Wettstreit mit dem Millionär - Alexx Andria - E-Book

Wettstreit mit dem Millionär E-Book

Alexx Andria

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Beschreibung

Das Castello di Baroni an diesen reichen Schnösel verkaufen? Niemals! Alessandra Baroni kann das Weingut ihrer Familie nicht abgeben. Schon gar nicht an jemanden wie Dante Donato, Sohn eines mächtigen Tycoons. Eigentlich hat Alessandra Erfahrung im Umgang mit aufgeblasenen Typen wie ihm - wenn Dante nur nicht so verhängnisvoll gut aussehen würde! Und er scheint einer heißen Affäre mit ihr nicht abgeneigt … Alessandra kann sich nicht entscheiden: Will sie ihn abwimmeln - oder sich auf ein gefährliches Verführungsspiel einlassen?

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Seitenzahl: 265

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© 2019 by Kimberly Sheetz Originaltitel: „Decadent“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DARE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V. / SARL Übersetzung: Nele Mastrachhio

Coverabbildung: Harlequin Books S.A., DUEL / Getty Images E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN E-Book 9783745752731

1. KAPITEL

Dante

„Da sind Sie den langen Weg leider völlig umsonst gefahren. Wie ich Ihrem Vater schon gesagt habe, steht das Castello di Baroni nicht zum Verkauf. Weder jetzt noch in der Zukunft.“ Alessandra Baroni, die einzige noch lebende Erbin des jahrhundertealten Weinguts, wirkte alles andere als begeistert, mich zu sehen. Aus Höflichkeit hatte sie einem Treffen zugesagt, aber nun saß sie mir steif gegenüber.

„Meiner Erfahrung nach hat alles und jeder seinen Preis“, erwiderte ich unbeeindruckt. Ich würde nicht nachgeben, sondern Italien erst verlassen, wenn ich den Grundbucheintrag für dieses alte Weingut in der Tasche hatte.

Kritisch sah mich die Frau mit ihren schönen grünen Augen an. „Sie verschwenden Ihre Zeit, wenn Sie glauben, ich würde meine Meinung ändern, nur weil Sie mir persönlich gegenüberstehen. Ich habe viel zu tun, Mr. Donato, und kann es mir nicht erlauben, den lieben langen Tag Small Talk mit Ihnen zu machen.“

Ich schwieg einen Moment, dann sagte ich: „Bei einem Weingut, das schon so lange in Familienbesitz ist und auf eine solch lange Tradition zurückgreifen kann, überrascht es mich, dass … eine Frau die Geschäfte leitet.“

In ihrem Blick flackerte etwas auf. Ich konnte sehen, dass sie sich beherrschen musste. Aber sie riss sich zusammen und lächelte mich stattdessen an. Dieses Lächeln wirkte viel gefährlicher. „Vorsicht, Vorsicht, Mr. Donato … Sagen Sie so etwas nicht, sonst könnte man denken, Sie wären frauenfeindlich.“

Ich hatte schon Schlimmeres in meinem Leben gehört.

Ihr Englisch war perfekt, aber der italienische Akzent verlieh ihrer scharfen Zurückweisung einen exotischen Unterton.

Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Das gesamte Kellerei-Gewerbe, besonders das italienische, hatte sich dem modernen Denken lange widersetzt und war immer noch fest im Patriarchat verankert. Ein Großteil der Weingüter, die sich das Anrecht auf den Titel Chianti Classico erarbeitet hatten, wurden weiterhin von Männern geleitet. Der schwarze Hahn auf dem Label des Chianti Classico war das Wahrzeichen dieser exklusiven Gesellschaft mit strengen Regeln.

Offensichtlich hatte Alessandra es als erste Frau geschafft, in diesem Altherrenclub Fuß zu fassen. Das war eine beachtliche Leistung. Unter anderen Umständen hätte ich ihr gern zugesehen, wie sie sich gegen diese alten Männer und ihre veralteten Meinungen behauptete und um Fortschritt kämpfte.

Aber ich war nicht hier, um Spaß zu haben, sondern um meinen Job zu machen und zu gewinnen.

„Mein Vater ist stur und hat ein Auge auf das Castello di Baroni geworfen. Was ich gut verstehen kann, jetzt, da ich hier bin. Das Grundstück und die Weinhänge sind erlesen.“ Wie auch Alessandra. „Sie können stolz darauf sein.“

„Und Sie brauchen es nicht mit Schmeicheleien bei mir zu versuchen. Das Castello di Baroni steht nicht zum Verkauf.“

Diese Frau war hartnäckig. Das gefiel mir und weckte meine Neugier. Zu viel Zeit war vergangen, seitdem ich einen würdigen Gegner gehabt hatte. Und Langeweile lässt einen bekanntlich abstumpfen. Bei Alessandra musste ich all meine Tricks und Kniffe beisammenhaben.

Obwohl sie so gut aussah – grüne Augen, dunkle Haare, damit hatte man immer meine Aufmerksamkeit –, setzte sie weder ihr Aussehen noch ihren Charme ein. Selbstbewusst und ruhig hielt sie die Stellung. Wenn überhaupt, wirkte sie eher genervt.

Sie war definitiv eine würdige Gegnerin, auch wenn sie sich dessen noch nicht bewusst war, dass wir Donatos uns niemals mit weniger als einem Sieg zufriedengaben.

„Ich bin mir sicher, Sie wissen, dass meine Familie dieses Schloss gebaut hat, das Sie jetzt Ihr Zuhause nennen“, sagte ich. Ich wollte ihr zeigen, dass ich mich über die Geschichte des Guts informiert hatte, bevor ich zu ihr gekommen war. Und ich hatte schon lange gewusst, dass meine Familie ihre Wurzeln bis in die reiche Erde Italiens zurückverfolgen konnte und dass wir vor unbestimmter Zeit, bevor andere Wirtschaftszweige erforscht wurden, erstklassige Winzer gewesen waren. Seitdem mein Vater sich zur Ruhe gesetzt hatte, hatte er sich immer mehr für seine Herkunft interessiert.

Daher auch das Interesse am Weingut.

Und am Castello di Baroni, das mein Vater wieder in Familienbesitz sehen wollte, weil in den Mauern dieses Schlosses unser Vermächtnis seinen Beginn genommen hatte.

Wenn unsere Vorfahren es im 17. Jahrhundert nur nicht verkauft hätten.

„Ja, dessen bin ich mir bewusst“, erwiderte Alessandra ruhig. „Vor Jahrhunderten. Hinter diesen alten Mauern ist viel passiert, seit Ihre Familie das Schloss veräußert hat.“

„Ich bin mir sicher, Sie verstehen, dass meine Familie der Meinung ist, das Schloss gehöre rechtmäßig uns Donatos.“

„Kann ich nicht verstehen, nein.“

Ich warf ihr ein Lächeln zu. „Auch wenn ich mir sicher bin, dass das Grundstück nicht so viel wert ist, würden wir unser bisheriges Angebot noch einmal verdoppeln.“

Ich schrieb eine exorbitant hohe Summe auf ein Blatt Papier vor mir und schob es zu ihr hinüber, wobei ich dabei ein wenig lachen musste. „Mein Vater hätte wirklich sehr gern sein Grundstück zurück.“

Ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen, schob Alessandra den Zettel zu mir zurück. „Und wie ich schon mehrmals gesagt habe, steht es nicht zum Verkauf. Egal, was Sie noch für Zahlen auf das Zettelchen schreiben“, sagte sie und verzog dabei leicht das Gesicht. „Sie Amerikaner denken, alles hätte seinen Preis. Aber Sie haben vergessen, dass manche Dinge nicht mit Geld aufzuwiegen sind. Sie sind schlicht und ergreifend unbezahlbar.“

Dem konnte ich nicht zustimmen. „Nichts ist unbezahlbar. Alles hat seinen Preis. Die Frage ist nur: Wie weit geht man, um den Preis herauszufinden?“

Das Grün ihrer Augen schien dunkler zu werden, als sie mir einen kritischen Blick zuwarf. „Sie sind sehr arrogant.“

„Selbstbewusst, so würde ich es nennen“, erwiderte ich mit einem kleinen Lächeln.

Sie zuckte mit den Schultern. „Ansichtssache. Sie glauben, Sie strahlen Selbstbewusstsein aus. Ich sehe nur Arroganz.“ Sie schwieg einen Moment und goss mir ein Glas des Riserva-Weins ihres Guts ein. „Mr. Donato, was ich damit sagen möchte: Sie sind nicht der erste Unternehmer, der zum Castello di Baroni kommt und mir ein Kaufangebot macht, und Sie werden auch nicht der letzte sein. Wir haben hier im Schloss gute Zeiten erlebt und gute Gewinne gemacht, und wir hatten schwere Zeiten, in denen wir kämpfen mussten. Aber egal, was passiert ist, wir haben es überstanden. Die Qualität unserer Weine ist unangefochten. Er wird am Tisch von Adligen und Würdenträgern serviert. Wir prahlen nicht damit, aber unser Erfolg spricht für sich selbst. Andere mögen sich von Ihrer hartnäckigen Art geschmeichelt fühlen, ich dagegen habe nur das Gefühl, Sie wollen mir nicht zuhören. Denn meine Antwort ist und bleibt nein.“

Vorsichtig hob ich das Weinglas an die Lippen, um den Rotwein zu probieren. Ich ließ den vollmundigen Geschmack auf mich wirken und kam zu dem Schluss, dass der Wein tatsächlich ausgezeichnet war. Trotzdem sagte ich: „Sie sind von Ihrem Wein sehr überzeugt, aber ich glaube, Sie überschätzen seinen Ruf. Soweit ich gehört habe, ist der Antinori Tignanello seit geraumer Zeit der Liebling des Adels. Nicht mehr Ihr Wein.“

Sie lachte auf. „Wollen Sie damit andeuten, dass wir nicht mehr gefragt sind? Das ist lächerlich. Ist das Ihre Taktik? Mich zu einem Verkauf zu überreden, indem Sie uns schlechtmachen?“ Abwertend schnalzte Alessandra mit der Zunge. „Ich hatte gedacht, jemand von Ihrem geschäftlichen Kaliber wäre eine Herausforderung, aber da habe ich mich wohl getäuscht.“

Sie stand auf. Trotz ihrer schmalen Statur strahlte sie Kraft und Anmut aus. „Bitte genießen Sie den Wein. Und bevor Sie gehen, statten Sie doch unserem Souvenirladen einen Besuch ab. Vielleicht wollen Sie ihrem geliebten Vater ja eine Flasche Wein mitbringen, wo er unseren doch so gern mag.“

Mit diesen Worten ließ Alessandra mich in der großen Eingangshalle des mittelalterlichen Schlosses zurück. Sie hatte offensichtlich dringendere Termine als mich. Und es war definitiv Absicht, dass ich bei ihrem Abschied mit einem nervenaufreibenden Blick auf ihren fast perfekt herzförmigen Hintern belohnt wurde. Diese Frau war intelligent und schlau. Eine Überraschung, die ich sehr begrüßte und die mich neugierig machte.

Offensichtlich hatte mein Vater Alessandra unterschätzt, als er mich mitten in die Toskana in dieses Schloss geschickt hatte, um sein neustes Fundstück für ihn zu erwerben.

Ich ließ mir Zeit, um den Wein zu genießen, und betrachtete währenddessen den großen Raum, in den offenbar grobes, wenn auch beachtliches handwerkliches Können geflossen war. Und darüber hinaus schätzte ich die Tatsache, dass die Verzierungen der Zeit so lange hatte widerstehen können.

Das Schloss und die Weinberge in Schuss zu halten musste Unmengen an Geld kosten. Trotzdem wirkte es nicht so, als müsste die Baroni-Familie an irgendwelchen Ecken sparen, um über die Runden zu kommen. Der Bergfried schien gut erhalten, und nirgendwo gab es Anzeichen, dass es finanzielle Engpässe gegeben haben könnte. Das mochte ein Grund gewesen sein, weshalb Alessandra die Summe, die mein Vater bereit war, für dieses Grundstück zu zahlen, nicht eines Blicks gewürdigt hatte.

Wenn ich sie also nicht mit Geld locken konnte … womit könnte ich sie sonst überzeugen, das Angebot anzunehmen?

Ich hatte fälschlicherweise angenommen, dass ich Alessandra mit ein wenig Charme und mit einer Menge Geld überzeugen könnte.

Nachdenklich strich ich mir über das Kinn. Nur ein blinder Mann könnte übersehen, wie wunderschön sie war. Trotzdem trug sie keinen Ring an ihrer Hand. Aber selbst das hübscheste Gesicht und der heißeste Körper waren unwichtig, wenn die Frau eine scharfe Zunge hatte. Nichts interessierte mich weniger, als mir den Rest meines Lebens Vorwürfe von einer Frau anzuhören. Andere Männer waren nicht so schlau wie ich. Meine Brüder hatten sich so einem Leben hingegeben, als sie geheiratet hatten. Und das mit einem Lächeln auf den Lippen. Das würde mir nicht passieren. Trotzdem war ich neugierig, wie Alessandra es in diesem Land, dessen Geschicke noch immer überwiegend von Männern gelenkt wurden, geschafft hatte, sich nicht an einen zu binden. Wie oft sie wohl genau deshalb kämpfen musste … Dieser Gedanke beschäftigte mich gegen meinen Willen.

Wahrscheinlich hatte sie mich deshalb so schnell und ohne mit der Wimper zu zucken abgewiesen. Ich musste grinsen, als ich an meinen peinlichen Versuch zurückdachte. Das war ein Misserfolg auf ganzer Linie gewesen.

Aber egal. Ich freute mich auf die Herausforderung. Schon zu lange hatte ich mich so gefühlt, als würde ich nicht mehr gebraucht werden. Mein älterer Bruder Luca hatte das Familiengeschäft, Donato Inc., übernommen, und seitdem stand ich in seinem Schatten und tanzte nach seiner Pfeife.

Mein Vater hatte mir mit diesem Auftrag die Möglichkeit gegeben, der Donato-Familie etwas zurückzugeben, auf das er großen Wert legte. Und ich würde ihn nicht enttäuschen.

Alessandra … mach dich bereit, denn bald wirst du sehen, was es bedeutet, sich mit der Donato-Familie einzulassen.

Ich musste lachen, als ich aus der Eingangshalle ging.

Sie würde sich noch wünschen, das Angebot angenommen zu haben.

2. KAPITEL

Alessandra

Unglaublich, diese Amerikaner.

Dante Donato und seine Arroganz passten so gut zusammen wie maßgeschneiderte Anzüge und Zigarrenrauch. Kein Angebot, das uns jemals für Schloss und Weingut gemacht worden war, war so herablassend gewesen wie das der Donatos.

Dieser Typ dachte sich, er könnte in mein Zuhause platzen, mir selbstgefällig ein Bündel Geld hinwerfen und mit dem Vermächtnis meiner Familie unter dem Arm hinausspazieren, als wäre es eine Kiste Wein.

Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, als ich daran denken musste, wie unverfroren er mir sein Angebot unterbreitet hatte. Nur musste ich ihm eines lassen: Er war mutig.

Und darüber hinaus sah er verdammt gut aus. Verführerische dunkle Haare. Augen, die glänzten wie das Meer nach einem starken Regenguss. Seine italienischen Wurzeln verliehen ihm die typisch großspurige Ausstrahlung, aber darüber hinaus war er hochgewachsen wie ein Wikinger. Ich ging ihm zwar nur bis zur Brust, aber einschüchtern ließ ich mich deshalb nicht. Schließlich hatte ich schon mit Männern zu tun gehabt, die schlimmer als die Donatos waren, und es trotzdem überlebt.

Schade, dass er so ein Arsch war. Im Bett hätten wir bestimmt super harmoniert. Ich hatte mir schon länger keinen Liebhaber mehr gegönnt, und dem Aussehen nach hätte Dante meinen wachsenden Appetit stillen können. Enttäuscht und ein wenig frustriert seufzte ich und machte mich auf den Weg zum Büro.

Bisher war Como mein Lover gewesen, aber ich hatte unser Verhältnis beendet, als ich gemerkt hatte, dass es ihm schwerfiel, Gefühle und schlichte gegenseitige Befriedigung auseinanderzuhalten.

Dass Como und ich darüber hinaus zusammenarbeiteten, machte die Dinge nicht einfacher. Außerdem konnte ich noch mehr Stress nicht gebrauchen, denn alles hing von unserem neuesten Chianti, dem Uva Persa, ab. Ich durfte mir keine Ablenkungen erlauben.

Der Uva Persa war mein Baby und sollte mein Triumph werden. Er wurde aus der Teneron-Traube gewonnen, einer in Vergessenheit geratenen Rebsorte, die nun mit Liebe und Sorgfalt auf unseren uralten Weinbergen angebaut wurde. Nichts durfte meinem Erfolg im Wege stehen.

Jeden Cent, den ich übrig hatte, investierte ich in die Zukunft des Weins. Doch es ging um noch viel mehr. Ich setzte nicht nur mein eigenes Vermögen aufs Spiel, sondern riskierte auch den Ruf meiner Familie, die seit Generationen als klassische Winzer bekannt war.

Unsere Weine wurden unter den strikten Vorgaben des Chianti Classico angebaut und hergestellt. Diese verlangten, dass mindestens achtzig Prozent der Rebsorten Sangiovese-Trauben sein mussten. Ich war eine der stärkeren Verfechter dafür, dieses Kriterium zu lockern, denn die Chianti-Verkäufe stagnierten, und der Markt war instabil.

Aber das würde sich ändern, sobald ich den Uva Persa auf den Markt brachte.

Das Problem war nur, dass Neuerungen nicht gern gesehen wurden, besonders bei der älteren Generation. Als ich meinen Vater Sergio das erste Mal darauf angesprochen habe, Land kaufen zu wollen, um die Teneron-Traube darauf anzubauen, hat er die Idee sofort abgewiesen.

„So etwas sollten wir momentan nicht riskieren“, hat er gesagt und sich klein gehackten Knoblauch auf sein Brot geschmiert, bevor er es in aromatisches Olivenöl gedippt hat. „Wir brauchen nichts Neues. Der Classico Riserva ist ein gutes Geschäft. Wir sollten mit dem arbeiten, was wir kennen. Das ist sicherer. Wieso sollten wir ein Risiko eingehen, wenn wir das nicht müssen?“

„Aber Papa, in diesen Trauben steckt unsere Zukunft. Diese vergessene Sorte wieder aufleben zu lassen wird uns in den kommenden Jahren einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.“ Ich beharrte auf meiner Idee. Es ärgerte mich, dass mein Vater meine Meinung nicht teilte. „Bitte, Papa. Alles, was ich brauche, ist eine kleine Investition. Das Castello die Baroni kann mit den anderen mithalten, aber wir müssen etwas Neues wagen. Und ich habe die Möglichkeit, das Land zu …“

„Nein.“

„Papa! Du bist nur stur und dickköpfig. Ich denke an unsere Zukunft, aber du gibst dich damit zufrieden, in den Tag hineinzuleben. So funktioniert das heutzutage nicht mehr. So kann sich ein Unternehmen nicht an der Spitze halten. Die Dinge sind nicht mehr so wie früher. Vertrau mir bitte und lass mich das Land kaufen.“

Mein Vater schüttelte den Kopf, als er sich die Hände an einer Serviette abwischte. Er gab nicht nach.

Stundenlang haben wir darüber diskutiert, aber je länger wir stritten, desto mehr weigerte er sich. Ich konnte ihn nicht überzeugen. Nur brauchte ich, um das Land zu kaufen, zu diesem Zeitpunkt die Zustimmung meines Vaters.

Wenn mein nonno mir nicht geholfen hätte, dann hätte ich meine Idee nie umsetzen können.

Mit der Hilfe meines Großvaters hatte ich genug Geld für das Land beisammen, aber wenn ich versagen würde … dann riskierte ich nicht nur den Respekt meines Vaters, weil ich gegen seinen Willen handelte und eine Entscheidung traf, gegen die er sich explizit ausgesprochen hatte, sondern auch meinen Sitz als Geschäftsführerin des Castello di Baroni.

Ich musste schlucken, als mir die Kehle bei dem Gedanken trocken wurde und sich eine unangenehme Nervosität in meinem Magen breitmachte.

Mit einer Sache hatte Dante recht: Baroni-Weine waren bei den jüngsten Staats- und Landesbanketts nicht ausgeschenkt worden. Aber welche Weine ausgewählt wurden, variierte konstant, und wir konnten jederzeit wieder unseren Platz in den renommiertesten Weinkellern zurückerobern. Ich versuchte, mir keine Sorgen zu machen, dass meine Befürchtungen wahr wurden, aber eine vage Angst blieb trotzdem. Und dann kam auch noch dieser Donato mit seinem unverfrorenen Kaufangebot und reizte meine ohnehin schon angespannten Nerven nur noch mehr.

Ich ging um die Ecke und sah Como mit einem grimmigen Gesichtsausdruck an seinem Schreibtisch sitzen. „Ist er weg?“, wollte er wissen.

„Ich habe ihn in der Eingangshalle stehen lassen. Keine Ahnung, ob er schon gegangen ist. Ich habe Besseres zu tun, als meine Zeit mit arroganten Amerikanern zu verschwenden.“

„Stimmt es, dass seine Familie das Schloss gebaut hat?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Er behauptet es zumindest.“

„Aber warum jetzt? Warum kommt er gerade jetzt hierher, kurz bevor wir unseren größten Erfolg haben werden, und schnüffelt rum? Ist er vielleicht ein Spion für ein anderes Weingut?“

Comos Verdacht brachte mich zum Lachen. „Er ist kein Spion, sondern bloß ein eingebildeter Amerikaner, der denkt, dass er mit Geld jedes Problem und jedes Hindernis beseitigen kann. Ich habe ihn eines Besseren belehrt.“

„Ich traue ihm nicht. Da war so etwas in seinem Blick.“

Ich war nicht Comos Meinung. Ich fand Dantes Blick umwerfend – seine Augen strahlten eine kühle Stärke aus. Das tiefe Blau war faszinierend. Aber davon sagte ich nichts zu Como. Das Letzte, was ich gebrauchen konnte, war Comos Eifersucht. „Wie geht’s mit der Produktion voran?“, wechselte ich vorsorglich das Thema.

„Wir liegen im Zeitplan“, antwortete Como darauf, aber meckerte gleich wieder über den Amerikaner. „Du darfst ihn nicht unterschätzen. Ich glaube, der gibt nicht so leicht auf. Du hättest ihn vom Gelände werfen sollen. Ihm direkt zeigen, dass er nicht erwünscht ist.“

Vermutlich fühlte er sich von Dante bedroht, weil er – im Gegensatz zu Dante – schlaksig war und eine Habichtsnase hatte. Dante dagegen war gebaut wie eine griechische Statue, breit und muskulös. Das konnte selbst der maßgeschneiderte Anzug nicht verbergen. Ich unterdrückte ein Seufzen. Im Bett war Dante bestimmt ein Tier, da war ich mir sicher. Genau die Art Liebhaber, die ich haben wollte. Ich wandte mich wieder Como zu und schnippte genervt mit den Fingern. „Nicht ablenken lassen, Como. Nur weil unser Firmensitz in einem Schloss ist, heißt das nicht, dass wir uns mittelalterlich verhalten müssen. Wir werfen ungeliebte Gäste nicht einfach von der Burgmauer, sondern komplimentieren sie freundlich hinaus. Ist besser fürs Geschäft.“

Como nickte. Er musste zugeben, dass ich recht hatte. „Deine Familie kann so stolz auf dich sein. Du bist so schlau und weise. Und wunderschön.“ Comos Blick wurde weicher. Ich schüttelte den Kopf und atmete langsam aus.

Sein letzter Kommentar verdeutlichte mir wieder einmal, dass meine Entscheidung, die Beziehung zwischen uns rein professionell zu halten, richtig gewesen war. Als Liebhaber war er zwar okay gewesen, aber ich hatte ihn mir nur aus praktischen Gründen ausgesucht. Obwohl wir unser Verhältnis vor über einem Jahr beendet hatten, hegte er immer noch Hoffnungen, dass ich meine Meinung ändern würde – was nicht der Fall war – und mehr aus uns werden würde. Er folgte mir wie ein Schatten.

Schlechte Entscheidungen und sexuelle Frustration waren keine guten Bettgefährten. Comos unerwidertes Schmachten war nervig, aber ich nahm es hin, weil wir schon so lange zusammenarbeiteten und befreundet waren. Ich duldete seine Annäherungsversuche, ging jedoch jeglichem physischen Kontakt aus dem Weg.

Nur war ich jetzt mit meiner Geduld am Ende. Ich wandte mich ihm direkt zu und sah ihn ernst an. „Como, du bist nicht mehr mein Liebhaber“, stellte ich noch einmal klar. „Wir haben uns darauf geeinigt, dass es besser ist, wenn wir Freunde bleiben.“

„Nein, ich habe das nie gesagt“, widersprach er mir und runzelte die Stirn. „Du hast das entschieden und einfach verlangt, dass ich es akzeptiere. Ich verstehe, warum du es getan hast, gerade bei dem ganzen Stress mit dem Uva Persa. Deshalb habe ich entschieden, dass ich es erst mal akzeptieren werde. Aber sobald wir den Wein auf den Markt gebracht haben und du nicht länger so gestresst bist, wirst du einsehen, dass wir beide das perfekte Team sind. Ich habe Geduld, was das betrifft, und du bist es wert zu warten.“

Bei seinen Worten zog sich mir der Magen zusammen. Und das nicht zum ersten Mal. Como war so überzeugt von seiner Sicht der Dinge. Aber sie war auf so viele Weisen falsch. Genervt funkelte ich ihn an. „Du bist nicht geduldig. Du bist dickköpfig.“

„Du wirst schon sehen“, sagte Como mit einer Dreistigkeit, die ich abstoßend fand. „Niemand kennt dich so gut wie ich.“

„Nein, du kennst mich anscheinend nicht sehr gut, denn sonst würdest du wissen, dass ich es nicht mag, wenn man mich von oben herab behandelt“, erwiderte ich kühl, und Como zuckte bei meiner Zurückweisung zusammen. „Du bist ein wertvolles Mitglied in meinem Team, und ich bin dankbar für alles, was du in unser Unternehmen einbringst, aber unterschätze mich nicht. Wenn du so weitermachst, kann es gefährlich für dich werden. Du wirst damit nicht nur unsere Freundschaft, sondern auch unsere gemeinsame Arbeit in Gefahr bringen.“

„Du würdest mich feuern?“, fragte Como überrascht.

„Wenn du mich dazu zwingst, ja.“

Como erwiderte meinen Blick, als wenn er nicht sicher war, ob ich es ernst meinte. Wenn er mich so gut kennen würde, wie er behauptete, wüsste er, dass ich es vollkommen ernst meinte. Ich bekam langsam Magenschmerzen, denn wir hatten dieses Gespräch schon unzählige Male geführt. Er hatte recht damit, dass mir der Stress mit dem Uva Persa auf den Schultern lastete wie ein tonnenschwerer Elefant, aber trotzdem würde ich Como nie wieder zu meinem Liebhaber machen. Ich würde denselben Fehler nicht zweimal machen.

„Niemand wird dich jemals so lieben wie ich“, sagte Como, die Lippen zusammengepresst, als sein Gesichtsausdruck sich verhärtete. „Niemand kann so gut wie ich verstehen, wie schwer du es hast.“

Er war unbeirrbar in seinem Glauben, denn im Grunde meinte er es gut. Der Gedanke stimmte mich ein wenig freundlicher. „Vielleicht stimmt das“, gab ich zu, weil ich nicht zu hart zu ihm sein wollte. „Aber ich bin nicht die richtige Frau für dich. Ich würde dich nicht glücklich machen. Lass uns bitte nicht mehr über dieses lästige Thema sprechen, sondern lieber über das, was wir gemeinsam gut können.“

Ich würde niemals darum betteln, aber ich wollte Como nicht als Freund oder als Angestellten verlieren, denn ich vertraute ihm vollkommen. Er war seit so vielen Jahren meine rechte Hand, und ich wollte ihn nicht wegen einer so dummen Sache wie falschen Hoffnungen verlieren.

Nach einem langen, angespannten Moment nickte er, um mir zu signalisieren, dass wir weitermachen konnten. Insgeheim atmete ich erleichtert auf. Hoffentlich war das Thema jetzt ein für alle Mal vom Tisch. Ich war in Gedanken schnell wieder bei der Arbeit und tippte auf den Schreibtisch. „Ich brauche die Verträge für die Werbekampagne. Würdest du sie mir bitte ins Büro schicken?“

„Mach ich sofort.“

Dankbar, weil wir wieder auf die professionelle Ebene zurückgekehrt waren, verließ ich Como und machte mich auf den Weg zum Weingut. Während der Arbeit begab ich mich immer gern in alle Geschäftsbereiche – vom Büro bis zu den Weinbergen. Wenn ich über das Gelände spazierte, die frische Luft mich in der Nase kitzelte und die Zypressen um mich herum sich leicht im Wind wiegten, fühlte ich mich Enzo am nächsten.

Mein Zwillingsbruder, mein Fels in der Brandung, war derjenige gewesen, der das Weingut hatte übernehmen sollen. Er hatte so viele Pläne gehabt. So viele Hoffnungen. So viele Träume.

Enzo war derjenige gewesen, der die vergessenen Trauben und ihr Potenzial das erste Mal erwähnt hatte. Als ich ihm damals zugehört hatte, hatte es wie ein Traum geklungen. Eine uralte Weinsorte wiederbeleben. Ein unglaublicher Traum. Enzo war sich sicher gewesen, dass es möglich war, und er hatte es versuchen wollen, sobald er alt genug war.

Aber mein Bruder hat nie die Möglichkeit dazu bekommen. Als er mit sechzehn bei einem Autounfall starb, ist auch ein Teil von mir gestorben. Uns hatte als Zwillinge etwas Besonderes verbunden, das schwer zu erklären ist.

Enzo wäre ein erstklassiger Winzer geworden – seine Liebe zum Weingut war unübertrefflich. Ich dagegen war nur eine schlechte Kopie. Aber ich habe mir geschworen, dass ich ihm zuliebe niemals zulassen würde, dass unser Weingut seine Stellung verlor. In Gedenken an ihn würde es nur noch erfolgreicher werden.

Der Uva Persa würde unsere größte Errungenschaft werden. Nur nonno wusste, was ich auf mich nahm, um meinen geheimen Weinberg zu bestellen, und er wahrte mein Geheimnis. Auf meinen Schultern ruhte so viel, und es erdrückte mich beinah.

Selbst nachdem ich sorgfältig das Land ausgewählt hatte, auf dem ich die Teneron-Trauben anbauen wollte, nach unzähligen Tests, um den richtigen Säuregrad des Bodens zu ermitteln und die richtigen Temperaturen zu erreichen, und nachdem ich mich dauerhaft um den Weinberg gekümmert hatte, bis die Trauben endlich reif waren, hatte es mich fünf Jahre gekostet, den Wein herzustellen. Nun war er endlich bereit für seinen ersten Auftritt.

Dieser Donato hatte es nicht wissen können, als er sein Angebot gemacht hatte, aber es gab keine Summe, kein Angebot, das ich jemals akzeptiert hätte. Ich würde niemals Enzos Traum damit beschmutzen, das Weingut zu verkaufen – erst recht nicht an einen Amerikaner.

Dante Donato würde ein anderes Weingut für seine Sammlung finden müssen.

Das Castello di Baroni würde niemals zum Verkauf stehen.

3. KAPITEL

Dante

Alessandra erwartete, dass ich das Gelände direkt verlassen würde. Sie hatte mein beeindruckendes Angebot so schnell abgewiesen, dass ich mich nicht darüber wunderte, wie sie mich in der Eingangshalle zurückließ.

Aber ich wollte noch nicht gehen.

Stattdessen könnte ich mich wie ein gewöhnlicher Tourist umsehen und dem Souvenirladen einen Besuch abstatten, um mir ein genaueres Bild vom Castello di Baroni zu machen.

Nachdem ich noch einen kurzen anerkennenden Blick auf die Eingangshalle – mein Vater würde bei dem Gedanken, hier König in seinem eigenen Schloss spielen zu können, begeistert sein – geworfen hatte, machte ich mich auf den Weg zum Souvenirladen.

Er war nicht schwer zu finden. Als ich eintrat, setzte ich mein freundlichstes Lächeln auf und strahlte meinen üblichen, entwaffnenden Charme aus, denn hinter der Theke stand eine attraktive Dame. Im Gegensatz zu meinem Bruder nutzte ich meinen Charme nicht bei jeder Gelegenheit zu meinen Gunsten, aber diesmal wollte ich gewinnen, und dazu war mir jedes Mittel recht.

„Willkommen im Castello di Baroni“, sagte die Frau und lächelte mich freundlich an. Sie hatte einen weichen italienischen Akzent. „Ich heiße Mia. Möchten Sie vielleicht eine Weinprobe machen?“

„Sehr nett, Sie kennenzulernen, Mia. Ich bin Dante. Was schenken Sie denn aus?“, fragte ich und heuchelte Interesse.

„Nun, Dante, für Sie habe ich etwas Besonderes“, erklärte Mia und holte ein kleines Probierglas hervor. „Die heutige Probe ist eine Flasche des Chianti Classico unseres Castello di Baroni. Unsere Weine wurden seit dem siebzehnten Jahrhundert bei Festen der Adligen ausgeschenkt.“

„Sehr beeindruckend“, gab ich zurück.

„Und es entspricht der Wahrheit“, sagte sie und sah mich erheitert an. „Aber sobald Sie unsere Weine probiert haben, werden Sie verstehen, warum sie einen so erstklassigen Ruf unter Weinkennern genießen.“

Ich nahm das Glas entgegen und schwenkte den Wein. Dann hob ich es an meine Nase, um den Geruch, der mir entgegenströmte, auszukosten. Kurz musste ich lächeln, als ich daran nippte. Ein guter Wein, das stimmte. Nicht so gut wie der Riserva, den Alessandra mit mir geteilt hatte, aber trotzdem sehr gut. Der eine Schluck reichte, um mir begreiflich zu machen, wieso der Wein des Castello di Baroni so erfolgreich war.

Mein Vater würde sich freuen, wenn er seine Sammlung um diese Weine erweitern könnte.

Dafür musste ich sie ihm aber nach Hause bringen. „Vorzüglich“, sagte ich und lächelte, als würden mich der Wein und der Ausblick auf die Ländereien aus dem Fenster beeindrucken.

„Wir bieten weltweite Lieferungen an“, sagte Mia, die einen Verkauf witterte. „Einen Baroni-Wein am Tisch zu servieren ist das Gesprächsthema schlechthin.“

„Das kann ich mir sehr gut vorstellen“, murmelte ich nachdenklich und nippte am Wein. Eine Weile schlenderte ich durch den Laden und sah dabei immer wieder zu dem großen Fenster mit dem prachtvollen Ausblick auf das Land, das das Schloss umgab. „Unglaublich. Was alles hinter diesen Mauern passiert sein muss … Ich bin von alldem einfach überwältigt.“

Mia nickte. Ihr war anzusehen, dass ihr meine Reaktion gefiel. „Sind Sie zum ersten Mal in Italien?“

„Ja, tatsächlich“, antwortete ich, auch wenn das nicht die ganze Wahrheit war. Ich war schon auf Geschäftsreisen in Italien gewesen, aber niemals als Tourist. Meine bisherigen Erfahrungen mit dem Land hatten sich zumeist auf Hotelbars oder Konferenzräume beschränkt. Leider hatte ich nur wenig Zeit gehabt, die atemberaubende Landschaft zu betrachten, für die Italien bekannt war. „Was für ein Glück, dass ich über diesen Ort gestolpert bin. Es ist einfach … unglaublich hier. Ein so altes, aber noch produzierendes Weingut. Da muss so viel Geschichte dahinterstecken. Sehr beeindruckend.“

Mia plauderte nur zu gern weiter über die Entstehungsgeschichte des Baroni-Weinguts, und ich hielt sie nicht davon ab. Im Gegenteil, denn je mehr ich über meine Gegner erfuhr, desto besser.

„Das Castello di Baroni ist dafür bekannt, das größte Weingut in der Gegend des Chianti Classico zu sein. Darüber hinaus ist es eines der ältesten Weingüter der Region. Wussten Sie beispielsweise, dass das Schloss in seiner ursprünglichen Form im späten dreizehnten Jahrhundert gebaut wurde?“

„Das ist wirklich alt. Muss viel erlebt haben … Wenn diese Wände nur reden könnten, nicht wahr?“

Mia kicherte. „Ja, genau. Intrigen und Blutvergießen gab es hier oft. Die Medicis waren hier oft gewesen, und wo sie waren, war ein Skandal nicht weit entfernt.“

Ich stimmte in Mias Lachen ein. „Das sollten Sie vielleicht in den Flyer schreiben.“

„Oh, bloß nicht“, gab sie zurück und warf mir ein verführerisches Lächeln zu. „Alessandra würde das niemals zulassen.“

„Wer ist Alessandra?“, fragte ich und täuschte Unwissenheit vor.

„Alessandra di Baroni. Sie ist die Geschäftsführerin des Weinguts und die einzige noch lebende Erbin der Baroni-Familie.“

„Hat die liebe Alessandra denn kein Gespür für Abenteuer? Ich glaube, die Geschichte mit den Medici könnte eine wahre Touristen-Sensation sein. So würde viel mehr Wein verkauft werden.“

„Hier im Castello di Baroni laufen die Dinge anders. Es geht nicht nur um die Verkaufszahlen“, erklärte Mia. Sehr höflich wies sie meinen Vorschlag zurück. Vermutlich wirkte ich wie der typische überschwängliche Amerikaner auf sie. Ich bin oft genug durch Europa gereist, um zu wissen, dass Amerikanern oft eine gewisse Geringschätzung von Traditionen und Werten nachgesagt wurde.

„Da stimme ich Ihnen zu. Alessandras Sicht der Dinge ist sicher besser. Wenn sie auf eine so lange Tradition zurückgreifen kann, hat sie bestimmt ein gutes Gespür dafür, was erfolgreich ist und was nicht.“ Mit einem kleinen Zwinkern versicherte ich ihr, dass ich ihren kleinen Wink mit dem Zaunpfahl verstanden hatte. Sie lächelte mich verständnisvoll an. Ihr war anzusehen, dass sie Alessandra sehr schätzte. Das machte mich neugierig. Alessandra schien eine starke Persönlichkeit zu haben, aber sie musste ihre Angestellten gut behandeln, denn Mia schien nichts sagen zu wollen, was ihre Chefin in ein schlechtes Licht rückte.

In unserem eigenen Unternehmen würde ich niemanden als loyalen Mitarbeiter bezeichnen. Ich war mir sicher, dass alle Manager, die im Aufsichtsrat der Donato Inc. saßen, ihre eigene Großmutter verkaufen würden, wenn es ihnen einen beruflichen Vorteil verschaffen könnte. So lief das Geschäft bei uns eben. Ich nahm ihnen das nicht übel, aber ich fragte mich, wie sich die Arbeit an Mias Stelle anfühlen musste. In einer Welt, in der ein Lächeln ernst gemeint war und sich nicht alle gegenseitig hochlobten, um sich dann zu hintergehen.

Wenn so etwas denn überhaupt existierte. Der Schein konnte immer trügen. Die liebe nette Mia konnte genauso gut eine Affäre mit Alessandras Vater haben oder Firmengelder unterschlagen.

„Was können Sie mir noch über das Schloss erzählen?“, fragte ich, um das Gespräch in eine Richtung zu lenken, die angenehmer für Mia war. „Ich finde das alles so interessant.“

„Das ist es auch. Im Zweiten Weltkrieg zum Beispiel hat das Schloss nicht einen Kratzer abbekommen. Andere Schlösser in der Gegend hatten nicht so viel Glück. Manche behaupten deshalb, wir würden unter einem glücklichen Stern stehen.“