Wie Schule funktioniert - Peter J. Brenner - E-Book

Wie Schule funktioniert E-Book

Peter J. Brenner

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  • Herausgeber: Kohlhammer
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2009
Beschreibung

Ohne Unterlass werden in der deutschen Bildungsdiskussion die Pisa-Ergebnisse und mit ihnen die Frage der Bildungsgerechtigkeit hin und her gewendet. Dabei gerät aus dem Blick, dass die Schule mit lebendigen Menschen zu tun hat: mit Schülern, Lehrern und auch mit den Eltern der "bildungsfernen" und "bildungsnahen" Schichten. Sie alle, Schüler, Lehrer, Eltern sind maßgeblich daran beteiligt, ob Schule funktioniert oder nicht. Denn zur Schule gehören nicht nur die spektakulären Tests mit den großen Schlagzeilen. Zur Schule gehört ebenso der Alltag im Klassenzimmer, im Lehrerzimmer und auf dem Pausenhof; zur Schule gehören die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen in der Überflussgesellschaft, die Lehrerausbildung und Lehrerweiterbildung, die Lehrer- und die Elternverbände mit ihren politischen Einflussmöglichkeiten. Das Buch handelt von dem unentwirrbaren Beziehungsgeflecht von großer Politik und Schulalltag, von statistischen Zahlen und alltäglicher Wirklichkeit, von großen Ansprüchen und kleinen Erfolgen, von eingängigen Slogans und widerstreitenden Interessen. Es beschreibt die Wege und Irrwege der jüngsten Entwicklungen im deutschen Schulwesen und es will zeigen, wie trotz allem Schule für alle Beteiligten zum Lernprozess werden kann.

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Ohne Unterlass werden in der deutschen Bildungsdiskussion die Pisa-Ergebnisse und mit ihnen die Frage der Bildungsgerechtigkeit hin und her gewendet. Dabei gerät aus dem Blick, dass die Schule mit lebendigen Menschen zu tun hat: mit Schülern, Lehrern und auch mit den Eltern der 'bildungsfernen' und 'bildungsnahen' Schichten. Sie alle, Schüler, Lehrer, Eltern sind maßgeblich daran beteiligt, ob Schule funktioniert oder nicht. Denn zur Schule gehören nicht nur die spektakulären Tests mit den großen Schlagzeilen. Zur Schule gehört ebenso der Alltag im Klassenzimmer, im Lehrerzimmer und auf dem Pausenhof; zur Schule gehören die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen in der Überflussgesellschaft, die Lehrerausbildung und Lehrerweiterbildung, die Lehrer- und die Elternverbände mit ihren politischen Einflussmöglichkeiten. Das Buch handelt von dem unentwirrbaren Beziehungsgeflecht von großer Politik und Schulalltag, von statistischen Zahlen und alltäglicher Wirklichkeit, von großen Ansprüchen und kleinen Erfolgen, von eingängigen Slogans und widerstreitenden Interessen. Es beschreibt die Wege und Irrwege der jüngsten Entwicklungen im deutschen Schulwesen und es will zeigen, wie trotz allem Schule für alle Beteiligten zum Lernprozess werden kann.

Prof. Dr. Peter Brenner lehrt an der Carl von Linde-Akademie der TU München..

Peter J. Brenner

Wie Schule funktioniert

Schüler, Lehrer, Eltern im Lernprozess

Verlag W. Kohlhammer

Alle Rechte vorbehalten © 2009 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany

ISBN: 978-3-17-019519-6

E-Book-Formate

pdf:

978-3-17-022858-0

epub:

978-3-17-027704-5

mobi:

978-3-17-027705-2

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Erstes Kapitel: Die Schüler

Wie kommen die Schüler in die Schule?

Schüler im Klassenzimmer

„Heterogenität“, „Individualisierung“, „Differenzierung“

Wie sehen Schüler aus?

Abweichendes Verhalten

Was kann die Schule tun?

Brave Schüler

Spontaneität und Erlebnis

Das kindgerechte Kind

Veränderte Kindheit

Gesellschaft

Kinder der Freiheit

Kinder der Freizeit

Worum geht es?

Fundamente der Mündigkeit: Das „Lob der Disziplin“ und der „Geist des Übens“

Sprache und Mündigkeit

Zurück zur Kultur

Zweites Kapitel: Die Lehrer

Der Lehrer als Problem

Im Klassenzimmer

Pädagogisches Ethos

Lehrerverhalten

Macht und Herrschaft im Klassenzimmer

Was müssen Lehrer können?

Burnout

Entlastungen

Gute Lehrer

Engagement und Entrüstung

Lehrerausbildung, erste Phase

Professionalisierung und Polyvalenz

Fachwissenschaft und Fachdidaktik

Wo sollen Lehrer ausgebildet werden?

Theorie und Praxis

Lehrerausbildung, zweite und dritte Phase

Lehrerbildung oder Lehrerausbildung?

Infantilität und Exzellenz

Lehrer als Beruf

Schulaufsicht

Die Lehrerverbände

Drittes Kapitel: Die Eltern

Kaffee und Kuchen

Rechte und Pflichten

„Veränderte Familien“

Emanzipierte Familien

Schlimme Eltern

Elternarbeit als bürokratischer Akt und symbolische Handlung

Lehrer als Eltern

Eltern und Öffentlichkeit

Organisierte Eltern

„Eltern“ oder „soziale Herkunft“?

Bildungsgeographie

Arme Kinder

„Bildungsarmut“ – ein Problem der Statistik

Bildungsgerechtigkeit

Bildungsferne Schichten

Die ungerechte Schule und die begabten Schüler

Bildungsnahe Schichten und der „Geldbeutel der Eltern“

Privatschulen

Schule und Gesellschaft

Vorschule

Fürsorgliche Belagerung: Die Vertreibung der Eltern aus der Schule

Nachbemerkung

Literatur

Einleitung

Dort spricht der, dem niemand zuhört:

Er spricht zu laut

Er wiederholt sich

Er sagt Falsches:

Er wird nicht verbessert

Bertolt Brecht,

Über das Lehren ohne Schüler

Schule muss funktionieren. Darüber wenigstens sind sich alle einig. Die Schule in Deutschland muss jedes Jahr eine knappe Million Schüler mit einem Haupt-, Real- oder Gymnasialabschluss auswerfen, die sich dann in ihrem Erwachsenenleben als berufstüchtig, demokratiefest und kulturfähig erweisen sollen. Das ist keine Kleinigkeit. Es ist auch keine Kleinigkeit, jedes Jahr knapp neuneinhalb Millionen Schüler durch die Klassenzimmer von rund 35 000 Schulen zu schleusen; Schüler, die ganz unterschiedliche Voraussetzungen und Ambitionen haben und von denen doch keiner verloren gehen darf.

Eine funktionierende Schule zu gestalten, ist in erster Linie eine organisatorische, administrative oder, gerade heraus gesagt: eine bürokratische Aufgabe. Mit Pädagogik hat das zunächst wenig zu tun. Die Schule als gesellschaftliche Institution unterliegt Gesetzen wie alle anderen gesellschaftlichen Institutionen auch. Wie alle anderen Institutionen auch hat sie es mit Menschen zu tun. Das sind zuerst die Schüler, aber auch die Lehrer und schließlich die Eltern. Es sind Menschen, die ihre je eigenen Interessen, ihre Individualitäten, ihre Wünsche und Vorstellungen mitbringen und erwarten, dass das alles von der Schule berücksichtigt wird. Die Verpflichtung der Schule, auf diese Ansprüche einzugehen und das Beste aus ihnen zu machen, ist eine Besonderheit, die die Schule mit keiner anderen Institution der modernen Gesellschaft teilt.

Damit ist sie in ein Spannungsfeld eingebunden, das sie oft zu zerreißen droht. Auf der einen Seite steht sie als Institution der modernen Gesellschaft, die unablässig und jedes Jahr wieder neu Massenbildung effektiv organisieren muss. Auf der anderen Seite steht sie vor der Herausforderung, filigrane Bildungsprozesse von Kindern und Jugendlichen zu initiieren, Lehrer dazu in die Lage zu versetzen, das zu tun, und Eltern dazu zu überreden, sich daran zu beteiligen.

Dass der Schule damit Unmögliches abverlangt wird, liegt auf der Hand. Die alltägliche Auflösung dieses Spannungsfeldes kann immer nur zu Kompromissen führen. Denn Schüler, Lehrer, Eltern funktionieren nicht, oder jedenfalls nicht immer. Sie sind der Störfaktor im Großbetrieb Schule. Das allerdings wird sowohl in der wissenschaftlichen wie in der öffentlichen Diskussion ungern akzeptiert.

Die Wahrnehmung dieser Zusammenhänge fällt zusehends schwerer. Seit die Pädagogik ihre Seele an die Statistik verkauft hat, gelingt es ihr nicht mehr recht, die Menschen wahrzunehmen, die zur Schule gehen oder mit ihr zu tun haben. Das führt zu eigenartigen Verzerrungen. Im Zuge der Pisa-Diskussion hat sich das Bewusstsein herausgebildet, dass nichts mehr zählt außer den Zahlen. Der Glaube, dass alles an Schule zählbar und messbar, normierbar und standardisierbar sein müsse, um vor den Augen der Wissenschaft und der Öffentlichkeit Bestand zu haben, ist unerschütterlich geworden. Zugleich entfaltet sich eine genau gegenläufige Wahrnehmung. Sie misst die Schule und ihre Leistungen an moralischen Vorstellungen. Sie fragt danach, wie „gerecht“ die Schule sei und ob es ihr gelinge, die Schüler von ihrer „sozialen Herkunft“ zu befreien.

Aus diesen beiden Bildern setzt sich die öffentliche und zunehmend auch die wissenschaftliche Diskussion über Schule zusammen: Sie wird erfahren als eine Einrichtung, die gleichermaßen den statistischen Standards wie den moralischen Anforderungen nicht gerecht wird.

Eine Vermittlung zwischen diesen beiden Betrachtungsweisen, der quantifizierenden und der moralischen, gelingt nicht mehr. Das erklärt die schrillen Töne, mit denen heute über Bildungsgerechtigkeit diskutiert wird. Mit ihnen reden sich Bildungspolitik, Bildungsjournalismus und Bildungswissenschaft das schlechte Gewissen von der Seele. Es rührt aus der zunehmend verdrängten Einsicht, dass Schule es mit Menschen und nicht mit potenziellem Humankapital zu tun hat. Die Diskrepanzen zwischen Theorie und Praxis, Reden und Handeln in der Bildungsdiskussion sind unübersehbar geworden. Die Theorie redet von individueller Förderung und kindgerechter Schule; die Praxis exekutiert Standards und Normen, ohne groß danach zu fragen, welche pädagogischen Flurschäden sie damit anrichtet.

Nun ist es leicht zu fordern, dass sich die Schule wieder den Menschen zuwenden müsse, die mit ihr zu tun haben. In pädagogischen Programmen, politischen Sonntagsreden und journalistischen Leitartikeln ist das schnell gesagt. Der genauere analytische Blick auf die Menschen, oder, soziologisch gesprochen, die „Akteure“ im Bildungswesen, kann dagegen wissenschaftliche Resignation aufkommen lassen. Die Schule ist für die Schüler da, gewiss. Aber es sind ja nicht nur die Schüler, die in der Schule unterrichtet, gebildet, erzogen, kultiviert werden sollen. Die Schule hat es zudem mit 700 000 Lehrern zu tun, die individuelle Ansprüche und organisierte Interessen mitbringen. Und schließlich ist sie mit Eltern konfrontiert, die entweder gerne genauer wüssten, was mit ihren Kindern geschieht und ihren Beitrag dazu leisten wollen, oder aber mit Eltern, die genau das nicht wollen.

In Deutschland kann man nicht mehr über Schule reden, ohne dem Götzen Pisa sein Opfer zu bringen. Die Pisa-Studien versorgen die Öffentlichkeit mit einem unablässigen Strom von unverständlichen Daten, die beliebig ausgedeutet werden können. Die Pisa-Studien eröffnen ihren Exegeten unbegrenzte Deutungsspielräume; dagegen ist ein Kafka-Roman von kristalliner Eindeutigkeit. Aber während die Bildungsexperten sich durch die Oberfläche der Pisa-Daten wühlen und sich um die Sinngebung des Sinnlosen bemühen, entfalten die Pisa-Studien unterhalb der Ebene öffentlicher Wahrnehmung ihre eigene Sogkraft. Naomi Klein hat die „Schock-Strategie“ beschrieben, mit der weltweit Politik gemacht wird. Man könnte auch die Pisa-Diskussion unter dieser Perspektive deuten. Auch wenn es sich dabei, global gesehen, nur um einen Sturm im Wasserglas handelt, ist das Muster doch ähnlich: Die Pisa-Ergebnisse werden zu einer Katastrophe hochgeredet, die unverzügliche Maßnahmen, wie nach einem Tsunami oder einem Erdbeben, erfordere. Dadurch wird eine mentale tabula rasa-Situation geschaffen, die ein Feld bietet für beliebige Eingriffe in das Bildungswesen. Auf dem so entstehenden Brachfeld entsteht ein günstiges Betriebsklima für Interessengruppen aller Art, von denen die sich am leichtesten durchsetzen werden, die am mächtigsten sind und ihre Interessen am besten verbergen können. Am Ende könnte, wenn man nur genau hinschaute, sich vielleicht erweisen, dass im Pisa-Diskurs nur dem Rauschen eines Messinstrumentes gelauscht wurde.

In diesem Buch geht es nicht um Zahlen, sondern um Menschen. Während mein Buch Schule in Deutschland die Strukturen in den Blick nahm, werden in diesem die „Akteure“ im Schulwesen betrachtet. Einfach ist das nicht – weder für den Autor noch für den Leser. Denn der genaueren Betrachtung zeigt sich nicht nur eine chaotisch anmutende Vielfalt und Heterogenität der Fakten- und Problemlagen; es zeigt sich auch eine bemerkenswerte Diskrepanz in der Forschungs- und Wahrnehmungslage. Über etliche Bereiche des Schulwesens ist definitiv zu viel geforscht und geredet worden, so dass das Gerede den Blick auf die Wirklichkeit zu verstellen droht. Über andere Bereiche hingegen, und das gilt insbesondere für die „Eltern“, weiß man wenig und in wichtigen Bereichen überhaupt nichts. Das lässt sich in einem einzigen Buch nicht ausgleichen und auf einen Nenner bringen, aber ein Buch kann immerhin versuchen, dem, der es liest, einen Einblick in die Untiefen und Abgründe deutscher Bildungswirklichkeit aus der Sicht ihrer Akteure zu verschaffen. Darum geht es hier.

Erstes KapitelDie Schüler

„Der Schüler lernt alles, was nötig ist, um im Leben vorwärts zu kommen. Es ist dasselbe, was nötig ist, um in der Schule vorwärts zu kommen. Es handelt sich um Unterschleif, Vortäuschung von Kenntnissen, Fähigkeit, sich ungestraft zu rächen, schnelle Aneignung von Gemeinplätzen, Schmeichelei, Unterwürfigkeit, Bereitschaft, seinesgleichen an die Höherstehenden zu verraten usw. usw.“

Bertolt Brecht, Flüchtlingsgespräche

In der öffentlichen Wahrnehmung treten die Schüler gerne als rundum förderungsbedürftige Minderleister auf. Das ist eine Folge der Pisa-Diskussion; sie hat die Schüler zum Objekt einer fürsorglichen Belagerung gemacht. Das Bild der deutschen Schüler aber hat viele Facetten, helle und dunkle. Es ist geprägt von den Risikoschülern der Pisa-Studie. Aber daneben stehen die anderen, die Leistungsbereitschaft und Wissbegierde in die Schule mitbringen, was ihnen aber nicht immer gedankt wird.

Schüler sind heute nicht in erster Linie „Schüler“; sie sind Konsumenten in einer Überfluss- und Mediengesellschaft. Hierauf muss die Schule reagieren, aber nicht, indem sie in Konkurrenz tritt zu dieser Gesellschaft, sondern indem sie ein pädagogisches Gegenkonzept entwirft. Dazu muss allerdings klar sein, was der Sinn von Schule ist. Ihr Sinn ist nicht die Erfüllung von Pisa-Standards und Leistungstests; ihr Sinn ist, immer noch, „Erziehung zur Mündigkeit“, durch Sprache und Kultur, Wissen und Können, Sozialisation und Kultivierung. Die erste Pflicht der Schule ist es, die Schüler zurück zur Kultur zu führen, von der sie ihr Leben in der Medien- und Überflussgesellschaft immer weiter entfernt.

Wie kommen die Schüler in die Schule?

Deutsche Schüler gehen nicht gerne zur Schule. Seit über hundert Jahren gibt es eine eigene Literatur der Schulgeschichten, die davon handeln. Der „dornige Schulweg“, wie eine der vielen Sammlungen solcher Geschichten benannt wurde, ist wohl die Grunderfahrung vieler deutscher Schülergenerationen seit zwei Jahrhunderten. Auch wenn vieles an den Schülergeschichten romanhaft oder dramatisierend verzerrt und verzeichnet wird, wenn die Geschichten von Frühlings Erwachen, Unterm Rad, den Verwirrungen des Zöglings Törleß oder Hanno Buddenbrook literarische Überzeichnungen sein mögen – und vieles spricht dafür –, so bleibt doch der aus vielen anderen schulgeschichtlichen Zeugnissen destillierbare Befund, dass die Schüler die Schule nicht lieben, weil die Schule die Schüler nicht liebt. In seinen Erinnerungen schreibt der amerikanisch-deutsche Historiker Fritz Stern seinen bitteren Befund nieder: „‚Leicht‘ waren deutsche Schulen nie; Leiden galt als ein Grundwert.“ (Stern, Deutschland, 156) Wer den Zeugnissen der Literaten und Autobiographen nicht glauben will oder sie für längst überholte Dokumente vergangener Zeiten halten mag, kann sich auch in der deutschen Presse kundig machen, die über kaum etwas lieber berichtet als über Leistungsdruck, Angst, Schulunlust, Gewalt in deutschen Klassenzimmern.

Die Erwartungen an die Schule sind hoch, besonders in Deutschland. Es sind aber doch überwiegend die Erwartungen der älteren Generation und nicht die der Schüler. Erstklässler, so wird auch heute noch glaubhaft versichert, gehen mit einiger Vorfreude zur Schule. Die Erwartung verbindet sich mit der Hoffnung, nun endlich das zu lernen, was die Kindheit von den „Älteren“ trennt. Das ist insbesondere die Fähigkeit zum Lesen und zum Schreiben. Aber irgendwann verliert sich offensichtlich bei den meisten Schülern diese hoffnungsfrohe Erwartung. Lustlos und müde, übermüdet und überreizt schleppen sich die älteren Schüler in die Schule; die Schülerschelte schreibender Lehrer zeichnet das immer gleiche Bild.

Warum das so ist, ist schwer zu sagen. Es liegt nun einmal im Wesen der Institution Schule, den Schülern Leistungen abzuverlangen, die sie nicht freiwillig erbringen. Das ist zweifellos so; und seit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht ist es eine selbstverständliche Forderung der modernen Staaten, dass alle Kinder einer Schul- oder doch zumindest einer Lernpflicht unterworfen werden. Die allgemeine Schulpflicht gilt als eine der großen Errungenschaften der westlichen Zivilisation. Sie ist nicht nur eine Pflicht, die dem Einzelnen auferlegt wird, sondern auch eine Pflicht, die der Staat übernimmt und übernehmen muss. Seit den Deklarationen der Mitte des 20. Jahrhunderts gehört das „Recht auf Bildung“ sogar zu den Menschenrechten, wie es in Artikel 26 der vom 10. Dezember 1948 kodifiziert ist. Völlig zu Recht wird immer wieder darauf hingewiesen, dass eine schulmäßige, institutionalisierte Bildung die Voraussetzung ist nicht nur für die individuelle Emanzipation, sondern auch für den Wohlstand des Gemeinwesens.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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