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Heute verwenden wir den gregorianischen Kalender. Das Jahr wird in zwölf Monate geteilt. Sieben Monate enthalten 31 Tage und vier Monate enthalten 30 Tage. Deutlich kürzer ist der Februar mit 28 Tagen. Es wird gezeigt, dass bei der Schaffung dieser Struktur ein alter römischer Mondkalender Pate gestanden hat. Es wird weiter die Ansicht vertreten, dass der von Julius Caesar geschaffene Kalender im Mittelalter weitgehend unbekannt war. Erst mit Hilfe der sogenannten Goldenen Zahlen konnten auch interessierte Laien ab Anfang der Neuzeit das Datum im julianischen Kalender einfach und relativ genau aus den Mondphasen bestimmen. Leider wurde dieser Kalender mit der Zeit ungenau und hat ein Chaos bei der Osterrechnung verursacht. Die heute verwendete Jahreszählung wurde im Mittelalter festgelegt und auch dabei wurde auf die Goldenen Zahlen und den Neumond Rücksicht genommen.
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Seitenzahl: 161
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Voltaire spottete im 18. Jahrhundert:
„Die römischen Feldherren siegten immer,
aber sie wussten nie, an welchem Tag“
Einleitung
Drei Fragen zum Kalender
Warum hat der Monat Februar nur 28 Tage?
Wozu dienten die Goldenen Zahlen?
Wann hat das dritte Jahrtausend begonnen?
Der Mondzyklus-Kalender
Der Mondkalender der Natur
Der Meton-Zyklus
Das Mondjahr mit 354 Tagen
Das Mondjahr mit 355 Tagen
Der alte römische Kalender
Der Kalender des Romulus
Der Kalender des Numa Pompilius
Das „Ausrufen“ des Kalenders
Das chronologische Monstrum
Der Kalender von Antium
Der julianische Kalender
Vom Mondkalender zum julianischen Kalender
Der Reinigungsmonat Februar
Die römische Zählweise
Die Goldenen Zahlen
Der Kalender der Königin Liutgard
Der Kalender der Goldenen Zahlen
Die julianische Epakte
Ein alter Holzkalender
Der fehlende Schalttag
Die Goldenen Zahlen im 21. Jahrhundert
Die christliche Zeitrechnung
Das Große Heilige Jahr
Die Kalenderreform des Augustus
Die Drift des Neumondes
Die Osterrechnung
Osterparadoxien
Bemerkungen zur Geschichte des Kalenders
Bemerkungen zur Chronologiekritik
Der Parallelkalender
Der Kalender in der Praxis
Nachwort
Literatur
Immer dann, wenn wir die Länge eines bestimmten Monats wissen wollen, wird uns bewusst, wie umständlich unser Kalender aufgebaut ist. Je tiefer man in die Geheimnisse des Kalenders eindringt, umso deutlicher wird, in welch hohem Maß der Mond für die Struktur unseres Kalenders verantwortlich ist. Für viele auf den ersten Blick unlogische Festlegungen im Kalender gibt es mehr oder weniger einleuchtende Erklärungen, die vorzugsweise mit dem Mond zu tun haben. Ich versuche daher zu zeigen, dass bei der Schaffung des julianischen Kalenders ein alter Mondkalender Pate gestanden hat.
Welchen Sinn hatte es dem Februar nur 28 Tage zuzuordnen? Nicht nur die eigenartige Monatslänge des Februars haben wir sehr wahrscheinlich dem Mond zu verdanken, auch die Abfolge der übrigen Monatslängen steht mit dem Mond in direktem Zusammenhang.
Der Neumond steht am Beginn der christlichen Zeitrechnung und, berücksichtigt man den religiösen und mythologischen Hintergrund, dann erscheint die Geburt eines göttlichen Wesens bei abnehmendem Mond oder gar bei Vollmond völlig undenkbar. Daraus folgt, dass das dritte Jahrtausend bereits am 1. Januar 2000 begonnen hat und nicht, wie oft behauptet, erst am 1. Januar 2001.
Um den Alltag bewältigen zu können, benötigen wir laufend das aktuelle Datum. Heute ist es einfach das Datum zu bestimmen, denn elektronische Geräte mit einer Datumsanzeige sind omnipräsent. Meinen Urgroßeltern war das Datum weniger gegenwärtig. Die Menschen kannten aber den Wochentag und konnten über den Wochentag mit Hilfe eines gedruckten Kalenders das Datum feststellen. Wie haben aber unsere Vorfahren im Mittelalter das aktuelle Datum ermitteln? Wie konnten unsere Vorfahren Termine vereinbaren? Wie ist es unseren Vorfahren, von denen viele im Wortsinn „nicht bis 3 zählen konnten“, gelungen, mit dem komplizierten Kalender des Julius Caesar ihr Leben zu organisieren? Haben sich die Menschen früher vielleicht doch vorwiegend am Mond orientiert?
Schon im Altertum bildeten Wochenkalender und regelmäßig abgehaltene Markttage eine solide Basis für kurzfristige Terminvereinbarungen. Für längerfristige Vereinbarungen stand der Mond zur Verfügung. Für die Bevölkerung war es dabei unerheblich, ob der Mondkalender nach festen Regeln vorausberechnet werden konnte oder nicht. Erstens strukturiert der Mond weltweit verlässlich und kostenlos die Zeit und zweitens war es wichtig das Mondlicht für An- und Abreise zu berücksichtigen. Größere Feste wurden bei Vollmond oder zumindest im Bereich des Vollmondes abgehalten.
Ich glaube, dass Termine mit Hilfe der Mondphasen und der Wochentage vereinbart wurden. Sobald sich die Menschen auf eine bestimmte Mondphase als Bezugspunkt geeinigt hatten, war die Jahresordnung eindeutig festgelegt. Deshalb war es so wichtig einen Ostertermin zu vereinbaren, damit ausgehend vom Ostersonntag eine einheitliche Zählung der Sonntage erfolgen konnte. Nach der evangelischen Ordnung werden die Sonntage noch heute, beginnend beim ersten Sonntag nach Pfingsten (Trinitatis) bis zum ersten Adventsonntag konsequent weitergezählt und die Liturgie danach ausgerichtet. Diese vom Ostertermin bestimmte Zählweise wurde bei den Katholiken erst 1969 vom Konzil in Rom abgeschafft.
In letzter Zeit haben sich Historiker zu Wort gemeldet, die es für möglich halten, dass große Teile der europäischen Geschichte erfunden wurden und dass einige Jahrhunderte aus der Geschichte zu streichen sind. Daher stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob man in alten Kalendern Hinweise finden kann, dass der julianische Kalender tatsächlich vor mehr als 2000 Jahren erschaffen wurde und danach von engagierten Kalenderhütern fehlerlos bis zur Kalenderreform im Jahr 1582 weitergeführt wurde.
Man kann den julianischen Kalender selbstverständlich beliebig weit in die Vergangenheit extrapolieren und Himmelserscheinungen wie Sonnenfinsternisse, Supernovae, auffallende Konjunktionen eindeutig datieren. Mit Sicherheit hat es im Jahr 7 v. Chr. eine auffallende Konjunktion von Jupiter und Saturn gegeben. Ob diese Himmelserscheinung aber drei heilige Könige nach Bethlehem geleitet hat, kann damit nicht bewiesen werden.
Der julianische Kalender ist schwer verständlich und in seiner Handhabung extrem fehleranfällig, wenn er nicht laufend von Autoritäten aktuell gehalten wird. Beim Mondkalender wird jeder Irrtum früher oder später durch den Mond korrigiert. Ein Mondkalender, der sich an den Jahreszeiten orientiert, wird Lunisolarkalender genannt. Weil es bei Aussaat und Ernte vor allem auf die aktuelle Wetterlage ankommt, war es für die Landbevölkerung völlig ausreichend, beispielsweise den Frühlingsvollmond durch das Osterfest zu kommunizieren und sich im laufenden Jahr am Mond zu orientieren.
Nun stellt sich die Frage: Wozu braucht man überhaupt einen Sonnenkalender?
Das Problem des Lunisolarkalenders ist der Schaltmonat. Für den Handel, für Zinsgeschäft, für Liefervereinbarungen und auch für die Planung von Kriegszügen sind Diskussionen über den fallweisen Einschub eines dreizehnten Monats. nicht zu tolerieren.
Erst im Hochmittelalter hatten die Menschen gelernt, sich mit Hilfe des Mondes im Sonnenjahr zu orientieren. Der Kalender der Goldenen Zahlen war eine geniale Erfindung und brachte dabei den entscheidenden Durchbruch. Erst ab ungefähr 1500 wurden diese Kalender einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich und damit verlor der Mondkalender allmählich an Bedeutung. Diese Entwicklung versuche ich nachzuvollziehen.
Anmerkungen:
Web-Seiten werden nur zitiert, wenn sie Informationen enthalten, die leicht auch auf andere Weise zu erhalten sind. Dazu gehören: Übersetzungen antiker Autoren, Bücher aus früheren Jahrhunderten und auch beispielsweise rückgerechnete Mondphasen. Alle Termine der Mondphasen sind der Webseite der NASA entnommen. URL: http://eclipse.gsfc.nasa.gov/phase/phasecat.html. Falls die Seite nicht erreichbar ist, kann man vor http folgendes einfügen:
https://web.archive.org/web/20080321203931/http://eclipse.gsfc.nasa.gov/phase/phasecat.html
Alle Termine der Äquinoktien und Solstitien wurden der Webseite des IMCCE/Paris entnommen. https://www.imcce.fr/services/ephemerides/
URL: https://promenade.imcce.fr/fr/pages4/439.html. Wenn bei Zeitangaben die Zeitzone (z.B. MEZ) fehlt, dann handelt es sich immer um Universal Time (UT), die Zeit von Greenwich in England.
Viele Informationen über den Kalender finden sich auf den Webseiten www.computus.de und www.nabkal.de.
Hinweis: Diese und alle im Text oder im Literaturverzeichnis angegebenen Internet-Adressen wurden mehrfach überprüft. Weil sich die Inhalte aber kurzfristig ändern können, kann für die angegeben Links keine Haftung übernommen werden.
Peter Glaninger wurde 1949 in Wien geboren. Studium der Energietechnik in Wien und Graz mit Schwerpunkt Hochspannungstechnik. Zahlreiche Veröffentlichungen über Leistungstransformatoren und zwei Bücher über Kalenderfragen sind erschienen.
Der erste römische König war Romulus. Sein Nachfolger Numa Pompilius schuf einen Kalender mit Monatslängen von 29 und 31 Tagen. Nur dem Februar wies er 28 Tage zu. Diese kurze Monatslänge gibt bis heute Rätsel auf.
Macrobius erklärt die Kalenderstruktur wie folgt: Numa verwendete ungerade Monatslängen mit 29 und 31 Tagen, weil er der Meinung war, dass ungerade Zahlen männlich und glückbringend sind. Von den geraden Zahlen nahm er an, dass sie weiblich und unheilbringend sind. Der Sage nach hat er dies von Pythagoras gelernt, dessen Schüler er war.
Zwischen zwei Neumonden liegen im Mittel 29,53 Tage. Das Mondjahr dauert daher im Mittel (12*29,53=) 354,36 Tage. Um gerade Zahlen zu vermeiden hätte der abergläubische Numa nun einfach drei Monate mit 31 Tagen und neun Monate mit 29 Tagen wählen können, denn 3 * 31 Tage plus 9 * 29 Tage ergibt eine Jahreslänge von 354 Tagen. Damit war das Problem für Numa aber nicht gelöst. In diesem Fall gab es zwar zwölf ungerade Monatslängen, aber die Jahreslänge war eine gerade Zahl. Für Numa war es, so die Überlieferung, wichtiger die Jahreslänge ungerade zu machen und dafür einen Monat mit einer geraden Zahl in Kauf zu nehmen. Numa wählte eine Jahreslänge von 355 Tagen. Um die 355 Tage zu erreichen, wäre es sinnvoll gewesen, einem Monat statt 29 Tagen einfach 30 Tage zuzuordnen. Numa entschied sich aber dem Februar 28 Tage zu geben und zum Ausgleich den Mai, mit vermutlich ursprünglich 29 Tagen, um zwei Tage zu verlängern, sodass der Kalender vier Monate mit 31 Tagen umfasste.
Das ist insofern überraschend, weil die ungewöhnlichen 28 Tage des Februars sofort auffallen, während die ungerade Jahreslänge von der Allgemeinheit meist unbeachtet bleibt. Wie sich aber gleich zeigen wird, ergibt sich bei der Organisation eines Lunisolarkalenders eine besonders einfache Struktur, wenn die Jahreslänge von 355 Tagen mit einem Schaltmonat von 28 Tagen kombiniert wird. Das war Numa Pompilius aber angeblich nicht bewusst.
Beim Lunisolarkalender wird versucht, das Mondjahr möglichst perfekt an das Sonnenjahr anzupassen. In Griechenland wurde ein Lunisolarkalender mit einer Jahreslänge von 354 Tagen verwendet und die Griechen erkannten schon sehr früh, dass sich die Mondphasen nach acht Jahren in Bezug zum Sonnenjahr wiederholen. Wenn man abwechselnd Monate mit 29 und 30 Tagen verwendet und in acht Jahren drei zusätzliche Monate mit 30 Tagen einschiebt, dann ergibt sich genau die Länge von acht Jahren im julianischen Kalender.
Leider verschiebt sich die Mondphase in dieser Zeit um 1 ½ Tage. Nach zwei oder drei 8-Jahres-Zyklen ist die Verschiebung so groß, dass man nicht mehr von einem Mondkalender sprechen kann.
Das ist leichter gesagt, als getan. Innerhalb von 16 Jahren müssen drei Extra-Schalttage so verteilt werden, dass die Abweichung von den beobachteten Mondphasen klein bleibt. Der 354-Tage-Kalender wurde aber erfunden, damit man ohne permanente Mondbeobachtung einen vorausberechneten Kalender verwenden konnte.
Wenn man die Jahreslänge mit 355 Tagen festlegt, dann können drei Schaltmonate mit 28 Tagen gewählt werden und man kommt dem gewünschten Ergebnis erstaunlich nahe.
Erst nach 17 Jahren ist der Fehler auf einen Tag angewachsen und sollte korrigiert werden. Dazu kann ein Schaltmonat von 28 auf 27 Tage reduziert werden. Erst die Kombination von 355 Tagen mit einer Monatslänge von 28 Tagen, macht den Kalender berechenbar und wartungsarm. Selbstverständlich ist es sinnvoll bereits einem regulären Monat 28 Tage zuzuweisen und diesen Monat bei Bedarf zu verdoppeln. Weil das römische Jahr im März beginnt, drängt sich dabei der Februar auf.
Im 13. Jahrhundert entstand das Gerücht, dass der August ursprünglich 30 Tage hatte und der Februar 29 Tage besaß. Zur Zeit des Augustus wurde zu seinen Ehren der Februar auf 28 Tage gekürzt und der August verlängert. Dieses Gerücht hielt sich lange Zeit, ist aber falsch.
Viel genauer als der 8-Jahreszyklus ist der 19jährige Mondzyklus. Verwendet man 7 Schaltmonate in 19 Jahren ergibt sich eine fast perfekte Annäherung an das Sonnenjahr.
Der 19jährige Zyklus ist besonders vorteilhaft, weil er fast perfekt zum Sonnenjahr passt, worüber noch mehrfach berichtet wird. Nicht nur, dass der Kalender mit 355 Tagen eine plausible theoretische Grundlage besitzt, ein Wandkalender mit dieser Struktur wurde auch tatsächlich in Anzio nahe Rom gefunden. Er wurde als Fasti Antiates maiores berühmt. Er besitzt folgende Monatslängen:
Jan
Feb
Mar
Apr
Mai
Jun
Jul
Aug
Sep
Okt
Nov
Dez
Σ
29
28
31
29
31
29
31
29
29
31
29
29
355
Zusätzlich gibt es noch den Monat „Intercalaris“ (Zwischengerufener) mit 27 Monatstagen. Der Kalender ist eindeutig ein Mondkalender und kann perfekt als solcher verwendet werden. Trotzdem interpretiert man den Kalender heute als (missglückten) Sonnenkalender. Im Kapitel „Der Kalender von Antium“ wird darüber genauer berichtet.
Fazit: Das von mir hier vermutete Missverständnis, betrifft also die Interpretation eines alten genialen Mondkalenders mit 355 Tagen als Sonnenkalender. Der Februar erhielt 28 Tage nicht aus einem Aberglauben, sondern weil er als Schaltmonat perfekt zum Mondjahr mit 355 Tagen passt.
Später wurde diese Monatslänge beibehalten, weil im Februar wichtige Reinigungs- und Fruchtbarkeitsrituale, beispielsweise die Lupercalien, abgehalten wurden. Von Macrobius erfahren wir, dass Julius Caesar die 28 Tage nicht verändert hat, um den „Kult der Unterweltsgötter“ nicht zu stören. (siehe Kapitel „Der Reinigungsmonat Februar“).
Der griechische Astronom Meton hat im fünften Jahrhundert v. Chr. entdeckt, dass sich die Mondphasen nach 19 Jahren in Bezug zum Sonnenstand wiederholen. Den 19 sogenannten tropischen Jahren entsprechen dabei fast genau 235 Mondmonate zu jeweils 29 oder 30 Tagen. Unter dem Begriff tropisches Jahr (von griechisch heliou tropaí: Sonnenwende) versteht man die Zeit von einem Frühlingsanfang zum nächsten. Der 19jährige Mondzyklus wird auch Meton-Zyklus genannt.
Heute enthält jeder moderne Kalender die Mondphasen. Zumindest die vier Mondphasen, Neumond, Vollmond und die beiden Halbmonde sind in den Kalendern verzeichnet. Weil wir die alten Kalender im Folgejahr meist wegwerfen, merken wir nicht, dass sich die Mondphasen jedes Jahr um ungefähr 11 Tage verschieben und sich nach 19 Jahren fast exakt wiederholen. Erst nach 310 Jahren beträgt die mittlere Abweichung des 19jährigen Zyklus vom julianischen Kalender einen Tag. Im Mittelalter war es daher üblich die Mondphasen für 19 Jahre in eine Tabelle zu schreiben um für mehr als 200 Jahre einen verlässlichen, ausreichend genauen und wartungsfreien Mondkalender zu besitzen. Erst nachdem der Buchdruck erfunden war, konnte man es sich leisten jedes Jahr neue Kalender zu drucken und die alten wegzuwerfen.
Die Königin Liutgard war die fünfte Gattin von Kaiser Karl dem Großen. Die Hochzeit fand vermutlich im Jahr 796 statt. Liutgard verstarb aber bereits am 4. Juni 800 im Alter von nur 24 Jahren. Für die Königin wurde ein aufwendiger Mondzykluskalender erstellt, der penibel für jeden der 6940 Tage des 19jährigen Zyklus das Mondalter verzeichnet (Springsfeld, 2000). Das Mondalter 9 bedeutet beispielsweise, dass 9 Tage seit dem Neumond vergangen sind.
Auch in den sogenannten Stundenbüchern wurden die Neumonde in den Kalenderblättern als Zahlen für 19 Jahre angegeben. Diese wurden mit goldener Farbe eingetragen und vielleicht deshalb als „Goldene Zahlen“ bezeichnet. Neunzehn Goldene Zahlen genügen um die 235 Neumonde des 19jährigen Zyklus zu erfassen.
Die Methode ist zweifellos beeindruckend. Die entscheidende Frage dabei ist, wozu die Menschen einen Mondkalender gebraucht haben, wenn es doch seit Julius Caesar einen perfekten Sonnenkalender gab? Als Antwort darauf wird stets die Bestimmung des Osterdatums genannt. Die Antwort ist wenig überzeugend, denn man benötigt zur Bestimmung des Osterdatums nur die Jahreslänge und keine Aufteilung in einzelne Mondmonate. Falls die sogenannten Goldenen Zahlen tatsächlich primär der Bestimmung des Osterdatums dienten, dann stellt sich weiter die Frage: Warum gab es den Kalender der Goldenen Zahlen auch außerhalb Roms? Wollte man einem größeren Personenkreis Gelegenheit geben das Osterdatum selbst festzulegen oder das von der Kirche festgelegte Datum zu überprüfen? Tatsächlich haben sich im Mittelalter unzählige Wissenschaftler in ganz Europa mit der christlichen Osterrechnung, der sogenannten Komputistik (lat. Computus), beschäftigt. (Springsfeld, 2000)
Es ist nicht einfach auf diese Fragen eine vernünftige Antwort zu finden. Noch verwirrender aber ist der Umstand, dass man die mittelalterlichen Stundenbücher durch 600 und mehr Jahre verwendet hat, ohne sie zu aktualisieren. Nach 19 Jahren wiederholen sich, wie gesagt, die Mondphasen im Kalender. Eine Abweichung ist innerhalb eines Menschenlebens nicht feststellbar. Mit Hilfe der Goldenen Zahlen versuchten die sogenannten Computisten das Osterdatum beliebig lange im Voraus (und im Nachhinein) zu bestimmen. Leider war das Osterdatum oft falsch. Einer der Gründe war, dass sich die Goldenen Zahlen, also die Neumonde, mit der Zeit gegenüber dem julianischen Kalender verschieben. Um 1450 betrug der Fehler bereits mehrere Tage, wie wir von Nikolaus von Kues (genannt Cusanus) einem damals hochangesehenen Wissenschaftler erfahren.
Weil aber heute, nachdem die Goldene Zahl mit einer gegen die wahre Lage unterschiedlichen Ansetzung zugrunde gelegt worden ist und die 1. Luna, wie sie sich am Himmel zeigt, in der Berechnung des Kalenders mehr als die 4. Luna ist, so müsste man zu seiner Verbesserung die Goldene Zahl selbst tilgen und durch Antizipation auf den wahren Tag des Neulichts zurückführen. Auch diese Vorstellung ließe sich nicht leicht bewerkstelligen, weil dann alle Bücher auf der Welt abgeändert werden müssten… (Däppen, 2006 S. 85f).
Nikolaus von Kues kann sich eine Korrektur der Goldenen Zahlen kaum vorstellen: Infolgedessen muß die gegenwärtige heilige Synode sorgfältig ihre Zeit der Kalenderverbesserung widmen, da bei der Paschafeier, wie schon der heilige Ambrosius erklärte – auch wenn es sich sonst für Christen nicht gezieme -, Tage und Neumonde abergläubisch zu beachten seien und die Beobachtung des Mondes und der Zeit gemäß der Vorschrift notwendig sei, weil jene Zeit, die mit der Vorschrift zusammenstimmt, eine Gott willkommene Zeit ist (Däppen, 2006 S. 83f).
Man kann es kaum glauben: Weil es sich für Christen erstens nicht geziemt den Mond abergläubisch zu beobachten und weil zweitens eine Änderung der Stundenbücher zu aufwendig erscheint, verzichtet man auf eine Korrektur der Goldenen Zahlen und nimmt ein Chaos bei der Bestimmung der Ostertermine in Kauf.
Es könnte aber auch ganz anders gewesen sein. Durch Jahrtausende war das Mondlicht für die Menschheit unverzichtbar und jeder war mit den Mondphasen bestens vertraut. Es erscheint mir nahezu lächerlich anzunehmen, dass die König Liutgard ihren Kalender verwendet hat, um die Mondphase festzustellen oder gar um computistische Berechnungen anzustellen, was aber tatsächlich vermutet wird. Heute haben wir durch das elektrische Licht den Bezug zu den Mondphasen verloren und das aktuelle Datum wird uns laufend kommuniziert. Die Mondphasen können wir dem Kalender entnehmen. Vor 1200 Jahren war das genau umgekehrt. Kaum jemand kannte das Datum im julianischen Kalender, aber die Bevölkerung war selbstverständlich mit den Mondphasen bestens vertraut.
Wenn die Königin Liutgard eine bestimmte Mondphase am Himmel beobachtet, dann kann sie in ihrem Kalender nachsehen, welchem Tag im Sonnenkalender diese Mondphase entspricht. Auf diese geniale Weise konnte sie sich allmählich mit dem julianischen Kalender vertraut machen. Mit Hilfe des Mondes konnten sie und ihre Berater die Sonnenwenden und Äquinoktien und sogar das von der Sonne überstrahlte Sternzeichen hinter der Sonne bestimmen. Es war damit möglich mit Hilfe des Mondes ein Geburtshoroskop zu erstellen. Nikolaus von Kues vermutet, dass die Goldenen Zahlen von den Chaldäern stammen und so wurden einst die Sterndeuter genannt.
Es hat aber noch mindestens 500 Jahre gedauert, bis die Neumonde aus dem Kalender der Liutgard zusammen mit ikonographischen Symbolen der Heiligen in sogenannte Holz- oder Mandlkalender eingetragen und damit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich wurden. Wenn wir in der Einsamkeit (ohne Mobiltelefon) das Datum vergessen haben, dann können wir trotzdem mit Hilfe eines Kalenders über die Mondphasen das Datum herausfinden. Für unsere Vorfahren war das die einzige Möglichkeit das Datum zu bestimmen, wenn sie keinen Kalenderexperten befragen konnten.
Der im Kapitel „Ein alter Holzkalender“ beschriebene Kalender entstand um 1526 und enthält bereits aktualisierte Goldene Zahlen. Später haben sich daraus die Bauernkalender entwickelt, die bis heute die Mondphasen enthalten. Bei Bedarf konnte somit die Landbevölkerung, insbesondere Hirten auf einsamen Almen, das Datum noch im 19. Jahrhundert mit Hilfe ihrer Mandlkalender und der Mondphase herausfinden. Dabei ging es wohl in erster Linie um die Bestimmung der Heiligenfeste, die dem Sonnenkalender zugeordnet waren. Mit Hilfe der