Wie heiratet man einen Iren? - Cathy Kelly - E-Book
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Wie heiratet man einen Iren? E-Book

Cathy Kelly

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Beschreibung

Happy End mit Kleingedrucktem: Der Liebesroman »Wie heiratet man einen Iren??« von Cathy Kelly jetzt als eBook bei dotbooks. So haben sich die beiden Schwestern das schöne Dorfleben aber nicht vorgestellt! Als Hope mit ihrem Mann und den zwei kleinen Kindern ins irische Redlion zieht, hofft sie, die feinen Risse im Familienglück damit kitten zu können. Doch Matt scheint seine Tage lieber im hiesigen Kunstzentrum zu verbringen, ganz auf seine Karriere konzentriert, während Hope ihre Träume immer hinten angestellt hat. Höchste Zeit, sich eine Scheibe von ihrer quirligen Schwester Sam abzuschneiden, die plötzlich in Redlion auftaucht: Aber was sucht die überzeugte Singlefrau und erfolgreiche Musikmanagerin wirklich dort? Das weiß Sam selbst nicht so genau – bis sie Morgan kennenlernt, ihren etwas ruppigen, aber sehr attraktiven neuen Nachbarn … Nur eins ist gewiss: Mit diesen beiden Schwestern wird in dem Dorf schon bald nichts mehr sein wie zuvor! »Ein Buch für alle, die an die Liebe glauben.« Evening Herald Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der turbulente Roman »Wie heiratet man einen Iren??« der irischen Bestsellerautorin Cathy Kelly – perfekt für Fans von Mhairi McFarlane und Maeve Binchy. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 1090

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Über dieses Buch:

So haben sich die beiden Schwestern das schöne Dorfleben aber nicht vorgestellt! Als Hope mit ihrem Mann und den zwei kleinen Kindern ins irische Redlion zieht, hofft sie, die feinen Risse im Familienglück damit kitten zu können. Doch Matt scheint seine Tage lieber im hiesigen Kunstzentrum zu verbringen, ganz auf seine Karriere konzentriert, während Hope ihre Träume immer hinten angestellt hat. Höchste Zeit, sich eine Scheibe von ihrer quirligen Schwester Sam abzuschneiden, die plötzlich in Redlion auftaucht: Aber was sucht die überzeugte Singlefrau und erfolgreiche Musikmanagerin wirklich dort? Das weiß Sam selbst nicht so genau – bis sie Morgan kennenlernt, ihren etwas ruppigen, aber sehr attraktiven neuen Nachbarn … Nur eins ist gewiss: Mit diesen beiden Schwestern wird in dem Dorf schon bald nichts mehr sein wie zuvor!

»Ein Buch für alle, die an die Liebe glauben.« Evening Herald

Über die Autorin:

Cathy Kelly arbeitete als Redakteurin, Filmkritikerin und »Kummerkastentante« bei der Dubliner Sunday World, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden und regelmäßig die Bestsellerlisten erobern. Am liebsten schreibt sie warmherzige, einfühlsame Geschichten über ihre irische Heimat. Cathy Kelly lebt mit ihrer Familie und ihren drei Hunden in County Wicklow.

Bei dotbooks veröffentlichte Cathy Kelly ihre Romane:

»Heimkehr nach Irland«

»Der Duft von irischem Lavendel«

»Eine irische Hochzeit«

»Die irischen Freundinnen«

»Der Glanz von irischem Klee«

»Wie küsst man einen Iren?«

»Wie angelt man sich einen Iren?«

»Wie heiratet man einen Iren?«

»Die Schwestern von Ballymoreen«

»Die Frauen von Ardagh’s Crown«

Die Website der Autorin: www.cathykelly.co.uk/

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eBook-Neuausgabe März 2023

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2001 unter dem Originaltitel »What She Wants« bei HarperCollins Publishers, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 2003 unter dem Titel »Chaos ist das halbe Leben« bei Blanvalet.

Copyright © der englischen Originalausgabe 2001 by Cathy Kelly

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2003 by Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Covergestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-98690-497-5

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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In diesem eBook begegnen Sie möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. Diese Fiktion spiegelt nicht unbedingt die Überzeugungen des Verlags wider.

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Cathy Kelly

Wie heiratet man einen Iren?

Roman

Aus dem Englischen von Uta Hege

dotbooks.

In Liebe für Francis und Lucy

Prolog

Ein Cork-und-Kerry-Tour-Bus rumpelte gerade über die buckelige Brücke, wechselte knirschend die Gänge und hustete schwarzen Dieselrauch in die Gegend, als Mary-Kate Donlan aus ihrer Drogerie trat und sorgfältig hinter sich abschloss. Falls irgendein Bewohner von Redlion in seiner Mittagspause Lippenstift oder Grippemittel wollte, müsste er eben ohne zurechtkommen. Seit ihre Hilfskraft Otis Urlaub genommen hatte, hatte sie sich stets damit begnügt, zwischen zwei Kunden eilig ein Sandwich zu verschlingen, doch davon hatte sie genug. Heute träfe sie sich mit ihrer Nichte Delphine zu einem ausgedehnten Lunch.

Sie hüllte sich fest in ihren Mantel und eilte durch das Dorf in Richtung der Witwe Maguire, einem hübschen Pub mit steinerner Fassade, gemütlichen Sitzecken und der besten Hausmannskost, die es im Umkreis mehrerer Meilen gab. Sie lief die Hauptstraße entlang – eine schlanke Frau mittleren Alters mit einem schlichten Bubikopf und einem ungeschminkten, klugen, fragenden Gesicht – vorbei an »Lucilles Mode für alle Anlässe«. Die hier ausgestellte Kleidung war immer ein wenig exzentrisch. Diese Woche lagen im Schaufenster jede Menge knubbeliger, diamantfarbener Strickwaren zusammen mit einer prachtvollen Freizeitmontur, die wahrscheinlich in Südfrankreich toll ausgesehen hätte, für das herbstliche Kerry hingegen ein wenig knapp wirkte.

Sie verlangsamte ihr Tempo, als sie Emmet aus dem Kramladen direkt vor sich sah. Der grillenhafte Alte mit der Vorliebe für Porter war wegen seiner Neigung, sich in endlosen Lobgesängen auf die guten alten Zeiten zu ergehen, während er seine zwei Mittagsgläser kippte, ein wenig anstrengend. Als Emmet durch die Tür des Pubs verschwunden war, ging Mary-Kate wieder etwas schneller. Bis sie das Lokal erreichte, hätte er sicher irgendeine andere arme Seele als Zuhörer gewonnen.

»Hallo, Lara«, grüßte sie eine hoch gewachsene, rothaarige Frau in einem eleganten Hosenanzug, die gerade aus einem schicken silbernen Mercedes stieg, der direkt vor dem Pub stand.

»Hi«, antwortete Lara freundlich. »Wie gehen die Geschäfte?«

»Bei mir geht’s zu wie in einem Tollhaus. Das Dorf ist voll von Hypochondern. Am besten hätte ich längst Anteile an irgendeinem Arzneimittelkonzern gekauft.«

Beide lachten fröhlich auf. »Und wie läuft es bei dir?«, fragte jetzt Mary-Kate.

»Fantastisch«, sagte Lara. »Ich habe soeben den Kasten vom alten O’Brien an den Mann gebracht.«

»Shanrock Castle?«, fragte Mary-Kate beeindruckt. Nur jemand sehr Reiches könnte es sich leisten, die halb verfallene Burg inmitten eines von Unkraut überwucherten, riesengroßen Parks zu kaufen, weil man etwa zwei Vermögen für die Renovierung bräuchte. »Ich nehme an, wieder irgend so ein Rockstar?« In der Umgebung von Redlion lebten vier Rockstars, mindestens sechs Schriftsteller und ein exzentrischer Komponist für klassische Musik. Allerdings lebten die Rockstars sehr zurückgezogen, während es die wilden Partys im Haus des Komponisten gab. Immer wieder landeten irgendwelche Hollywood-Produzenten mit Hubschraubern auf seinem Grundstück, die versuchten ihn dazu zu bewegen, dass er die Musik zu ihren Kassenknüllern schrieb.

»Nein, diesmal ist es eine Schauspielerin. Ich darf keinen Namen nennen, aber sie gehört zu der Sorte, die ihre Oscars auf der Toilette aufbewahrt.«

Mary-Kate grinste. »Das sagen sie alle. Ich treffe mich zum Essen mit Delphine. Willst du nicht mitkommen?«

Noch während Lara nickte, kam ein zerbeulter Käfer neben ihr zum Stehen, dem ein üppiger Rotschopf in einem purpurroten Samtmantel entstieg.

»Hi, Mädels.« Delphine Ryan begrüßte ihre Tante Mary-Kate mit einem dicken Schmatzer und schlang ihrer alten Klassenkameradin begeistert die Arme um den Hals. »Ich habe dich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen, Lara. Was gibt’s Neues?«

In der Witwe diskutierten sie alles von den Grundstückpreisen bis hin zum erbärmlichen Zustand der Straßen.

»In der Straße nach Blackglen gibt es ein Schlagloch in der Größe eines Schwimmbeckens, und ich bringe die Hälfte meines Lebens damit zu, darauf zu achten, dass ich nicht irgendwann drin lande«, beschwerte sich Lara. »Wenn es mir doch einmal passiert und mein Mercedes davon auch nur einen Kratzer abbekommt, reiche ich auf der Stelle eine Klage gegen die Behörden ein.«

»Ich liebe die Blackglen Road«, erklärte Delphine mit einem Seufzer. »Es gibt dort ein wunderbares altes Haus, das Eugene und ich wirklich gern gekauft hätten, nur dass es für uns einfach unerschwinglich war. Wirklich fantastisch, mit herrlichen alten Kaminen und einem riesigen, ausgedehnten Garten.«

»Du meinst Kilnagoshell House, die alte Frühstückspension«, antwortete Lara. »Das Anwesen habe ich vor sechs Monaten verkauft. An eine Frau aus Dublin, eine Witwe. Sie heißt Virginia Connell und ist einfach reizend. Allerdings anscheinend ziemlich einsam. Du solltest mal bei ihr vorbeigehen und nach ihr sehen, Mary-Kate.«

»Wenn sie lieber allein ist, ist das ihre Angelegenheit«, kam die weise Antwort. »Sich ihr einfach aufzudrängen, wäre sicher falsch.«

Lara schob sich den Rest ihres Sandwichs in den Mund. »Ich muss allmählich los. Ich soll heute Nachmittag ein süßes kleines Häuschen an der Killarney Road schätzen.«

»Doch nicht das Haus vom alten Gearóid?«, fragte Mary-Kate. »Wollen sie das etwa verkaufen oder was?«

»Ich glaube, oder was«, antwortete Lara. »Anscheinend hat Gearóid das Häuschen seinem Neffen aus England vermacht. Der Arme«, fügte Lara erschaudernd hinzu. »Gearóid hat es in einem schrecklichen Zustand hinterlassen. Tja, und dann muss ich mir das Bauernhaus der Richardsons ansehen. Ein Jammer, dass sie das Dorf verlassen. Sind wirklich nette Leute.«

»Ich sollte langsam auch los«, meinte Delphine und stand entschieden auf. »Ich habe heute Nachmittag ein Gesichtspeeling, zwei Maniküren und eine Enthaarung. Tschüs, Mary-Kate.« Sie küsste ihre Tante zum Abschied auf die Wange.

»Ich werde noch in Ruhe meinen Kaffee austrinken.« Mary-Kate blickte die beiden mit einem warmen Lächeln an. »Irgendeinen Vorteil muss man im Alter haben. Passt auf euch auf, Mädels.«

Die beiden jungen Frauen verließen gemeinsam den Pub.

»Ein herrlicher Tag, nicht wahr?«, meinte Lara, als sie einen Augenblick in der bleichen Oktobersonne standen. »Wenn die Sonne scheint, ist Redlion einfach ein wunderbarer Ort. Meiner Meinung nach sind die Richardsons verrückt. Ich verstehe beim besten Willen nicht, wie irgendjemand einfach alles verkaufen und das Dorf verlassen kann.«

»Ich weiß, was du meinst«, sagte Delphine und blickte lächelnd die gewundene Hauptstraße hinab, zu deren beiden Seiten die pastellfarbenen Häuser behaglich im Sonnenlicht vor sich hin dösten. »Das Leben hier im Dorf hat eine heilsame, tröstliche Wirkung auf die Menschen, oder klingt das in deinen Ohren irgendwie verrückt?«

»Nicht im Geringsten«, erklärte Lara voller Inbrunst. »Als ich noch in Dublin gelebt habe, habe ich täglich mindestens zehn Tassen Kaffee, eine Kopfschmerztablette und eine halbe Flasche Wein in mich hineingekippt. Nach meiner Rückkehr nach Redlion habe ich meine ruhige Seite wiederentdeckt.«

»Lara Stanley und eine ruhige Seite!«, stichelte Delphine.

Lara grinste. »Tja, zumindest ruhiger. Aber das liegt an diesem Ort. Er ist etwas ganz Besonderes. Weißt du, als ich meinen Job in Dublin aufgegeben habe, haben all meine Kollegen mich für verrückt gehalten, weil ich wieder aufs Land wollte. In die Einöde, so haben sie es ausgedrückt. Aber ich habe ihnen erklärt, dass es hier in Redlion niemals öde ist.«

»Manchmal könnten wir eine gewisse Ödnis sogar ganz gut brauchen«, meinte Delphine. »Hier ist nicht zu wenig, sondern eher zu viel los. Nächste Woche findet im Hotel wieder mal eine dieser politischen Klausurtagungen statt, und dann werden wir von Reportern und Politikern, die verzweifelt darauf aus sind, ihre Gesichter in den Zeitungen zu sehen, sicher regelrecht überrannt. Und Fräulein Rockstar von oben an der Straße hat sich gestern von mir die Nägel machen lassen und mir dabei erzählt, dass sie im November anlässlich der Herausgabe ihres neuen Albums eine Riesenparty geben wird.«

»Also alles wie immer«, meinte Lara. »So viel zum ruhigen Leben auf dem Land. Trotzdem erzähle ich den Leuten in der Stadt lieber nicht, wie es wirklich bei uns zugeht, sonst packen sie sicher alle umgehend ihre sieben Sachen und machen sich auch noch bei uns breit.«

Delphine lachte. »Nein, behalten wir es lieber für uns, wie herrlich es hier ist.«

Kapitel 1

Hope Parker ließ die Einkaufstüten in einem Haufen neben ihren Füßen sinken und blickte auf das Regal mit den Kochbüchern. Ihr Blick wanderte von Perfekte Torten über Das neueste chinesische Kochbuch und Erlesene Häppchen für gelungene Partys hin zu Einfache Mahlzeiten. Nach einem Rezeptbuch für einfache Mahlzeiten jedoch suchte sie nicht. Nein, sie wollte ein umfassendes, ganz normales Kochbuch, irgendetwas Dickes, in dem sich alle möglichen Erklärungen darüber fanden, was genau man unter einem Wasserbad verstand, was man mit Hefe machen musste und ob ein Umluftherd tatsächlich unerlässlich war. Sie wollte ein Buch, das ihr endlich erklären würde, wie man etwas kochte, bei dem man als Zutat weder Hühnerteilchen noch eine Dose fertiger Tomatensauce brauchte.

Dann sah sie ihn, einen fetten Schinken mit der goldfarbenen Aufschrift Kochen für Feiglinge: Werden Sie die Königin der Küche.

Königin der Küche? Ja, das war genau das, was sie wollte. Keine Tiefkühllasagne und fertig gefüllten Hähnchen in Alufolie mehr, sondern jede Menge selbst gekochter Mahlzeiten, bei deren Anblick Matt bereits über das ganze Gesicht strahlen würde und nach deren Genuss er sie nicht mehr damit würde foppen können, dass er, weil sie nicht kochen konnte, sicher niemals zunähme.

Hope zog das Buch aus dem Regal und starrte auf den Umschlag. Hoffentlich stand nirgends das Wort »Fortgeschrittene«. Nein. Stattdessen sah sie das Foto einer vollkommen normal wirkenden Frau, die lächelnd hinter einem wahren Festmahl aus schimmernden, verführerischen Köstlichkeiten stand.

Hope schlug das Buch auf. »Kochen ist wirklich ganz einfach«, lockte gleich der erste Satz. »Falls Sie einer der Menschen sind, die nie die Gelegenheit hatten, es zu lernen, lassen Sie mich Ihnen zeigen, wie einfach es ist.«

Es wurde nicht gesagt, dass man Anfang zwanzig und frisch verheiratet sein musste, um das Buch zu kaufen, und auch nicht, dass eine Frau mit siebenunddreißig sich vielleicht besser schämen sollte, wenn sie ein Kochbuch erstand, das ein Kapitel über den »Einkauf beim Fleischer« enthielt.

Hope hatte noch nie etwas beim Fleischer eingekauft. Sie hätte nicht gewusst, wonach sie hätte fragen sollen oder was man mit Lammrücken tat, wenn man ihn denn bekam. Sie kaufte ihr Fleisch fertig abgepackt im Supermarkt, wo niemand auf einen herabsah, nur, weil man nicht wusste, was genau eine Hammelkeule war.

»Es gibt keinen Grund, sich vor dem Kauf von Fleisch zu fürchten«, fuhr die Autorin, als hätte sie Hopes Gedanken erraten, in der Einleitung fort. »Wenn man erst mal weiß, wie man es machen muss, ist es wirklich ganz leicht.«

Hope war endgültig überzeugt. Sie sammelte ihre Einkaufstüten ein, bezahlte das Buch und träumte, während sie in Jolly’s Warenhaus hinüberrannte, bereits von einer Zukunft als weiblicher Bocuse: Matt müsste wichtige Kunden der Werbeagentur nicht mehr in elegante Restaurants einladen, nein, er könnte sie mit nach Hause bringen, und sie würde in einem eleganten und zugleich verführerischen Outfit, eingehüllt in den Duft von Crème brulée, aus der Küche geschwebt kommen, während sich die abgebrühten Geschäftsmänner genüsslich hauchzarte Filetscheiben in köstlicher Sauce auf der Zunge zergehen lassen und sie fragen würden, weshalb sie ihr Talent, statt es für die Eröffnung eines eigenen Restaurants zu nutzen, in einer Bank vergeudete.

Auch Toby und Millie würden begeistert sein. Wenn sie etwas älter wären. Sie würden denken, selbst gemachtes Chutney und eigenhändig angerührte Mayonnaise wären vollkommen normal, und ihren Klassenkameraden stolz erzählen, ihre Mutter wäre »die beste Köchin auf der ganzen Welt«! Hope erinnerte sich an derartige Sprüche aus ihrer eigenen Schulzeit. Nur, dass sie und ihre Schwester Sam sich aus den Streitereien darüber, wessen Mutter die beste Köchin war, herausgehalten hatten, da ihre Tante Ruth, bei allem, was man über sie hätte zum Besten geben können, sicher keine Meisterköchin gewesen war. Wie hatte es wohl bei ihrer Mutter ausgesehen? Über solche Dinge hatte Tante Ruth nie mit ihnen gesprochen. Vielleicht hatte Mama ja hervorragend gekocht? Vielleicht hatte sie dieses Talent ja sogar von ihr geerbt und bräuchte sich nur einmal an etwas anderes als Fertigsaucen zu wagen, um zu entdecken, dass sie eine Meisterin gerade dieses Fachs war?

Bei Jolly’s machte sie einen kurzen Umweg durch die Damenabteilung und erlag der Versuchung, einen Augenblick stehen zu bleiben, um den hübschen Blumenrock zu befingern, der seit kurzer Zeit dort hing. Wehmütig strich sie über die weiche Baumwolle mit dem zarten Rosenmuster und dachte, dass sich der Ständer mit den hübsch gemusterten Röcken von all den dunklen Winterkleidern abhob wie eine Wiese voller Wildblumen von der schlammigen Umgebung regennasser, frisch gepflügter Felder.

Winzig kleine violette und pinkfarbene Blüten auf zartblauem Grund. Hope entfuhr ein Seufzer. Dies war nicht nur ein Rock, sondern Sinnbild eines eigenen Lebensstils. Des Lebensstils von einer Frau, die in einem hübschen Häuschen mit reizenden, wohlerzogenen Kindern, Katzen, vielleicht ein oder zwei Kaninchen und einem wunderbaren Gatten lebte, der zu schätzen wusste, was sie für ihn und die Familie tat. Diese Frau nähte ihre eigenen Kissenbezüge, wusste, wie man Lavendel trocknete und machte Obst und Gemüse selbst ein. Sie brauchte keine Sicherheitsnadel, um den Bund ihres Rockes zusammenzuhalten, und sie wurde niemals laut, wenn die Kinder morgens Milch über ihre Kleider kippten, sodass sie sie noch einmal umziehen musste. Nein. Diese Frau betupfte sich mit Veilchenparfüm aus einem altmodischen Flakon, war niemals wütend auf die Kinder und schwebte mit einem Weidenkorb über den Markt, wo sie Biogemüse kaufte, an dem noch etwas Erde hing. Die Leute würden sagen: »Ist sie nicht reizend? Eine wunderbare Mutter und eine fantastische Köchin. Haben Sie schon mal ihren Apfelkuchen probiert? Und trotzdem schafft sie es noch, nebenher zu arbeiten ...«

Ja, genau. Hope strich ein letztes Mal über den Rock. Sie war einfach keine Frau Blumenrock und würde es auch niemals sein. Sie war Frau Jogginganzug, deren zwei Kinder an ihr gebrülltes »Hört sofort damit auf, sonst bringe ich euch um!« gewöhnt waren. Sie schwebte niemals durch die Gegend – mit ihrem Rettungsring und ihren kurzen Stampfern wäre das auch schwierig –, und sie sprach nie lange genug mit den Nachbarn, als dass diese sich auch nur eine Meinung über sie hätten bilden können. Und was das Selbstnähen von Kissenhüllen anging, hatte sie seit Monaten nicht mal die Zeit gefunden, den Knopf an ihren Rock zu nähen, sodass sie ihn mit einer Sicherheitsnadel zusammenhielt. Was nicht unbedingt schlecht war, denn die Nadel war so groß wie die, mit denen man Babywindeln schloss, und somit weniger beengend als der blöde Knopf.

Sie schüttelte den Kopf, wie um die Überreste der Blumenrock-Fantasie endgültig zu vertreiben, eilte hinüber in die Herrenabteilung und dort zu den Krawatten. Sie brauchte eine Ewigkeit, bis sie eine fand, von der sie dachte, dass sie Matt gefiele: sie war aus teurer, buttermilchgelber Seide mit einem diskreten Muster. Hope hielt die Krawatte an sämtliche in den Auslagen befindliche Hemden: Der Schlips passte wunderbar zu dem schlichten, hellen Blau und auch zu dem dunkleren, gestreiften. Sie stöhnte vor Unentschlossenheit.

Matt mochte blaue Hemden nicht besonders. Die graue Krawatte war ganz sicher vielseitiger verwendbar und auch billiger, aber Matt hatte eine Vorliebe für teure Dinge. Den hässlichen Schlüsselanhänger, den er einmal von seinem Chef zu Weihnachten bekommen hatte, fand er nur wegen des in das Leder eingeprägten Designerlogos toll. Sie hielt beide Krawatten in die Höhe und blinzelte mit den Augen.

Okay, sie nähme den gelben Schlips. Zwar kostete er mehr als der Mantel, den sie trug, aber zum Teufel mit der gewohnten Sparsamkeit.

Die Frau hinter dem Tresen war perfekt frisiert, hatte sorgfältig manikürte Nägel, und ihr Lippenstift wirkte so frisch, als hätte sie erst vor einer Minute dem Spiegel in der Damentoilette den Rücken zugekehrt. Hope war sich der Tatsache bewusst, dass ihr eigenes windzerzaustes Haar zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden und ihr am frühen Morgen aufgetragener Lippenstift nur noch eine dunkle Erinnerung war.

Gegenüber Verkäuferinnen fühlte sie sich immer wie eine ungepflegte Streunerin. Doch hatte es eine Zeit gegeben, in der auch sie stets wundervoll frisiert gewesen war. Damals, vor den Kindern, hatte sie sich am Sonntagabend immer ausgiebig die Nägel gefeilt und dann lackiert. Heutzutage stand sie am Sonntagabend schwitzend vor dem Bügelbrett, machte sich Gedanken über die bevorstehende Woche und versuchte, zueinander passende Socken aus einem Riesenberg von Wäsche zu sortieren.

»Ist es ein Geschenk?«, fragte die Verkäuferin, wobei ihr Ton verriet, dass jemand wie Hope nie im Leben aus irgendeinem anderen Grund so viel für eine Krawatte ausgäbe.

»Ja«, antwortete Hope und unterdrückte das boshafte Bedürfnis zu erwidern, nein, das Teil wäre für sie, sie zöge sich an den Wochenenden immer Männerkleider an und wäre augenblicklich rein zufällig auf der Suche nach einer lesbischen Partnerin für einen Ausflug auf ihrer Harley Davidson am kommenden Sonntag.

Stattdessen bemühte sie sich darum, höflich zu wirken. Wenn sie ehrlich war, würde sie tatsächlich niemals so viel Geld für einen Schlips ausgeben. Selbst als Geschenk für einen vierzigsten Geburtstag war er idiotisch teuer. Einziger Trost war, dass Matt bestimmt begeistert davon wäre. Die Krawatte passte sicher ausgezeichnet zu dem eleganten neuen Anzug, den er sich gerade erst gekauft hatte, sowie zu seinem eigenen, eleganten Image. Einziger nicht eleganter Teil in seinem Leben war sie selbst. Lag hier das Problem?, fragte sie sich, und schmerzliches Unbehagen wallte in ihr auf.

Matt hatte sich verändert. Für gewöhnlich war er eine fröhliche, schwungvolle Natur. Doch in den letzten Monaten war er zu Hause ständig lustlos und schlecht gelaunt gewesen, außer, wenn sie etwas unternahmen, und so hatte er ihre freie Zeit mit endlosen Aktivitäten angefüllt. Es schien ihm nicht zu reichen, in den seltenen Momenten, in denen die Kinder einander nicht an die Gurgel gingen, gemütlich mit ihr im Wohnzimmer zu sitzen und sich zu unterhalten. Reizbar. Matt war reizbar, und in den dunklen, erschreckenden Momenten, in denen sie allein war, befürchtete sie, es hätte etwas mit ihrer Ehe oder mit ihr selbst zu tun.

»Soll ich es einpacken?«

»Nein, ich packe Geschenke lieber selbst ein«, gestand Hope. Sich Dinge im Laden einwickeln zu lassen, war die reinste Zeitverschwendung, da sie der Versuchung nie widerstehen konnte, das Papier zu Hause wieder ein wenig zu öffnen, um sich das, was sie erstanden hatte, noch einmal anzusehen. Und da das Papier, wenn sie versuchte, was auch immer in die Verpackung zurückzuschieben, unweigerlich zerriss, ersparte sie sich und der Verkäuferin doch besser gleich die Mühe und die Zeit.

Sie stopfte die Krawatte in eine ihrer Tüten, verließ das Geschäft, bog um die Ecke der Union Street und stieß dort auf einen Haufen von Touristen, die mit lauten Ahs und Ohs die eleganten georgianischen Sandsteinhäuser der Stadt bewunderten. Bath war wirklich eine wunderbare Stadt, aber nach fünf Jahren nahm sie die Schönheit der Umgebung als gegeben hin. In dem Bewusstsein, dass es zwanzig vor drei war und dass sie bereits vor zehn Minuten hätte ihren Dienst antreten sollen, schob sie sich wenig später durch die Glastür der Witherspoonschen Bank.

Mr. Campbell, Filialleiter und Pünktlichkeitsfanatiker, war sich dieses Fehlers ebenfalls bewusst. »Sie kommen zehn Minuten zu spät, Mrs. Parker«, tadelte er milde.

Hope bedachte ihn mit einem abgehetzten Blick, was nach der Jagd die Union Street herunter nicht besonders schwer war. »Tut mir Leid, Mr. Campbell«, sagte sie ein wenig außer Atem. »Heute ist der vierzigste Geburtstag meines Mannes, und ich habe noch schnell ein Geschenk für ihn gekauft ...«

»Nicht schlimm«, erklärte Mr. Campbell in begütigendem Ton. »Aber sehen Sie zu, dass das nicht noch einmal vorkommt.«

Sie eilte in das Hinterzimmer für die Angestellten, stopfte die Tüten in ihren Spind, schälte sich eilig aus ihrem marineblauen Wollmantel und kehrte schnellstmöglich zurück hinter den Schalter.

»Wie stellst du es bloß an, dass du zu spät kommst, ohne dass dieser Tyrann dir dafür den Kopf abreißt?«, wollte Yvonne wissen. Genau wie Hope arbeitete auch sie seit fünf Jahren bei der Bank, beschwerte sich jedoch regelmäßig darüber, dass der Filialleiter immer noch mit ihr umging wie mit einer widerspenstigen Auszubildenden.

»Das liegt einfach an meinem unschuldigen Gesicht«, erwiderte Hope und schaffte es, Mr. Campbell gleichzeitig lächelnd anzusehen. »Wohingegen du ganz einfach aussiehst wie ein Biest.«

Wie von Hope beabsichtigt, war Yvonne sofort besänftigt. Ihr gefiel die Vorstellung auszusehen wie ein Biest. Außerdem war sie ein derart gutmütiges Wesen, dass sie niemals wirklich beleidigt war. Anders als Betsey, Hopes andere gute Freundin. Betsey war so gut wie stets beleidigt und hätte auf der Stelle wissen wollen, was Hope mit diesem Satz gemeint hatte.

Hope wusste, sie selbst sähe nicht in einer Million Jahre je aus wie ein Biest. Biester hatten keine rehbraunen, gelockten Haare mit zahllosen fusseligen Strähnen, gegen die einfach kein Kraut gewachsen war, sie hatten auch keine runden, freundlichen Gesichter mit großen, ständig überrascht wirkenden haselnussbraunen Augen und keine vollen Münder wie die schüchternen jungen Mädchen auf den Bildern der französischen Maler des achtzehnten Jahrhunderts.

Matt hatte einmal gesagt, es wäre dieses »Nicht-von-dieser-Welt-Sein«, in das er sich bei ihrer ersten Begegnung verliebt hätte. »Als stammtest du aus einer vollkommen anderen Zeit, wärst aus deinem langen Rüschenkleid gestiegen und plötzlich hier in der Moderne aufgetaucht«, hatte er ihr liebevoll erklärt. Matt hatte einen Hang zu wildromantischen, ungewöhnlichen Sätzen. Die Arbeit in der Werbebranche war eine Vergeudung seines Talents, dachte sie voller Zuneigung.

»Was hast du Matt gekauft?«, fragte Yvonne und schob ein Päckchen mit Karamellbonbons über den Tisch.

»Eine Krawatte, eine Flasche von dem Wein, den er so gerne trinkt, und Rasierwasser«, antwortete sie, während sie genüsslich eins der Bonbons auswickelte.

»Das ist nett«, murmelte Yvonne mit vollem Mund.

Eine Zeit lang kauten sie beide schweigend, und Hope begann, ihren Abend zu planen, dessen Höhepunkt Matts Geburtstagsdinner sein würde. Nur sie beide, unter der Voraussetzung, dass Millie keinen Aufstand machte und sich weigerte, ins Bett zu gehen. Sie war zwar erst vier Jahre alt, aber sie regierte den Parkerschen Haushalt bereits mit eiserner, wenn auch in einem Samthandschuh versteckten, Faust. Der zweijährige Toby war das genaue Gegenteil. Er war so ruhig, dass Hope sich ständig Sorgen machte, wenn er in der Krippe war. Millie konnte sich behaupten, aber stellte sie sich auch vor Toby? Man hörte ja so viel davon, dass Kinder andere Kinder malträtierten, und Hope brächte jede Göre um, die ihrem geliebten Toby auch nur ein Haar krümmte. Mit seinem blassen, freundlichen Gesicht und den fragenden Augen erinnerte er sie an sie selbst als kleines Kind. Sie betete, dass er einmal stärker und durchsetzungsfreudiger würde, nicht wie sie, sondern eher wie sein Dad.

»Geschenke für Männer sind immer schwierig«, seufzte Yvonne, nachdem sie den Rest ihres Toffees geschluckt hatte. »Ich finde die Frauen toll, die Dinge sagen wie ›Ich habe dein Geschenk am Körper‹. Du weißt schon, die einfach irgendein teures Negligé oder Strapse und durchsichtige Strümpfe tragen und das ist sein Geschenk. Vielleicht probiere ich das mal bei Freddie aus.«

»Wunderbar«, antwortete Hope, ein wenig verlegen, weil sie so viel über Yvonnes Sexleben erfuhr. Yvonne war neunundzwanzig, Waliserin, und in allen Dingen ausgesprochen offen, also das genaue Gegenteil von ihr. Hope behielt ihr Privatleben lieber für sich, auch wenn das, wenn man mit jemand wie Yvonne zusammenarbeitete, nicht immer einfach war. Yvonne wäre tatsächlich in der Lage, Hope danach zu fragen, was sie täte, wenn Matt jemals ein Verhältnis hätte, oder ob sie jemals ein Diaphragma benutzt hatte.

»Äh, nein«, hatte Hope bei der Gelegenheit gesagt und war bis unter die Haarwurzeln errötet. Tante Ruth hatte sie nicht dazu erzogen, sich unbekümmert über Sex zu unterhalten. Als sie zum ersten Mal ihre Periode bekommen hatte, hatte Tante Ruth ihr wortlos ein Buch für heranwachsende Mädchen in die Hand gedrückt, sich abrupt von ihr abgewendet und sich auf den Weg zu ihrem Bridgeabend gemacht. Danach hatten sie das Thema nie wieder erwähnt.

»So ein Geschenk solltest du Matt heute Abend machen«, stichelte Yvonne.

»Was für ein Geschenk?«

Yvonne senkte ihre Stimme, weil Mr. Campbell aus seinem Büro gekommen war und unweit des Kopierers stand. »Du solltest etwas Verführerisches tragen und Matt erklären, das wäre sein letztes Geschenk.«

»Also wirklich, Yvonne«, wisperte Hope verlegen. »Du denkst immer nur an das eine.«

»Allerdings, und zwar mit Begeisterung.« Yvonne kicherte und strich sich eine Strähne ihrer glatten, rabenschwarzen Haare aus der Stirn.

Zwei Stunden später hatte sie sich erfolgreich durch den Verkehr gekämpft und bog in die Maltings Lane. Hübsche, in den Fünfzigern aus honigfarbenem Cotswold-Stein gebaute Häuser säumten die gewundene Straße. Da die Gebäude klein und halbwegs erschwinglich waren, lebten hier zahlreiche junge Paare mit kleinen Kindern.

Als sie selbst vor fünf Jahren hierher gezogen waren, hatte Hope hochfliegende Träume von sich als Gartenexpertin gehabt und ein Gartenlexikon zusammen mit einem Buch erstanden, das beschrieb, wie man eine kleine Fläche Land in einem Vorort in ein Paradies verwandelte. Diese Bücher verstaubten jetzt zusammen mit dem Buch über Inneneinrichtung, das sie auf einem Flohmarkt gekauft hatte, in dem überquellenden Regal über der Treppe. Inzwischen schenkte Hope dem kniehohen Rasen und dem von Unkraut überwucherten Steingarten, in dem sich vier gestutzte Koniferen elendig zusammenkauerten und sich standhaft weigerten, höher zu werden als fünfzehn Zentimeter, nur noch gelegentlich Beachtung. Heute Abend jedoch fand sie noch nicht einmal die Zeit für den gewohnten, schuldbewussten Blick und den flüchtigen Gedanken »Ich wünschte, ich hätte Zeit, um an diesem Wochenende endlich etwas im Garten zu tun«.

Marta wäre außer sich, wenn sie die Kinder später als Viertel nach sechs abholen käme. Marta war die Leiterin von »Die kleinen Schätze«, der Krippe, in der Toby und Millie sämtliche Wochentage zubrachten. Die Einrichtung war derart gut geführt und hatte derart gutes Personal, dass Hope es sich nicht leisten konnte, laut zu sagen, dass sie Marta, was den Umgang mit den Eltern ihrer Schützlinge betraf, für eine reizbare Hexe hielt. Wenn Hopes Kinder hinausgeworfen würden, stünden mindestens dreißig Familien Schlange, um sie durch ihre eigenen Nachkommen zu ersetzen. »Marta ist eben eine strenge Zuchtmeisterin«, beliebte Matt zu scherzen, wenn Hope mit tränenfeuchten Augen heimkam, nachdem Marta sie mal wieder abgekanzelt hatte, weil sie zu spät gekommen war. Matt verstand nicht, wie sehr Hope diese Streitereien hasste.

Die Krippe schloss um achtzehn Uhr fünfzehn und allen Eltern, die auch nur eine Sekunde später kamen, hielt Marta eine Predigt in der Richtung »Falls Sie sich einbilden, Sie können mich ausnutzen, denken Sie besser noch mal nach«.

Hope konnte sich keinen Menschen vorstellen, der es wagen würde, Marta jemals auszunutzen. Was ein Jammer war.

Sie holte ihre Einkäufe aus dem Kofferraum des Wagens. Der Kater der Nachbarn saß zum Schutz vor dem eisigen Septemberwind vor ihrer Haustür und erweckte, obgleich er so fett war, dass er nicht mehr durch die Katzenklappe passte und deshalb durchs Fenster hereingelassen werden musste, den Eindruck, als wäre er ein Kandidat fürs Tierheim.

»Du kannst nicht mit reinkommen, Dicker«, erklärte Hope dem Kater, während sie versuchte, die Tür zu öffnen und sich durch einen schmalen Spalt zu zwängen, ohne dass das Tier ihr folgte. Es gelang ihr, sie ließ die Tüten auf den Küchenboden fallen, verstaute die Milch im Kühlschrank und blickte auf die Uhr.

Es war Punkt sechs. Sie käme nicht zu spät.

Als sie sich der Krippe näherte, sah sie Marta schon von weitem. Wie ein Rottweiler lauerte sie am Eingang und schien zu überlegen, wen sie beißen und wen sie ganz verschlingen sollte.

»Hallo«, sagte Hope mit falscher Fröhlichkeit. »Kühl, nicht wahr?«

»Wir haben beinahe Oktober«, schnauzte Marta, und ihre riesigen Ohrringe klirrten zum Zeichen ihrer Ungehaltenheit.

Hope hasste sich dafür, dass sie nur dämlich grinste. Hätte sie doch nur den Mut, Marta zu sagen, wohin sie sich ihre sarkastischen Bemerkungen ihrer Meinung nach am besten schöbe. Nicht zum ersten Mal erging sie sich in ihrem Lieblings-Tagtraum, in dem sie und Matt im Lotto gewannen, sie aufhörte zu arbeiten und sich ganz den Kindern widmete. In dieser Fantasiewelt erhielt sie als Vollzeitmutter außerdem Hilfe durch eine Putzfrau, eine Büglerin und jemanden, der die Einkäufe im Supermarkt für sie übernahm. Zudem konnte sie Marta endlich sagen, sie könnte sie mal gern haben, denn sie bräuchte sie nicht mehr. Sie würde sich selbst um ihre Kinder kümmern, vielen herzlichen Dank. Sie könnte täglich Stunden mit ihnen verbringen, mit Fingerfarben malen, sich Geschichten ausdenken und Köstlichkeiten aus geschmolzener Schokolade und Haferflocken zaubern, bei denen die Kinder die Mischung selbst anrühren dürften. Sie würde wundervolle, selbst gekochte Mahlzeiten servieren, sie würde sticken lernen, und der Garten wäre ein Paradies voll wunderbar gepflegter Pflanzen. Es wäre der Himmel auf Erden.

Millie und Toby warteten bereits auf sie. In ihren wattierten Anoraks sahen sie aus wie zwei Baby-Eskimos. Die dunkelhaarige Millie, die die Ungeduld des Vaters hatte, hatte einen empörten Ausdruck auf ihrem rotwangigen Gesicht. Ihre braunen Augen blitzten, weil sie bereits angezogen warten musste, statt weiter in der Spielecke mit den großen Schaumstoffwürfeln herumtoben zu können. Der ungeduldige Ausdruck auf ihrem Gesicht erinnerte Hope an Matt. Toby dagegen, hellhäutig wie seine Mutter, hielt brav seine Mütze in der Hand, und als er Hope entdeckte, überflog ein breites Lächeln sein rundliches Gesicht.

»Mummy, hab’ einen Stern bekommen«, erklärte er ihr fröhlich.

»Nein, hast du nicht«, widersprach Millie entrüstet. »Ich habe den Stern bekommen.«

Toby verzog traurig das Gesicht.

»Millie«, sagte Hope in vorwurfsvollem Ton. »Sei nett zu deinem kleinen Bruder.«

»Ach, der ist doch noch ein Baby«, schnaubte Millie und rümpfte ihre Stupsnase.

»Er ist dein Bruder«, sagte Hope. »Du musst dich um ihn kümmern und sollst nicht so böse zu ihm sein.«

Millie ergriff Tobys Händchen und hob in der Hoffnung auf ein Lob erwartungsvoll den Kopf.

Hope musste einfach grinsen. Millie war wirklich alles andere als dumm.

Sie verabschiedeten sich von Marta, die drohend in der Tür stand und wie eine Gefängniswärterin mit ihren Schlüsseln klimperte, und machten sich Händchen haltend auf den Heimweg. Wie jeden Abend plapperte Millie fröhlich vor sich hin, während Toby eisern schwieg. Ungefähr eine halbe Stunde wirkte er wie erstarrt, und erst dann, als taue er in seinem eigenen, sicheren Zuhause allmählich auf, begann er zu lachen, zu erzählen und sich mit seinem Lieblingsspielzeug – augenblicklich einem leuchtend violetten Plastikzug mit zahllosen Waggons – zu beschäftigen. Sein Verhalten erfüllte Hope mit Sorge. Sie fürchtete, dass er die Krippe hasste, doch wagte sie nicht, ihn danach zu fragen, denn vielleicht würde er sich dann an ihre Beine klammern und sie bitten, dass sie ihn nicht mehr dorthin brächte.

Eine Arbeitskollegin hatte zwei grauenhafte Monate durchlebt, in denen ihre kleine Tochter jeden Morgen jämmerlich geschluchzt und sie angebettelt hatte: »Bleib, Mami, bitte, bitte bleib!«, bis sie vor lauter Elend mit einem Schluckauf in sich zusammengesunken war.

Die Mütter kleiner Kinder hatten sich die Erzählung in der Kantine alle mit schuldbewusstem Schweigen angehört.

»Ich hasse es, meinen Sohn jeden Morgen zu verlassen«, hatte schließlich eine allein erziehende Mutter aus der Buchhaltung erklärt.

»Männer empfinden in diesen Dingen einfach anders«, hatte eine Investment-Beraterin, Mutter dreier Kinder, tonlos hinzugefügt.

Sie alle hatten elend dazu genickt.

Anschließend hatte Hope Tobys Gesicht drei Wochen lang jeden Morgen ängstlich nach Anzeichen eines drohenden Tränenausbruchs abgesucht. Hätte sie welche gefunden, hätte sie ihren Job hingeschmissen und Matt erklärt, sie müssten die Hypothek aufs Haus irgendwie anders abbezahlen, weil sie es nicht ertrüge, arbeiten zu gehen, während ihr geliebter kleiner Junge sich vor Sehnsucht nach ihr die Augen aus dem Kopf heulte. Aber Toby weinte nie. Er ging jeden Morgen brav in seinen Raum und sah Hope, wenn sie ihn unter Martas missbilligendem Blick zum Abschied in den Arm nahm, mit großen Augen an.

»Er ist ein ruhiger kleiner Junge«, hatte Clare, eine der Erzieherinnen, sie beruhigt, als sie ihre Sorge ausgesprochen hatte. »Aber er kommt wirklich gut zurecht, Hope, wirklich. Er spielt gern mit dem Knetgummi und ist begeistert, wenn eine von uns eine Geschichte erzählt. Wir alle wissen, dass er ein bisschen schüchtern ist, also geben wir besonders auf ihn Acht. Machen Sie sich keine Sorgen. Millie ist vollkommen anders, nicht wahr?«

Ja, hatte Hope ihr beigepflichtet, Millie war vollkommen anders. Sie hatte ein selbstbewusstes, ja beinahe draufgängerisches Wesen. Die beiden erinnerten Hope an sie selbst und ihre Schwester Sam, als sie klein gewesen waren: Hope war die Ruhige, Folgsame gewesen, während die drei Jahre ältere Samantha stark, eigenwillig und selbstbewusst immer ihren eigenen Weg gegangen war.

Heute Abend marschierte Millie unmittelbar nach ihrer Heimkehr auf ihr Zimmer, holte ihre Puppen und erklärte ihnen rüde, sie sollten ihre Milch trinken und sich anständig benehmen, sonst wäre etwas los. Sie klang genau wie Marta, wenn diese mit den Eltern sprach.

Hope ging in die Knie, um Tobys Anorak aufzuknöpfen. »Hast du einen schönen Tag gehabt, mein Liebling?«, fragte sie mit sanfter Stimme, half ihm aus dem Kleidungsstück und zog ihn eng an ihre Brust. Toby nickte und sie küsste ihn zärtlich auf die weichen, blonden Haare und sog den wunderbaren Duft des Kleinkinds in sich auf. Er roch nach Krippe, Babyshampoo und Weichspüler.

»Weißt du, dass Mami dich lieb hat, Toby? Ganz, ganz doll. Mehr als die ganze, große Welt.«

Er sah sie lächelnd an und tätschelte ihr mit einer kleinen Patschhand liebevoll die Wange.

»Mami muss heute Abend ein besonderes Geburtstagsessen für Daddy kochen, aber ich glaube, erst sollten wir noch ein bisschen spielen, meinst du nicht?«

Toby nickte erneut.

»Wie wär’s mit einer Geschichte? Was soll ich dir vorlesen? Du darfst aussuchen.«

Sie setzten sich zu dritt auf das große, weizengelbe Sofa und Hope las Tobys Lieblingsgeschichte Vom Bären mit der Zauberpranke vor. Millie sagte immer, es wäre eine Geschichte für Babys, nicht für große Mädchen, aber am Ende der ersten Seite nagte sie bereits aufgeregt an ihrer Unterlippe und hörte voller Spannung zu. Nach dem Zauberbären kam Die kleine Meerjungfrau, Millies Lieblingsgeschichte.

Obgleich sie wusste, dass sie längst mit den Vorbereitungen für Matts Geburtstagsdinner hätte beginnen sollen, kam Hope erst zwanzig Minuten später zum Ende der Erzählung und machte das Essen für die Kinder. Während die beiden spielten, bereitete sie Hähnchenbrust mit Gemüse zu und dachte, wenn sie Frau Blumenrock wäre, bekämen ihre Kinder Püree aus selbst gezogenen Karotten mit köstlicher selbst gemachter Lasagne oder etwas anderem aus dem Nichts Gezauberten.

Allerdings hatte Millie eine ausgeprägte Abneigung gegen alles selbst Gekochte. Sie liebte Fischstäbchen und Nudeln aus der Dose in Form von Zeichentrickfiguren, und es gab kaum Hoffnung, dass sie vielleicht jemals etwas anderes zu sich nahm.

Hope dachte stolz an ihr neues Kochbuch. Bald würde sie fantastische Mahlzeiten bereiten, die jeder lieben würde. Sie löste die Plastikfolie von den Steaks. Die Anweisung auf der Packung klang nicht weiter schwierig, aber Steaks waren so leicht zu ruinieren. Man brauchte sie nur ein bisschen zu lange zu braten, und schon waren sie zäh wie altes Leder. Sie wäre lieber mit Matt in ein Restaurant gegangen, aber sein Kollege und bester Freund Dan hatte bereits ein Geburtstagsdinner für Donnerstag organisiert. Die Agentur hatte einen neuen Großauftrag bekommen, der dabei gleich mitgefeiert würde. Matt freute sich darauf, schließlich war er wesentlich geselliger als sie und liebte die Vorstellung von einer großen Feier, auf der er alle Gäste mit seinem Charme betören würde und ihm selbst erklärt wurde, dass er der cleverste Werbefachmann aller Zeiten wäre. Hope fühlte sich auf diesen Partys immer ein wenig deplatziert. Obgleich sie als arbeitende Mutter zweier kleiner Kinder für sämtliche Werbestrategen Zielperson Nummer eins war, waren sie an ihr als realem Menschen nicht sonderlich interessiert.

Im Gedanken an die bevorstehende Party stellte sie das Essen für die Kinder auf den Tisch und holte für sich selbst eine Tasse Tee.

»Toby, Millie! Essen«, rief sie durch das Haus.

Wie immer saßen Toby und Millie einander am Küchentisch gegenüber, damit Millie nicht an Tobys Milchbecher herankam und ihn umkippte. Ihre Mutter hatte entsprechend ihrer Funktion als Schiedsrichterin den Platz am Kopfende gewählt. Millie spielte wie gewöhnlich mit dem Essen herum und verlangte, während sie Karottenstücke über dem ganzen Tisch verteilte, lautstark nach Fischstäbchen. Toby hingegen aß gerne und schaufelte sich das klein geschnittene Hühnchen in den Mund. Er trank seine Milch und leerte seinen ganzen Teller, während Millie ihre Barbie-Puppe über den Tisch hüpfen ließ, unbekümmert sang und ihr Essen einfach ignorierte.

»Millie«, tadelte Hope, als Barbie ein Stück Hühnchen auf den Boden kickte. »Iss auf, oder ich muss dich füttern wie ein Baby.«

Sie nahm Millie die Barbie-Puppe ab, Millie begann lautstark zu brüllen, und weitere Hühnchenstücke flogen auf den Boden.

»Millie! Du bist wirklich ungezogen«, sagte Hope, unterdrückte den aufsteigenden Zorn und wünschte sich, sie wäre nicht derart müde und gereizt.

In diesem Augenblick zwängte sich Millie von ihrem Stuhl herunter und schob sich dabei derart unsanft vom Tisch ab, dass die Teetasse umfiel.

»Millie!«, brüllte Hope, als der heiße Tee auf ihren Rock schwappte, den sie direkt nach ihrer Heimkehr hätte ausziehen sollen.

»Ich weiß immer, dass ich im richtigen Haus gelandet bin, wenn lautes Geschrei an meine Ohren dringt, sobald ich durch die Tür komme«, erklärte Matt ironisch. In seinem eleganten Anzug und mit dem tadellosen Haarschnitt wirkte er in der kleinen, stets unaufgeräumten Küche völlig fehl am Platz.

Hope knirschte mit den Zähnen. Dies war nicht die Art Heimkehr, die sie für seinen Geburtstag geplant hatte. Sie hatte eher an Kerzenlicht, den Duft eines köstlichen Essens und an sich selbst in violettem Samt und fein parfümiert gedacht. Stattdessen herrschte wie fast immer Chaos, und sie saß mit wild zerzausten Haaren, fleckiger Garderobe und eingehüllt in den Geruch des Schweißes, der seit der mittäglichen Rennerei durch diverse Geschäfte an ihr klebte, übellaunig da. Kinder und romantische Essen zu zweit schlossen einander ohne jeden Zweifel aus.

Millie hörte auf zu jaulen, rannte zu ihrem Vater, schlang ihm ihre dicken Kinderärmchen um die Knie und vergrub ihr Gesicht an seiner grauen Wollhose.

»Daddy«, säuselte sie glücklich, als hätte sie nicht eben erst wie ein wild gewordener Kobold ihr Abendessen durch die Gegend geworfen.

Er nahm sie auf den Arm, und sie steckten ihre beiden dunklen Schopfe möglichst eng zusammen. Matt war groß, schlank und geschmeidig, mit dunklen, tief liegenden Augen, die den Puls sämtlicher Frauen höher schlagen ließen, und einem festen, seinen Starrsinn verratenden Kinn. Das diskrete Grau in seinem neuen, kurzen Haarschnitt verlieh seinem attraktiven Äußeren eine anziehende Reife. Selbst nach sieben Jahren schlug Hopes Herz beim Anblick ihres Mannes noch immer schneller. Nur schien es ihm schrecklicherweise, wenn er sie erblickte, nicht mehr so zu gehen.

»Hast du Ärger mit Mami?«, fragte er jetzt seine Tochter.

Millie brachte tatsächlich ein ersticktes Schluchzen über ihre Lippen. »Ja«, erwiderte sie traurig.

»Sie hat ihr Essen durch den Raum geworfen und meinen Tee umgekippt«, erklärte Hope, auch wenn sie wusste, dass sie wie eine zänkische Alte klang.

»Ist doch nicht so schlimm«, erklärte Matt gelassen, ohne sie dabei auch nur anzusehen. »Schließlich ist es nur ein bisschen Tee, den kannst du rauswaschen.«

Ohne Millie abzusetzen, fuhr er Toby durch die Haare und ging hinüber ins Wohnzimmer. Toby kletterte von seinem Stuhl, rannte hinterher, und Sekunden später drangen Kichern und Gelächter durch die offene Tür.

Hope starrte finster auf ihre cremefarbene, mit Teeflecken bedeckte Bluse. Ein Zipfel war aus dem Rock gerutscht und hing unordentlich an ihr herunter. Wirklich elegant. Ohne das Geschirr vom Tisch zu räumen, stand sie auf und ging hinauf, um sich umzuziehen. Sie schlüpfte in einen violetten Zweiteiler, kämmte sich die Haare, legte ihre Perlenohrringe an und besprühte sich mit etwas Eau de Toilette. Als sie den Lippenstift auftrug, setzte sie sich vor den kleinen Ankleidetisch und schaute in den Spiegel.

Sie wusste, sie war eine altmodische Erscheinung. Nicht die elegante, wunderschöne, geistvolle, strahlende Schönheit, wie man sie in alten Liebesromanen fand, sondern eher die ruhige, ernste Heldin, wie sie bei Jane Austen vorkam. Sie hatte ausdrucksvolle, etwas ängstliche Augen, und die Kleider aus der Zeit des Empire hätten ihr hervorragend gestanden, weil sie ihre vollen Brüste vorteilhaft betont, ihre etwas feste Taille und ihre eher stämmigen Beine hingegen kaschiert hätten. Ihre von langen, dichten Wimpern gerahmten, ausdrucksvollen Augen kamen am besten zur Geltung, wenn sie weiche, gedämpfte Farben trug. Der violette Zweiteiler stand ihr demnach bestens, während sie in ihren dunkelblauen oder kastanienbraunen Alltagskleidern langweilig und ältlich aussah.

Sie schminkte sich die Lippen, betonte ihren schlanken Hals, indem sie die Haare hochsteckte, und legte, bevor sie sich zum Gehen wandte, kurz die Finger auf die kleine Pillendose aus emailliertem Silber, die vor ihr auf dem Tisch stand. Sie hatte ihrer Mutter gehört, und sie zu berühren, gehörte für Hope ebenso zum normalen Tagesablauf wie das Zähneputzen nach den Mahlzeiten. Sie konnte sich an ihre Mutter nicht erinnern, sodass die Dose mit der aufgemalten Orchidee etwas Besonderes für sie war. Sam hatte eine ähnliche Dose, nur, dass sie das Bild einer Petunie trug.

Die Pillendosen gehörten zu den ganz wenigen Dingen, die sie von ihrer Mutter hatten. Ihre Eltern waren, als die Mädchen noch sehr klein gewesen waren, gestorben, als ihr Wagen auf dem Rückweg von einer Feier mit dem Fahrzeug eines Betrunkenen zusammengestoßen war. Ihr Vater war auf der Stelle tot gewesen, und ihre Mutter hatte man noch ins Krankenhaus gebracht, wo auch sie ihren Verletzungen erlegen war. Weder Sam noch Hope konnten sich gut an sie erinnern, und Tante Ruth, die sie in ihrem dunklen Haus in Windsor hatte aufnehmen müssen, hatte ihnen erklärt, es hätte keinen Sinn, zu lange zu grübeln, und hatte die meisten persönlichen Besitztümer der Eltern umgehend entsorgt. Aus diesem Grund hatten sie und ihre Schwester nur wenige Erinnerungsstücke an Camille und Sandy Smith. Abgesehen davon, dass sie Millie nach der Großmutter benannt hatten.

Hope lächelte und fragte sich, was sie ihren Kindern zur Erinnerung an sich hinterlassen würde, falls sie plötzlich stürbe: wahrscheinlich einen Korb voll Bügelwäsche oder ein schmutziges Geschirrtuch.

Unten sah sich Matt, flankiert von seinen beiden zufriedenen Kindern, die Nachrichten im Fernsehen an. Hope trat hinter das Sofa und küsste ihn aufs Haar.

»Tut mir Leid, dass ich so knurrig war, als du heimkamst«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Lass uns die beiden in die Betten schaffen, damit ich dir ein feines Geburtstagsessen kochen kann.«

»Daddy, du musst mir noch eine Geschichte vorlesen«, erklärte Millie nörgelnd, da sie wusste, dass sie in die Planung des weiteren Abends nicht mit einbezogen war.

»Das mache ich auch, Schätzchen«, antwortete Matt geistesabwesend und starrte weiter auf den Bildschirm.

»Eine lange Geschichte«, sagte Millie zufrieden. »Ganz lang, von Trollen und Feen ...«

Sie erschauderte wohlig, aber ihre Mutter sagte automatisch: »Keine Trolle. Davon bekommst du nur wieder Albträume.«

»Bekomme ich nicht.«

Doch Hope ließ sich nicht erweichen. »Keine Trolle.«

Matt erfüllte seine abendliche Pflicht als Vorleser, und als er wieder herunterkam, brutzelten die Steaks unter dem Grill und Hope kämpfte mit einem Rezept für Kräuter-Knoblauch-Butter, das sie in einer Frauenzeitschrift entdeckt hatte.

»Riecht gut«, erklärte Matt, kehrte an seinen Platz im Wohnzimmer zurück, spielte mit der Fernbedienung herum und fand schließlich den Sportkanal. Durch die Flügeltür zwischen den beiden Räumen sah Hope, dass er die Füße auf den Tisch legte. Statt seines Anzugs trug er seine älteste Jeans und ein verblichenes Sweatshirt, von dem sie hätte schwören können, dass sie es längst aussortiert hatte. Doch sie zuckte mit den Schultern. Es war sein Geburtstag, also konnte er anziehen, was er wollte.

In der Hoffnung auf ein Lob griff sie nach der Flasche mit dem Geburtstagswein. »Machst du sie schon mal auf?«, fragte sie und hielt ihrem Gatten den unverschämt teuren Korkenzieher hin, den er in einem Restaurant gesehen und unbedingt hatte bestellen müssen.

»Ja«, sagte er, ohne den Blick vom Fernseher zu nehmen, öffnete die Flasche und gab sie ihr zurück. Nachdem sie zwei Gläser gefüllt und sich vergewissert hatte, dass die Steaks auch ohne sie zurechtkamen, kehrte sie ins Wohnzimmer zurück, reichte Matt sein Glas und schmiegte sich neben ihn aufs Sofa.

»Und, schönen Tag gehabt?«

Als Antwort kam ein Knurren.

Hope versuchte es noch einmal. Sie war fest entschlossen, seinen Geburtstag mit einem wunderbaren, romantischen Abend zu begehen. Sie liebte Abende wie diesen, an denen sie und Matt gemütlich aßen, während ihre geliebten Kinder oben schliefen. Genau so war es in glücklichen Familien. Sie wusste es genau, und sie bestand darauf.

Aber Matt hatte dazu ganz offensichtlich keine Lust. Er starrte weiter reglos auf den Bildschirm.

Nachdem Hope noch ein paarmal versucht hatte, sich mit ihm zu unterhalten, sah er sie seufzend an und fragte, wann das Essen fertig wäre.

»Gleich, sofort«, antwortete sie, sprang vom Sofa und kehrte zurück in die Küche.

Sie zündete die Kerzen auf dem Tisch an, legte die burgunderroten Leinenservietten, die ihnen jemand zur Hochzeit geschenkt hatte, neben die Teller und servierte das zweite Dinner dieses Tages.

Instinktiv erschien Matt, sobald sein Teller auf dem Tisch stand, in der Küche, setzte sich auf seinen Platz und schaufelte das Essen hungrig in sich hinein.

»Wirklich schön, nicht wahr?«, fragte ihn Hope.

»Mm«, knurrte er, ein Auge immer noch auf den von seinem Platz aus zu sehenden Fernseher geheftet.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte Hope.

»Ja, wunderbar. Ein wirklich gutes Steak.«

»Das habe ich nicht gemeint.«

Seufzend riss er seinen Blick für einen Augenblick vom Bildschirm los. »Hope, müssen wir heute Abend unbedingt eins dieser ›Ist-alles-in-Ordnung‹-Gespräche miteinander führen? Ich bin müde, ich hatte einen anstrengenden Tag und ich würde mich, falls das nicht zu viel verlangt ist, gern etwas entspannen.«

In ihren Augen sammelten sich Tränen.

»Sicher, kein Problem.«

Die Stimme eines Sportreporters in den Ohren, aß Hope mechanisch, ohne etwas zu schmecken, weiter.

Irgendetwas stimmte nicht, das wusste sie genau. Wusste es seit Wochen. Matt war nicht glücklich und sie war sich sicher, es lag nicht an seinem Job. Also musste es etwas Persönliches sein, etwas, was ihn und sie betraf, etwas Schreckliches.

Er war deprimiert, seit vor zwei Monaten sein Lieblingsonkel in Irland gestorben war, und zu Anfang hatte sie gedacht, er hätte vielleicht Schuldgefühle, weil er Gearóid seit Jahren nicht mehr besucht hatte. In Matts Familie stand man einander im Grunde nicht besonders nahe, und nach ihrer Hochzeit war Hope, die erwartet hatte, endlich im Schoß einer richtigen Familie aufgenommen zu werden, überrascht gewesen davon, dass es bei der Familie Parker nur eine Gemeinsamkeit zu geben schien: die völlige Gleichgültigkeit gegenüber der Verwandtschaft. Matts Eltern waren erstaunlich selbstgenügsame Menschen, die ihr einziges Kind sehr spät und nicht unbedingt zu ihrer großen Freude bekommen hatten, und die nun, da es erwachsen und verheiratet war, offenbar der Ansicht waren, sie hätten das Ihrige getan. Hope konnte ein solches Verhalten nicht verstehen, aber sie war dankbar, dass Matt trotz seiner eigenen Erziehung ein derart liebevoller, engagierter Mann und Vater war.

Sam hatte weise festgestellt, Matt wäre entschlossen, sein Leben anders zu führen als seine strengen, kalten Eltern. »Er kann einfach nicht glauben, dass jemand ihn liebt, und er braucht dich.«

Hope wünschte nur, sie selbst wäre sich ebenfalls sicher, dass ihr Mann sie brauchte. Wenn sie sich dessen sicher wäre, hätte sie keine solche Angst davor, ihn zu fragen, was seit Wochen mit ihm los war. Lag es an Gearóids Tod? Er hatte den exzentrischen Onkel, bei dem er als Kind immer den Sommer verbracht hatte, abgöttisch geliebt.

Aber als sie versucht hatte, ihn wegen Gearóids Ableben zu trösten, hatte er sie angefahren, sodass dies vielleicht doch nicht der Grund für seinen fortgesetzten Trübsinn war. Aber was war es dann? Sie musste ihn einfach fragen.

»Erzähl mir nicht, es wäre nichts«, sagte sie deshalb eilig. »Ich weiß, dass du nicht glücklich bist, Matt.«

»Okay, du hast Recht, du hast Recht«, fuhr er sie an und knallte seine Gabel auf den Tisch. »Ich bin nicht glücklich. Dafür, dass du das gemerkt hast, gewinnst du einen Preis.«

»Ich will dir doch nur helfen«, sagte Hope mit leiser Stimme.

»Es ist nur ... oh.« Er hob die Hände in die Luft. »Ich weiß nicht. Ich bin einfach ein bisschen niedergeschlagen, das ist alles. Unerfüllt, angenervt, deprimiert, ich weiß nicht, wie ich es nennen soll.«

Da sie nicht wusste, was als Nächstes käme, starrte sie ihn schweigend an.

»Sag nicht, dass es eine Midlife-Crisis ist«, fügte er unfreundlich hinzu. »Das hat der verfluchte Dan bereits getan. Er meinte, nicht mehr lange, und ich brenne mit einer Siebzehnjährigen durch.«

Hope zuckte zusammen.

»Das war nur ein Scherz«, erklärte Matt, als er ihr Gesicht sah, fügte jedoch voller Bitterkeit hinzu: »Welche Siebzehnjährige würde mich schon wollen? Ich meine, ich bin vierzig Jahre alt, und was habe ich geleistet? Nichts. Ich habe mir jahrelang den Arsch aufgerissen, und wofür? Für einen halbwegs anständigen Wagen und die Aussicht auf eine gute Rente. Ich habe nichts getan, nicht das Geringste geleistet, auf das ich wirklich stolz bin.«

»Du hast Millie und Toby«, sagte Hope mit schwacher Stimme, fügte jedoch in der Angst, dass Matt vielleicht den Eindruck hätte, sie wäre nichts Besonderes, das »und mich« nicht mehr hinzu.

»Ich weiß, ich weiß, es ist eine ... Männersache.« Vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben suchte Matt nach Worten. Er schien nicht ausdrücken zu können, was er meinte. Oder vielleicht wusste er auch ganz genau, was er hätte sagen wollen, hatte jedoch die Hoffnung, dass sie von selbst dahinter kam. Er wollte sie verlassen, das musste es sein.

Hope wartete mit schmerzlich zusammengezogenen Eingeweiden ab. Das war es: Matt wollte sie verlassen. So ging es ihr immer. Ihre Mutter und ihr Vater hatten sie ebenfalls verlassen, noch ehe sie auch nur die Chance bekommen hatte, sie richtig zu kennen. Also gut, sie waren gestorben, es war also etwas anderes. Aber Hope hatte beinahe seit dem Augenblick, in dem sie sich in Matt verliebt hatte, darauf gewartet, dass er ging. Dies war sicher der Preis dafür, dass sie einen derart attraktiven Mann gewonnen hatte – sie könnte sich seiner nie völlig sicher sein, könnte ihn nie auf Dauer halten. All die Ängste, die Hope jahrelang für sich behalten hatte, brachen sich jetzt Bahn.

Matt blickte sie an. Er kannte ihre Geschichte, wusste um ihre Panik, dass man sie verließ. »Alles in Ordnung«, erklärte er in beinahe rüdem Ton. »Ich werde nicht gehen.«

Die Tränen, die Hope bisher erfolgreich zurückgehalten hatte, flossen ihr jetzt über die Wangen. Sie wusste, dass er log: Es war nicht zu übersehen. Er hatte eine andere, er wollte sie verlassen, es war nur eine Frage der Zeit.

»Ich habe eine schlechte Phase und versuche damit zurechtzukommen«, erklärte er ihr müde. »Das gelingt mir sicher besser, wenn du mich einfach etwas in Ruhe lässt.«

»Aber das kann ich nicht«, wisperte sie mit erstickter Stimme. »Ich liebe dich so sehr und ich kann es nicht ertragen, wenn es dir nicht gut geht. Ich meine ...« Sie schob ihren Teller beiseite, da ihr Appetit verflogen war. »Ich würde alles tun, damit es dir wieder besser geht.« Sie wagte einfach nicht zu fragen, ob er eine andere hatte. Hatte viel zu große Angst davor, dass er die Wahrheit sagen würde.

»Das kannst du nicht«, erklärte er ihr unumwunden. »Ich bin derjenige, der in der Midlife-Crisis steckt, nicht du. Du kannst es nicht einfach wegzaubern, damit wir weiter die glückliche Familie spielen können. So läuft das Leben einfach nicht. Können wir jetzt vielleicht einfach versuchen, einen halbwegs entspannten Abend zu verbringen? Bitte?«, fügte er ein wenig freundlicher hinzu.

Hope nickte, stocherte in dem Steak auf ihrem Teller und versuchte sich den Anschein zu geben, als hätte sie Hunger. Matt machte sich ebenfalls erneut über sein Essen her und wandte sich gleichzeitig wieder dem Bildschirm zu.

Sie beobachtete ihn voller Argwohn. Ihre Nerven lagen blank, und sie wünschte sich, sie würde nicht derart jämmerlich nach Liebe hungern, dass sie alles mit sich machen ließ. Sie glaubte ihm kein Wort. Es war eindeutig, dass er log. Wenn sie doch nur stärker wäre, würde sie verlangen, dass er die Wahrheit sagte. Jemand wie Sam hätte das gesamte Abendessen durch die Küche geschleudert und eine Erklärung verlangt. Hope wusste, wie Sam mit der Situation umgehen würde, weil Sams Reaktionen in ihr Hirn gebrannt waren. Man wuchs nicht praktisch wie ein siamesischer Zwilling mit seiner großen Schwester auf, ohne alles über sie zu wissen. Was noch lange nicht hieß, dass sie ihr selbstbewusstes Verhalten einfach auf sich übertragen konnte.

Er leerte seinen Teller und sah sie lächelnd an. »Das war wirklich köstlich«, sagte er mit sanfter Stimme. »Lass uns alles vergessen und einen Film ansehen. Ich bin auf dem Rückweg aus der Firma an der Videothek vorbeigefahren.«

»Ich könnte dir deine Geschenke geben«, sagte sie, versessen darauf, den Ort der Verzweiflung zu verlassen, an dem sie sich im Augenblick befand. Wenn sie doch noch einen netten Abend miteinander verbrächten, hieß das, dass ihre Ehe doch in Ordnung war. Oder etwa nicht?

Am nächsten Morgen schlug Matt statt wie sonst um sieben bereits um sechs Uhr dreißig die Bettdecke zurück. Eine frühe Besprechung, sagte er zu ihr. Hope, deren Kopf nach einer vor Sorgen praktisch schlaflosen Nacht dröhnte, konnte sich nicht rühren. Sie war vollkommen erschöpft, und ihre Augen waren derart verquollen, als hätte ihr jemand irgendein anschwellendes Mittel unter die Lider gespritzt. Sie wusste, sie sollte aufstehen, um mit Matt zu sprechen – irgendein paar banale Sätze, um sich davon zu überzeugen, dass alles okay war –, aber sie war einfach zu kaputt.

Bereits zwanzig Minuten später trat Matt fertig geduscht und frisch rasiert in seinem schwarzen Anzug von Armani, einem weißen Hemd und der neuen Krawatte neben das Bett, um seine Uhr vom Nachtschränkchen zu nehmen. Hope setzte sich auf und rieb sich die schlaftrunkenen Augen.

»Tschüs, Liebling«, flötete sie. »Ich liebe dich.« Sie hoffte, er würde sie zum Abschied küssen, aber er bedachte sie lediglich mit einem Lächeln.

»Bis heute Abend«, sagte er und war, ohne sie geküsst zu haben, auch schon aus der Tür.

Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie derart verliebt gewesen waren, dass Matt sich morgens noch einmal die Kleider vom Leib gerissen und zu ihr ins Bett gestiegen war, um sie, ohne auch nur einen Gedanken darauf zu verschwenden, dass er zu spät zur Arbeit käme, voller Leidenschaft zu lieben. Hope biss sich auf die Lippe. Das verflixte siebte Jahr war mehr als nur verflixt, es schien ein echtes Horrorjahr zu sein.

Einziger Trost war, dass er ebenfalls müde ausgesehen hatte. Er hatte also auch nicht gut geschlafen. Ob es daran lag, dass er sich danach sehnte, sich mit ihr zu versöhnen, oder dass er im Geiste sämtliche Möglichkeiten durchgegangen war, ihr mitzuteilen, dass ihre Ehe am Ende war, konnte sie nicht sagen.

Da Millie spürte, dass Hope müde und gereizt war, war sie noch frecher als gewöhnlich. Millie mochte aussehen wie ein engelsgleiches Kind aus der Seifenwerbung, aber sie hatte eindeutig eine bösartige Ader, die in deutlichem Kontrast zu ihrer sanften Miene stand. Hope wusste aus Erfahrung, dass Millie, wenn sie mit der vorgeschobenen, vollen Unterlippe und den naiven dunklen Augen auffallend unschuldig aussah, etwas besonders Ärgerliches angestellt hatte. Wie damals, als sie den Stöpsel in das Waschbecken im oberen Badezimmer gesteckt und die Hähne voll aufgedreht hatte, sodass das Wasser schließlich die Treppe hinuntergelaufen war und den Teppich ruiniert hatte.

Heute Morgen rannte sie, während Hope oben Toby anzog, in die Küche und backte Kuchen aus Tomatenketchup, Mayonnaise und Müsli, wobei sie den Inhalt der Ketchupflasche großzügig auf dem Fußboden verteilte.

»Millie!«, war alles, was Hope sagen konnte, als sie mit Toby herunterkam, und ein Meer von Ketchup-Keksen auf dem Tisch, auf dem Boden und vor allem auf Millies limonengrünem Pullover sah.

»Du bist wirklich ein ungezogenes Mädchen. Du bist vollkommen verdreckt, und ich muss alles sauber machen. Wenn du nicht sofort nach oben gehst und den Pullover ausziehst, kommen wir zu spät.«

»Scheiße«, kam die rebellische Antwort.

»Was?«, keuchte Hope entgeistert. Woher hatte Millie einen solchen Ausdruck?

Selbst Millie schien bewusst zu werden, dass sie etwas sehr Hässliches gesagt hatte, und so lief sie geschmeidig wie ein Windhund die Treppe hinauf, während Hope über die Ketchup-Lache stieg und den Wasserkessel aufsetzte. Sie brauchte jetzt extra starken Kaffee. Sie hatte einen Mann, der sie verlassen wollte, und eine aufsässige vierjährige Tochter, die offenbar die schlimmsten Flüche in der Krippe lernte, für die Hope einen Großteil ihres Gehalts ausgab. Na, wunderbar.

Hi Sam, was macht der neue Job? Sind alle nett zu dir?

Blöde Frage, dachte Hope und löschte den Satz. Wenn man neu in ein Büro kam, waren alle Leute nett zu einem, nicht jedoch, wenn man der neue Boss war.

Uns allen geht es gut, und wir freuen uns auf Matts Geburtstagsdinner. Eigentlich hatte ich mir dafür ein neues Kleid zulegen wollen, aber dann habe ich es mir noch einmal anders überlegt. Wenn ich doch nur in deine Designer-Klamotten passen würde. Wenn du das nächste Mal deinen Schrank ausmistest, schick mir doch bitte eine Ladung. Dann mache ich vielleicht endlich mal eine Diät!

Bis bald am Telefon,

alles Liebe, Hope.