stunden Schlaf bekommen. Trotzdem hatte Queen, die Leiterin ihrer Truppe, bereits für heute mit einem Mann, der darauf beharrte, nicht noch Tage auf ihre Ankunft warten zu können, eine Untersuchung vereinbart. Normalerweise arbeitete das Team in den Großstädten, manchmal auch in größeren Orten auf dem Land, doch das hier war nun Sephs erster Ausflug in ein winziges hinterwäldlerisches Kaff am Arsch der Welt. Sie war sich nicht mal sicher, ob Rebellion überhaupt irgendwie als Städtchen durchgehen konnte. Nach allem, was sie online darüber gelesen hatte, bewegte sich die Gesamtzahl der Bevölkerung bei etwa zweitausendfünfhundert Menschen.

Insgeheim stöhnte sie. Winzige Kleinstädte bedeuteten den Verzicht auf Unterhaltung und meist keine anderen Geschäfte als kleine Gemischtwarenläden. Das GPS auf ihrem Handy verriet ihr, dass die nächsten Großstädte – Pittsburgh und Cleveland – eine anderthalb- bis zweistündige Autofahrt von Rebellion entfernt waren. Selbst nach Wheeling in West Virginia war es eine vierzigminütige Fahrt. Wenn es in Rebellion überhaupt ein Restaurant gab, würde es sich dabei wahrscheinlich um eine Art Café oder so ein Rattenloch von Bar handeln. Seph würde auf dieser Reise garantiert durchdrehen. Andererseits, wenn die Situation im Haus des Mannes wirklich so furchtbar war, wie er sagte, würde sie zwischen ihren Erkundungseinsätzen wahrscheinlich ohnehin nicht viel Zeit für irgendetwas anderes haben.

Sie arbeitete erst seit drei Monaten in ihrem neuen Beruf. Die Sache wurde von einem wohlhabenden Geschäftsmann aus Detroit mit einer gewaltigen Faszination für das Paranormale und das Übernatürlichen finanziert, und sie brachte Seph gutes Geld.

Nachdem sie ihre Wohnung und ihr Auto durch einen Brand verloren hatte, musste sie ihre Verluste erst einmal wieder reinholen, vor allem da ihre Fahrzeugversicherung Feuerschäden durch höhere Gewalt nicht abdeckte und in ihrer Wohnung einzig ihr Computer und ihr Fernseher versichert gewesen waren. Dann hatte sie eine Anzeige gesehen, in der für ein spezielles Einsatzteam nach einer Hilfskraft gesucht wurde, die bereit war, etwas über die ungewöhnlichen Techniken und Methoden der Erforschung des Paranormalen zu lernen. Das Ganze ging von einer Organisation namens »Weird, Hidden and the Occult« – »Unheimlich, Verborgen und Übersinnlich« – aus, auch kurz WHO genannt. Als sie sich beworben hatte, hatte Seph die Sache für einen bloßen Jux gehalten. Zu ihrer Überraschung hatte es dieses Team aber wirklich gegeben.

In den drei Monaten, seit sie nun Bestandteil dieser Truppe war, hatte sie es gut hinbekommen, ihre besonderen Fähigkeiten vor allen verborgen zu halten. Mit Geistern in Kontakt zu treten war schwierig und kräftezehrend. Wüsste Queen, dass Seph zu derlei imstande war, würde sie, so viel war ihr klar, niemals mehr Ruhe finden ... oder Frieden. Sie hatte bereits in sehr jungen Jahren ihre Eltern verloren, daher wusste Seph nicht das Geringste über die beiden und woher sie ihre seltsame Gabe hatte. Eines allerdings wusste sie – sie hasste ihre Fähigkeiten. Wann immer sie Zwiesprache mit den Toten hielt, raubten die ihr all ihre Kräfte, bis sie ausgelaugt und leer war. Es war, als zöge man den Stöpsel aus einer Badewanne, um dann zuzusehen, wie alles Wasser abfloss.

»Seph?«

Das Wichtigste war, dass sie dank dieser Stelle ihre Rechnungen bezahlen konnte. Und sie hatte durch ihre Arbeit erst einmal ein Dach überm Kopf gehabt, entweder im Schlafraum der Zentrale oder draußen an ihrem Einsatzort, wo immer ihre Kunden ihnen ein Bett zuwiesen – oder auch, wenn nötig, in Motels und Hotels. Erst kürzlich hatte sie eine neue Wohnung bezogen, die allerdings mehr ein schäbiges Loch war. Wenn sie genug sparen konnte, wollte sie eine erste Anzahlung auf eine Eigentumswohnung leisten und dann ...

»Persephone Jones!«

Seph zuckte zusammen und hätte beinahe ihr Handy auf den Asphalt fallen lassen. Sie riss den Blick hoch und begegnete Queens musternden Augen. »Oh, bitte entschuldige. Ich bin grad irgendwie für einen kurzen Moment abgedriftet.«

Die stämmige, vollbusige Samoanerin lächelte mitfühlend, ihre dunklen Augen freundlich. »Wir sind alle erschöpft, aber sobald wir am Ort unseres neuen Falles angekommen sind, wird unsere Anwesenheit unserem Auftraggeber gleich ein klein wenig Seelenfrieden verschaffen. Dort können wir uns dann für ein paar Stunden aufs Ohr hauen und später mit der Arbeit anfangen.« Sie deutete mit einem knappen Nicken ihres kurz geschorenen Schädels in Richtung Kofferraum.

Seph wurde schwer ums Herz. Die Fahrt quer durch Ohio würde sich hinziehen.

»Hast du alles eingepackt, was du für dich so brauchst?«, erkundigte sich Queen.

»Ja, gerade eingeladen.«

»Hast du Batterien, Akkusätze und Netzkabel durchgezählt?«

Sie nickte entschieden. »Das habe ich gestern Nacht noch gemacht, nachdem wir in die Zentrale zurückgekehrt waren. Solange mein Gehirn noch funktioniert hat.«

Queen kicherte, ein weicher und melodischer Laut. »Gut. Wir brechen in fünfzehn Minuten auf.« Sie wandte sich zum Gehen, rief aber über ihre Schulter zurück: »Sieh zu, dass genug Thermoskannen für alle mit Kaffee gefüllt sind. Wir werden für die lange Fahrt jede Menge Stoff brauchen, um uns wach zu halten.«

Mit kurzen, schnellen Schritten eilte die Leiterin der Gruppe über den Asphalt zum Technikbus hinüber. Seph mochte Queen, die sie als eine faire und sehr gute Lehrerin kennengelernt hatte; allerdings stellte die Samoanerin so hohe Ansprüche, dass sie ihrem Namen alle Ehre machte. Seph blinzelte sich die Schläfrigkeit aus den Augen und seufzte. Es wäre so schön gewesen, noch für ein paar Stunden in ihr Bett zu kriechen.

»Schnell, schnell«, sage Dean gut gelaunt. Er war der zweite leitende Forscher der Gruppe. Er öffnete die Doppeltüren des SUVs und verstaute einen silbernen Koffer mit der Aufschrift ESP-Geräte – Vorrichtungen zur Aufzeichnung elektronischer Stimmenphänomene –, dann schloss er die Türen wieder. Er zog ein Klemmbrett unter seinem Arm hervor und hielt es ihr hin. »Hier sind die Akten und die Notizen für diesen speziellen Fall.«

Es war ein kleiner Schock für Seph, denn eigentlich hatte sie während der Fahrt einfach ein wenig Schlaf abbekommen wollen. »Kann ich die Daten nicht eingeben, sobald wir unser Ziel erreicht haben?«

»Tut mir leid.« Er sah sie beschwichtigend an. »Queen wird wollen, dass ihr alle Details sauber und gebrauchsfertig vorliegen, damit sie sie sich gleich vornehmen kann, sobald wir irgendwo untergekommen sind.«

»Verdammt.« Sie nahm das Klemmbrett mit der angehefteten Mappe entgegen. Papiere und Klebezettel lugten an den Rändern des Kartons hervor.

»Sobald du im Wagen sitzt ...«, fügte Dean hinzu, »sei nicht überrascht, wenn dich Queen Notizen von ihrem Handy abschreiben lässt. Sie nutzt dessen Notizfunktion, wenn sie kein Papier zur Hand hat. Ich habe sie gestern Nacht alles Mögliche eingeben sehen. Je länger du bei uns bist« – er begann, von ihr wegzugehen –, »umso besser wirst du dich an diese langen Stunden ohne Schlaf gewöhnen. Halt durch!«

Seph stapfte zu einer der hinteren Beifahrertüren, die noch offen stand, und legte das Klemmbrett auf den Sitz. Dann ging sie ins Haus, um ein halbes Dutzend Thermoskannen mit schwarzem Kaffee zu füllen. Die nächsten Stunden würden die reinste Qual werden. Mit einem Seufzer eilte sie auf den Pausenraum zu.

Kapitel 2

»Wohin willst du denn so früh am Morgen?«, fragte Luella.

Jack schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. Er warf der großen Blondine einen Blick zu, die gerade damit beschäftigt war, alles an Tassen und Löffeln zu spülen, was die Clubmitglieder, die bereits zur Arbeit gefahren waren, zurückgelassen hatten. Er kannte Luella noch nicht lange, aber er mochte sie sehr und hatte einen Wahnsinnsrespekt vor ihr. Sie kümmerte sich um das Haupthaus ebenso wie um die Kommune des Motorradclubs, managte den Laden und sorgte dafür, dass immer alles glattlief. Er stellte die Kanne zurück auf die Warmhalteplatte und drehte sich zu Luella um.

»Ich fahr zu mir nach Hause. Ich erwarte dort jeden Moment Besucher.«

»Besucher?«

Als er nicht antwortete, ließ sie das Wasser aus dem Spülbecken abfließen und sah zu, wie die Seifenbläschen verschwanden. »Hör mal, Jack«, begann sie, »ich weiß, dass da bei dir ein paar – na ja, in Ermangelung eines besseren Ausdrucks –, dass da bei dir ein paar merkwürdige Dinge passieren.«

»Aha?« Woher zum Henker wusste sie das? Er musterte sie argwöhnisch.

Luella wusch das Spülbecken aus, und auf ihrem Gesicht erschien ein spitzbübisches Lächeln. »Ich hab dich mal abends mit Frank reden hören und mitbekommen, wie du ihn gefragt hast, ob Bernadette wohl weiß, wie man Geister loswerden kann.« Sie wandte sich ein Stück zur Seite, griff nach dem Geschirrtuch, das zerknäult auf der Arbeitsfläche lag, und trocknete sich damit die Hände ab. Dann blickte sie ihn wieder an und fuhr eilig fort: »Keine Sorge. Frank hat niemandem ein Wort davon gesagt.« Sie zuckte die Achseln. »Ausgenommen vielleicht Bernadette, da du ja gefragt hattest, ob sie dir nicht helfen könne. Frank ist nicht der Typ, der herumläuft und anderen gegenüber die Probleme Dritter ausposaunt. Ich hab nur zufällig gerade am Geschirrschrank im Esszimmer gestanden und Teller eingeräumt, als ich euch zwei habe reden hören.«

Jack entspannte sich und atmete das volle Aroma des kolumbianischen Kaffees ein. Der Duft beruhigte seine blank liegenden Nerven. »Ich hatte auch schon mit dem Gedanken gespielt, mich an Scary Mary zu wenden, aber die Frau macht mir Angst, und ich wollte es nicht darauf anlegen, mir womöglich noch sonst was in mein Haus zu holen, selbst wenn Scary Mary gute Absichten hat.«

»Sie ist kein schlechter Mensch, Jack. Bernadette arbeitet mit ihr zusammen und ist ihr ›Lehrling‹. Das weißt du.«

»Ja, aber ...« Er zuckte die Achseln. »Du müsstest nur ein paar Nächte in meinem Haus verbringen, da würdest du meine Vorsicht verstehen, Luella.« Er nahm mehrere große Schlucke seines langsam abkühlenden Kaffees. »Ich habe Franks Rat beherzigt und ein paar Nachforschungen über Untersuchungsteams im Bereich des Paranormalen angestellt. Oben in Detroit habe ich eins gefunden, das einen hervorragenden Ruf genießt, und die haben sich bereit erklärt herzukommen und mein Problem mal in Augenschein zu nehmen.«

»Wo kommen diese Leute unter?«, wollte Luella wissen. »Bei dir?«

»Wahrscheinlich im Motor in Rebellion.«

Sie rümpfte angewidert die Nase. »Okay, aber wenn ihnen das Motel nicht zusagt, gibt es in der Kommune meines Wissens gerade einen freien Bungalow mit zwei oder drei Schlafzimmern. Und bestimmt lässt Tractor auch jemanden in seinem Wohnmobil schlafen.«

Beastman kam mit mürrischer Miene hereingetrottet, seine Augen leer und verschlafen. Im Vorbeigehen tätschelte er Luella den Po, dann blieb er vor einem der Schränke stehen, öffnete ihn, nahm einen Thermobecher heraus und hielt ihn ihr hin. Sie füllte ihn schnell für ihn auf.

»Dann bis heute Abend«, murmelte Beastman.

»Alles in Ordnung, Baby?«, fragte sie.

»Jaja, ich hab nur beschissen geschlafen.«

»Immer noch Rückenschmerzen?«

»Jepp.«

»Gut, ich werde dir heute Abend eine schöne Massage verpassen. Vielleicht hilft die ja.« Sie grinste und klimperte mit den Wimpern.

»Bei dieser Art Massage geht es mir jetzt schon besser.« Er trat an sie heran und drückte ihr die Lippen in den Nacken, was ihm ein tiefes, kehliges Kichern seiner Partnerin eintrug.

Jack nickte Beastman zu, als er vorbeischlurfte und den Deckel auf seinen Thermobecher schraubte.

»Morgen, Jack«, sagte Beastman. »Ich liebe dich, Babe«, rief er dann über seine Schulter zurück. Bevor er auf die Glasveranda hinaustrat, blieb er noch einmal stehen und sah Jack bedeutungsvoll an. Sein dichter, buschiger goldener Bart ließ ihn wie einen kampfbereiten Bär aussehen. »Mit ›Babe‹ meine ich Luella, nicht dich.«

Jack brach in lautes Gelächter aus. »Hab ich befürchtet.«

Mit einem knappen Nicken schnappte sich Beastman eine Jacke und trat dann in die kühle Morgenluft hinaus. Luellas leises Lachen folgte ihm auf den Parkplatz hinaus.

»Mach dir nichts draus«, sagte sie. »Beastman hat schlechte Laune, weil er sich gestern einen Muskel im Rücken gezerrt hat, als er beim Holzhacken und Aufstapeln geholfen hat. Er ist ein großes Kind.«

Der Auspuff von Beastmans Pick-up begann zu knattern und das Geräusch fuhr durchs Haus, um dann nach und nach in der Ferne zu verhallen.

Jack nahm den letzten Schluck von seinem Kaffee und reichte Luella die Tasse. »Ich mach mich jetzt besser auf den Weg.«

»Morgen!«, ertönte eine Stimme, und im nächsten Moment kam Bernadette in die Küche getreten. »Luella, ich brauche heute Morgen erst mal ein richtig starkes heißes Käffchen. Mir ist heute Nacht überhaupt nicht warm geworden.«

»Du brütest doch nicht etwa irgendwas aus, oder, Liebes?«, fragte Luella und griff nach einer der sauberen Tassen auf dem Abtropfbrett.

»Glaub nicht, nein. Wahrscheinlich liegt es nur an den großen Temperaturschwankungen zwischen warmen Nachmittagen und verdammt kalten Nächten und Morgenstunden.«

Bernadette warf Jack einen Blick zu, während sie um den Tisch herumging und sich von Luella eine Tasse geben ließ. Eins musste ihr Jack lassen – sie war wirklich umwerfend. Er stand zwar nicht auf Rothaarige und bevorzugte Frauen mit dunklerem Haar bis hin zu pechschwarzen Locken, aber wäre Franks Partnerin noch zu haben gewesen, hätte er bei ihr eine Ausnahme gemacht. Bernadette war relativ klein, aber nicht mollig-untersetzt, sie hatte vielmehr den perfekten Körper, nur in kleinerem Maßstab. Ihrem großen Busen entsprachen die runden, ausladenden Hüften, was ihr eine makellose kurvige Sanduhrform verlieh. Ihr flammend rotes Haar passte zu ihrer hellen Gesichtsfarbe, und das Grün ihrer Augen erregte sofort die Aufmerksamkeit des Betrachters. Jack glaubte nicht, je zuvor Augen von einem derart leuchtenden Grün gesehen zu haben. Er ließ seinen Blick ungezwungen über sie hinwegwandern, während sie sich Milch mit Sahne, die sie aus dem Kühlschrank geholt hatte, in den Kaffee goss. Auch wenn Bernadette ohnehin schon ein echter Hingucker war, setzten ihr temperamentvolles Wesen und ihr strahlendes Lächeln sogar noch eins auf ihr wunderschönes Äußeres drauf. Frank war wahrhaftig ein Glückspilz.

Sie bemerkte seinen Blick und lächelte. »Frank hat mir gesagt, dass du in deinem Haus ein Problem mit einem Geist hast.«

Er nickte und antwortete: »Ja, aber es handelt sich nicht nur um einen Geist.«

Ihre Augen weiteten sich, und sie sah ihn noch eindringlicher an. »Aha? Wie viele sind es denn?«

»Es sind zwei – soweit ich es sagen kann –, und einer wirkt eher ...«

»Dämonisch?«

Er fuhr verblüfft zusammen. »Ja. Woher weißt du das?«

»Nach und nach prägen sich meine Fähigkeiten immer weiter aus, sodass ich einen Menschen oder eine Situation zunehmend klarer wahrnehmen kann. Ich spüre, dass dich eine dunkle Aura umgibt. Es ist nichts Lastend-Schweres, eher wie eine schiefergraue Rauchwolke um dich herum, was bedeutet, dass dich dieses Phänomen auf irgendeine Weise berührt hat.«

Schnell berichtete er ihr, was am vergangenen Abend passiert war.

»Heiliger Himmel«, rief Luella.

Ein besorgter Ausdruck legte sich über Bernadettes porzellanbleiche Züge. »Möchtest du, dass ich mir das mal zusammen mit Scary Mary anschaue? Vielleicht hat sie irgendeine Idee, was man da machen kann.«

»Nein, dank dir, ich habe bereits ein auf paranormale Phänomene spezialisiertes Erkundungsteam hinzugezogen, aber vielleicht komme ich ja irgendwann auf dein Angebot zurück. Ich würde das ja wirklich gern selbst in die Hand nehmen, das kannst du mir glauben, aber es ist schließlich nicht so, als würde da ein Mensch auf meinem Grundstück sein Unwesen treiben, dem man leicht Einhalt gebieten könnte. Menschen riechen für uns Lykanthropen einfach nach Spaß oder nach Essen, und man kann sie problemlos zu Tode erschrecken. Wenn sie jemand anderem davon erzählen, glaubt es sowieso niemand. Aber das hier ...« Er schüttelte bedächtig den Kopf. »Dagegen kann ich nicht ankämpfen, Bernadette.«

»Du weißt, wo du mich findest, Jack.« Sie zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor und setzte sich. Dann griff sie nach einem Korb, zog das darübergebreitete Geschirrtuch weg und suchte sich einen Muffin aus. Der Duft von Gewürzen und Bananen wehte zu Jack herüber.

»Gib mir doch bitte auch einen«, bat er.

Sie reichte ihm einen großen Muffin.

»Danke, Luella. Ich bin dann mal weg.« Er schnappte sich seine Jacke, die er über die Rückenlehne eines anderen Stuhls gehängt hatte, und ging auf die Veranda hinaus.

»Mach’s gut, Jack«, riefen ihm die beiden Frauen nach.

Er trat ins Freie, schlüpfte in seine Jacke und warf dabei den Bananenmuffin von einer Hand in die andere. Er stieg in seinen Dodge, holte den Zündschlüssel unter der Fußmatte hervor, ließ den Pick-up an und kurvte den Hang hinunter. Als er die Häuser der Wohnkommune des Motorradclubs passierte, winkte er allen zu, die in der kühlen, feuchten Morgenluft draußen unterwegs waren. Junge Blätter überzogen die Bäume des Obstgartens mit zartem Grün. Beim Tor am Ende der Zufahrt hockte Puppy und setzte frühe Frühlingsblumen rund um die niedrigen Torpfeiler aus Backstein. Sie rief ihm einen lauten Gruß zu, den er durch das hochgekurbelte Fenster nur schwach hörte. Er winkte ihr zurück und bog dann auf die Straße ein, um Richtung Westen zu seinem Haus zu fahren.

Es graute ihm davor, nach Hause zu kommen, aber vielleicht würde das WHO-Team ja herausfinden können, was dort vor sich ging, warum es in seinem Haus spukte und was unternommen werden konnte, um die Geisterfrau und ihren Peiniger zu vertreiben – er hoffte inständig, dass irgendetwas unternommen werden konnte.

Bernadette sah Luella an. »Ich mache mir Sorgen um Jack, ganz allein dort draußen in seinem Haus.«

»Ich habe vor ein paar Tagen mitbekommen, wie sich er und Frank abends unterhalten haben«, antwortete Luella und schob zwei Scheiben Brot in den Toaster. »Ich habe nicht alles verstanden, aber es klang so, als hätte Jack ein verdammt unangenehmes Problem in seinem Haus.«

»Ja, Frank hat mir erzählt, dass dort Dinge zerbersten und Möbel durch die Luft fliegen und dass dieses weibliche Gespenst verzweifelt versucht, Jacks Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.« Ein kalter Schauder überlief sie, und sie hätte um ein Haar ihren Kaffee auf dem Tisch verschüttet. »Ich bin mit Geschichten über Geister aufgewachsen. Meine Grandma hat immer wieder beteuert, dass das jenseitige Leben mit diesem hier Hand in Hand gehe. Das sei der Grund, warum wir von Zeit zu Zeit Gespenster und andere übersinnliche Wesen sehen. Und je mehr ich nun dank Scary Mary lerne, umso mehr wird mir klar, dass meine Grandma recht hatte.« Eine Welle des Mitgefühls für Jack durchwogte sie. »Jack muss eine Scheißangst haben.«

»Ich finde es nur merkwürdig, weil er doch jetzt schon länger in diesem Haus wohnt«, meinte Luella. »Er hat mit dem Bau angefangen, als er aus Cadiz hierhergezogen ist, aber meines Wissens hat er diese Probleme erst seit Kurzem.«

»Das ist in der Tat seltsam«, antwortete Bernadette.

»Na ja, wenn der Erkundungstrupp nicht helfen kann, den er da angeheuert hat, können vielleicht Scary Mary und du etwas bewirken.« Mit einem Marmeladenglas in der einen Hand und dem Toastbrot in der anderen nahm Luella Bernadette gegenüber Platz. »Ich wette, sie hat da ein paar Asse im Ärmel.«

»Hoffen wir mal, dass es nicht so weit kommt. Wenn man mit den Toten zu tun hat, kann es gefährlich werden.«

»Wenn es überhaupt die Toten sind, die Jack solche Schwierigkeiten bereiten.«

»Ja, diese Frage macht mir auch zu schaffen«, räumte Bernadette ein.

Instinktiv wusste Bernadette, dass sie auf irgendeine Weise in Jacks Problem mit hineingezogen werden würde. Sie half ihm gern, aber nach den Erfahrungen, die sie einige Monaten zuvor mit dem Inkubus Ezra und seinen Sukkubi hatte machen müssen, befürchtete Bernadette, dass sich Jacks »Spuk« in etwas noch viel Gefährlicheres verwandeln könnte.

Kapitel 3

Seph sprang aus dem SUV und verschaffte sich einen ersten Überblick über das Haus und das dazugehörige Gelände. Sonnenstrahlen fielen durch die Äste und hinterließen ein filigranes Muster auf dem Boden. Wenn die Bäume erst mal voll belaubt waren, so nahm sie an, würden sie ein schweres, kühles Blätterdach über das Haus und die Wiesen breiten. Obwohl der Frühling noch kühl war, standen auf der Veranda mehrere Stühle, darunter ein alter Schaukelstuhl. Ein kalter Wind strich durch die Bäume und wehte über die Einfahrt. Seph bekam eine Gänsehaut im Nacken, und ein eisiger Schauder überlief sie.

Queen, Theo, Sandra und Dean waren aus den Autos gestiegen und sahen sich neugierig um.

»Ist das die richtige Adresse?«, wollte Queen wissen.

»Jedenfalls hat uns das GPS hierhergeführt«, antwortete Dean mit lauter Stimme, während er im Kleinbus nach irgendetwas stöberte.

Etwas Düster-Bedrohliches ging von dem Haus aus. Seph näherte sich dem Gebäude. Dieser Fall würde schwierig werden, vielleicht sogar gefährlich. In dem Haus wohnte etwas Mächtiges. Es kitzelte ihre Sinne, hauchte warnende Küsse in ihr Bewusstsein und flüsterte ihr giftgetränkte Versprechen zu, die sie nur undeutlich verstand. Zu ihrer Beunruhigung konnte sie sich der Anziehungskraft dieses Ortes nicht erwehren, doch blieb sie stehen, als sie etwas im Gras glitzern sah. Sie kniete sich hin und schaute sich die Sache genauer an. Überall lagen Glasscherben verstreut. Sie blickte sich um, auf der Suche danach, wo sie wohl hergekommen waren. Sie untersuchte den Streuradius der Splitter und sah weitere Glasstückchen auf den Verandastufen glänzen. Dort, gleich rechts neben der Treppe, fehlte in einem der Frontfenster die Scheibe, und ein Vorhang bauschte sich durch das große Loch.

Sie stand auf und deutete auf das Haus. »Queen, hier ist irgendetwas passiert. Es sieht ganz so aus, als sei das Fenster zerborsten, und die Glasscherben liegen überall verstreut, bis hin zu meinen Füßen.«

Ihre Chefin kam herübergeschlendert, ein Ausdruck der Überraschung in ihren dunklen Augen. Sie unterzog Seph einer kurzen Musterung und schien drauf und dran, ihr eine Frage zu stellen, dann überlegte sie es sich plötzlich anders, ging dorthin, wo auf der anderen Seite die Scherben aufhörten, und blieb links neben der Treppe stehen. Einen Augenblick später sah sie wieder zu Seph herüber. »Gute Beobachtungsgabe, Seph. Was immer hier passiert ist ...« Sie schüttelte den Kopf. »Wenn es sich hier um etwas Paranormales handelt, dann hatten wir es noch nie zuvor mit einer solchen Macht zu tun.«

»Und wo ist jetzt der Besitzer?«, fragte Theo.

»Ich vermute, was immer hier vorgefallen ist, hat ihm eine solche Angst eingejagt, dass er sich davongemacht hat«, meinte Queen.

»Ruf ihn doch mal an«, schlug Dean vor. Er sah Seph an. »Seine Nummer steht in der Akte.«

Seph wollte gerade zum SUV zurückgehen, um ihren Laptop herauszuholen, dann hörte sie ein Auto näher kommen und blieb stehen.

»Vielleicht ist das ja der Besitzer«, sagte Queen.

Zwischen den Bäumen tauchte ein Pick-up auf und fuhr um die Kurve, hinter der das Team geparkt hatte. Der Fahrer hielt neben einer Scheune in Holzmastenbauart, schaltete den Motor ab, sprang aus dem Wagen und kam auf sie zu. Seph bemühte sich, ihren Gesichtsausdruck unbeteiligt zu halten, als ihr Blick auf den Mann fiel. Der Kerl war riesengroß, wahrscheinlich über einen Meter neunzig, und machte den Eindruck, als könne er es mit bloßen Händen mit einem Gorilla aufnehmen. Er war nicht übermäßig muskulös, doch etwas an seiner Körperhaltung, in Kombination mit seiner Größe, machte unmissverständlich klar, dass da eine gewaltige verborgene Kraft unter seinen Kleidern steckte – oder vielmehr unter seinen pyjamaartigen Joggingsachen. Er musste ungeheuer in Eile gewesen sein, als er weggefahren war.

Das Licht der Sonne präsentierte ihn in erstaunlicher, überdeutlicher Schärfe und ließ sogar sein rötliches Haar aufstrahlen, sodass es wie Gold und Kupfer wirkte. Aus dieser Distanz konnte Seph nicht erkennen, welche Farbe seine Augen hatten, aber sie vermutete, dass sie, seinem Teint entsprechend, braun waren. Auch aus der Entfernung von etlichen Metern konnte sie erkennen, dass er attraktiv war, und sein kurz geschnittener Bart verlieh seinen Zügen etwas Verwegenes. Etwas regte sich in ihr, brachte ihren Schoß in Wallungen. Verlegen wandte sie sich von ihm ab und konzentrierte sich wieder auf die klaffende Leere im Fenster, und die Gefühle, die dieser Anblick in ihr wachgerufen hatte, wurden schnell stärker und stärker.

»Jack Henessy«, stellte sich der Mann vor und hielt Dean die Hand hin. Als Dean sie schüttelte, drückte Jack mehrmals fest zu, ehe er seine Hand losließ. »Ich bin echt erleichtert, dass ihr gekommen seid, Leute.«

»Ich bin Queen Galu, die Leiterin dieses Teams«, sagte Queen und lenkte Jacks Aufmerksamkeit auf sich. »Was ist hier genau passiert?«

»Die Geisterfrau ist wieder zurückgekommen und hat mich um Hilfe angefleht«, begann Jack mit angespannten Gesichtszügen, »dann ist dieses ... dieses Ding neben ihr aufgetaucht. Als ich es angebrüllt habe, ist das Glas zersprungen – und das mit solcher Wucht, dass es mich durch den halben Garten geschleudert hat und ich flach auf dem Rücken gelandet bin.«

»Haben Sie sich verletzt?«, fragte Seph.

Zum ersten Mal nahm er sie wahr. Sie stand hinter allen anderen, dem Haus am nächsten. Sein Blick blieb eine Sekunde länger auf ihr ruhen, als es eigentlich hätte der Fall sein sollen, dann nickte er.

»Nein, nein, alles bestens. Hab nicht mal einen Kratzer abbekommen, aber die Wucht des Ganzen und der plötzliche Aufprall auf dem Boden hat mich für einige Minuten ganz benommen gemacht.« Er deutete auf das Haus. »Wir können reingehen. Normalerweise ist es tagsüber dort drinnen sicher. Nur nachts ist die Hölle los.«

Er ging zwischen der kleinen Gruppe hindurch zum Haus. Als er Seph erreichte, trafen sich ihre Blicke, und eine eigenartige Aufregung durchlief sie. Hellbraune Augen, fast sandfarben. Eine Tätowierung lugte unter dem kurzen Ärmel seines Hemds hervor, aber sie konnte das Motiv nicht erkennen. Er nickte leise, seine Mundwinkel zuckten, und in seinen Augen leuchtete etwas auf ... Interesse?

»Passt auf, Leute«, mahnte er, »hier liegen überall Scherben auf der Veranda und auf den Stufen.« An der Türschwelle blieb er stehen und schaute zurück, um sich zu vergewissern, dass es auch alle mitkamen, dann drückte er die Tür auf. »Möchte irgendwer ’ne Tasse Kaffee?«

»Gott im Himmel, ja!«, antwortete Queen.

»Ich auch«, schallte es ringsum wie im Chor über den Rasen.

Jack nickte und trat ins Haus.

Für Seph war es, als sei er ins Maul eines Monsters gegangen.

Mit einem Zittern öffnete Jack die Tür. Beim Blickkontakt mit der hübschen schwarzhaarigen Frau hatte ihn ein Schauder der Erregung durchrieselt. Die Begegnung hatte ihn verwirrt und seinen Schwanz steif werden lassen. Was zum Teufel sollte das denn jetzt? Er tat es ab, schrieb es der Nacht voller Chaos, dem unruhigen Schlaf und seiner Koffein-Unterversorgung heute Morgen zu. Er blickte noch einmal zu der Erkundungsgruppe hinüber und warf einen verstohlenen Blick auf die schöne Frau, die einfach nur dastand und das Haus anstarrte, als erwartete sie, dass es im nächsten Moment über ihr einstürzen würde. Ja, dieses Gefühl kannte er nur zu gut.

»Kommt rein«, lud er die Besucher ein. »Ich setze uns einen Pott Kaffee auf, und falls jemand Hunger hat, habe ich in der Küche noch ein paar Schachteln mit Minidonuts. Ich wohne allein hier, also habe ich normalerweise nicht viele Vorräte im Haus. Die meiste Zeit verbringe ich im MC.«

»MC?«, fragte die Schwarzhaarige, als sie die kleine Diele betrat.

»Im Motorradclub«, erklärte er und wandte den Blick ab. »Die Werewolves of Rebellion – aber keine Angst. Wir sind keine kriminelle Gang von Gesetzlosen. Wir haben alle Arbeit und Familien, und es gibt sogar eine kleine Kommune unserer Mitglieder, die in dem weiten Tal unterhalb des eigentlichen Clubhauses lebt. Wir kümmern uns um unsere Leute und helfen anderen, wo wir nur können.« Er widmete sich dem Kaffee, kippte den alten Satz weg und kramte einen neuen Filter und die Kaffeedose hervor. Diese ganz alltägliche Beschäftigung beruhigte seine Nerven. »Nehmt doch bitte Platz!«

Das Kratzen von Stuhlbeinen auf den Fliesen hallte durch die kleine Küche. Jack schaltete die Kaffeemaschine ein, dann drehte er sich um und stellte fest, dass alle Platz genommen hatten, bis auf die schwarzhaarige Schönheit, die neben der Tür zum Flur an der Wand lehnte. Für einen kurzen Moment stellte er sie sich nackt auf seinem Bett vor, ihre Haut bleich im Dämmerlicht, die Beine für ihn gespreizt ... Er blinzelte einige Male heftig.

Er fragte sich, was zum Teufel da mit ihm nicht stimmte, und konzentrierte sich lieber darauf, die Donuts zu finden. Dann stellte er die Schachteln auf den Tisch. »Bedient euch.« Die Kaffeemaschine piepste. »Das Gleiche gilt für den Kaffee. Auf dem Drehtisch stehen Kaffeesahne und Zucker. Tassen sind dort im Schrank.« Er zeigte mit der Hand darauf.

Wieder durchlief ihn ein Zittern, als er sich nun darauf verlegte, den Kühlschrank zu durchstöbern, ob er nicht doch noch irgendetwas zur Ergänzung des frugalen Frühstücks finden konnte. Warum nur brachte es ihn derart aus der Fassung, diese Frau auch nur anzusehen? Er richtete sich auf, eine Tüte mit Rosinenbagels in der einen Hand und eine Packung Frischkäse in der anderen. Er legte beides auf den Tisch und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Frau.

Sie war verschwunden. Und das beunruhigte ihn nun wirklich.

»Bin gleich wieder da«, eröffnete er dem Rest der Mannschaft.

Die Frau war nicht draußen im Flur. Er ging an der Wäschekammer, am Badezimmer und am Gästezimmer vorbei und blieb an der Hintertür stehen, die hinaus auf eine kleine Veranda führte, gerade groß genug für einen winzigen Tisch und zwei Stühle. Von hier aus hatte man einen guten Blick auf die leicht hügeligen Felder hinter einer Gruppe riesiger Hickorybäume. Er hörte ein Geräusch zu seiner Rechten und fuhr herum. Ein Stück den kurzen, L-förmigen Flur hinunter stand die Frau an der Schwelle zum großen Schlafzimmer – seinem Schlafzimmer. Als er sie dort sah, wie sie sein ungemachtes Bett betrachtete, wurde sein Schwanz noch steifer. Jack schüttelte die erotischen Gedanken ab.

Sie schien ihn nicht wahrzunehmen. Sie stand mit einer Hand auf dem Türrahmen da, und ihr ebenholzschwarzer Pferdeschwanz kitzelte sie zwischen den Schulterblättern, während sie in den Raum hineinstarrte, als befände sich etwas ungemein Faszinierendes darin. Jack nahm sich einen Augenblick Zeit, um sie in Augenschein zu nehmen. Er folgte mit dem Blick der Wölbung ihres Halses, ließ seine Augen sich an ihr weiden und genoss jede glatte Fläche und jede Rundung ihres Körpers, bis hinunter zu ihrem kleinen Hintern, der gut genug gepolstert war, um ihm knackig entgegenzuragen und förmlich darum zu betteln, dass er hineinbiss. Schluckend ließ er den Blick am Jeansstoff ihrer Beine hinabgleiten, bis zu ihren Turnschuhen von Aviva, um dann wieder an ihrem Rücken nach oben zu wandern. Sein Schwanz drückte immer noch gegen seine Hose und pochte schmerzhaft. Teufel auch, er konnte sich nicht erinnern, sich je zuvor derart zu einer Frau hingezogen gefühlt zu haben. Die Betthäschen im Club waren unglaublich sexy, aber keine von ihnen vermochte dieser Frau auch nur annähernd das Wasser zu reichen. Er schüttelte den Kopf und befahl seinem Schwanz, wieder schlaff zu werden. Etwas an der Schwarzhaarigen sprach ihn an, drängte ihn dazu, mit ihr zu reden, mehr über sie zu erfahren, ihr in die Augen zu blicken und den wahren Menschen zu sehen, der hinter dieser wunderhübschen Fassade zu Hause war.

Er räusperte sich. Sie fuhr zusammen.

»Oh!« Sie drehte sich in der Tür zur Seite und starrte ihn mit offenem Mund an. Die Überraschung stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. »Sie haben mir gerade eine Heidenangst eingejagt.«

Rosige Farbe überzog ihre Wangen, und er grinste. »Was machen Sie hier hinten?«

»Entschuldigen Sie bitte.« Die Röte breitete sich über ihre Haut an ihrem Hals hinab aus. »Etwas hier hat mich aus irgendeinem Grund angezogen.«

Jetzt ergab ihr Verschwinden einen Sinn. Er nickte. »Aha, ich wusste nicht, dass euer Team auch ein Medium beschäftigt.«

»Tut es auch nicht.«

»Wie bitte?«

»Nun ja«, erklärte sie, »sie wissen nichts von meinen Fähigkeiten, und ich bezeichne mich selbst auch nicht als ein ...« Sie ging zum Ende des kurzen Flurs zurück und schaute über den Hauptflur hin zur Küche. »... Medium oder eine Hellseherin oder auch nur als einen besonders empfänglichen Menschen. Es ist einfach so, dass ... Ich weiß eben manche Dinge.« Sie senkte die Stimme. »Ich sehe Dinge, die andere nicht sehen können, Dinge, die niemand sonst auch nur spüren kann.«

»Warum weiß dann das Team nicht, dass Sie ein ...?« Er machte eine wedelnde Handbewegung in ihre Richtung. »Dass Sie sind, was immer Sie sind.«

»Das ist eine lange Geschichte«, antwortete sie leise. »Ich will einfach nicht, dass sie es wissen.« Sie runzelte die Stirn und schaute zu ihm auf. »Ich weiß nicht einmal, warum ich Ihnen das überhaupt erzählt habe. Ich habe noch nie irgendjemandem etwas über meine Fähigkeiten verraten, sagen Sie ihnen also bitte nichts davon.«

Sie sah ihn direkt an, und Jack erstarrte. Ihre Augen waren weder braun noch golden oder auch nur sandfarben. Bernstein. Ihre Augen hatten die Farbe von Bernstein. Tiefe, volle verblüffend orange-goldene Augen. Er ließ seinen Blick zu ihrem Haar hinaufwandern, das zu einem Pferdeschwanz gebunden war. Haar, schwarz wie Rabenflügel, eine Mähne, die ihre auffälligen Augen noch einmal zusätzlich hervorhob.

Die Luft um sie beide herum wurde kühl, die Temperatur im Raum sank abrupt. Sie keuchte auf, und ein seltsamer Ausdruck legte sich über ihre Züge, etwas, das er nicht recht benennen konnte, aber es schien ihm zum Teil Schock, zum Teil Angst zu sein. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber die Temperatur war so rasch in den Keller gegangen, dass nur weißer Nebel über seine Lippen kam.

»Verdammt noch mal, was ist da...?«

Die Kälte schoss ihm mitten durch die Brust. Er erstarrte, stieß ein leises »Urgh« verlauten und schob das Medium dann, ohne sich irgendwie kontrollieren zu können, in Richtung Wand zurück, bis er die Frau in dem winzigen Winkel zwischen Türrahmen und Wand positioniert hatte. Sie blinzelte mehrere Male und sah ihm unverwandt in die Augen, dann erstrahlte ein breites Lächeln auf ihrem Gesicht, und ehe Jack wusste, wie ihm geschah, überzog er sie mit leidenschaftlichen Küssen.

Persephone kämpfte mit irgendjemandem in ihrem Körper. Bisher war sie in ihrem ganzen Leben nur ein einziges Mal besessen gewesen, und das auch nur für ganz kurze Zeit, da sie den Geist schnell hatte vertreiben können. Und dann hatte sie ein lautes Gebet gesprochen, um den Geist auf Distanz zu halten. Diesmal war es anders. Dieser Geist hier war weiblich und fast schon ... vertraut. Aber das konnte nicht sein. Als ihr die eiskalte Energie des Gespensts durch Adern und Muskeln strömte, wurde Seph zugleich auch mit Traurigkeit erfüllt. Bis sie den Blick hob und Jack in die Augen schaute. Es war Jack, aber auch wieder nicht Jack. Die gespenstische Energie in Sephs Innerem erkannte etwas in ihm, und Freude durchströmte sie.

Er drückte sie gegen die Wand und küsste sie – heftig. Geschockt versuchte sie, sich gegen ihn zu wehren, aber die fremde Gegenwart in ihr hieß den Kuss willkommen, drängte sich enger an Jack, strich mit den Händen über seinen Körper, löste den Bändel seiner Jogginghose ...

»Hör auf damit!«, befahl sie der Wesenheit. »Weiche von mir. Ich habe dir nicht erlaubt, von mir Besitz zu ergreifen!«

Keine Antwort, aber die Energie, die Sephs Körper in ihrer Gewalt hielt, wurde stärker.

Jack stieß ein tiefes, kehliges Stöhnen aus und rieb seinen Ständer an ihrem Bauch. Ihrer Angst zum Trotz und obwohl sie sich selbst nicht unter Kontrolle hatte, spürte Seph, wie sie unwillkürlich erregt wurde. Oder war es die Erregung des Geistes? Sie vermochte es nicht zu sagen.

»Jack?«, rief jemand aus der Küche. »Haben Sie auch Milch da?«

Queens Stimme sorgte für die Unterbrechung, die sie brauchten. Die Wesenheit in Seph floh aus ihrem Leib. Seph sackte in sich zusammen, doch Jack hielt sie fest. Blinzelnd sah er zu ihr hinunter.

»Was zum Teufel ist da gerade passiert?«, fragte er mit verstörtem Gesichtsausdruck.

»Was immer hier sein Unwesen treibt, hat gerade Besitz von uns ergriffen«, antwortete sie.

»Verdammt!« Er machte einen Schritt zurück, hielt sie aber immer noch an den Schultern fest, bis sie sich wieder ganz gefangen hatte. »Bedeutet das ... dass dieses Ding mich in seiner Gewalt gehabt hatte? Habe ich dir wehgetan?«

»Was geht hier hinten vor sich?«

Seph schaute den Gang hinunter und sah Queen an der Stelle stehen, wo sich die beiden Flure kreuzten.

»Diese Scheißgespenster oder was auch immer hier herumspukt, haben uns gerade beide unter ihre Gewalt gebracht«, blaffte Jack. Seine aufgebrachte Stimme wandelte sich zu einem tiefen Knurren. »Bis jetzt ist dieses ganze unheimliche Scheißzeug eigentlich immer erst nach Einbruch der Dunkelheit aufgetreten, kaum mal bei Tageslicht.«

Queen blinzelte, und alle Farbe wich aus ihren Wangen.

»Entschuldigen Sie bitte«, fügte Jack hastig hinzu, »ich wollte Sie nicht so anfahren. Es ist nur ... na ja ... es hat mir eine Höllenangst eingejagt.«

Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Seph hätte ihm am liebsten all die Stellen geglättet, an denen ihm sein Haar in den seltsamsten Winkeln vom Kopf abstand.

»Und es kommt mir so vor, als hätte ich seit Tagen nicht mehr geschlafen«, schob Jack noch hinterher.

»Die Geister müssen sich Zugang zu Ihrer Energie verschaffen, damit sie körperliche Gestalt annehmen können«, erklärte Queen, während der Rest des Teams hinter ihr im Flur auftauchte. »Und Besessenheit ist hundertmal kräftezehrender. Es wird ein paar Stunden dauern, bis Sie sich wieder wie Sie selbst fühlen, also seien Sie froh, dass die Besessenheit von kurzer Dauer war.«

»Was ist passiert?«, fragte Dean.

»Ich erkläre es euch in ein paar Minuten«, antwortete Queen und sah Seph vielsagend an. »Und auch Seph und Jack werden ihren Teil dazu beitragen.«

Seph erwiderte ihren Blick beherzt und hoffte, einen unschuldigen Eindruck zu vermitteln.

»Ich glaube, hier drinnen ist es für uns alle nicht sicher.« Jack winkte mit dem Kopf in Richtung Seph. »Und ich glaube nicht, dass es sicher ist, wenn sie ...«

»Ich heiße Persephone«, machte sie klar. »Persephone Jones.«

Er sah sie für einen Moment an und lächelte, dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf Queen. »Ich glaube, dass es nicht sicher für Persephone und mich ist, zusammen hier zu sein. Ich will nicht besessen oder missbraucht oder von irgendwelchen Wesenheiten in Besitz genommen werden oder wie zum Kuckuck man das heutzutage nennt.«

Er drängte sich an Queen, Theo und den anderen vorbei, die sich an die Wand drückten, um ihn durchzulassen.