Wider die Kunst - Tomas Espedal - E-Book

Wider die Kunst E-Book

Tomas Espedal

4,5

Beschreibung

Was bleibt, wenn die Geliebten fort sind? Zwei Schicksalsschläge erschüttern das Leben des norwegischen Autors Tomas Espedal: Zuerst verstirbt seine Mutter, kurz darauf auch seine Frau Agneta. Die Verluste verlangen ihm eine neue Art zu leben ab, denn er bleibt mit seiner jüngsten Tochter allein zurück. Trost kann er dem Mädchen nicht spenden, der verzweifelte Versuch, die Mutter zu ersetzen, beraubt das Kind des Vaters. Espedal beginnt Halt zu suchen in der Erkundung seiner Familiengeschichte. Woraus, fragt er, erwächst eine Familie, was bedeuten Liebe und Verrat, was Mutterschaft und Vatersein. Seine Kunst, das Schreiben, stellt sich somit in den Dienst des Lebens. Selten verweben sich in der Literatur Schreiben und Leben derat eng und unausweichlich wie in den Büchern Espedals. Der Kosmos seines Lebens, den er vor dem Leser ohne Schonung entfaltet, entwickelt ungeheure Sogkraft. Unbedingt und mit Haut und Haar möchte man eintauchen in die Welt dieses berührenden Mannes, sich erfrischen an der Klarheit und Aufrichtigkeit seiner Sprache.

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Tomas Espedal

Wider Die Kunst

(Die Notizbücher)

Aus dem Norwegischen vonHinrich Schmidt-Henkel

Matthes & Seitz Berlin

Für meine Mutter

APRIL

Auch das ist ein Auftrag, der Mut erfordert: bleiben.Kristian Lundberg

Mein erster Name wurde in einer Fabrik hergestellt, in Metall gegossen, und war von einer gewissen Beständigkeit. Ich habe versucht, ihn zu vergessen. Ich bin dreiundvierzig vierundvierzig fünfundvierzig sechsundvierzig Jahre alt. Ich schreibe dies im September. Geboren bin ich am zwölften November im Sternzeichen Skorpion. Man hat mir erzählt, wenn der Skorpion bedroht wird, wenn er sich in die Ecke getrieben sieht und nicht mehr entkommen kann, so hebe er den Giftstachel und steche ihn durch eine Lücke in der seinen Körper schützenden Panzerung; das Gift fließt. Frühling, Herbst ist mir die liebste Jahreszeit, der Sommer ist vorbei, ich kann anfangen zu arbeiten, November, September, der neunte oder neunzehnte, neunundzwanzigste; ich beginne morgens oder abends zu schreiben. Es ist still im Haus. Ich bin weder bedroht noch in die Ecke getrieben, hebe die rechte Hand und platziere die Bleistiftspitze auf dem Papier, das Gift fließt. Ich schreibe. Der erste Satz, als drückte man eine Nadel auf die Haut, ein leichter Widerstand, weich, und die Nadel dringt ein, gleitet hindurch und trifft die Ader; es ist notwendig zu vergessen. Mein zweiter Name war schwieriger, härter, ein Frauenname. Ich habe lange gebraucht, um ihn zu zerstören. Nicht, weil er undurchdringlich gewesen wäre, sondern er war alt, war an einen Ort gebunden; ich bin nie dort gewesen.

Ich bin in der Stadt geboren, der Name gehört an den Rand, ein trockener, windzerzauster und zählebiger Name, der zusammenbrach wie ein widerspenstiger Baum. Der erste Satz, er muss hart sein wie Stahl. Man arbeitet ihn heraus, schleift und bürstet, schneidet und feilt, es ist Handwerk. Das mechanische Geräusch der Schreibmaschine, wie allein in Fabrikräumen zu sitzen und die Stimmen derer zu hören, die nicht da sind; untätige Hände und schwere Schuhe, die über den Boden trampeln ohne einen Laut. Der Satz schimmert. Hart wie Stahl. Uns ist gemeinsam, meiner Tochter und mir, dass wir beide unsere Mütter verloren haben. Ich habe meine Mutter im April verloren, sie ihre im September. Ich wusste nicht, was ich sagen, wie ich sie trösten sollte, alles, was ich sagen konnte, das Erste, was ich sagte, als ob ich ein Kind wäre, als ob kein Altersunterschied zwischen uns wäre, als ob ich wollte, dass sie mich tröstete und wir einander in gemeinsamer Trauer umarmten, zwei Gleichgesinnte im selben Alter, als ob ich sie im Laufe einiger weniger wortloser Minuten zu einer Erwachsenen gemacht hätte, zu meiner künftigen Lebenspartnerin, meiner Hoffnung; sie hörte es und drehte sich weg, wütend und erschrocken, es war kein Trost, das Erste, was ich sagte, war: Wir haben keine Mutter mehr.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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