Wiener Anwaltsterben - Reinhardt Badegruber - E-Book

Wiener Anwaltsterben E-Book

Reinhardt Badegruber

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  • Herausgeber: GMEINER
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Gruppeninspektor Frank Karl wird zu einem Tatort in der Wiener Innenstadt bestellt. Der Kieberer wird jedoch unerwartet von dem Fall abgezogen, denn seinen Vorgesetzten quälen andere Sorgen: Seine Tochter liest, von ihrer Gymnasiallehrerin angeregt, obszöne Texte, die sich schnell als Zitate aus der Weltliteratur herausstellen. Frank Karl klappert die Wohnungen der empörten Eltern ab. Dabei begegnet er nicht nur einzigartigen Exemplaren der Wiener Gesellschaft, sondern stolpert auch ins Bett der Lehrerin - und über die Leiche eines prominenten Anwalts.

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Seitenzahl: 266

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Reinhardt Badegruber

Wiener Anwaltsterben

Kriminalroman

Zum Buch

Leichen, Sex und Blut Obszöne Texte im Schulunterricht, Blutbilder an den Wänden von Jugendstilsalons, aufgeschlitzte Juristen, besoffene Witwen und tobsüchtige Polizei-Offiziere. Das sind Momentaufnahmen aus dem Berufsleben des Kripo-Beamten Frank Karl. Der Wiener „Kieberer“ steht in der Tradition der Literaten aus dem k.u.k.-Café „Herrenhof“: Er ist gescheit, wurde gescheiter und ist gescheitert. Immerhin hat er fünf Universitätsstudien abgebrochen und drei Ehen überlebt. Frank genießt seine Arbeitszeit, in der er viel liest, viel trinkt, gut isst, auf fremden Matratzen schläft und dennoch auf der Lauer liegt. Es vergnügt ihn zu beobachten, wie Schüler ihr angelesenes Wissen gegen ihre Lehrer und Eltern ausspielen und die Polizei narren. Doch plötzlich katapultieren Frank Karl Todesschreie aus dem Bett. Rechtsanwälte werden ermordet. Eine blutige Spur führt in das Klassenzimmer der 6b. Bei seinen Ermittlungen sitzt der schrullige Polizei-Clochard an der Quelle, denn er hat ein Verhältnis mit der Deutschprofessorin.

Reinhardt Badegruber wurde 1953 in Oberösterreich geboren und ist in Kärnten zur Schule gegangen. Er studierte Kommunikationswissenschaften und Slawistik in Wien und Warschau und war anschließend 39 Jahre lang als Redakteur und Regisseur im ORF tätig, unter anderem als Mitarbeiter der TV-Parlamentsredaktion und Chef der „Rasenden Reporter“ von Radio Wien. Zudem moderierte er Radio-Shows wie „Sprechen Sie Wienerisch?“, „Schätzen Sie Wien?“ und das „Grätzelquiz“. Badegruber hat 10 Wiener Kriminalerzählungen und Romane veröffentlicht.

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Umschlaggestaltung /Illustration: © U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

nach einem Foto von Uliana Kopanytsia / unsplash

ISBN 978-3-8392-7484-2

Kapitel 1

Gruppeninspektor Frank Karl wird mit seinem Tatortteam zu einem Jugendstilhaus auf der Tuchlauben im 1. Wiener Gemeindebezirk bestellt. Vom Balkon der Luxuswohnung im Obergeschoss war Blut getropft. Der Hausmeister hat mit einem Nachschlüssel die Tür geöffnet. Es bietet sich ein Bild des Grauens.

So viel Blut auf der Wand. An die Mauer geklatscht. Ein Frauenkörper anstelle des Tapetenmusters. Deutlich zu sehen: die borstigen Haare. Vom Gesicht nur die Stirn und die Nasenspitze. Dafür der Busen, die Oberschenkel. Ein Bauch. An der ausgesparten Stelle dürfte der Nabel gewesen sein. Pinselstriche: Schamhaare. Moosig.

»Ein rotes Abbild ohne Vorlage!«

»Was?« Gruppeninspektor Frank Karl riss es aus den Gedanken.

»Ich sagte«, wiederholte der Typ von der Spurensicherung gereizt, »wir haben das Blutbild einer Frau an der Wand, aber keine Leiche. Das Opfer ist weg, vom Täter keine Spur.«

»Scharf beobachtet!«, ätzte Gruppeninspektor Frank Karl. Er schaute sich den Kollegen näher an. Ein Glatzkopf. Flinserl am Ohr. Ein Meter 80 groß. So eine Figur wie der war in den Filmen seiner Jugend entweder Pirat oder SS-ler.

»Da wurde eine blutüberströme Frau an die Wand gedrückt.«

»Und?«

»Ich denke an einen Ritualmord. Vielleicht ein durchgeknallter Künstler.«

»War es der Hermann Nitsch1?«, fragte der Gruppeninspektor. So wie ihn der Glatzkopf anstarrte, würde er im nächsten Augenblick fragen: »Sie haben einen Verdächtigen?«

Darauf wollte Frank Karl erst gar nicht antworten. Aus ihm schoss es heraus: »Woher wissen Sie, dass die Nackte an der Wand nicht lebt? Vielleicht hat sie bloß ein Blutbad genommen? Eine Sieglinde, ein weiblicher Siegfried?«

Der Spusi-Typ rülpste. Er kannte Siegfried nicht.

»Fahren Sie eine Harley?«

»Wieso?«

»Weil Sie so ausschauen.«

Der Spusi rümpfte die Nase. Für ihn war Frank Karl bloß ein alter Trottel, »zu humanistisch«, was gleichbedeutend war mit »arrogant«, ein Überbleibsel aus der Zeit der Röhrenradios.

Frank Karl schaute sich den Abdruck an der Wand näher an. In seinem Schädel tauchten Schüttbilder auf: »Blut über Blut.« Erinnerungen an damals, als er während seiner Studentenzeit einen Job als »Saubermann & Bodenreiniger« in der Modern Art-Galerie in der Köllnerhofgasse im 1. Bezirk angenommen hatte. Zu einer Vernissage war der Performancekünstlers Hermann Nitsch eingezogen. Mit dem Gehabe eines Erzbischofs. Das gefiel. Die Stadt-Intelligenzia tobte. Der Maestro war berühmt für seine ritualen Schlachtungen. »Blutorgien« kritisierten die Zeitungen. »Schafskiller!«, »Agnus Dei-Schänder!«, »Tierquälerei!« Jedenfalls kamen zwei »Veterinär-Polizisten« zur Performance. In Wahrheit waren die beiden »Freizeit-Cops« Studenten der Tiermedizin. Die saßen dann schön brav auf Sesseln an der Wand und schwiegen wie Kartenabreißer im Kino. Die Lämmer, die der »Schächter« anliefern ließ, waren ziemlich grau und tot. In ihrem Inneren waren Farbbeutel eingenäht. Schreiendes Acrylrot. Der Künstler selbst kam dem damaligen Raumpfleger und nachmaligen Polizisten Frank Karl wie ein Imker vor. Sehr harmlos. So könnte man sich Moses vorstellen. Oder ein Double für Johannes Brahms. Allerdings etwas gestaucht! Zu klein für einen Nikolo. Möglicherweise hätte Van Gogh so ausgesehen, wenn er das Pensionsalter erreicht hätte. Der Mann stapfte Tanzschritte, stach wie von Sinnen auf die Schafskadaver ein, röhrte. Irrsinn! Ein bärtiger Klaus Kinski mit blitzendem Messer. Die Acrylfarbe spritzte. Schrille Schreie. Röcheln. Pfeifen. Aber nicht aus dem Maul malträtierter Lämmer, sondern aus den Rachen schenkelwarmer Vernissage-Besucherinnen. Denen rann es zwischen den Beinen. Starre Blicke. Ihre Augen stachen in die Hoden der an die Wand »gekreuzigten« jungen Männer. Die Damen seufzten. Die Jünger des Meisters schossen Schafshirnmasse auf die Kastanien der Jünglinge. Die Frauen rissen die Münder auf, freiwillig. Unbezahlbare Freude für jeden Zahnarzt! Ein Aufschrei: Leberfladen peitschten auf die blanken Brüste der Assistentinnen, während der Apostel Orgeltasten schlug. Der Boden zitterte. Teenager schwangen Karfreitagsratschen. Die Opernballroben und Premierenpelze der Besucherinnen waren nun blutbespritzt. Der Saal menstruierte. Bürgersgattinnen rissen die Fenster zum Fleischmarkt auf. Die Frauen drehten durch, schmissen Lungen, Gedärme und Mägen auf die unter ihnen parkenden Autos. Es regnete Blut. Ein Kirchenorkan brauste Richtung Griechenbeisl. Eine Geräuschkloake ergoss sich in die Stadt. Die Passanten hoben die Köpfe: War der Organist zu Sankt Stephan wahnsinnig geworden? Eine halbe Stunde später keuchte die Alarmabteilung der Wiener Polizei an. Eine Zehnermannschaft. Feiste Männer um die 50. Stahlhelme und dicke grüne Mäntel. Der Sturmtrupp konnte aber nicht mit dem »bürgerlichen Kunstgesindel« aufräumen. Die Rotte hatte keine Gummistiefel dabei, und in der Galerie standen zehn Zentimeter Blut. Also rückten die Ordnungshüter unverrichteter Dinge wieder ab. Nach einer weiteren halben Stunde kam die Stahlhelmstaffel zurück. Dieses Mal in Gummistiefeln. Aber da waren die Gäste und Kunstliebhaber schon abgeflogen. Die Zornesröte in den Gesichtern der Polizisten wirkte blass im Vergleich zum Kunstblut. Weil sie niemand anderen mehr zum Festnehmen hatten, stürzten sie sich auf Frank Karl. Der schrie: »Ich bin Student und wische hier den Boden auf!« Da ließen die Polizisten vom Opfer ab. Allerdings hatten beim Arretierungsversuch ihre dunkelgrünen Mäntel einige Spitzer abbekommen. Der dicke Stoff saugte gierig das Blut in sich auf. »Scheiße, Scheiße, Scheiße!«, klagten die Beamten. Frank Karl hob den Blick. Die Spinatwachter2 taten ihm leid. Sie waren allesamt Pensionsantrittsanwärter, litten unter Diabetes mellitus, hatten Übergewicht und rauchten zu viel.

Jetzt hatte ihn der blutige Ernst der Gegenwart wieder. Gruppeninspektor Frank Karl schaute in das geschleckte Gesicht des Spusi3-Glatzkopfes. Seit Aristotelis Telly Savalas den Kojac in Einsatz in Manhattan spielte, versuchen die Haarlosen der Welt einzureden, sie seien besonders männlich, weil Testosteron-gesegnet. Die meisten Eierköpfe sind aber gefälscht, keineswegs echt, sondern vom Friseur zurechtgestutzt und blank poliert. »Heutzutage wird ja alles abrasiert. Sogar bei Frauen.« Frank Karl glaubte, nicht recht zu hören. Der Geschleckte hatte ihm gerade »Sie sind ein riesiges Arschloch« ins Ohr geflüstert. So, dass es niemand anderer hören konnte. Es gab keine Zeugen. Der Gruppeninspektor lachte los. Der Kerl traute sich was. Frank Karl hob sein Kinn an und krächzte: »Kompliment! Das ist das erste Mal, dass ich am heutigen Tage Ihrer Einschätzung beipflichten muss.«

Die Spusi-Meute vermaß das blutige »Fresko«. Ihr Fazit: »Wahrscheinlich jung, etwa ein Meter 60 groß, gut gebaut.« In der Mitte des Badezimmers stand eine Gusseisenwanne: Großmama-Look, aber mit allem technischen Schnickschnack. In diesem Luxustrog hatte der Killer sein Opfer vermutlich ausbluten lassen. »Eine perverse Sau war da am Werk.«

1 Hermann Nitsch: Maler und Aktionskünstler. Bekannt durch »Schüttbilder«

2 Anspielung auf die (früher) grüne Uniform der Polizei. Historisch: »Spinatwachter« (Zöllner) kassierten an der »Linie« von Bauern, die in der Stadt ihr Gemüse verkaufen wollten, Zoll.

3 Spurensicherung

Kapitel 4

Frank Karl schwitzte in diesem modernisierten k. u. k.-Büro auf der Rossauer Lände. Diese Umkleidekabine nannte sich »Verhörzimmer«. »Trinken Sie auch ein Bier?«, fragte Frank Karl den Chauffeur des Unglückswagens von der Schottengasse. Der saß vornüber gebeugt da, drehte die Daumen, war eingeschüchtert und traute sich nicht, »nein« zu sagen.

»Ich hab schon immer g’sagt, dass die kaiserliche Tradition nicht mit dem IKEA-Design kompatibel ist.« Die Gänge in dieser Kaserne waren lang. Wahrscheinlich war Franz Kafka ihr Architekt. An der Wand des Verhörzimmers hingen die typischen rot-weiß-roten Insignien: ein Bundesadler, eine Europaflagge, ein Kreuz und ein Foto des verstorbenen Bundespräsidenten. Hatte der neue Bundespräsident sein Konterfei nicht hergegeben? Waren die Fotos eingespart worden? Oder hatte man auf das »Verhörzimmer« vergessen?