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Vor Jahren waren sie miteinander befreundet - und vielleicht ineinander verliebt. Jetzt kehrt sie im Rahmen einer Lesung in ihre gemeinsame Stadt zurück. Während er dem Wiedersehen entgegenfiebert, muss er sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen und sich die Frage beantworten, ob der Platz, den er ihr in seinem Leben bisher eingeräumt hat, angemessen oder doch völlig vermessen gewesen ist ...
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Das sind nicht die Menschen, mit denen ich Kunst betrachten, erleben, sezieren möchte. Ich behaupte sogar, dass sich all jene, die ringsum auf ihren Hartplastikstühlen kleben, nicht einmal bewusst sind, dass wir in Kürze etwas verfolgen werden, das Kunst ist – und eben nicht Zeitvertreib und blanke Gelegenheit. Nein, das sind mit Sicherheit nicht die Menschen; und doch haben wir dasselbe Anliegen; bloß andere Perspektiven.
Links von mir, zwei Stühle weiter, sitzt ein dicklicher Mann in den Vierzigern. Nicht, dass ich etwas gegen füllige Menschen hätte; natürlich nicht. Aber darum geht es auch nicht. Es geht um seinen schwarzen Anzug, der kosmopolitisch wirken und Weltoffenheit suggerieren soll, dabei dem Träger aber alles Elegante, alles Saloppe raubt, nur … um ihn in diese Kleidungsschablone zu pressen, die alles um mich herum zu einem uniformen Einerlei aus Alltagsfressen macht. Hier promeniert keine Kunst, keine Haute Couture … hier hat das allabendliche Trauerensemble den Fernseher gegen die Lesebühne getauscht.
»Wer zum Teufel hat euch bloß zusammengefickt?«, schreie ich in Gedanken und kotze all diese Bitterkeit hinaus; in Wirklichkeit schenke ich der Frau zu meiner Rechten ein nettes, nein, ein höfliches Lächeln. Sie erwidert es, dann schaut sie nach vorne zur kleinen Lesebühne, auf der bislang nichts zu sehen ist.
Ich wende meinen Blick von der Frau ab und schaue ebenfalls nach vorne …
Laura. Laura. Laura.
Ein leerer Stuhl in der Mitte der Bühne; ein Wasserglas wird gebracht und auf dem kleinen Tisch abgestellt.
Laura. Laura. Laura.