Wie verwelkte Rosen - Annika Viktoria Blatt - E-Book

Wie verwelkte Rosen E-Book

Annika Viktoria Blatt

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Beschreibung

Wie verwelkte Rosen Antonias Leben verlief einfach perfekt. Sie hatte wunderbare Eltern, ihren geliebten Mann Stefan und die gemeinsame Tochter Flori. Doch mit einem Schlag ändert sich alles. Ihr Leben verläuft bergab und sie hat plötzlich nichts und niemanden mehr. Doch dann tritt Wilhelm in ihr Leben und die junge Frau genießt dieses wieder. Aber trügt der Schein nicht doch? - Ein Liebesroman mit vielen Überraschungen...

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Seitenzahl: 98

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Antonia

Ich, Antonia Seeberg, legte Blumen auf das Grab meiner Eltern und strich liebevoll über den Grabstein mit der Inschrift:

Hier ruhen in Frieden:

Maria

und

Florian

Seeberg

1968-2018

1962-2018

„Alles Gute zum Geburtstag, Mama!“, sagte ich sanft und starrte erneut auf den Stein, in welchen die Mutter Gottes gemeißelt war.

„Heute wärst du 50 Jahre alt geworden und wir hätten bestimmt ein riesiges Fest gefeiert mit Erdbeerkuchen, deinem Lieblingskuchen. Du hättest auf der Orgel gespielt mit mir im Duett. Ich hätte dir den lang ersehnten Gutschein für deine Traumreise nach Santorin geschenkt. Egal, ob ich es mir leisten könnte oder nicht…“ Ich pausierte nach meinen Wunschgedanken und fügte etwas leiser hinzu: „Wenn du noch da wärst.“ Mein Herz schmerzte plötzlich und ich gab ein Schluchzen von mir. Für all das war es zu spät! Stattdessen stand ich am Grab meiner Eltern mit meinem kleinen Stauß, welchen ich zuvor niedergelegt hatte, denn mehr konnte ich mir ja sowieso nicht leisten… „Ich habe dir deine Lieblings Blumen mitgebracht.“ Ich schaute zum dritten Mal auf das Grab hinab. Wir hatten nur ein kleines Ehegrab gekauft und so lagen dort auch nur zwei kleine Sträuße aus violettem Flieder und weißen Tulpen. Es duftete nach diesem Gewächs, welches nach ein paar Tropfen Wasser, das ich auf die Blüten goss, sofort wieder erblühte. Manchmal, wie auch nun wieder, fragte ich mich, warum meine Eltern nicht noch lebten. Es war alles so sinnlos, wenn das, was zum Leben gehörte, auf ewig nicht mehr da war. Und meine Eltern gehörten zum Leben; genauso gehörten Stefan und ich zusammen.

„Mama, seit Stefan und ich uns getrennt haben, ist Flori anders. Deine fröhliche Enkelin ist nicht mehr sie selbst. Ich … ich glaube… sie leidet sehr unter der Trennung.“

Plötzlich hörte ich die Stimme meiner Mutter in meinem Ohr säuseln: „Und du? Was ist mit dir? Leidest du nicht auch unter der Trennung deines geliebten Mannes?“

„Hast du… hast du gerade… Ich halluziniere schon! Ich höre deine Stimme!“ Mir schossen Tränen in die Augen, dennoch antwortete ich laut und zitternd auf ihre Frage. „Ich bin glücklich! Mir ist es doch egal, ob Stefan mich nicht mehr liebt!“, flüsterte ich mit erstickter Stimme und dabei wusste ich, dass ich alles andere als fröhlich oder glücklich war. Stefan fehlte mir so sehr. Es war, als würde ein Stück meines Herzens fehlen, denn wir gehörten zusammen.

„Und wen hast du noch, der dich liebt?! Einen Freund oder jemanden, der sich um dich kümmert?! Irgendetwas, was dich glücklich macht?“, fragte die Stimme meiner Mutter zärtlich. Ich fühlte eine Träne auf meiner Zunge, die so salzig schmeckte wie das Tote Meer. Wieso hörte ich nur die Stimme meiner Mutter, meiner verstorbenen und geliebten Mutter?!

„Melinda kümmert sich gut um uns!“, sagte ich mit immer noch belegter Stimme. Melinda war meine ältere Schwester und eigentlich die Einzige, außer meiner Tochter Flori natürlich, die in schweren Zeiten wirklich immer zu mir stand.

„Guten Morgen!“, hörte ich da plötzlich eine tiefe, raue Männerstimme hinter mir und wusch schnell die letzten Tränen mit der Hand weg. Dann drehte ich mich mit verstelltem Gesicht um.

„Ach, Frau Seeberg!“, sagte der Mann erfreut, woraufhin ich versuchte zu lächeln. Der Mann, der dort stand, war so freundlich. Er wollte meine Eltern eigentlich bestattet, war aber am Tag der Beerdigung krank geworden, weshalb ein anderer Pfarrer der Pfarrei einspringen musste. Dennoch hatte der Mann, der nun vor mir stand, solch ergreifende Worte an meine Schwester und mich gerichtet nach dem Unfall, die mir jetzt noch Tränen in die Augen trieben. Jeder versuchte mich zu trösten und obwohl meine Eltern bereits ein Jahr tot waren, litt ich immer noch darunter. Ich hatte seit dem Tag der Beerdigung meinen gut bezahlten Job gekündigt, der mein Traumberuf war. Einfach so, ohne über die ernstzunehmenden Folgen nachzudenken. Meine beste Freundin war Leiterin der Redaktion „Neuste Nachrichten“ und sie hatte mich sofort als Journalistin eingestellt und das Gehalt war ebenfalls nicht von schlechten Eltern gewesen. Wir hatten zusammen studiert und lernten uns dabei gut kennen. Nach unserem gemeinsamen Abschluss machte sie sich sofort selbstständig, investierte all ihr Geld in Location, Visitenkarten, Firmenwagen… Und ich war als freiberufliche Journalistin ihre erste und beste Angestellte. Dann wurde ich sogar noch Mitarbeiterin des Jahres 2017 und alles war absolut perfekt. Seitdem ich jedoch gekündigt hatte, wurde ich von dieser „Freundin“ ignoriert und regelrecht verachtet. Ich hätte mir ihre Unterstützung so sehr gewünscht… Und nachdem sich mein Mann Stefan von mir getrennt hatte, war alles hoffnungslos. Ich hätte mit großer Wahrscheinlichkeit Selbstmord begannen, wenn da nicht meine kleine Tochter Flori gewesen wäre. Sie war mein allergrößtes Glück; ein immer fröhliches Kind und ich hatte sie fast nie weinend gesehen… bis ihr Vater uns verließ. Angeblich bräuchte er ein bisschen „Abstand“ von uns. Seither hatte die Kleine so gut wie jede Nacht in ihr Kopfkissen geweint und jegliche Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. Doch auch mir selbst erging es nicht besser. Zuerst hatte ich tagelang in meinem Zimmer im Bett unter der Decke gelegen und mich nicht geregt. Die Vorhänge waren tief zugezogen. Ich hatte mich nicht gewaschen, nichts gegessen und mir war die ganze Welt egal gewesen. Und auch jetzt fühlte ich mich oft leer und einsam. Ich hatte niemanden dem ich meine Sorgen anvertrauen konnte, niemanden den ich bekochen konnte. Manchmal wünschte ich mir einfach nur, dass mich jemand in die Arme nähme und mir einen Kuss gäbe. Das alles war nun so unerreichbar weit weg. „Hallo!“ Mein Lächeln wirkte gequält, was wohl auch dem Pfarrer nicht verborgen blieb.

„Sie brauchen sich hier nicht zu verstellen, denn das ist ein Ort der Trauer. Hier können sie weinen und mit den Seelen ihrer Verstorbenen reden oder sich mir anvertrauen.“ Der Pfarrer sah mich ernst an und mir wurde ganz warm uns Herz. Solche Worte konnte ich jetzt gut gebrauchen.

„Sie sehen nicht gut aus!“, bemerkte er und in seiner Stimme schwankte Sorge mit.

„Mir geht es… wunderbar, einfach super! Aber… Ich muss jetzt leider wieder gehen!“, wich ich ihm aus und er sah mich fragend an.

„Ich muss meine Tochter von der Schule abholen …“ Ich segnete das Grab meiner Eltern und warf ihnen eine Kusshand zu.

„Auf Wiedersehen! Und keine Sorge mir geht es wirklich bestens…“, sagte ich in die Richtung des Pfarrers ohne mich umzudrehen, und verschwand zu meinem Auto.

Eigentlich gehörte das Auto Melinda, meiner Schwester, die im Gegensatz zu mir selbst ihr Leben weitergelebt hatte und nicht einfach dachte, dass alles vorbei wäre. Außerdem verdiente sie noch Geld, sodass sie sich Träume erfüllen konnte. Andererseits war sie zu glücklich um Träume überhaupt zu haben. Während ich vor der Schule wartete, hatte ich den Pfarrer immer noch vor Augen. Er war sehr gepflegt. Seine blonden Locken waren ordentlich geschnitten, gekämmt und immer frisch gewaschen, wobei sie nach Kräutern und Apfel dufteten. Seine großen, dunkelbraunen Augen waren so voller Vertrauen und irgendwie… auch voller Liebe. Natürlich nicht zu mir, sondern zu allen Menschen, die er auch nur ein bisschen kannte. Dazu kam, dass er nicht hochnäsig wirkte. Er war schlicht mit seinem weiß-blau karierten Hemd, der sandfarbenen Cordhose und den einfachen hellblauen Turnschuhen. Doch es war sein Satz, der mich die ganze Zeit verfolgte: „Sie sehen nicht gut aus…“ Unwillkürlich klappte ich den Autospiegel aus und betrachtete mich…

„Mami!“ Flori öffnete die Autotür und ich lächelte ein wenig, als ich meine Tochter sah. Ihr gewelltes, schwarzes Haar war mit Schleifchen zu zwei Zöpfen gebunden worden, die ihr gerade mal bis zum Hals reichten. Dazu trug sie ihre geliebte, verwaschene Jeanshose sowie eine hellblaue Bluse. Aber dennoch war alle Farbe aus ihrem Gesicht gewichen und sie wirkte bedrückt.

“Na, meine Süße? Wie war’s?”, fragte ich sie und versuchte glücklich zu wirken. Ich wollte sie nicht auch noch zusätzlich mit meinen Sorgen belasten.

“Wie immer… Schule eben…”, sagte Flori gleichgültig und stellte den Ranzen neben sich ab.

Ich startete den Motor und fuhr zu unserer kleinen Wohnung.

“Na endlich!” Melinda kam in den engen Korridor, nachdem sie wohl unsere Stimmen gehört hatte.

Eigentlich gehörte die Wohnung auch ihr, da ich mir nicht mal eine Unterkunft leisten konnte – und auch leider nicht Melindas Miete zahlte… zahlen konnte.

“Hallo, Tante Melinda!” Flori fiel ihr in die Arme und Melinda wirbelte sie freudig herum.

“Na, alles klar? Alles super in der Schule?”, fragte sie mit einem strengen Mutter-Blick (obwohl sie nur Tante war), woraufhin Flori nur nickte.

“Ich bin schon halb verhungert! Was hast du denn mitgebracht? Kochst du was mit Fleisch? Ich fühle mich wie ein Tiger in der Wüste…”, plapperte sie munter und unkontrolliert los.

“Wie, ich? Heute ist Mittwoch und da bist du mit Kochen dran!”, stutzte ich und fügte dann ein verunsichertes „Oder?“, hinzu, weil Melinda mich so seltsam ansah.

“Nein, heute ist Donnerstag! Da bist du dran! Ich bin Montag, Mittwoch, Freitag und Sonntag dran und du Dienstag, Donnerstag, Samstag!”, ratterte sie herunter, wie ein einfaches Gedicht. Ihr Blick sagte allerdings eher: „Mein Gott, das ist doch so einfach, du Trottel!“…

“Entschuldige!”, flüsterte ich beschämt. Wenn es mir nur einmal passiert wäre, aber es passierte mir dauernd oder wenn ich ausnahmsweise mal daran dachte, schob ich eine Tiefkühlpizza in den Backofen (Für Melinda Spinatpizza und für Flori eine mit Schinken). Wir hatten einen Haushalts-Plan entworfen, in dem wir abwechsend kochten, wobei Melinda fast immer kochte.

“Ach, Toni! Ich mache mir langsam wirklich Sorgen um dich und um Flori. Es kommt mir so vor, als wäre das Leben für euch nur etwas nebenbei. Aber das ist es nicht! Nein! Ganz im Gegenteil! Ihr grenzt euch völlig von der Außenwelt ab. Wirklich, du arbeitest nicht mehr, bist alleinerziehend und wohnungslos. Ich würde diese Lebensverhältnisse schleunigst in den Griff bekommen, an deiner Stelle. Schon allein dein Aussehen! Du gehst nicht zum Friseur und außerdem bemitleidest du dich ständig selbst. Das tut dir einfach nicht gut! Schließe dein altes Leben doch mal ab! Ja, Mama und Papa sind tot und Stefan gibt’s nicht mehr, zumindest nicht in deinem Leben! Akzeptiere das endlich und fange neu an!”

Diese Worte trafen mich sehr tief.

“Flori, kommst du mit mir etwas zum Essen einkaufen?”, fragte sie meine Tochter atemlos und rot vor Erregung.

“Ja, in Ordnung.” Flori sah mich etwas hilflos an, als wollte sie mich fragen: „Was wirst du denn tun?“ Die beiden waren schon im Treppenhaus als…

“Melinda,… warte mal!”, rief ich zaghaft.

“Ja, was ist noch…?, fragte sie barsch ohne sich umzudrehen.

“Wie soll ich mit meinem alten Leben abschließen? Wie nur…? ”, fragte ich leise und zittrig. Das war das, wovor ich schon bei unserer Hochzeit Angst hatte. Vor Scheidung! Vor Tod! Vor Veränderungen!

“Ach, Toni! Ich weiß doch, dass das alles sehr schwer für dich und Flori ist.” Jetzt drehte sich Melinda doch um und nahm mich zärtlich in die Arme, als wäre sie eine andere Person.

“Entschuldige, ich wollte doch nicht so gemein sein. Aber ich kann nicht zusehen, wie ihr hier versauert und verkommt.”

“Ich weiß doch, dass du es immer nur gut meinst!”, sagte ich (mein Gott, wie habe ich diesen Satz später bereut!) und legte meinen Kopf auf ihre schmalen Schultern. Der Stoff ihrer Bluse war so herrlich weich, sodass ich mich sehr geborgen fühlte.

“Es ist so schwer ein neues Kapitel aufzuschlagen!”, flüsterte ich mit bebender Stimme und ohne, dass ich es verhindern konnte; Tränen rollten über meine Wangen. Immer mehr salzige Tränen versiegten in Melindas Bluse und dennoch wies sie mich nicht ab, im Gegenteil.

“Versuche es! Und am besten fängst du gleich an. Wirf die Kleider und Sachen und Bilder aus Stefans Zeit und überhaupt alles, was dir einen Stich versetzt, weg und dann gehst du shoppen.”, flüsterte sie in mein Ohr.