Wild Family - Eliane Retz - E-Book

Wild Family E-Book

Eliane Retz

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Beschreibung

Der Alltagskonfliktlöser für wilde Familien Wie kann Geschwisterstreit am besten gelöst werden? Wie spricht man mit Kindern über den Tod? Und wie reagiert man am besten auf aggressives Verhalten? In ihrem neuen Buch geben die Bestsellerautorinnen Eliane Retz und Christiane Stella Bongertz alltagspraktische Erziehungstipps zu weiteren typischen Konfliktsituationen, erklären wissenschaftlich fundiert und praxisnah, warum alles richtig zu machen nicht das Ziel sein kann und welche Chancen in Konflikten mit kleinen Kindern liegen. Anhand echter Fallgeschichten bieten sie neue Impulse für eine gute Bindung und ein glückliches Familienleben.

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© Piper Verlag GmbH, München 2023

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: plainpicture / Andrea Gottowik; Shutterstock.com

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Motto

Ein paar Worte vorab oder: Was ist eine wild family?

»Erziehung ist Beispiel und Liebe – sonst nichts!«

Und warum sind Familie und Kinder bei uns wild?

In einer »wilden« Familie ist immer etwas los – und das ist gut so!

So nutzen Sie dieses Buch

Wer wir sind

Einleitung: Nur Mut! Bindungsorientiert erziehen lohnt sich für die ganze Familie – auch wenn es gerade in schwierigen Momenten oft Gegenwind gibt

Blöde Sprüche – das Erbe einer finsteren Zeit der Geschichte

Liebevolle, feinfühlige Erziehung und elterliche Führung schließen sich nicht aus

Der autoritative Erziehungsstil: Vorbildfunktion und Mitbestimmung statt starrer Vorgaben und Machtausübung

Die bindungs- und bedürfnisorientierte Erziehung – ein Geschenk fürs ganze Leben

Eltern, die die Herausforderungen der bindungsorientierten Erziehung annehmen, werden zum Beispiel – auch für andere Eltern

Erster Teil

Wissen macht den Unterschied

Über die kindliche Entwicklung der Jahre eins bis sieben, Familiensysteme und das Band zwischen Geschwistern

1 Die ersten anderthalb Jahre: Wie Eltern jetzt den Grundstein für eine sichere Bindung legen

Wir alle können »Eltern« sein: Wer feinfühlig ist, kann eine sichere Bindung zum Kind aufbauen – nicht nur biologische Eltern

Die Entwicklung kindlicher Selbstregulation durch Co-Regulation

Elterliches Verhalten prägt das kindliche Gehirn

Die Qualität der Bindung und die Bindungsstile

Die sichere Bindung

Die unsicher-ambivalente Bindung

Die unsicher-vermeidende Bindung

2 Die Jahre von anderthalb bis drei: Warum der bewusste elterliche Umgang mit Emotionen so wichtig ist – und wie die Co-Regulation jetzt klappt

Anderthalb Jahre: Jetzt geht’s los mit der Autonomie!

Trotz? Nein, der evolutionäre Auftrag, selbstständig zu werden

Eltern können schon, was Kinder jetzt lernen müssen – darum sind sie gute Entwicklungshelfer

Die Bedeutung der einfühlsamen elterlichen Co-Regulation in der Autonomiephase

Schritt 1: Ein gutes Beispiel sein – Eltern und ihr konstruktiver Umgang mit den eigenen Emotionen

Schritt 2: Eltern und ihr konstruktiver Umgang mit den kindlichen Emotionen

Das Begleiten angenehmer (»positiver«) Emotionen

Das Begleiten unangenehmer (»negativer«) Emotionen

Fazit: Sprecht miteinander!

Bedürfnisse aufschieben: Eine wichtige Entwicklungsaufgabe – und wie Eltern ihre Kinder dabei unterstützen

3 Vom vierten Jahr bis zur »Wackelzahnpubertät«: Neue Perspektiven – und wie Eltern die Entwicklung ihrer Kinder weiter gut begleiten können

Vier Jahre: Der Entwicklungssprung zur Perspektivübernahme

Missverständnisse garantiert: Die Theory of Mind ist keineswegs die Lösung aller Kommunikationsprobleme

Hanno

Polly

Die Peers: Ab dem Kindergartenalter eine wichtige Größe

Eltern können das Entwickeln von Freundschaften nicht erzwingen – aber erleichtern

Fünf Jahre: Fast reif für die Schule?

Karla

Can

Sechs und sieben Jahre: Die »Wackelzahnpubertät«

4 Das »Familienmolekül«: Warum jede Beziehung alle anderen beeinflusst – und wie sich das Gefüge in Balance bringen lässt

Von Bindungen zusammengehalten: Familien wie Moleküle

Wer die Mechanismen kennt, kann belastende Situationen gezielt verändern

Die Bedeutung von Paarzeit ohne Kinder – und von Unterstützung durch andere

Und Alleinerziehende?

5 Geschwister: Die meist längste Beziehung im Leben – und wie Eltern dieses besondere Band stärken

Erstgeborene, Letztgeborene und die Kinder dazwischen: die Bedeutung der Geschwisterfolge

Die besondere Rolle des erstgeborenen Kindes

Die Beziehung unter Geschwistern ist etwas Wertvolles – wie Eltern sie stärken

1. Ältere Geschwister sollten keine Elternfunktion übernehmen!

2. Geschwisterstreit zuzulassen ist wichtig!

3. Eltern tun gut daran, ihre Kinder nicht aneinander zu messen!

Geschwister bleiben oft ein Leben lang enge Vertraute

Sind Einzelkinder also benachteiligt?

Zweiter Teil

Beispiel und Liebe

Fallbeispiele zu typischen komplexen Schwierigkeiten in Familien – und wie sie bindungsorientiert gelöst werden können

Die Familie wächst: Wie Eltern das Neusortieren unterstützen

6 Leopold oder: Wenn die Geburt eines Geschwisterchens das Familiensystem durcheinanderwirbelt, der Erstgeborene plötzlich an Papa klebt – und den Kindergarten verweigert

Analyse – das steckt dahinter

Lösungsstrategie

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

7 Salome, Sascha und Samuel oder: Wenn aus vier Familienmitgliedern fünf werden und es plötzlich zu Aggressionen, Trennungsangst und Bevorzugung einzelner Elternteile kommt

Analyse – das steckt dahinter: Sascha

Lösungsstrategie

Gerade ein »schwieriges« Kind braucht die Gewissheit der elterlichen Liebe

Im Familienmolekül braucht es immer wieder freie Andockstellen

Der Vater kopiert unbewusst das Verhalten seiner eigenen Eltern

Verhaltensmuster können bewusst durchbrochen werden

Analyse – das steckt dahinter: Salome

Auch Nicht-Lieblingskinder und Nicht-Lieblingselternteile brauchen einander

Lösungsstrategie

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Lieblingskinder und Lieblingselternteile

Verhält ein Kind sich »schwierig«, versteckt sich dahinter eine Botschaft

Mit Kindern über Konflikte sprechen

Streit zwischen Geschwistern

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

8 Kíra oder: Wie Eltern die Rollen »Lieblingselternteil« und »ungeliebter Elternteil« ablegen und wieder ein Team werden

Analyse – das steckt dahinter

Geliebter Elternteil, ungeliebter Elternteil? So einfach ist es nicht!

Lösungsstrategie

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

Streit zwischen Geschwistern: Stressig für die Eltern, aber entwicklungsförderlich für die Kinder

9 Ada und Augustin oder: Geschwister wie Tag und Nacht

Analyse – das steckt dahinter

Lösungsstrategie

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

10 Frieda und Elsa oder: Liebt sich wirklich, was sich ständig neckt?

Analyse – das steckt dahinter

Die Geschwistererfahrung der Eltern bestimmt die Perspektive

Die »Schuldfrage« führt bei kindlichen Konflikten nicht weiter – der Blick auf positive familiäre Interaktion schon

Lösungsstrategie

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

Die Herausforderung der Übergänge: Von den kleinen (wie dem morgendlichen Aufbruch) bis zu den großen (wie dem Kita- oder Schulbeginn)

11 Sina oder: Wenn die rasante »Eingewöhnung« bei der Tagesmutter nicht klappt

Analyse – das steckt dahinter

Lösungsstrategie

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

12 Carlo oder: Warum hört unser Kind nicht auf uns?

Analyse – das steckt dahinter

Lösungsstrategie

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

13 Natalia oder: Wenn ein Kind mit dem Übergang in die Schule plötzlich »schwierig« wird

Analyse – das steckt dahinter

Lösungsstrategie

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

Plötzlich Trennungsangst: Wenn auf einmal nichts mehr ohne Mama oder Papa geht

14 Lilian oder: Wie gesteigerte Trennungsängste entstehen, wie Kinder sie überwinden und Erwachsene sie dabei unterstützen können

Analyse – das steckt dahinter

Lösungsstrategie

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

15 Senay und Lotta oder: Wenn längere Betreuungspausen das Ankommen im Kindergarten erschweren

Analyse – das steckt dahinter

Lösungsstrategie

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

Die Trennung der Eltern: Ein umwälzender Moment im Familienleben – und wie alle Beteiligten ihn gut meistern

16 Pepe, bald gibt es zwei Kinderzimmer für dich! Oder: Wie bringen wir dem Kind unsere Trennung bei?

Analyse – das steckt dahinter

Lösungsstrategie

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

17 Raffaela oder: Wenn das Kind nach der Trennung der Eltern den abwesenden Elternteil schrecklich vermisst

Analyse – das steckt dahinter

Lösungsstrategie

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel lernen können

Eine positive Grundhaltung gegenüber dem oder der Ex ist wichtig

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

Der Sturm der Emotionen: Wie Eltern damit umgehen, wenn kindliche Wutausbrüche besonders heftig sind

18 Elton und Milla oder: Warum kindliche Wut manchmal in Gewalt mündet und was Eltern völlig gewaltfrei dagegen tun können

Analyse – das steckt dahinter

Lösungsstrategie

Kann eine Bindungsperson Nähe und Sicherheit vermitteln, aber zugleich von den Kindern respektiert werden?

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

19 Julius und Ole, die ungleichen Brüder oder: Wie die Gelassenheit eines Bonuselternteils im Patchwork ein Familiensystem entlasten kann

Analyse – das steckt dahinter

Lösungsstrategie

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

20 Leona oder: Wenn die Eltern unterschiedliche Vorstellungen von guter Erziehung haben und dadurch ein familiäres Spannungsfeld entsteht

Analyse – das steckt dahinter

Lösungsstrategie

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Eigenverantwortliche Elternschaft

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

Hauen, Beißen, Treten: Wenn Kinder handgreiflich werden

21 Oskar oder: Warum Strafen aggressives Kinderverhalten nicht langfristig bessern

Analyse – das steckt dahinter

Lösungsstrategie

Eine geschwächte Bindung kann wieder stabilisiert werden

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

22 Ari oder: Wenn das Kind haut, schubst und beißt

Analyse – das steckt dahinter

Lösungsstrategie

In der Krippe …

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

Schlaf, Kindchen, schlaf: Was Eltern tun können, wenn ihre Kinder Probleme mit dem Einschlafen haben

23 Davide oder: Wie ein unstrukturierter Alltag den Schlaf beeinträchtigen kann – und warum guter Kinderschlaf auch Ansichtssache ist

Analyse – das steckt dahinter

Lösungsstrategie

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

24 Luna oder: Wenn das Einschlafen jeden Abend zum Drama wird

Analyse – das steckt dahinter

Lösungsstrategie

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Selbstbestimmtes Schlafen

Voraussetzungen fürs selbstständige Einschlafen im Kindergartenalter

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

25 Nora und Hannes oder: Ab wann ein Kind allein in seinem Zimmer (ein-)schlafen kann – oder sollte

Analyse – das steckt dahinter

Lösungsstrategie

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

Pipi und Kacka: Mit Gelassenheit und Geduld geht alles besser

26 Kian oder: Warum kleine Kinder häufig nicht rechtzeitig auf die Toilette gehen (und wie es dennoch ohne Zwang klappt)

Analyse – das steckt dahinter

Bitte nicht stören: Kinder im Flow

Lösungsstrategie

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

27 Dinah oder: Warum ein Kind nach der Geburt seines kleinen Geschwisterchens plötzlich nicht mehr »aufs Klo kann«

Analyse – das steckt dahinter

Lösungsstrategie

Elternsein ist kein Wettkampf – gute Eltern sind gut genug

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

Tod und Sterben: Wenn das Leben von geliebten Menschen zu Ende geht

28 Finn und Anni oder: Wie Eltern mit ihren Kindern über den Tod reden können

Analyse – das steckt dahinter

Lösungsstrategie

Was andere Familien aus dem Fallbeispiel mitnehmen können

Einige typische Fragen, die Kinder zum Thema Tod, Krankheit und Sterben umtreiben können

… und wie Eltern darauf reagieren können:

Die wichtigsten Punkte auf einen Blick

Verwandte Fallbeispiele

Sie als Eltern verändern die Welt! Ein paar Worte zum Abschluss

Dank!

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Anmerkungen

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Literaturverzeichnis

Register

»Wie soll ich das wissen, wenn ich es noch nie versucht hab?«

Pippi Langstrumpf

»Würdest du mir bitte sagen, wie ich von hier aus weitergehen soll?« – »Das hängt zum größten Teil davon ab, wohin du möchtest!«

Alice im Wunderland

Ein paar Worte vorab oder: Was ist eine wild family?

Lesezeit: 6 Minuten

Eine wild family hat viele Gesichter.

Sie kann aus Mutter, Vater, Kind oder Kindern bestehen. Ebenso gibt es Familien mit zwei Mamas, mit zwei Papas. Es gibt Familien mit adoptierten Kindern, Familien, in denen die Großeltern, Tanten oder Onkel die Kinder vollständig oder teilweise erziehen. Es gibt Familien, in denen es einen Papa und zwei Mütter gibt oder zwei Papas und eine Mutter. Es gibt Patchworkfamilien mit Bonuselternteilen und Bonuskindern. Es gibt freiwillig Alleinerziehende, die ihr Kind oder ihre Kinder dank einer Samenspende bekommen haben. Es gibt Mütter oder Väter, die alleinerziehend sind, nachdem Partnerin oder Partner gestorben ist. Es gibt getrennt erziehende Eltern, die gemeinsames Sorgerecht haben. Es gibt Familien in Kinderdörfern, es gibt Großfamilien und Kleinfamilien. Und noch alle möglichen Konstellationen mehr.

Wie sie auch aussieht, immer gilt: Eine wild family ist eine Familie mit mindestens einem wild child, die die vielfältigen Anforderungen des Familienalltags im besten Fall mit viel Liebe und Einfühlungsvermögen meistert, so herausfordernd sie auch manchmal sein mögen.

Bei diesem Vorhaben hilft den Eltern einerseits ein Verständnis von kindlicher Entwicklung: Wann kann mein Kind über seine Gefühle reflektieren? Wie entwickelt sich Empathie? Wie lange sind Wutausbrüche eigentlich normal? Und so weiter.

Andererseits unterstützt Eltern das Wissen um das faszinierende Zusammenspiel der einzelnen Elemente im System Familie. Kurz: der Familienmitglieder. Denn unsere Erfahrung zeigt eindeutig: Selbst wenn wir nur ganz sanft an einer Stelle im System etwas ändern, verschiebt sich das gesamte Gefüge. Wer weiß, wie alles zusammenhängt, kann so häufig mit wenigen Lösungsschritten aus der Balance Geratenes erstaunlich schnell wieder ins Lot bringen. Unser Buch vermittelt das wertvolle Wissen um die Meilensteine kindlicher Entwicklung und die kleinen und großen »Stellschrauben« in der Familie.

»Erziehung ist Beispiel und Liebe – sonst nichts!«

Dieses wunderbare Zitat stammt vom Pädagogen Friedrich Fröbel, dem Erfinder des Kindergartens und Schüler von Heinrich Pestalozzi. Nicht nur Kinder lernen am besten am Beispiel, auch Erwachsene. Darum – und das ist das Herzstück unseres Buches – zeigen wir Ihnen anhand echter Beispiele aus der systemischen bindungs- und bedürfnisorientierten Beratungspraxis von Dr. Eliane Retz, wie Sie typische und dabei manchmal ziemlich vertrackt wirkende Schwierigkeiten lösen. Oft geht das verblüffend einfach, obwohl die Situation anfangs häufig verfahren und kaum entwirrbar scheint – lassen Sie sich überraschen.

Echte und sehr typische Beispiele, die wir so aufbereitet haben, dass jede Familie – ob mit einem Kind, mit zwei Kindern oder vielen – daraus absolut anwendbare praktische Impulse mitnehmen kann, um das Familienleben zu entspannen, Geschwister zu verbünden, Stress zu reduzieren und den Spaß ins Zusammensein zurückzuholen.

Und warum sind Familie und Kinder bei uns wild?

Wir finden, dass der Begriff wild child kleine und auch schon etwas größere Kinder sehr gut beschreibt: Sie sind von Natur aus wild, denn sie sind lebensfroh und wollen die Welt kennenlernen und entdecken. Oder besser gesagt: Sie müssen es sogar, denn es ist ja kein Zufall, dass alle Kinder in die Autonomiephase kommen und in dieser beginnen, sich von den Eltern zu lösen – dieses Loslösen ist ein Prozess, der von nun an viele Jahre dauern wird. Das ist das Programm, das die Evolution uns Menschen mitgegeben hat.

Darum haben wir unser erstes Buch Wild Child genannt. Damals wie heute verstehen wir den Begriff wild sehr grundlegend, nämlich im Sinne von ursprünglich und unverfälscht. Ein wild child folgt seinen Emotionen. Das bedeutet nicht, dass ein wild child unbedingt ein besonders lautes oder extrovertiertes Kind sein muss oder eines, das mehr als andere auf Konfrontation aus ist. Ja, ein wild child kann zwar genau so sein, aber es kann ausdrücklich auch ein ruhiges, mehr in sich gekehrtes Kind sein. Auch ein schüchternes Kind ist ein wild child. Und Eltern grundsätzlich eher introvertierter, scheuer Kinder wissen: Auch diese können manchmal ziemlich laut und ungestüm werden.

In einer »wilden« Familie ist immer etwas los – und das ist gut so!

Die »Wildheit« eines Kindes, sein Ausprobieren, auch sein Toben hat einen Sinn, denn es muss immer selbstständiger werden. Es bewegt sich zwischen den Polen Bindung und Autonomie. Dieses evolutionäre »Programm« zu verstehen, zu unterstützen und zu fördern, ist eine gute Idee. Das heißt keineswegs, die Dinge laufen zu lassen und an das Kind oder die Kinder keine Ansprüche zu stellen.

Wir Menschen sind soziale Wesen, und darum ist es wichtig, dass Kinder lernen, sich in einer sozialen Gruppe zu bewegen, sodass eine Balance zwischen ihren eigenen Interessen und Bedürfnissen und denen der anderen zustande kommt. Nur so sind soziale Systeme funktionsfähig.

Auch eine Familie ist ein soziales System, und auch in Familien gibt es eine Balance, die – wenn sie hergestellt ist – es allen Familienmitgliedern erlaubt, stabile und liebevolle Beziehungen untereinander zu pflegen, die für alle Beteiligten, ob groß oder klein, förderlich sind.

Allerdings bekommt jede Familie im Alltag immer wieder kleine oder auch große Schubser, wodurch sie vorübergehend aus der Balance gerät. Das ist völlig normal, denn Friede, Freude, Eierkuchen gibt es höchstens in der Werbung. Solche Anstöße können Probleme sein, wie das, dass ein Kind nach den Ferien nicht mehr in den Kindergarten möchte. Oder auch große Veränderungen, wie die Geburt eines Geschwisterkindes oder die Trennung der Eltern, die das familiäre System in Bewegung bringen. Dadurch können Schwierigkeiten auftauchen, die Familien vor allem dann belasten, wenn sie nicht wissen, wie sich das Gleichgewicht wiederherstellen lässt, und sie sich angstvoll fragen: Bleibt das jetzt für immer so?

In solchen Situationen möchten wir helfen, die Balance wiederherzustellen, bis sie dann den unvermeidlichen nächsten Schubser erfährt.

Mit unserem Vorgängerbuch Wild Child haben wir Eltern vor allem die Grundlagen bindungs- und bedürfnisorientierter Erziehung vermittelt. Außerdem haben wir auf die bindungsgerechte Bewältigung wiederkehrender alltäglicher Situationen – vom Anziehen über das Abholen vom Kindergarten bis zum Zähneputzen – mit Kindern in der Autonomiephase geschaut. Dabei hatten wir vor allem die Keimzelle der Bindung, die Beziehung von Elternteil und Kind, im Blick.

Mit Wild Family gehen wir also einen Schritt weiter: Wir schauen uns komplexe Situationen und Schwierigkeiten an, in die Familien geraten können. Komplexe Situationen, die übers tägliche Anziehen und das Aus-dem-Haus-Kommen hinausgehen und die den betroffenen Familien wie ein schreckliches Tohuwabohu erscheinen.

Um es mit einem alten, leicht abgewandelten Sprichwort zu sagen: Wenn Sie den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen, helfen wir Ihnen, den oder die Bäume zu finden, die gerade ein wenig Extrapflege benötigen – damit Sie anschließend wieder alle zusammen Ihren Familienwald genießen können.

So nutzen Sie dieses Buch

Wir haben jedes Kapitel mit einer Angabe über die ungefähr erforderliche Lesezeit versehen. So sehen Sie auf einen Blick, ob Sie gerade Zeit und Muße haben, diesen Abschnitt vollständig zu lesen.

Im Theorieteil haben wir das Wichtigste zu bindungsorientierter Erziehung in den jeweiligen Phasen kindlicher Entwicklung zusammengefasst. Dabei erklären wir Ihnen nicht nur die relevanten Entwicklungsschritte, damit Sie verstehen, was gerade mit und in Ihrem Kind los ist. Wir haben uns auch von praktischen Fragen leiten lassen: Wie schaffen Eltern eine sichere Bindung? Wie funktioniert Co-Regulation? Wie helfen Eltern Ihren Kindern, erste Freundschaften zu festigen?

Herzstück des Buches sind die auf echten Beratungen aus Dr. Eliane Retz’ Beratungspraxis basierenden Fallbeispiele.[1] Wir haben die Fallbeispiele nach Themen geordnet und so aufbereitet, dass auch andere Familien daraus Erkenntnis und praktischen Nutzen ziehen können. Eine genaue Beschreibung und »Anleitung«, wie Sie von diesem Abschnitt des Buches am besten profitieren, finden Sie in der Einleitung zum Praxisteil.

Es ist keineswegs notwendig, das Buch von vorne bis hinten »durchzuarbeiten«. Sie können von Abschnitt zu Abschnitt springen und gezielt zu den Themen lesen, die Sie gerade umtreiben. Das Inhaltsverzeichnis und das Register weisen Ihnen den Weg.

Wer wir sind

Dr. Eliane Retz. Ich bin Pädagogin, systemische Beraterin, Autorin und Mutter von zwei Kindern. Ich lebe in München, wo ich auch an der Ludwig-Maximilians-Universität studiert und promoviert habe. Schon seit vielen Jahren berate ich Eltern nach dem familiensystemischen Ansatz. Dabei beziehe ich mich auf aktuelle Erkenntnisse der Bindungs- und Entwicklungsforschung, denn Informationen dazu sind für Eltern der Schlüssel, um ihre Kinder zu verstehen. Warum Kinder so sind, wie sie sind, steht im Mittelpunkt meiner Elternberatung. Auf Instagram schreibe ich ebenfalls über diese Themen (@Dr.Retzel).

Christiane Stella Bongertz. Ich bin Kommunikationswissenschaftlerin, Journalistin und langjährige Autorin der Familienmagazine »Eltern« und »Eltern Family« und lebe mit meiner deutsch-schwedischen Familie in Südschweden. Als Kommunikationswissenschaftlerin liegt mein Schwerpunkt auf individueller Wirklichkeitskonstruktion. Als Mutter und Bonusmutter in einer Patchworkfamilie interessiert mich in diesem Zusammenhang vor allem die Lebenswelt von Familien: Wie schaffen wir gemeinsam eine förderliche, entspannte und liebevolle Realität für unsere Kinder und uns?

[1]Die echten Fälle haben wir selbstverständlich so verfremdet, dass die Anonymität aller Beteiligten gewahrt ist.

Einleitung: Nur Mut! Bindungsorientiert erziehen lohnt sich für die ganze Familie – auch wenn es gerade in schwierigen Momenten oft Gegenwind gibt

Lesezeit: 10 Minuten

»Mit einer Zweijährigen zu diskutieren bringt doch nix!«

 

»Die/der wird Ihnen später bestimmt noch ordentlich auf der Nase rumtanzen, wenn Sie da nicht mal klare Ansagen machen.«

 

»Man muss doch nicht beim kleinsten Pups gleich rennen …«

 

Kennen Sie solche Kommentare?

Viele Eltern, die sich entschlossen haben, ihr Kind oder ihre Kinder liebevoll, feinfühlig, ohne Strafen, ohne Gewalt und – möglichst – auch ohne Schreien und Schimpfen zu erziehen, bekommen solche Sprüche hier und da zu hören.

Mal von wildfremden Menschen, mal von Freunden und Verwandten – und meistens gerade dann, wenn Eltern schon all ihre Geduld zusammenkratzen, um mit ihrem kleinen Kind oder ihren Kindern einen Konflikt auf dem Spielplatz, im Supermarkt oder woanders im öffentlichen Raum feinfühlig durchzustehen.

Manchmal werden die Kommentare nur leise gemurmelt, aber weil die begleitende Körpersprache mit hochgezogenen Augenbrauen, Kopfschütteln und verächtlich verzogenen Mundwinkeln ziemlich »laut« ist, verstehen die Adressaten genau, worum es geht: Sie sollen begreifen, dass sie in den Augen der anderen etwas falsch machen. Dass Kindern nicht mit Verständnis begegnet werden sollte, sondern mit »Ansagen«.

Einige Eltern lassen sich davon nicht beeinflussen, weil sie sich ihrer Sache sicher sind. Weil sie an anderer Stelle viel Verständnis für ihren Umgang mit den Kindern bekommen. Weil sie einen inneren Leitfaden haben, nach dem sie sich auch in den aufwühlendsten Momenten richten können.

Nicht selten treffen diese Sprüche aber zielgenau wunde Punkte bei den Eltern. Weil sie selbst manchmal zweifeln, ob ihr Weg der richtige ist. Weil sie mit ihrem Kind oder ihren Kindern gerade Schwierigkeiten erleben, die sie an die Grenze der Überforderung bringen. Weil sie erschöpft sind und sich nach einfachen Lösungen sehnen. Weil auch der andere Elternteil manchmal Zweifel hegt, ob sie nicht doch »andere Saiten aufziehen« sollten. Weil sie solche Kommentare von Familienmitgliedern und Freunden zu hören bekommen, die ihnen wichtig sind. Und wer will schon sozial unverträgliche Monster »produzieren«? Welche Eltern wollen als überbehütende »Helikoptereltern« verschrien werden, die sich nicht von ihrem Kind lösen können?

Viele Eltern, die wegen Schwierigkeiten in ihrer Familie in die Beratungspraxis von Dr. Eliane Retz kommen, sind verunsichert, auch wenn sie ganz bewusst den Weg der bindungsorientierten Erziehung eingeschlagen haben. Sie möchten wissen, ob solche Kritik berechtigt ist.

Blöde Sprüche – das Erbe einer finsteren Zeit der Geschichte

Wir möchten Eltern, die sich entschlossen haben, ihre Kinder bindungs- und bedürfnisorientiert zu erziehen, ermutigen, nicht aufzugeben, denn die Kritiker haben nicht recht: Es ist nicht besser, einem aufgewühlten Kind mit körperlicher oder seelischer Gewalt und/oder dem Ignorieren seiner Emotionen und Bedürfnisse zu begegnen.

Dass uns dennoch häufig Menschen mit gut gemeinten »Ratschlägen« und abwertenden Sprüchen begegnen, liegt daran, dass überkommene Vorstellungen davon, wie Kinder angeblich »nun mal sind«, bis heute Einfluss haben.

Noch immer wirken im deutschen Sprachraum alte Ideen nach, von preußischer Zucht und Ordnung und dem Menschenbild der NS-Zeit, in dessen Konsequenz Kinder bloß nicht »verwöhnt« werden sollten. Man könnte meinen, dass das alles ziemlich lange her ist. Das Problem dabei: Erziehungsmuster werden, wenn sie nicht bewusst durchbrochen werden, von Generation zu Generation weitergetragen, weil es die Erfahrungen aus der eigenen Kindheit sind, auf die Eltern im Umgang mit ihren Kindern zurückgreifen. Zudem wurde einer der populärsten Erziehungsratgeber des Nationalsozialismus, Johanna Haarers 1934 erstmals erschienenes »Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind«, bis 1987 verlegt und insgesamt 1,2 Millionen Mal verkauft, davon über eine halbe Million Mal zwischen 1946 und 1987. Man kann also davon ausgehen, dass die eine oder der andere der heutigen Großelterngeneration dieses Buch noch im Regal stehen hat. Dass es in den späteren Ausgaben um die nationalsozialistische Propaganda bereinigt, sprachlich entschärft und der Titel verkürzt wurde (»Die Mutter und ihr erstes Kind«), ändert wenig an der vertretenen Grundhaltung.

Haarer schrieb über den Umgang mit Babys und Kleinkindern:

 

»Fange nur ja nicht an, das Kind aus dem Bett herauszunehmen, es zu tragen, zu wiegen, zu fahren oder auf dem Schoß zu halten, es gar zu stillen. Das Kind begreift unglaublich rasch, dass es nur zu schreien braucht, um eine mitleidige Seele herbeizurufen und Gegenstand solcher Fürsorge zu werden. Nach kurzer Zeit fordert es diese Beschäftigung mit ihm als ein Recht, gibt keine Ruhe mehr, bis es wieder getragen, gewiegt oder gefahren wird – und der kleine, aber unerbittliche Haustyrann ist fertig!«[1]

 

Laut Duden ist ein Tyrann ein Gewaltherrscher und grausamer Despot, der über andere verfügt, wie es ihm gefällt. Tyrannen weinen nicht, sie befehlen. Einem hilflosen kleinen Kind, das in seinem Bettchen weint und nach den Eltern ruft, zu unterstellen, ein solcher Tyrann zu sein, ist aus heutiger Sicht absurd. Es hat Angst, fühlt sich verlassen und braucht die Nähe der Eltern, um sich wieder sicher zu fühlen. Es kann nicht manipulieren, denn es verfügt weder über die Fähigkeit, gedanklich zu antizipieren, noch ist es in der Lage, sich in die Eltern hineinzuversetzen. Ihm seinen Wunsch nach Nähe abzuschlagen ist dazu – wie wir sehen werden – ausgesprochen kontraproduktiv.

Zwar fordert so ein kleines Kind phasenweise, manchmal auch über einen langen Zeitraum, sehr beharrlich die Nähe zu den Eltern ein. Aber da es aufgrund seiner kognitiven, sozialen und emotionalen Entwicklung noch nicht verstehen kann, mit welchen Mühen und Herausforderungen seine Existenz für die sorgenden Eltern einhergeht, sollte man ihm dies niemals zum Vorwurf machen. Dieses Prinzip gilt übrigens immer, egal wie alt, frech, widerspenstig und schwierig ein Kind auch sein mag.

Das Bild vom Tyrannenkind ist nicht mehr zeitgemäß, und es ist bedauerlich, dass es sich überhaupt entwickeln konnte. Dennoch ist die Idee, bloß nicht zu liebevoll zu Kindern zu sein, weil sich das eines Tages rächen könnte, in unserer Gesellschaft immer noch weit verbreitet. Kein Wunder, findet sich immer mal wieder ein »Experte« oder eine »Expertin«, der oder die durch die Medien tingelt und mehr oder weniger den Untergang der Zivilisation prophezeit. Nicht etwa, weil machtbesessene Diktatoren Kriege anzetteln oder die Menschen den Planeten zerstören. Nein, die Gesellschaft steht vor der Katastrophe, weil heutige Eltern ihren Kindern angeblich keine Grenzen setzen, sie verhätscheln und ihnen alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumen.

Hinter den Plädoyers für eine harte Hand steckt dabei, neben dem erwähnten historischen Ballast, viel Unwissenheit über die Erkenntnisse der Wissenschaft – etwa aus der Entwicklungspsychologie oder auch der Neurobiologie.

Liebevolle, feinfühlige Erziehung und elterliche Führung schließen sich nicht aus

Zum Glück wächst das Wissen darüber, dass sich eine liebevolle, feinfühlige, straffreie Erziehung auf der einen Seite und elterliche Führung, die den Kindern Orientierung gibt, auf der anderen Seite keineswegs ausschließen.

Ebenso verbreiten sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass gerade die harte, strafende, unnachgiebige Erziehung die Wahrscheinlichkeit eklatant erhöht, Kinder zu sozial unverträglichen Personen zu machen.[2] Oder zu Erwachsenen, die schnell gestresst und überfordert sind, Schwierigkeiten in Beziehungen haben und zu psychischen Problemen neigen.[3]

Und langsam spricht sich auch herum, dass der massiv abwertende Begriff der »Helikoptereltern« vorwiegend im deutschen Sprachraum genutzt wird und es sich dabei vor allem um einen Medienmythos handelt. Ein Mythos, der zwar als zuverlässiges Aufregerthema für Klicks sorgt, aber keine sachliche Basis in der Forschung hat.[4]

Der autoritative Erziehungsstil: Vorbildfunktion und Mitbestimmung statt starrer Vorgaben und Machtausübung

Die Forschung zeigt eindeutig, dass es für die kindliche Entwicklung – auch die soziale – vorteilhaft ist, Kinder in einem sogenannten autoritativen Erziehungsstil zu erziehen.[5] Der Begriff kommt zwar vom lateinischen auctoritativus, was herrisch oder gebieterisch bedeutet und sich von auctoritas, dem Einfluss, ableitet. Dennoch ist der autoritative Erziehungsstil sehr verschieden vom autoritären Erziehungsstil.

Der autoritäre Erziehungsstil ist ebenjener harte, unflexible, herrschende und oft strafende Ansatz, bei dem Kinder ohne Wenn und Aber zu gehorchen haben.

Bei einem autoritativen Erziehungsstil stellen Eltern zwar durchaus altersgemäße Ansprüche an ihre Kinder und sie sind auch Autoritäten in der Familie. Allerdings wird diese Autorität nicht durch simple, quasi diktatorische Machtausübung (»Es wird gemacht, was ich sage, weil ich es sage!«) zementiert.

Stattdessen lebt die Autorität im autoritativen Erziehungsstil vom beispielhaften Vorleben, vom geduldigen Erklären und von der konstruktiven Begleitung von Konflikten (in Kapitel 18 lesen Sie mehr zum Konzept einer neuen positiven Autorität).

Damit ist ein autoritativer Erziehungsstil also keineswegs ein solcher, bei dem Eltern ihren Kindern »alles durchgehen« lassen und keinerlei Grenzen setzen (dies wiederum wäre ein sogenannter permissiver Erziehungsstil, der sich als ebenso ungünstig herausgestellt hat wie der autoritäre).[6]

Darüber hinaus spielen in einem autoritativen Erziehungsstil – ebenfalls ganz anders als im autoritären Erziehungsstil – die kindlichen Bedürfnisse eine große Rolle, ebenso kindliche Mitbestimmung und Selbstwirksamkeit. Das heißt, das Kind wird nicht in eine Form gepresst, wie es mit der autoritären Erziehung versucht wird. Es kann sich in einem geschützten Rahmen frei entfalten, während dieser Rahmen zugleich Orientierung und Halt gibt und es von seinen Eltern vor Gefahren beschützt wird, die es selbst noch nicht einschätzen kann.

Die bindungs- und bedürfnisorientierte Erziehung – ein Geschenk fürs ganze Leben

Zu den autoritativen Erziehungsstilen zählen wir auch die bindungs- und bedürfnisorientierte Erziehung, um die – und ihre Umsetzung – es in diesem Buch geht.

Kinder dürfen bei dieser Form der Erziehung also mitbestimmen, wobei sich Art und Umfang der Mitbestimmung an ihrem Entwicklungsstand orientieren. Mitbestimmen heißt dabei ausdrücklich nicht, dass die Eltern die Diener ihrer Kinder sind, die ihnen jeden Wunsch erfüllen müssen.

Mitbestimmung bedeutet vor allem, dass den Kindern, angepasst an ihre Entwicklung, im Rahmen des Möglichen Autonomie gewährt wird. Was gerade möglich ist, ist dabei nicht starr, sondern wird immer wieder neu und flexibel entschieden und richtet sich zum Beispiel nach den aktuellen Energieleveln von Mama oder Papa und nach vielen anderen Faktoren des täglichen Lebens. So lernen Kinder auch am Beispiel, dass die Eltern ebenfalls Bedürfnisse haben, es wichtig ist, für sich selbst zu sorgen, und dass auf Gegebenheiten flexibel reagiert werden kann.

Die bindungsorientierte Erziehung stützt sich, wie der Name schon sagt, auf Erkenntnisse der Bindungsforschung und auf Begrifflichkeiten der von John Bowlby begründeten Bindungstheorie. Beim Etablieren einer sicheren Bindung spielen die alters- und entwicklungstypischen Bedürfnisse der Kinder eine wichtige Rolle. Wenn diese feinfühlig und liebevoll von den Erwachsenen beantwortet werden, kann mit der Zeit eine stabile Bindung entstehen.

Ein Baby ist darauf angewiesen, dass die Eltern seine Signale verstehen und die Grundbedürfnisse nach Nähe, Wärme, Nahrung, Sicherheit, Saugen und Sauberkeit stillen. Dass Eltern bereit sind, ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse aufzuschieben. Dies ist etwas, wozu Eltern in der Lage sind, aber was ein Kind im Laufe seiner Entwicklung erst noch lernen muss – und was es übrigens nicht dadurch lernt, dass seine Grundbedürfnisse ignoriert werden, wie es in manchen sogenannten Schlaflernprogrammen empfohlen wird. Was es dann lernt, ist: dass seine Bedürfnisse nicht zählen und es sich nicht auf die Eltern verlassen kann.

Erkennen und beantworten die Eltern die Bedürfnisse des Babys hingegen feinfühlig, prompt und angemessen, kann sich eine sichere Bindung entwickeln. Aber auch Kleinkinder und ältere Kinder sind noch sehr auf ihre Eltern angewiesen, brauchen Trost und Unterstützung und die Versicherung, dass ihre Eltern sie lieben und im Zweifel immer für sie da sind. Gelingt es, den Kindern diese Gewissheit zu vermitteln, wird die Bindung, das emotionale Band zwischen den nächsten Bezugspersonen und dem Kind, gestärkt.

Diese Bindung wiederum gibt Kindern die sichere Basis, auf der sich eine altersgemäße Entwicklung und Urvertrauen, Resilienz, Stressresistenz, Selbstvertrauen sowie soziale Kompetenz aufbauen. Bindung ist die Voraussetzung dafür, dass ein Kind die Welt erkundet und nach und nach selbstständig wird. Eine sichere, vertrauensvolle Bindung ist damit ein Geschenk fürs ganze Leben. Durch bloßes Vorleben können die Erwachsenen ihren Kindern so alles vermitteln, was sie zum Leben brauchen – zum Beispiel, anderen Menschen mit Respekt, Wohlwollen und Toleranz zu begegnen und eben nicht als Tyrann.

Eltern, die die Herausforderungen der bindungsorientierten Erziehung annehmen, werden zum Beispiel – auch für andere Eltern

Das klingt erstrebenswert, ist erstrebenswert – und doch ist es, wir haben das schon angedeutet, nicht immer so einfach. Eltern, die sich bewusst für diesen Weg entschieden haben, wissen das. Bindungs- und bedürfnisorientierte Erziehung ist anspruchsvoll, denn sie kann nicht auf ein simples »Es wird gemacht, was ich sage, sonst setzt’s was« zurückgreifen und nach den Prinzipien des Behaviorismus erwünschtes Verhalten belohnen und unerwünschtes bestrafen – so wurden früher Tiere dressiert, und selbst in diesem Bereich stützt man sich mittlerweile mehr und mehr auf andere Methoden.

Die Eltern sind gefordert, sich mit ihrem Kind tiefer gehend auseinandersetzen, mit seinen Beweggründen, seinem emotionalen Zustand, seinen Bedürfnissen, seinem Entwicklungsstand – auch dann, wenn es gerade sein kleines Geschwisterchen am Bein zieht, in der Kita andere Kinder mit Klötzchen bombardiert, im Supermarkt einen Wutausbruch bekommt oder morgens einfach nicht aus dem Haus will.

Hier gilt es, an die Situation angepasste Lösungen zu finden, die nicht auf Angst beruhen und die Kinder dort abholen, wo sie sich in ihrer Entwicklung befinden. Lösungen, die auch – so gut es geht – die Bedürfnisse der Eltern miteinbeziehen. Der zentrale Punkt dabei ist, die Bindung nicht abreißen zu lassen oder sie infrage zu stellen, denn sie bildet nicht nur die Sicherungsleine fürs Kind, sondern auch das sehr effektive kommunikative »Transportband« zwischen Eltern und Kind.

Wenn Eltern dies gelingt, dann tun sie nicht nur etwas für ihr Kind, für sich selbst und für die Balance im familiären System. Sie sind auch Beispiel für andere Eltern, die interessiert beobachten, wie andere mit herausfordernden Situationen umgehen.

Zu spüren, dass sie andere anregen, kann Eltern wiederum ungemein motivieren, freundlich und zugewandt mit ihren Kindern umzugehen. Sie sind dann, nach Albert Bandura, dem großen Verfechter des »Lernens am Modell«, inspirierende Vorbilder. Vorbilder, die deutlich zeigen: Es geht auch ohne Strafen und Anschreien.

Eltern sollten souverän sein, nicht perfekt

Vielleicht erzeugen die Informationen, die Sie auf diesen Seiten gelesen haben, in Ihnen Druck: Wie soll ich denn immer prompt reagieren? Manchmal geht das doch gar nicht! Und was ist, wenn ich die Signale meines Kindes mal falsch deute? Liegt dann gleich alles im Argen? Mache ich etwas kaputt, wenn ich doch mal schimpfe oder ungerecht bin?

Hier möchten wir Sie beruhigen. Den kindlichen Bedürfnissen überwiegend feinfühlig zu begegnen bedeutet auch: Wenn sich Eltern grundsätzlich und ernsthaft bemühen, die Bedürfnisse ihres Kindes zu erkennen und gut darauf zu reagieren, tun sie bereits das Wichtigste, um eine sichere Bindung aufzubauen.

Wenn Sie immer wieder versuchen, Ihr Kind zu verstehen, es einfühlsam zu begleiten und gemeinsam Lösungen zu finden, zahlen Sie unweigerlich auf das gemeinsame »Bindungskonto« ein. Sollten Sie dann mal die Nerven verlieren und schimpfen, ist dieses Konto trotzdem weiterhin im Plus: Das Kind verliert durch einzelne nicht so gut verlaufende Situationen nicht sofort seine sichere Basis, denn es hat schon in unzähligen Interaktionen gelernt, dass es sich auf seine Eltern verlassen kann.

Dass nicht immer alles perfekt funktioniert – gar nicht funktionieren kann –, ist normal. Es hilft dem Kind nicht, wenn sich Eltern in Selbstvorwürfen verlieren, weil sie etwas nicht perfekt gelöst haben. Denn dann sind sie nicht mehr präsent. Außerdem bieten schwierige Situationen fast immer ein hohes Lernpotenzial. Nach einer problematischen Situation können Eltern überlegen: Diesmal ist es nicht gut gelaufen – wie kann ich das zukünftig besser meistern?

Der Psychoanalytiker Donald W. Winnicott hat hier das Konzept der Gut-genug-Elternschaft geprägt. Grob gesagt bedeutet das: Ideale Eltern sind vielleicht eine schöne Idee, aber auch unrealistisch. Realistisch ist dagegen, die Herausforderungen des Alltags anzunehmen und sich dem Ideal immer wieder anzunähern.

Gut genug zu sein bedeutet, auszuhalten, dass es manchmal wenig Harmonie und dafür viele Konflikte mit Kindern gibt, die eine intensive Begleitung brauchen. Vielleicht ist dies die zentrale Aufgabe von heutigen Eltern. Denn: Wenn Kinder keine Strafen zu fürchten haben, dann kann ihre Begleitung intensiv werden. Früher gehorchten Kinder aus Angst. Heute könnte man sagen: Kinder folgen ihren Eltern. Dieses Folgen bedeutet in diesem Fall nicht ein Folgen aus einer Furcht heraus. Vielmehr folgt das Kind dem Beispiel seiner Eltern aus einer echten Motivation heraus.

 

Und damit steigen wir ein in das Abenteuer Wild Family. Kommen Sie mit!

Erster Teil

Wissen macht den Unterschied

Über die kindliche Entwicklung der Jahre eins bis sieben, Familiensysteme und das Band zwischen Geschwistern

Was bindungsorientiert erziehenden Eltern in Alltagssituationen hilft, ist unserer Erfahrung nach vor allem Wissen. Genau dieses Wissen vermitteln wir Ihnen in diesem ersten Teil des Buches:

Wissen darüber, wie eine sichere Bindung entsteht und wie Eltern diese in ihrer Entwicklung unterstützen.

Wissen darüber, wie eine gute Co-Regulation funktioniert und warum es so wichtig ist, in der Familie über Gefühle zu sprechen – nicht nur über die der Kinder, sondern auch über die der Erwachsenen.

Wissen über die kindliche emotionale, kognitive und soziale Entwicklung. Damit Eltern – oder andere Bindungspersonen – das Verhalten ihres Kindes verstehen, weil sie die aktuellen Entwicklungsaufgaben kennen. Und damit sie von ihrem Kind weder zu viel erwarten, wenn es bestimmte Entwicklungsschritte noch nicht gemacht hat – und auch nicht zu wenig, wenn ihr Kind bereits bestimmte Meilensteine hinter sich gelassen hat.

Wissen darüber, wie Familien funktionieren. Denn nicht nur die Qualität der Beziehung jedes Elternteils zu seinem Kind ist von Bedeutung, sondern alle Verbindungen im familiären System. Je größer die Familie wird, umso komplexer wird das Geflecht und umso wichtiger wird es, jede einzelne Verbindung im Auge zu behalten – gerade wenn es Schwierigkeiten gibt. Denn alle Beziehungen in einem System haben Auswirkungen auf alle anderen, sie bestimmen zusammen, ob das familiäre Klima als grundsätzlich positiv und förderlich oder anstrengend und schwierig empfunden wird.

Und zu guter Letzt das Wissen, dass nicht jede Situation perfekt gelöst werden muss und kann, dass es zwangsläufig Kompromisse geben wird. Das Wissen, dass es ausreicht, wenn Eltern »gut genug« sind. Was zählt, ist die überwiegende Haltung, nicht einzelne Ausreißer.

Begriffsdefinitionen

Kita: Wir verwenden im Folgenden den Begriff der Kita – der Kindertagesstätte – als übergreifenden Terminus für sämtliche außerfamiliäre Betreuung von Kindern vor dem Eintritt in die Schule.

Krippe: Eine Kinderkrippe ist die Betreuung von Kindern ungefähr bis zum dritten Geburtstag.

Kindergarten: Wenn wir von einem Kind im Kindergartenalter sprechen, ist damit ein Kind etwa vom dritten Geburtstag bis ungefähr zur Vollendung des fünften Lebensjahres gemeint.

Vorschulkind: Im letzten Kindergartenjahr werden die Kinder im Allgemeinen auf den Schuleintritt vorbereitet. Vorschulkinder sind unserer Definition nach also vor allem fünf- und sechsjährige Kinder.

Grundschulkind: Wir sprechen in diesem Buch vor allem vom Beginn der Grundschulzeit, darum sind hier meist die Sechs- und Siebenjährigen gemeint, auch wenn in den Fallbeispielen ab und zu ältere Geschwister vorkommen.

1 Die ersten anderthalb Jahre: Wie Eltern jetzt den Grundstein für eine sichere Bindung legen

Lesezeit: 13 Minuten

Bindung entsteht in bindungsrelevanten Situationen – doch was bedeutet das konkret?

Es ist ganz einfach: In einer bindungsrelevanten Situation signalisiert ein Kind, dass es seine Bindungsperson braucht. Es zeigt dann sogenanntes Bindungsverhalten, versucht also, durch bestimmte Verhaltensweisen die Aufmerksamkeit der Bindungsperson zu erlangen. Bei einem Baby sind das Weinen, Wimmern oder Schreien.

Dass kleine Kinder nach ihren Eltern rufen, nicht abgelegt werden wollen, sich anklammern und auf diese Weise bekommen, was sie brauchen, definierte die Bindungsforscherin und Entwicklungspsychologin Mary Ainsworth bereits 1974 als die »Kompetenz des kleinen Kindes«.[7]

Dieser wohlwollende Blick auf die frühe Kindheit ist wichtig: Kindliches Bindungsverhalten kann so als sinnvoll gesehen werden – und nicht als Störfaktor, den man möglichst schnell »wegerziehen« sollte.

Ins – und im – Leben getragen

Gerade haben wir das kindliche Anklammern erwähnt. Ihm kommt innerhalb des Bindungsverhaltens ein besonderer Stellenwert zu. Diese Verhaltensweise entwickelte sich, als unsere Vorfahren noch Fell trugen. Zwar ist unser »Fell« bis auf unsere Kopfbehaarung und den kümmerlichen Rest an Körperbehaarung verschwunden – mit dem Bedürfnis des Babys, sich daran festzuhalten, verhält es sich genau umgekehrt: Es ist noch da.

Menschenbabys sind weder »Nestflüchter« (wie viele Vögel) noch sind sie »Nesthocker« (wie Hamster oder Kaninchen), sie sind Traglinge: Es liegt in den menschlichen Genen, dass Babys sich an den Eltern festhalten und diese ihren Nachwuchs überall mit hinnehmen. Ein deutlicher Hinweis auf dieses evolutionäre Erbe ist die Moro-Umklammerungsreaktion, die Neugeborene ab ihrer Geburt bis zum dritten oder vierten Lebensmonat zeigen[8]: Wenn Babys die Empfindung haben, plötzlich nach hinten zu fallen – etwa, wenn man sie auf den Rücken ins Bettchen legt –, strecken sie ruckartig die Arme aus, öffnen Hände und Finger, um die Arme direkt darauf wieder zu sich heranzuziehen und die Finger zusammenzuführen, als würden sie sich festkrallen. Bei einer heftig ausgeprägten Reaktion werden auch noch die Beinchen angehockt, so wie das Babys tun, wenn sie hochgehoben werden. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass sich die Kinder unserer Vorfahren dank dieses Reflexes vor dem Hinabfallen schützen konnten.

Es ist also wenig überraschend, dass sich das Tragen im Körperkontakt in der Forschung als so vorteilhaft herausgestellt hat. Das Tragen in einem Tragetuch oder einer Tragehilfe und das Halten des Babys und späteren Kleinkindes im Arm wirkt sich positiv auf die Bindung aus. Insbesondere durch Bauch-zu-Bauch-Kontakt wird vermehrt Oxytocin, das »Bindungshormon«, ausgeschüttet.[9] Tragen oder liebevolles Umarmen kann schnell und unkompliziert das Bedürfnis nach Bindung stillen – auch dann noch, wenn Kinder längst keine Babys mehr sind. Dass Babys gerne getragen werden, bedeutet übrigens nicht, dass sie nicht auch im Kinderwagen geschoben werden können. Aber wenn ihre Bindungspersonen die Bedeutung des Tragens kennen, verstehen sie besser, warum ihr Kind vielleicht beim Ablegen weint: Das Kind ist nicht etwa unnormal, sondern zeigt nur ein uraltes, sehr sinnvolles Verhalten. Und vielleicht entscheiden sie sich dann, zusätzlich zum Kinderwagen eine Tragehilfe anzuschaffen. Diese kann tatsächlich vieles erleichtern.

 

Wir alle können »Eltern« sein: Wer feinfühlig ist, kann eine sichere Bindung zum Kind aufbauen – nicht nur biologische Eltern

Eine sichere Bindung entwickelt sich, wenn das Baby die verlässliche Erfahrung macht, dass seine Bedürfnisse verstanden und liebevoll beantwortet werden. Dafür ist keine biologische Verwandtschaft notwendig! Auch Adoptiveltern und nicht mit dem Kind blutsverwandte im Haushalt lebende Personen können dies leisten.

Wenn wir in diesem Buch zuweilen nur »Eltern« schreiben, fassen wir darunter alle Bindungspersonen und bewegen uns da in guter etymologischer Tradition: Das Wort Eltern kommt nämlich vom althochdeutschen »eltiron« oder »altiron«, was wiederum auf das westgermanische »aldizon« zurückgeht und der Plural der Steigerung von »alt« ist. Eltern bedeutet also ganz einfach: die Älteren. Und die Älteren, das sind biologische Eltern genauso wie andere Bindungspersonen. Das passt auch dazu, dass in früheren Stammesgesellschaften das ganze Dorf oder die ganze Gemeinschaft an der Erziehung der Kinder beteiligt war – in manchen Gegenden ist das heute noch so.

Gelebte Geborgenheit wird möglich, indem das Baby gehalten, getragen und getröstet wird. In unzähligen Interaktionen zwischen Eltern und dem Baby entsteht eine einzigartige, im Idealfall sichere Bindungsbeziehung. Es kommt der Tag, an dem das Baby unmissverständlich ausdrücken wird: In meinen Augen bist du einzigartig. Du kannst mich am besten trösten, beschützen. Mit dir kann ich am meisten Spaß haben und lachen.

Die Gedächtnisspanne des Säuglings ist noch sehr kurz, weshalb das prompte Reagieren auf die kindlichen Signale so wichtig ist. Dann entsteht für das Kind eine Verbindung zwischen seinem Tun und dem Reagieren der Bindungspersonen. Diese Erfahrung ist rein emotional und zugleich hochbedeutsam für ein Kind. Es lässt in ihm erstmals ein zartes Gefühl von Selbstwirksamkeit entstehen. Etwas zu bewirken, indem man weint, und dann eine Antwort darauf zu erhalten, ist eine der ersten Erfahrungen, die ein Kind macht.

Ein Säugling kann noch nicht darüber nachdenken, warum seine Eltern manchmal sehr schnell und einfühlsam regieren und ihm mit dem helfen, was es gerade braucht. Ebenso wenig kann er sich erklären, wenn sie langsam reagieren und seine Frustrationstoleranz überstrapazieren.

Aber wenn die Bindungspersonen sich um Feinfühligkeit bemühen und es immer wieder versuchen, wird die positive Wirkung dieses Elternverhaltens dennoch nicht ausbleiben. Die Eltern investieren so in eine sichere Bindung – und damit in die Zukunft ihres Kindes.

Feinfühligkeit: Eine Investition fürs Leben

Was elterliche Feinfühligkeit ausmacht, ist gut erforscht.[10] Sie lässt sich anhand von vier zentralen Merkmalen definieren:

Die Bindungspersonen haben ihr Baby und dessen Befinden gut im Blick. Sie sind geistig präsent und bemerken dadurch, wenn das Baby etwas mitteilen möchte. Die kindlichen Signale werden (überwiegend) richtig interpretiert.Die Bindungspersonen reagieren prompt. Insbesondere bei Neugeborenen ist das wichtig, da das Baby dann zwischen seinem und dem Verhalten der Bindungspersonen einen Zusammenhang herstellt. Die Bindungspersonen reagieren angemessen: Das Baby bekommt, was es braucht. Ein hungriges Kind bekommt Nahrung. Ein Kind, das sich wegen seiner vollen Windel unwohl fühlt, wird gewickelt. Ein vor Angst weinendes Kind wird liebevoll in den Arm genommen. Und so weiter. All das ist angemessen und bindungsstärkend.

 

Diese Definition liest sich gut und klingt nachvollziehbar. Eltern sollten dabei aber nicht vergessen: Sie ist ein Idealzustand, den Eltern anstreben können (und sollten), dem sie aber niemals zu hundert Prozent entsprechen müssen, damit sich eine sichere Bindung entwickelt.

Die Entwicklung kindlicher Selbstregulation durch Co-Regulation

Kinder sind unterschiedlich: Manche beruhigen sich schneller in den Armen der Großen, andere scheinen untröstlich zu sein. Sie weinen weiter, und der angebotene Körperkontakt scheint zunächst nicht die gewünschte Wirkung zu haben. Dies kann Eltern sehr verunsichern: »Ich mache das wohl nicht gut genug.« Oder auch: »Mein Baby lehnt mich vielleicht ab.«

Eltern können hier beruhigt sein: Ein Baby ist niemals gegen seine Eltern, auch dann nicht, wenn es schreit und sich gegen das Schlafen wehrt. Ein Baby braucht seine Eltern immer und möchte in Beziehung zu ihnen treten. Ein Baby plant nicht, es manipuliert nicht – dazu ist es aufgrund seiner Gehirnentwicklung noch nicht fähig. Stattdessen gleitet es von Emotion zu Emotion.

Babys sind ab dem Tag ihrer Geburt fühlende kleine Menschen. Jedes noch so spannende Objekt ist chancenlos gegenüber einem menschlichen Gesicht, Babys bevorzugen die soziale Interaktion. Dabei geht jede Emotion mit spezifischen körperlichen und mimischen Anzeichen einher, und aufgrund der sogenannten Gefühlsansteckung (siehe auch Kapitel 3) übertragen sich emotionale Stimmungslagen der Eltern sehr deutlich auf das Kind. Bereits Babys können Ärger und Freude ausdrücken.

Aufgabe der Eltern ist es, das Baby in der Wahrnehmung von positiven Emotionen zu unterstützen und unangenehme Zustände, wie etwa Angst oder starke Überreizung, zu reduzieren. Gerade die untröstlichen Babys brauchen ihre Eltern in besonderem Maße und profitieren sehr davon, wenn diese geduldig mit ihnen sind. Säuglinge beruhigen sich oft schnell, wenn man sie tröstend in den Arm nimmt und beruhigend mit ihnen spricht.[11] Körperkontakt, Tragen und Stillen ist im Säuglings- und frühen Kleinkindalter die effektivste Beruhigungsstrategie.

Dieser elterliche Einsatz lohnt sich in jedem Fall! Denn nicht nur eine sichere Bindung kann sich entwickeln, wenn Eltern sich in der Interaktion mit ihrem Kind überwiegend feinfühlig verhalten. Die Kinder lernen auch nach und nach ihre Emotionen und den Umgang mit ihnen besser kennen.

Insbesondere Kinder mit einem überschießenden Temperament profitieren sehr von einer einfühlsamen Co-Regulation, dies konnten neurobiologische Befunde nachweisen.[12] Co-Regulation bedeutet in der Interaktion mit Babys, das Kind in seiner Emotion zu begleiten und ihm zu helfen, diese Emotion gut zu bewältigen und sich wieder zu beruhigen. Nur so lernt das Kind mit der Zeit, wie es sich auch selbst regulieren kann – nicht, indem die Eltern es ignorieren und sich selbst überlassen.

In einer bekannten Längsschnittstudie[13] konnte unterschiedliches Temperament bereits bei sehr jungen Säuglingen nachgewiesen werden: »Einfache Babys« waren meist guter Stimmung, konnten gut beruhigt werden und entwickelten rasch Alltagsroutinen, insbesondere beim Schlafen. »Schwierige Babys« waren dagegen sehr reizoffen und brauchten viel Unterstützung in ihrer Regulation. Dann gab es noch eine weitere Gruppe: Diese Babys wurden zunächst als untröstlich-schwierig von ihren Eltern erlebt, wurden im Lauf der Zeit aber zunehmend ruhiger und entspannter. Diese Befunde liefern wichtige Argumente, warum Kinder eine individuelle Betreuung, abgestimmt auf ihre jeweiligen Bedürfnisse, brauchen.

Erste Versuche von Selbstregulation zeigen manche Babys bereits mit sechs Monaten. Typisch ist hier die Abwendung des Blicks. Auf diese Weise versuchen sich Säuglinge vor starken Reizen zu schützen. Im Alter von ungefähr einem Jahr wenden die meisten Kinder dann sehr gezielt ihre Aufmerksamkeit von Situationen, Personen oder Gegenständen ab, die sie als Stress auslösend erleben.

Bei der Entwicklung selbstregulierender Fähigkeiten gibt es jedoch große individuelle Unterschiede zwischen Kindern. So gibt es Kinder, die schon relativ früh gut alleine einschlafen können und die sich von ihren Eltern schnell beruhigen lassen. Dies stärkt Eltern, da sie sich kompetent und wirksam in ihrer Rolle als Bindungsperson erleben. Andere Kinder wiederum werden oftmals lange Zeit als sehr anspruchsvoll, irritierbar, reizbar und »untröstlich« von den Eltern erlebt. Diese Unterschiede sind sehr wahrscheinlich genetisch bedingt.

Das bedeutet allerdings nicht, dass die betreuungsintensiveren Kinder immer genauso leicht erregbar bleiben müssen, wie sie es zu Beginn sind: Die Umwelt bestimmt stark, wie sich ein Kind weiterentwickelt. Ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Umweltfaktor sind dabei die Eltern. Deren Feinfühligkeit ist der Schlüssel.

Tragen Eltern selbst ein eigenes sicheres Modell von Bindung in sich, so können sie Schreien, Weinen und kindliches Bindungsverhalten feinfühliger beantworten und eine gute Co-Regulation leisten. Das Kind baut dabei ein inneres, Sicherheit spendendes Bild der Eltern auf, auf das es mit reifender Entwicklung immer mehr zurückgreifen kann: Das Kind beruhigt sich dann bereits, wenn es nur an seine Eltern denkt, weil es aus Erfahrung weiß, dass diese ihm zur Seite stehen, wenn es nötig wird. Dies wiederum hilft dem Kind ebenfalls, mehr und mehr selbstregulative Kompetenzen zu entwickeln.

Elterliches Verhalten prägt das kindliche Gehirn

Ob Bindungspersonen überwiegend feinfühlig sind oder eben überwiegend nicht, hinterlässt im Kind ein Prägungsmuster, das entweder in ein grundlegendes Urvertrauen oder auch in ein Urmisstrauen führen kann. Diese Begriffe wurden vom Psychoanalytiker Erik H. Erikson geprägt. Mit Urvertrauen ist ein grundsätzliches Vertrauen in die Eltern gemeint, aber auch in andere Menschen und die Welt, das positive, angstfreie Beziehungen zu anderen erst möglich macht. Kurz: Urvertrauen ist ein positives Grundgefühl, das das Kind mit durchs ganze Leben nimmt.

Jüngere Forschung hat ergeben, dass elterliche Feinfühligkeit in den ersten Lebensjahren die weitere Entwicklung der kindlichen Irritierbarkeit stark beeinflussen kann – und zwar positiv wie negativ:

Sind die Eltern speziell in den ersten Lebensmonaten überwiegend feinfühlig, wird das gesamte Oxytocin-System des Körpers dauerhaft hochreguliert. Das Kind wird empfänglicher für das Bindungshormon, was unter anderem bedeutet, dass es sich bei Angst oder in Stresssituationen effektiver beruhigt. Liebevolle elterliche Fürsorge bewirkt also tatsächliche physische Veränderungen beim Kind, die diesem eine bessere Selbstregulation ermöglichen und damit den Grundstein für eine langfristige effektivere Stressresistenz und Resilienz legen.

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