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Sie wollte nur gewinnen – und verlor ihr Herz. Aus einer Bierlaune heraus nimmt Jac die ungewöhnliche Wette ihrer besten Freundin an: Sie soll deren Kollegin Lauren verführen und damit beweisen, dass sie wirklich jede Frau ins Bett kriegt. Dafür hat Jac genau einen Monat Zeit. Siegessicher startet sie ihre Mission, obwohl Lauren heterosexuell und verlobt ist. Doch Jac vergisst, dass aus Lügen selten etwas Gutes hervorgeht. Wird sie die Konsequenzen ihres falschen Spiels tragen müssen, wenn Lauren ihr auf die Schliche kommt? Oder wird Lauren das Blatt wenden?
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Seitenzahl: 270
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Von Lois Cloarec Hart ausserdem lieberbar
Wie ein neues Leben
Inhaltsverzeichnis
Von Lois Cloarec Hart ausserdem lieberbar
Widmung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Über Lois Cloarec Hart
Ebenfalls im Ylva Verlag erschienen
Wie ein neues Leben - Ein lesbischer Liebesroman
Eine Diebin zum Verlieben
Popcorn Love - Das Glück ist so nah
L.A. Metro - Diagnose Liebe
Demnächst im Ylva Verlag
Perfect Rhythm - Herzen im Einklang
Widmung
Für Day
deren Witze mich zum Lachen bringen,
deren Lieder mich zu Tränen rühren,
deren Liebe mich schweben lässt.
Kapitel 1
»Mir ist langweilig.«
Oh, oh. Victoria sah zu Jac, deren Blick durch die Bar streifte und gelegentlich innehielt, um eine Gruppe von Gästen zu überblicken oder auf einer allein sitzenden Frau zu verharren.
Viktoria seufzte. Ich hätte heute Nacht zu Hause bleiben sollen. »Du warst diejenige, die mich zu einem Mädelsabend überredet hat.«
»Roger ist verreist. Es gibt keinen Grund für dich, zu Hause rumzusitzen.«
»Aber musste es denn unbedingt The Arc sein?«
»Was ist denn falsch am Arc? Die Musik ist gut, die Getränke sind annehmbar …« Jacs Blick folgte einer Brünetten, die an ihnen vorüberging. »Die Frauen sind schön. Was ist daran verkehrt?«
Der Fakt, dass ich es echt satthabe, deine Strohfrau zu sein. »Ich möchte nur einmal in eine normale Bar gehen. Nur ein einziges Mal. Warum versuchen wir nicht Marcos Bar in der Seventeenth?«
»Marcos Bar? Du bist verheiratet und ich bin lesbisch. Wenn wir dorthin gehen, kriegt heute Nacht keine von uns, was sie will. Hier zumindest …« Sie zwinkerte.
»Ja, ja, ich weiß. Hier kannst du jede x-beliebige Mieze anmachen und deine Langeweile kurieren.« Victoria rollte mit den Augen.
»X-beliebig? Du beleidigst meinen Geschmack.«
Victoria stöhnte auf, ließ ihren Kopf auf die Bar sinken und schlug ihn ein paarmal dagegen. »Gott bewahre, dass ich jemals Jac die Unbesiegbare anzweifele, Jac die Verführerin, Jac die Versucherin, Jac die …«
»Okay, ich hab’s verstanden.« Jac lachte und nahm ihre Hand von Victorias Mund.
»Du bist so ein arrogantes Miststück.«
»Stimmt, aber du liebst mich trotzdem.« Jac nippte an ihrem Getränk, während sie sich erneut im Raum umsah.
»Also, was ist das Problem? Siehst du heute keine, die dein Typ ist?«
»Ach, ich weiß nicht. Vielleicht bin ich einfach nicht in der Stimmung, oder so. Mensch, Vic, schau sie dir doch an!«
Victoria sah über ihre Schulter zu einer Gruppe von Frauen. »Was soll mit ihnen sein?«
Jac seufzte, wandte der Menge den Rücken zu und bedeutete dem Barkeeper, eine weitere Runde auszuschenken. »Nichts, wirklich. Sie sind nur … nichts Besonderes. Verdammt, sie würden wahrscheinlich zu ihrer Mutti rennen, wenn ich eine von ihnen über’s Knie legen würde.«
»Nun, wenn es daran scheitert, warum gehst du dann nicht ins Sous-terre?« Der Privatklub war berüchtigt dafür, eine Publikum mit dunkleren sexuellen Vorlieben zu bedienen. Während Victoria noch nie dort gewesen war, galt Jac als Stammgast.
Mit undurchdringlicher Miene starrte Jac weiterhin auf die hinter der Bar aufgereihten Flaschen.
»Vielleicht später.« Sie warf ein paar Geldscheine auf den Tresen, dann schüttete sie die Hälfte ihres Scotchs in einem Zug hinunter. »Es gibt keine Herausforderungen mehr. Nicht hier, nicht im Sous-terre. Nirgends.«
Victoria blickte mürrisch drein. »Es ist ja nicht so, als ob du nicht absolut jede herumkriegen könntest, die du willst.«
Jac hob eine Augenbraue. »Ist das eine Wette?«
Victoria erstarrte. Kalter Schweiß trat auf ihre Stirn.
Jac grinste und schaute zur Seite, als sie ihr die Antwort schuldig blieb.
Plötzlich wünschte Victoria sich nichts sehnlicher, als einen Wettbewerb mit ihrer Freundin zu gewinnen. Jac war in ihrer Freundschaft immer das Alphatier gewesen. So sehr Victoria sie auch liebte, so sehr wünschte sie sich, den Lorbeerkranz wenigstens einmal für sich beanspruchen zu können. Sie schob jeden weiteren Gedanken beiseite. »Ja, ist es.«
Mit gehobenen Augenbrauen setzte Jac sich kerzengerade hin. »Wie lauten deine Bedingungen?«
»Ich wähle das Ziel. Du hast einen Monat – genau einunddreißig Tage –, um sie ins Bett zu bekommen oder du verlierst.« Als Victoria ihre eigenen Worte hörte, wurde ihr flau. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr.
»Und der Einsatz?«
Victoria zögerte. Eigentlich hatte sie um Geld spielen wollen, änderte aber spontan ihre Forderungen. »Wenn du gewinnst, werde ich Roger überreden, mit uns ins Sous-terre zu gehen.«
Jac grinste. »Ich wusste gar nicht, dass du dich für diesen Klub interessierst, aber okay. Und was, wenn du gewinnst? Nicht, dass du eine Chance hättest.«
Victoria umklammerte ihren Martini und wich Jacs Blick aus. »Wenn ich gewinne, vergisst du deine Regeln und Grenzen und begleitest mich für ein ganzes Wochenende in die Berge.«
Sie hörte, wie Jac den Atem scharf einsog.
Schließlich zwang Victoria sich, sie direkt anzusehen.
Jacs Gesichtsausdruck war ernst. »Das klingt wirklich nicht nach einer guten Idee. Du weißt um die Risiken. An diesem Punkt waren wir schon einmal – und es ist für keine von uns gut ausgegangen.«
Victoria war sich durchaus bewusst, dass ihr Plan die Gefahr bergen könnte, ihre Freundschaft und ihre Ehe zu ruinieren. Jac hatte sich immer unerbittlich geweigert, diese Grenze zu überschreiten. Aber Victoria konnte der Aussicht nicht widerstehen – und mochte sie noch so unerreichbar sein –, mit der einen Frau zusammen zu sein, die ständig ihre erotischen Träume heimsuchte. »Das ist der Deal. Nimm an oder lass es bleiben.« Dr. Eichler würde meinen Kopf fordern, wenn er mich hören könnte, aber das ist mir egal.
Einige lange Momente verstrichen, in denen Victorias Gewissheit wuchs, dass ihr Vorschlag abgelehnt würde.
»Die Wette gilt. Aber nur, weil ich weiß, dass du verlieren wirst.«
Victoria atmete tief aus, ihre Hände zitterten. Sie wusste nicht, ob sie ihren Erfolg feiern oder darüber in Ohnmacht fallen sollte.
Jac richtete einen kühlen Blick auf Victoria. »Also, wer ist das Ziel?«
»Ihr Name ist Lauren Blaine. Sie ist eine meiner jüngeren Kolleginnen in der Agentur.«
»Erzähl mir von ihr.«
»Ein großartiges Mädchen. Eine von den Leuten mit dieser aufrichtigen, natürlichen Herzenswärme, weißt du, was ich meine? Was ihr Aussehen betrifft – sie ist süß. Nicht sehr groß, aber man sieht sofort, dass sie sich fit hält. Lauren hat kurzes, dunkles Haar – ziemlich struppig – und große, unschuldige Augen, die direkt in deine Seele schauen.«
»Und was verschweigst du mir?«
Victoria wusste, dass Jac keinen Rückzieher machen würde, nachdem sie die Wette angenommen hatte. Darum zog sie mit einem Lächeln ihr Ass aus dem Ärmel. »Sie ist hetero und verlobt.«
Jac zuckte mit den Schultern. »Kleinigkeiten. Also, wann und wo werde ich sie treffen?«
»Am Montag ist ihr fünfundzwanzigster Geburtstag. Ich werde sie zum Mittagessen einladen. Warum triffst du uns nicht so gegen eins im Aerie?«
»Abgemacht.«
Victoria hob einen Finger. »Und deine einunddreißig Tage laufen ab dem Moment, an dem du ihr begegnest.«
»Geht klar. Aber ich habe auch eine Bedingung. Du darfst mich nicht vor ihr schlechtmachen oder irgendetwas sagen oder tun, das den Verlauf der Wette beeinflusst. Einverstanden?«
»Einverstanden.«
Jac stieß sich von der Bar ab. »Wir sehen uns Montag.«
Victoria beobachtete, wie ihre Freundin durch den überfüllten Raum streifte. Sie war nicht im Geringsten überrascht, als Jac sich zu den Frauen am Billardtisch gesellte und geschickt eine Blondine vom Rudel trennte.
Jac neigte sich zu ihr und strich mit einem Finger sanft ihren Arm hinab, während sie ihr etwas zuflüsterte. Als die Blonde lachte und eine Hand an Jacs Taille legte, schüttelte Victoria den Kopf. »Jetzt geht das schon wieder los.« Der Abend endete in der typisch überstürzten Art, als Jac und die Fremde kurz darauf das Lokal verließen.
Warum tue ich mir das eigentlich immer an? Ich könnte ihre Einladungen einfach ablehnen. Ich muss nicht mitgehen. Sie seufzte. Wach auf. Du wirst immer springen, wenn sie pfeift, und du weißt es.
Jacs Freundin blieb man nur, wenn man ihren Bedingungen folgte. Sie unternahm nicht den Versuch, einen umzustimmen, wenn man das nicht akzeptierte. Niemand, ob Freundin oder Liebhaberin, durchdrang jemals wirklich ihre gleichgültige Fassade.
Die Frage, ob Jac sich zumindest beim Liebesspiel gehen lassen würde, machte einen nicht unerheblichen Teil von Victorias erotischer Besessenheit aus. Das und die Tatsache, dass du weißt, sie würde dich aufs Kreuz legen und durchnehmen, bis dir Hören und Sehen vergeht.
Genervt von sich selbst verbannte Viktoria den Gedanken und dachte über die Wette nach. Sie hatte Gewissensbisse, Jac auf die verletzliche, junge Frau losgelassen zu haben, mit der sie ein Büro teilte. Doch Lauren war ihrem Verlobten treu ergeben. Alles, wovon sie sprach, waren die Haussuche und ihre gemeinsame Lebensplanung. Sie ist ihm viel zu sehr verbunden, um sich auf Jac einzulassen.
Alle moralischen Bedenken von sich weisend, schob Victoria ihr leeres Glas über den Tresen und schüttelte den Kopf in Richtung des Barkeepers. Für heute hatte sie genug. Sie drehte ein paarmal den Ehering an ihrem Finger, bis ihr Gewissen ihr einen Stich versetzte. Ich habe nichts Falsches getan.
Während sie die Bar verließ, versuchte sie hartnäckig, sich nicht vorzustellen, was Jac und die Blondine gerade trieben.
Sie scheiterte.
* * *
»Ich habe ein Taxi für dich gerufen, es wird gleich da sein. Die Fahrtkosten habe ich schon beglichen.« Jac hielt der Frau Mantel und Handtasche entgegen.
»Ich kann noch bleiben, weißt du. Ich hab’s nicht eilig.«
»Ich werde sehr früh aufstehen müssen wegen einer anderen Verabredung. Es wäre nicht fair, dich um fünf Uhr morgens rauszuscheuchen.«
»Na gut.« Die Frau nahm eine Karte aus ihrer Tasche und kritzelte etwas auf die Rückseite. »Hier ist meine Nummer. Ich hatte Spaß heute Nacht, und ich würde das gern wiederholen.«
»Ja, ich fand es auch schön. Ist es okay für dich, alleine nach unten zu gehen, oder soll ich dich begleiten?« Bitte sag Nein.
Die Frau beugte sich vor und ließ ihre Hand in den Ausschnitt von Jacs Bademantel schlüpfen, um ihre Brüste zu streicheln. »Wenn du mich begleitest, schaffen wir es vermutlich nicht vor die Tür.«
Jac unterdrückte den Impuls, zurückzuweichen. Sanft, aber bestimmt nahm sie die Hand ihres One-Night-Stands aus ihrem Ausschnitt und hielt sie fest. »So verlockend das auch klingt, ich brauche heute Nacht wirklich meinen Schlaf.«
»Dein Pech.«
»Allerdings. Pass auf dich auf, und danke für diesen Abend.«
»War mir ein Vergnügen.« Die Frau winkte und verließ die Wohnung.
Jac schloss die Tür, lehnte sich dagegen und schloss ihre Augen. »Warum hab ich noch einmal gedacht, das wäre eine gute Idee?« Sie schaltete das Licht aus und ging zur Fensterfront. Von dort sah sie ihre Eroberung der letzten Nacht in ein Taxi steigen. Als der Wagen davonfuhr, hob Jac den Blick zur Stadtsilhouette, die hell erleuchtet auf der anderen Seite des Flusses lag. Gibt es da draußen auch nur einen wirklich glücklichen Menschen?
Sie schaute zur Uhr. 00:07. Ich frage mich, ob Marc noch wach ist. Bei ihm ist es noch nicht einmal Mitternacht. Jac griff sich das Telefon und drückte die Kurzwahltaste für ihren Bruder, doch der Anruf wurde direkt zur Mailbox umgeleitet. Sie legte auf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen.
Eine Weile lang starrte sie auf den Hörer und versuchte herauszufinden, wer ihr sonst dabei helfen könnte, die tiefe Melancholie zu vertreiben.
Niemand.
Sah man von Marc und Victoria ab, war da nicht eine einzige Seele, die sie um diese Uhrzeit anrufen könnte. Gott, wie erbärmlich.
Mit einem müden Kopfschütteln legte sie das Telefon hin und stieg die Stufen zu ihrem Schlafzimmer hinauf.
Kapitel 2
Lauren sah zu Phillip, der konzentriert auf seinen Bildschirm starrte. Er hatte nicht von seinem Smartphone aufgesehen, seit sie die Stadt verlassen hatten. »Alle freuen sich darauf, dich kennenzulernen. Mom kocht ein großes Sonntagsessen und sie hat mich gefragt, was deine Lieblingsspeisen sind.«
Phil grunzte, ohne aufzusehen.
»Courtney, Adam und Anjali können nicht aus Edmonton anreisen. Aber ich denke, alle anderen werden da sein.«
»Ich versuche gerade, mir ein Spiel anzusehen, Schatz.«
Lauren seufzte. Er sagte nicht einmal Hallo, wenn sie über Skype mit ihrer Mutter sprach. Es hatte Monate gedauert, ihn dazu zu überreden, sie zu begleiten und ihre Familie kennenzulernen. »Bitte reiß dich zusammen, Liebling. Sie werden immerhin deine Schwiegereltern sein – die Großeltern unserer Kinder.«
Er seufzte und ließ das Telefon sinken. »Das mache ich doch, oder nicht? Ich verzichte heute Mittag auf drei Spiele.« Das Brüllen einer Menschenmenge drang aus seinem Handy. »Ja! Touchdown!«
Na sicher, du verzichtest auf die Spiele. Lauren schüttelte den Kopf und konzentrierte sich auf die Straße. Die enge, gerade Fahrbahn verlief zwischen Feldern, die im Licht der frühen Septembersonne golden leuchteten. Ihr Herz schlug schneller, als sie den unverwechselbaren, scheunenförmigen Briefkasten der Andersons erblickte. In fünf Minuten wären sie am Ziel. Sie war seit Mitte August nicht mehr hier gewesen und konnte es kaum erwarten, ihre Familie wiederzusehen.
Als Lauren in die weitläufige Einfahrt einbog, sah sie ihre Mutter und ihren Bruder im Vorgarten stehen. Die beiden beobachteten zwei kleine Jungen, die das Fallobst unter den Apfelbäumen aufsammelten. »Oh, schön, Brian und Andrea sind hier. Du wirst meine Neffen lieben. Sie sind hinreißend.« Sie winkte ihrer Mutter zu und bremste, als ihre Neffen auf sie zurannten.
»Wer ist der Typ im Rollstuhl?«, fragte Phil.
»Das ist mein Bruder, Zac. Er hat zerebrale Kinderlähmung.«
»Er ist schwarz.«
»Und weiter? Ich habe dir doch erzählt, dass sechs meiner Geschwister adoptiert sind.«
Phil warf ihr einen finsteren Blick zu. »Ja, aber du hast nie erwähnt, dass einer von ihnen schwarz ist.«
»Eine meiner Schwestern kommt aus Ostindien und eine andere hat das Down Syndrom, na und? Sie sind meine Familie. Das ist alles, was zählt.« Lauren parkte ihren Wagen neben zwei Pickups, schaltete den Motor ab und sprang aus dem Auto. Sie zog Jacob und Nick in eine Umarmung und lachte, als die beiden sie über und über mit feuchten Küssen bedeckten.
»Hast du uns etwas mitgebracht, Tante Laurie?«, fragte Jacob.
»Gib her, gib her, gib her«, stimmte Nick mit ein.
Lauren schaffte es, eine Hand in ihre Jackentasche zu schieben, und zauberte dann zwei Lollis hervor. »Meint ihr so etwas?« Sie grinste über ihr verzücktes Quietschen.
»Los ihr beiden, lasst eure Tante erst einmal ankommen.« Laurens Mutter nahm den dreijährigen Nick aus ihren Armen. »Geh und sag deinem Vater, dass seine kleine Schwester da ist.«
Der fünfjährige Jacob wand sich, um Laurens Umarmung zu entkommen. »Ich will auch, ich will auch! Ich will es Daddy auch erzählen.«
Sie lachte und setze ihn ab, damit er seinem Bruder nachjagen konnte.
Ihre Mutter tupfte Laurens Gesicht mit der Schürze ab. »Entschuldige bitte. Sie hatten solchen Spaß daran, die Äpfel für den Kuchen zu sammeln, dass ich nicht Nein sagen konnte, als sie einen essen wollten.«
Sie schlang die Arme um Lauren und drückte sie. »Es ist so schön, dich zu sehen. Fröhlichen Fast-Geburtstag, Laurie.«
»Danke, Mom.« Lauren wandte sich zu Phil und winkte ihn zu sich. »Mom, das ist Phillip. Phil, das ist meine Mutter Cynthia.«
Phil schüttelte ihre Hand. »Freut mich, Sie kennenzulernen.«
»Ganz meinerseits«, sagte Cynthia. »Wir haben uns so sehr auf diesen Tag gefreut.« Sie tätschelte Laurens Arm. »Warum gehen wir nicht rein? Nach der langen Fahrt seid ihr sicher durstig.«
Lauren lachte. »Es waren nur ein paar Stunden, Mom, keine Weltreise.«
Ihre Mutter gluckste und hakte sich bei Lauren unter. Sie gingen den Pfad hinauf und Phil trottete hinterher.
»Muss Dad heute arbeiten?«
»Er musste. Aber er wird auch bald hier sein. Er und Jason holen die letzte Ernte ein. Der Regen von letzter Woche hat sie aufgehalten, aber dein Vater denkt trotzdem, dass es dieses Jahr eine Rekordernte geben wird.«
»Das ist großartig.« Lauren hielt inne, um sich neben Zac hinzuhocken. Sie umarmte ihn sachte. »Hallo, Schatz. Wie geht es meinem liebsten kleinen Bruder?« Sie kämpfte um ihr Gleichgewicht, als er seine Arme ruckartig um sie warf und den Kopf auf ihre Schulter legte. »Mom sagt, deine neue Therapeutin würde Wunder wirken.«
»Sie ist wirklich unbeschreiblich. Nicht wahr, mein Junge?« Cynthia lächelte ihm zu.
Zacs Augen leuchteten auf, als er nickte.
Lauren erhob sich und drehte sich zu Phil. »Phil, das ist mein Bruder Zac.« In dem Moment wurde die Tür geöffnet. Lauren grinste. »Und das sind mein großer Bruder Brian und seine wundervolle Frau Andrea.«
Andrea lachte und schob Nick auf die andere Seite ihrer Hüfte. »Du bist eine echte Charmeurin. Es ist mir ein Rätsel, wie du so lange Single bleiben konntest.« Sie umarmte Lauren und streckte Phil eine Hand entgegen. »Wir haben schon viel von dir gehört. Es freut mich, dich auch mal persönlich zu treffen.«
»Danke.« Phil tauschte einen Händedruck mit Andrea und dann mit Brian, als plötzlich ein Höllenlärm von seinem Handy aufstieg und er verstohlen einen Blick darauf warf.
Lauren verdrehte die Augen. »Kümmert euch nicht darum. Sein Team spielt. Die Welt könnte währenddessen untergehen und er würde nichts davon merken.«
»Drinnen läuft das Spiel im Fernsehen«, sagte Brian. »Du kannst dich gerne zu mir gesellen.«
»Klasse!« Phil war Brian gerade ein paar Schritte gefolgt – Jacob im Schlepptau –, als Sara aus der Tür trat und Phil augenblicklich um den Hals fiel. Sie kicherte und begann, ihn wild zu knuddeln.
Er wich zurück und versuchte, sich zu befreien.
Lauren zuckte zusammen. Sie hatte Phil vor Saras Distanzlosigkeit gegenüber vollkommen Fremden gewarnt. Er hat es wohl vergessen.
»Sara, komm her und begrüße deine Schwester.« Cynthia hielt ihr die Hand hin.
Sara ließ ihn los, woraufhin Phil sich ins Haus flüchtete.
Lauren und Sara umarmten sich.
»Siehst du meine neuen Schuhe, Laurie?«
»Tue ich. Sie sind wunderschön.« Lauren bestaunte Saras Schuhe, während diese ihre Füße hob. »Hat Mom dir geholfen, sie auszuwählen?«
»Mh, mh. Ich habe sie ganz alleine gefunden. Willst du meinen neuen Mantel sehen? Den hat Mom für mich ausgesucht.«
Lauren legte einen Arm um Saras Schultern. »Ich möchte ihn mir sehr gerne anschauen.«
Nachdem Lauren die Neuzugänge in Saras Kleiderschrank bewundert und Zeit mit Zac verbracht hatte, ging sie zu Phil, der mit Brian im Wohnzimmer saß. »Wollen wir mal eine Runde übers Gelände spazieren? Bis zum Essen wird es noch ein paar Stunden dauern – genug Zeit also, dir all meine Lieblingsplätze zu zeigen.«
Ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden, schüttelte Phil den Kopf. »Vielleicht später, Süße. Das letzte Viertel hat gerade erst angefangen und die Seahawks haben nur drei Punkte Vorsprung.«
Lauren betrachtete ihn einen Moment lang, dann drehte sie sich um. »Dann werde ich wohl Mom helfen.«
* * *
Lauren beugte sich vor, um Phil zuzuflüstern: »Bitte schalte es ab. Mom duldet keine Telefone am Esstisch.«
Er verzog mürrisch das Gesicht, schaltete das Handy aber stumm und steckte es in die Tasche.
»Nun, Phil. Laurie hat uns erzählt, dass du in der Firma deines Vaters arbeitest.« Steven nickte in Jasons Richtung. »Ich wüsste nicht, wie ich hier alles ohne meinen Sohn am Laufen halten sollte. Dein Vater muss froh sein, dass du in den Familienbetrieb eingestiegen bist.«
»Ja, davon gehe ich aus.« Phil häufte mehr Hühnchenfleisch auf seinen Teller.
»In Calgary, Lethbridge und neuerdings sogar in Edmonton gibt es Filialen von Emersons Luxury Auto, Dad«, sagte Lauren. »Phil war zuerst im Verkauf, ist aber vor ein paar Monaten ins Management befördert worden, direkt nach unserer Verlobung. Frank – das ist Phils Vater – sagt, dass er bald in Frührente gehen kann, wenn Phil weiterhin so schnell lernt.« Okay, das ist ein bisschen übertrieben. Aber was kann es schaden?
»Wenn Phil mit Luxuswagen handelt, warum fährst du dann immer noch diese alte Karre?« Jason zwinkerte ihr zu.
Phil schnaubte. »Das versuche ich ihr schon die ganze Zeit beizubringen. Es schadet unserem Image, wenn sie mit dieser Schrottkiste durch die Stadt gurkt.«
»Es ist keine Schrottkiste«, sagte Lauren. »Der Wagen leistet mir gute Dienste, seit ich von der Highschool abgegangen bin. Er verdient es nicht, für eine Nobelblechbüchse weggeworfen zu werden.«
Phil rollte mit den Augen. »Nobelblechbüchse? Ich verlange ja nicht von dir, dass du einen Porsche fährst, um Gottes Willen! Aber du könntest dich wenigstens auf einen Lincoln oder einen Audi einlassen.«
»Den du mir ohne zu zögern unterm Hintern wegverkaufen würdest, sobald du einen Interessenten gefunden hättest. Nein danke. Mein Käfer mag ja ein paar Kilometer auf dem Tacho haben, aber er gehört mir und er ist abbezahlt.«
»Ich mag dein gelbes Auto«, sagte Sara.
Lauren lächelte. »Danke, Liebes. Ich mag ihn auch.« Sie sah zu ihrer Mutter.
Cynthia erwiderte ihren Blick einen Moment lang, dann drehte sie sich zu Zac, um ihm behilflich zu sein.
Verdammt. Keiner frotzelt. Das ist nicht gut.
Wenn eines ihrer Geschwister jemanden heimbrachte, um ihn der Familie vorzustellen, war der Gast stets endlosen Neckereien ausgesetzt. Aber heute waren alle den ganzen Nachmittag über äußerst höflich zu Phil gewesen, nicht einmal Jason hatte einen dummen Witz gerissen.
Nach dem Essen half Lauren ihrer Mutter, die Küche aufzuräumen.
Phillip steckte den Kopf durch die Tür. »Können wir los, Babe? Ich werde die zweite Spielhälfte verpassen, wenn wir jetzt nicht fahren.«
Lauren hängte ihr Geschirrtuch auf. »Geht klar. Ich bin gleich fertig. Danke für das Essen, Mom. Es war fantastisch, wie immer.«
»Gern geschehen. Für dich doch immer, das weißt du. Willst du ein bisschen Kuchen mit nach Hause nehmen?«
»Nein, danke. Behalte ihn ruhig hier. Ich weiß, wie sehr Jason und Sara deinen Kuchen mögen.«
»Ich habe drei Bleche gebacken, mehr als genug für alle, obwohl ich wünschte, du hättest mich eine Geburtstagstorte für dich machen lassen. Es fühlt sich nicht richtig an, keine zu haben, wo doch morgen dein großer Tag ist.«
»Ich weiß das zu schätzen, Mom. Das tue ich wirklich. Aber es war stressig genug, Phil der Familie vorzustellen. Ich wollte euch nicht noch mehr aufbürden.«
»Unsinn! Als ob es jemals etwas anderes als eine Freude gewesen wäre, deinen Geburtstag zu feiern.«
Lauren umarmte ihre Mutter. »Bitte mache dir darum keine Gedanken. Du hast Limettentarte gebacken, und das ist immer etwas Besonderes.«
»In Ordnung. Aber ich habe ein paar Geschenke für dich, die du mitnehmen wirst. Und denke ja nicht daran, sie abzulehnen.«
Lauren schmunzelte. »Das würde mir im Traum nicht einfallen.«
»Bist du sicher, dass Phil keinen Kuchen für später möchte?«
Lauren zögerte. Phil hatte schließlich zum Kaffee zwei Stücke gegessen. »Aber nur, wenn du welchen entbehren kannst.«
»Kann ich.« Cynthia schnitt eine großzügige Portion ab und packte sie ein.
»Mom?«
»Ja?« Cynthia begegnete Laurens traurigem Blick.
»Du warst furchtbar still. Ist alles in Ordnung?«
»Natürlich. Ich bin nur etwas in Gedanken, das ist alles. Ich habe diese Woche eine Menge zu tun.«
»Ich weiß, aber …« Lauren war nicht sicher, ob sie ihre Frage wirklich stellen wollte.
Cynthia griff nach ihr und zog sie in eine lange Umarmung. Schließlich gab sie ihre Tochter mit einem Seufzen frei. »Ich bin sicher, dass er uns noch ans Herz wächst, Schatz. Alles was zählt, ist, dass du ihn liebst.« Sie presste die Lippen fest aufeinander und reichte Lauren den Kuchen. »Und schau, dass du dich bald meldest, okay? Zac und Sara lieben es, mit dir zu skypen, genau wie ich. Dabei vergesse ich glatt, dass du so weit weg in der Großstadt lebst.«
»Du musst ja die Hälfte deiner Zeit auf Skype verbringen, mit mir, Coutney, Anjali und Adam.«
Cynthia lachte. »Nicht wirklich. Dein Bruder meldet sich außerdem nicht so häufig wie du und deine Schwestern. Aber ja, es belebt die Abende, wenn ihr alle anruft.«
Sie begleitete Lauren zur Haustür, wo die ganze Familie wartete, um sie zu verabschieden.
Lauren warf einen Blick zum Wagen. Phil saß schon auf dem Beifahrersitz, den Kopf gesenkt.
»Besuche uns bald wieder«, sagte Andrea. »Die Jungs vermissen ihre Tante.«
»Du meinst wohl, sie vermissen die Lollis.« Lauren hockte sich hin und umarmte ihre Neffen ein letztes Mal.
»Ihr zwei benehmt euch, dann überlege ich mir, was ich beim nächsten Besuch mitbringen kann, okay?«
Cynthia zog eine braune Einkaufstüte aus dem Garderobenschrank und reichte sie Lauren. Darin lagen einige bunt umwickelte Päckchen.
»Lieben Dank, Mom.«
»Wir sehen uns morgen Abend auf Skype, ja? Ich kann deinen Ehrentag nicht vorbeigehen lassen, ohne für dich zu singen.«
Lauren nickte. »Ich freue mich darauf.« Alle Familienmitglieder folgten ihr die Auffahrt hinab zum Auto.
»Du fehlst uns«, sagte ihr Vater. »Bleib nicht zu lange weg.«
Jason winkte. »Bis bald.«
Die Rückfahrt verlief still.
Phil war völlig in sein Spiel vertieft.
Lauren war in Gedanken versunken.
Kapitel 3
Lauren blickte vom Computerbildschirm auf, als Victoria neben ihrem Schreibtisch stehen blieb.
»Steht unsere Verabredung zum Mittagessen noch, Geburtstagskind?«
»Ja, sicher. Aber du musst mich wirklich nicht einladen.«
Victoria wedelte mit der Hand. »Rede keinen Unsinn! Natürlich lade ich dich ein. Es ist dein Ehrentag. Aber ich wollte dich noch etwas anderes fragen. Stört es dich, wenn eine Freundin von mir mitkommt?«
»Natürlich nicht. Deine Freunde sind meine Freunde und so weiter.«
»Ich muss dich vorwarnen, Jac kann manchmal ein bisschen forsch sein. Ich denke, es liegt daran, dass sie sich ihre Karriere erkämpfen musste. Das hat sie wohl etwas abgehärtet. Aber wir kennen uns schon ewig, sie hat ein gutes Herz.«
»Mach dir keine Sorgen. Ich freue mich darauf, sie kennenzulernen.«
Victoria setzte sich auf die Schreibtischkante. »Und, hat Phil dir schon dein Geburtstagsgeschenk gegeben?«
»Ähm, nein. Heute früh hat er kein Wort darüber verloren. Er war auch zu spät dran und in solcher Eile, dass er fast sein Handy vergessen hätte.«
»Oh je, nicht sein Handy! Ich bin sicher, er hat einen romantischen Abend geplant.«
»Vielleicht. Vermutlich.« Hoffentlich.
»Wie ist denn sein Treffen mit deiner Familie am letzten Wochenende gelaufen? Denken sie, er ist das Größte seit der Erfindung der Bratkartoffel?«
»Es lief ganz gut, denke ich. Du weißt ja, wie das so ist– die erste Begegnung mit den Schwiegereltern in spe. Alle brauchen ein wenig Zeit, um sich kennenzulernen. Es war ein bisschen steif.«
»Ich weiß genau, was du meinst. Als ich Rogers Mutter zum ersten Mal getroffen habe, war ich so bemüht, einen guten Eindruck zu hinterlassen, dass sie wohl dachte, er wäre mit einer Langweilerin verlobt.«
Lauren lachte. »Ich kann mir dich nicht als Langweilerin vorstellen.«
»Nach meinem Junggesellinnenabschied konnte Rogers Mutter das auch nicht mehr.« Victoria zwinkerte ihr zu und stand auf. »Na gut, ich mache mich besser wieder an die Arbeit. Ich habe Jac gesagt, dass wir sie gegen eins im Aerie treffen. Passt das für dich? Irene und Janet haben versprochen, inzwischen hier für uns einzuspringen.«
»Klar, klingt super.«
* * *
Jacs Blick glitt von dem Dokument auf ihrem Bildschirm zur Uhr. Sie hatte noch fünfundvierzig Minuten bis zu ihrer Verabredung mit Victoria, und sie musste noch das Ausgangsmaterial für ihr nächstes Projekt zusammenstellen.
Jac genoss die Vorfreude. Victoria hatte sie mit ihrer Wette ziemlich überrumpelt, aber die Herausforderung war ihr willkommen. Weder ihre Arbeit, noch ihr Privatleben lieferten noch viel Nervenkitzel.
Ihre ersten Jahre in der Bank hatten wenigstens noch den Anreiz einer steilen Karriere geboten. Es hatte ihr tiefe Befriedigung verschafft, in Rekordzeit vom Unifrischling zur leitenden Vertriebsmanagerin im Firmenkreditgeschäft aufzusteigen.
Die Männer, die sie damals ausgebildet hatten, waren ihr nun untergeordnet, was einigen Unmut in den niederen Rängen verursachte. Meistens überhörte sie das unzufriedene Grollen und die gedämpften Klagen über Frauenquoten.
Mit vierunddreißig hatte sie ihren Karriereweg geschmiedet, ganz, wie ein General einen Feldzug planen würde: in Kenntnis ihrer Gegner, ihrer Verbündeten und des Kriegsschauplatzes, mit genauem Durchblick und ausdauernder, harter Arbeit. Natürlich war es hilfreich gewesen, kein Privatleben und keine familiären Verpflichtungen zu haben.
Jac seufzte. In den letzten Monaten hatten ihr sechsstelliges Einkommen, das Loft in Innenstadtlage mit Flussblick und alle Annehmlichkeiten, die ihre Position mit sich brachten, sie nicht mehr für die Einsamkeit entschädigt. Die Wette lenkte sie wenigstens von ihrem Alltagstrott ab.
Jac zwang ihre Gedanken von dieser selbstmitleidigen Bahn. »Okay, es reicht jetzt mit diesem Unsinn.« Sie hatte einen hervorragenden Job, großartige Perspektiven und eine interessante Herausforderung, der sie sich den nächsten Monat über widmen konnte. Und sobald sie Victorias Bekannte ins Bett bekommen hatte, würde sie sich wieder darauf konzentrieren, die nächste Stufe der Karriereleiter zu nehmen. »Jacqueline Lanier – Vorstandsvorsitzende. Gefällt mir.«
* * *
Jac blieb in einer Nische des Restaurants stehen. An einem Ecktisch saßen Victoria und eine weitere Frau. Jac nahm sich einen Moment Zeit, um ihre Beute in Augenschein zu nehmen. Vic hatte nicht gelogen. Die Frau war süß, ganz das unschuldige Mädchen von nebenan.
Lauren war von schmaler, kleiner Statur und hatte ein niedliches, offenes Gesicht mit einer ordentlichen Portion Sommersprossen. Sonnenstrahlen tanzten über ihr kastanienfarbenes Haar und ließen rote Strähnen aufleuchten.
Jac sprach kurz mit dem Oberkellner, reichte dem Angestellten ihren Mantel und durchquerte den Raum. Sie hielt einen schmalen, papierumwickelten Gegenstand in den Händen. Hat Vic erwähnt, welche Farbe ihre Augen haben? Ich erinnere mich nicht. Jac war stolz auf ihr hervorragendes Gedächtnis, das auch kleinste Nebensächlichkeiten behielt. Diese Wette würde ihr das Äußerste an Klugheit, Charme und strategischen Fähigkeiten abverlangen.
Genau in diesem Moment sah Lauren auf und fing Jacs Blick auf. Ihre großen braunen Augen funkelten neugierig.
»Hallo Victoria.« Jac streckte die Hand aus. »Und Sie müssen Lauren sein. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich mich Ihnen anschließe. Es ist nur schon so lange her, dass ich Victoria gesehen habe. Also habe ich mich unverschämterweise selbst eingeladen, als ich hörte, Sie würden heute gemeinsam Essen gehen.«
Es lag echte Wärme in Laurens Blick, als sie Jacs Hand schüttelte. »Überhaupt nicht. Sie sind herzlich willkommen. Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Victoria spricht oft von Ihnen.«
Jac stellte ihr Mitbringsel vor Lauren ab. »Das ist eine kleine Entschuldigung dafür, dass ich in Ihre Geburtstagsfeier hereinplatze. Nur eine Kleinigkeit.« Sie nahm Lauren gegenüber Platz und amüsierte sich über deren unbefangene Freude an der Überraschung.
Lauren zog vorsichtig das Papier ab und enthüllte zwei wunderschöne Rosen – eine weiß, die andere rot – in einer schlanken Kristallvase.
»Oh, meine Güte. Die sind bezaubernd. Findest du nicht auch, Victoria?«
»Absolut. Jac hatte schon immer einen ausgezeichneten Geschmack.«
Jac ignorierte Vics säuerlichen Blick. »Also, der wievielte Geburtstag ist es?«
»Der Fünfundzwanzigste.«
»Ein ganzes Vierteljahrhundert? Das ist ein Grund zum Feiern. Ich hoffe, Ihr fünfundzwanzigstes Lebensjahr wird voller Glück, Liebe und Freude sein.«
Lauren sah scheu auf. »Es hat auf jeden Fall gut angefangen. Danke vielmals.« Sie fuhr mit einem Finger über die rote Rose und spürte der Zartheit der Blütenblätter nach.
Getroffen von der unbeabsichtigten Erotik der Geste, nahm Jac hastig einen Schluck von Victorias Wasser.
»Wir wissen schon, was wir essen möchten«, sagte Victoria. »Du solltest dir auch etwas aussuchen.«
»Klar. Ich weiß, wir müssen alle wieder zurück ins Büro.«
Sobald ihre Bestellung aufgenommen, die Menükarten eingesammelt und die Kaffeetassen nachgefüllt worden waren, setzten sie ihre Unterhaltung fort. Wohlwissend, dass die Aufmerksamkeit ihrer beiden Begleiterinnen auf ihr ruhte, bewahrte Jac ihre freundliche Miene. Sie lächelte oft und plauderte entspannt. Small Talk lag nicht in ihrer Natur, trotzdem hatte sie sich in dieser Kunst geübt, was ihr in der Geschäftswelt gute Dienste leistete. Jetzt nutzte sie diese Strategie, um ihre Zielperson aus der Reserve zu locken. »Arbeiten Sie schon lange mit Vic zusammen, Lauren?«
»Ich bin seit über einem Jahr in der Agentur. Victoria hat mich unter ihre Fittiche genommen und mich großartig eingearbeitet.« Lauren lächelte Victoria zu.
»Gefällt Ihnen Ihr Job?« Jac mochte den Klang von Laurens Stimme, erinnte sich aber daran, dass es hier um eine Wette und nicht ums Vergnügen ging. Obwohl – wenn das, was unter diesem Kleid steckt, genauso gut aussieht, wie ich es vermute, dann werde ich garantiert meinen Spaß haben.
»Ich liebe es. Es ist großartig, Leuten zu helfen, ihren Traumurlaub zu planen und sie an Orte zu bringen, an denen sie noch nie gewesen sind. Und dann sind da all die Geschäftsreisen, die ich unternehme. Ich bin erst im letzten Monat von den Cookinseln zurückgekommen. Reisen Sie gerne?«
»Und ob. Allerdings macht das nicht immer so viel Spaß. Letztes Jahr hat mich eine gewisse beste Freundin, die ungenannt bleiben soll, auf diese gottverlassene Insel in Indien geschickt. Ich bin sicher, dass es dort noch immer Kannibalen gibt.«
Jac grinste Victoria an.
»Hey, du hast doch gesagt, du willst die ausgetretenen Pfade verlassen.«
»Ja, schon klar. Weg von den ausgetretenen Pfaden, Vic, aber nicht auf einen ganz anderen Planeten.«
Lauren brach in Gelächter aus.
Sie unterhielten sich ungezwungen, bis ihr Essen serviert wurde. Die Zeit verging wie im Flug.
Jac plante gerade ihren nächsten strategischen Zug, als Lauren ihre Hand auf Victorias Arm legte.
»Kannst du am Freitag wirklich nicht mitkommen? Ich möchte die Eintrittskarten ungern verfallen lassen, aber allein will ich auch nicht gehen.«
Victoria schüttelte den Kopf. »Roger und ich haben eine Einladung von seinem Vorgesetzten, davor können wir uns nicht drücken.«
