Wild Horses − Zusammen durch den Sturm - Helen Martins - E-Book

Wild Horses − Zusammen durch den Sturm E-Book

Helen Martins

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Beschreibung

Das spannende Wildpferde-Fantasy-Abenteuer geht weiter Die Rennpferde Alba und Nachtwind haben sich in den Weiten der Prärie einer Herde Wildpferde angeschlossen und genießen das Leben in Freiheit. Auch wenn es für die große Herde nicht immer einfach ist, genug Futter zu finden, halten sie doch zusammen. Da geraten sie in eine Falle: Pferdefänger verfolgen die Herde mit Hubschraubern und treiben sie in ein Gatter – nur Alba und Nachtwind können in letzter Sekunde  entkommen. Sie müssen ihren gefangenen Freunden unbedingt helfen – bloß wie? Perfekter Mix aus Pferdeabenteuer und Fantasy – und der Kraft der Freundschaft - »Warrior Cats« meets »Ostwind« - Band 3 erscheint im Frühjahr 2023

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Seitenzahl: 262

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Helen Martins

Wild Horses

Zusammen durch den Sturm

 

 

 

 

Band 2

 

 

Über dieses Buch

 

 

Neue Abenteuer in der Welt der wilden Pferde

Die Rennpferde Alba und Nachtwind haben sich in den Weiten der Prärie einer Herde Wildpferde angeschlossen und genießen das Leben in Freiheit. Auch wenn es für die große Herde nicht immer einfach ist, genug Futter zu finden, halten sie doch zusammen. Da geraten sie in eine Falle: Pferdefänger verfolgen die Herde mit Hubschraubern und treiben sie in ein Gatter – nur Alba und Nachtwind können in letzter Sekunde  entkommen. Sie müssen ihren gefangenen Freunden unbedingt helfen – bloß wie?

Perfekter Mix aus Pferdeabenteuer und Fantasy – und der Kraft der Freundschaft

Alle Bände der Serie Wild Horses:

Band 1: Alba und der Ruf der Freiheit

Band 2:  Zusammen durch den Sturm

Band 3: Dem Glück entgegen (erscheint voraussichtlich im Frühjahr 2023)

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.fischerverlage.de/kinderbuch-jugendbuch

Biografie

 

 

© privat

Schon als Kind wünschte sich Helen Martins ein eigenes Pferd. Ihre Eltern teilten diese Leidenschaft zwar nicht, erlaubten ihr aber, reiten zu lernen, und ertrugen es auch, dass sie fast täglich nach Pferd »duftete«. Als Erwachsene erfüllte sich Helen Martins schließlich ihren großen Traum von zwei eigenen Islandpferden, die auf einem Bauernhof direkt gegenüber ihres Hauses untergebracht wurden. In den Mooren des Nationalparks Südenglands begegneten ihr dann zum ersten Mal Wildpferde, die Exmoor-Ponys. Später, auf einer Reise durch die USA, traf sie auch auf Mustangs. Diese frei lebenden Tiere in ihren Herden faszinierten sie sofort, und so kam sie auf die Idee, Geschichten über sie zu schreiben.

 

Weitere Informationen zum Kinder- und Jugendbuchprogramm der S. Fischer Verlage finden Sie unter www.fischerverlage.de

1Bleiben oder weiterziehen

»Alba? Komm hier rüber. Da gibt es noch etwas mehr von dem grünen Gras«, rief Nachtwind seiner Freundin zu.

»Friss du es«, gab die weiße Stute zurück. »Ich habe hier unter dem Schilf noch etwas entdeckt.«

Nachtwind brummte, hob den Kopf und beobachtete sie genau. Alba wusste, er hatte Angst, dass sie nicht die Wahrheit sagte und ihm auch ein bisschen frisches Gras überlassen wollte. So war es tatsächlich. Nachtwind war immer so in Sorge um sie und ihre Gesundheit, dass er sich selbst darüber vergaß. Gerade jetzt, wo sie ein Fohlen in sich trug, war er ängstlicher als eine Glucke.

Es war heiß geworden, glühend heiß, besonders an den Tagen, wenn kein Wind wehte. Heute war so ein Tag. Dann verbrannte das Gras schon, während man es abriss, und wenn man es zwischen den Zähnen hatte, schmeckte es wie altes Heu. Nachtwind zupfte an dem Gras, das er gefunden hatte, kam zu ihr und legte es ihr vor die Hufe.

»Friss das auch noch«, ordnete er an.

Alba betrachtete ihren Freund liebevoll.

»Du sollst mich nicht so verwöhnen, Nachtwind«, sagte sie. »Die anderen lachen schon über dich.«

»Sollen sie doch lachen«, erwiderte Nachtwind ungerührt. »Die sind ja nur neidisch, dass sie niemanden haben, der so gut für sie sorgt.«

Alba fraß das Gras schnell, bevor die anderen sich wieder über sie und ihren Freund lustig machen konnten. Es schmeckte tatsächlich viel besser als das Gras, das sie gerade selbst gesucht hatte.

»Die anderen in der Herde sorgen auch gut füreinander«, stellte Alba fest. Während sie kaute, schaute sie zu der großen Herde hinüber, die in den Dünen stand und nach Gras unter dem Schilf suchte. Diese Herde, mit der sie bis an das Half an Island gezogen waren, war sehr groß. Genau genommen setzte sie sich aus zwei großen Herden zusammen, den Mustangs und den Trabern. Früher waren diese Gruppen lange verfeindet gewesen, doch seit sich der Leithegst der Traber in die Leitstute der Mustangs verliebt hatte, hatten die Herden zueinandergefunden. Zusammen waren sie bis an den großen Ozean gezogen, und Alba und Nachtwind mit ihnen.

Auch Alba und Nachtwind waren Feinde gewesen, sogar richtig starke Konkurrenten, denn sie hatten auf der Galopprennbahn gegeneinander Rennen laufen müssen. Doch dann war Alba in die Freiheit geflüchtet und hatte Nachtwind später nachgeholt. Das war lange her. Ein heißer Sommer, ein bunter Herbst, ein eiskalter Winter und ein lauer Frühling lagen dazwischen. Nun war es wieder Sommer geworden. Ein heißer Sommer mit brennender Mittagsglut und warmen Nächten.

Alba sah Nachtwind liebevoll von der Seite an. Er war so ein wunderschöner Hengst, schwarz, mit glänzendem Fell und einer langen dichten Mähne. Jetzt allerdings, wo die Sonne erbarmungslos auf sie niederbrannte, war sein Fell nass vom Schweiß. Nie hätte sie gedacht, dass sich dieser arrogante Hengst in so einen liebevollen Freund verwandeln könnte. Sie war glücklich und stolz, ihn an ihrer Seite zu haben.

»Hier ist auch noch was«, bemerkte Nachtwind und schob ihr erneut einen Grasbüschel zu. Alba kräuselte die Lippen.

»Hör auf, mich wie ein Baby zu behandeln«, meinte sie. »Das Gras ist für dich. Du bestehst bald nur noch aus Haut und Knochen, wenn du weiterhin nur an uns denkst.«

Verschämt fraß Nachtwind das Gras. Er fühlte sich tatsächlich so sehr für seine Partnerin und das ungeborene Fohlen in ihrem Bauch verantwortlich, dass er sich selbst vergaß. Dabei war es doch wichtig, dass er auch auf sich achtete. Wie sollte er die anderen beschützen, wenn er selbst zu schwach war?

Alba sah, wie hungrig er war, und das tat ihr weh. Sie hatten alle schon seit Tagen viel zu wenig zu fressen. Nachdenklich ließ sie ihren Blick über die Herde schweifen. Es war immer ihr Traum gewesen, mit einer großen Gruppe durch die Lande zu ziehen, eine Herde, die sich bei Regen dicht zusammenstellte und sich auf diese Weise vor Nässe und Kälte schützte, eine Herde, in der man sich auch mal ausruhen konnte, weil ein anderer dran war, auf wilde Tiere zu achten. Doch leider hatte so eine große Herde auch einen großen Nachteil. Sie brauchten ein großes Stück Land, um genug für alle zu fressen zu haben. Hier, auf der Half an Island, gab es mittlerweile nicht mehr genug für alle.

»Ich glaube, wenn die Herde nicht beschließt, weiterzuziehen, sollten wir uns von ihnen trennen und uns wieder allein auf den Weg machen«, murmelte sie so leise, dass nur Nachtwind es verstehen konnte. Er hob seinen Kopf und schaute sie an. Dann blickte er ebenfalls über die Herde. »Ich sehe das genauso«, sagte er. »Wir sollten mit Darklight und Antip sprechen.«

 

Zu der Besprechung traf die ganze Herde zusammen. Sie gruppierten sich auf dem breiten Strand zu einem großen Kreis. Der Traberhengst Antip und die Mustangstute Darklight, die Anführer der Herde, standen in der Mitte. Es dauerte eine Weile, bis alle still waren. Schließlich gab es einige wilde Fohlen in der Herde, die immer herumtollten, bis ihre Mütter sie schließlich zurechtwiesen und sie unter ihren Bauch schoben. Dann wurde es ruhig.

Alba lehnte ihren Kopf an Nachtwind Hals. Hin und wieder knabberte sie an seinem Fell. Das gefiel ihm, und er pustete seinen Atem hinter ihr linkes Ohr. Trotzdem hörten sie zu. Sie wussten, wie wichtig das Gespräch war.

»Ihr wisst sicherlich, warum wir uns hier versammelt haben«, begann Darklight. »Wir alle kriegen es jeden Tag zu spüren. Es ist nicht genug Futter für alle da. So wie jetzt kann es nicht weitergehen.«

»Wir sollten uns in kleinere Herden aufteilen«, schlug Six-Legs vor. Er war ein junger Hengst und hoffte vielleicht, eine eigene Herde hinter sich zu bringen.

»Wir sollten uns wieder in Mustangs und Traber aufteilen«, meinte die Traberstute Galina. Ihr hatte es nie gefallen, dass sich die beiden Herden zusammengefunden hatten.

»Niemals!«, empörte sich ihr Bruder Eldar. Er hatte sich in eine isabellfarbige Mustangstute verliebt und wich seitdem nicht mehr von ihrer Seite.

»Sehe ich auch so«, bestätigte Darklight und betrachtete den Traberhengst an ihrer Seite liebevoll.

Alba unterdrückte ein Gähnen. Wie oft hatten sie schon über dieses Thema diskutiert, aber sie fanden einfach keine Lösung. Das eine Pferd war mit dem befreundet, das andere mit dem. Die Pferderassen ließen sich nicht mehr so einfach trennen.

»Das haben wir schon so häufig besprochen«, sprach nun Nachtwind das aus, was er und Alba immer wieder miteinander beredet hatten. »Ihr wollt euch im Grunde nicht trennen, aber alle zusammen hierbleiben können wir auch nicht. Es ist fast nichts mehr zu fressen da. Das Gras vertrocknet uns unter den Hufen.«

Alba schaute Nachtwind mit gespitzten Ohren an. Eigentlich mischten sie sich nur selten in die Streitigkeiten ein. Sie und Nachtwind gehörten weder zu der einen noch zu der anderen Pferdegruppe. Trotzdem waren sie hier freundlich aufgenommen worden, und ihr Wort wurde gehört.

Darklight betrachtete Nachtwind nachdenklich. Ihr Blick glitt über Albas Bauch, und sie nickte nachdenklich.

»Ich weiß«, sagte sie leise. »Und was schlägst du vor?«

»Wenn ihr zusammenbleiben wollt, müssen wir weiterziehen«, sagte Nachtwind. »Richtung Golden Dale, wo das Land grün ist und die Sonne nicht so heiß brennt.«

»Aber das ist gefährlich!«, rief Antip. »Du weißt so gut wie ich, dass das Land den Farmern gehört. Sie werden es nicht dulden, wenn wir ihr Gras fressen.«

»Natürlich nicht«, gab Nachtwind seufzend zurück. »Aber da wächst wenigstens Gras.«

Sie stritten eine ganze Nacht hindurch. Ein Wort ergab das andere. Bleiben oder fortgehen, viel zu fressen haben oder hungern, Sicherheit oder Gefahr. Die Entscheidung fiel schwer. Ein Wort ergab das andere, und die Nacht wurde länger und länger. Alba spürte, wie sich das Fohlen in ihrem Bauch ganz behutsam bewegte. Seit einiger Zeit konnte sie die Bewegungen fühlen. Noch war es kaum von einem Bauchglucksen zu unterscheiden, so als hätte sie zu viel gefressen. Nun aber wusste sie, dass es kein Bauchgluckern war. Schließlich hatte sie gar nichts gefressen.

Doch das Fohlen zeigte ihr, dass es Zeit wurde, sich auszuruhen. Sie sollte nicht den ganzen Tag auf Nahrungssuche gehen müssen.

»Eigentlich brauchen wir uns gar nicht einig zu werden«, sagte sie plötzlich mitten in die aufgeregten Streitereien hinein. »Jeder kann für sich entscheiden. Wer hierbleiben möchte, bleibt. Wer weiterziehen möchte, geht.«

Alle Pferde blickten nun zu ihr. Ein zustimmendes Brummen ertönte. Nachtwind schaute Alba an.

»Wir werden gehen, oder?«, fragte er leise.

Alba nickte. »Ich glaube, unser Fohlen möchte auf einer grünen Wiese geboren werden«, meinte sie.

»Und du brauchst viel Milch, um es zu säugen«, ergänzte Nachtwind. »Die hast du nur, wenn du selbst kräftig bist.«

Darklight betrachtete Alba nachdenklich. Alba wusste, dass sie sich auch ein Fohlen wünschte.

»Ich gehe mit euch«, sagte sie.

»Dann gehe ich natürlich auch«, stimmte Antip zu.

»Ich auch«, ergänzte Blue-Eye.

Da sich nun die Leitpferde für das Weiterziehen entschieden hatten, kippte die Stimmung. Immer weniger Pferde waren bereit, in einer Herde ohne Anführer zu sein. Zwar tönte Eldar noch ein wenig herum, weil er hoffte, man würde ihn in der kleineren Herde zum Anführer wählen, aber niemand kümmerte sich um seinen Einwand.

»Lasst uns schlafen gehen«, sagte Darklight. »Dann kann jeder seine Entscheidung selbst treffen. Und morgen macht jeder das, was er für richtig hält.«

Alba wusste, dass nun ihre letzte Nacht am Great Ocean angebrochen war. Eine leichte Wehmut überkam sie. Sie hatte diesen Ort geliebt: den harten Wind, das kräftige Schlagen der Wellen, ja sogar die Sonne, die manchmal so unbarmherzig brannte. Auch Nachtwind sah traurig aus.

»Gehen wir noch ein letztes Mal ans Wasser!«, schlug er vor.

Alba nickte. Zusammen schritten sie den langen Sandstrand entlang. Sogar nachts war er noch heiß. Sie ließen ihre Hufe in dem Wasser abkühlen und sprangen über die Wellen, die an den Strand schäumten. Wie schade, dass man dieses Wasser nicht trinken konnte. Es war viel zu salzig. Leider mangelte es aber auch auf dem Half an Island an einer frischen Wasserquelle.

»Wir hatten eine gute Zeit hier«, sagte Nachtwind leise.

Alba nickte. »Wir hatten sogar eine sehr gute Zeit hier«, bestätigte sie. »Aber nun freue ich mich auf grünes Gras, weite Wiesen und einen tiefen dunkelblauen See.«

»Ich möchte mal wieder die Berge sehen«, überlegte Nachtwind.

»Und vielleicht treffen wir eines Tages Bill und Lilian wieder«, fügte Alba hinzu.

Nachtwind knabberte an ihrem Fell. »Die nettesten Menschenfreunde, wie wir haben, möchte ich auch gern wiedersehen«, murmelte er.

Und als die Sonne rotglühend im Meer versank und der helle Mond aufging, redeten sie von Lilian und Bill, die ihnen so oft schon in ihrem Leben geholfen hatten.

2Zurück ins Golden Dale

Am nächsten Tag herrschte Aufbruchsstimmung. Zunächst hatten einige Pferde angekündigt, am Great Ocean bleiben zu wollen, aber als sich der größte Teil der Pferde aufmachte, um weiterzuziehen, hielten sie es doch nicht mehr aus und rannten in letzter Minute mit. So waren sie wieder vereint, diese riesige Herde aus Mustangs und Trabern, die über die Steppenlandschaft galoppierte. Jetzt, als sie aufgebrochen waren, spürte Alba keine Traurigkeit mehr. Im Gegenteil. Ihr Magen knurrte, und sie freute sich auf frisches Grün und kühles Wasser.

Aber der Weg war lang. Nach der Steppe durchquerten sie Stony Land, eine felsige Landschaft aus Geröll und Steinen. Hier war es noch heißer als am Great Ocean, und zu fressen gab es auch nichts außer mageren Grasbüscheln, die zwischen den Felsen wuchsen. Besonders schlimm aber war der Durst. Alba hatte das Gefühl, dass ihr die Zunge im Maul festklebte. Nachtwind hatte es besonders schwer mit seinem schwarzen Fell. Sein ganzer Körper war klitschnass, und er keuchte.

Darklight führte die Herde an. Hin und wieder schaute sie sich zu den anderen um, um zu überprüfen, ob noch alle bei ihr waren. Antip begleitete die Herde als Letzter. Auch er achtete darauf, dass jeder mitkam.

An einer gut geschützten Stelle zwischen den Felsen hielt Darklight an.

»Lasst uns eine Pause machen«, schlug sie vor.

»Pause?«, regte sich Eldar auf. »Wir brauchen keine Pause. Wir brauchen Wasser.«

»Doch, wir brauchen einen kurzen Stopp«, beharrte Darklight. »Die Fohlen sind schwach und müssen etwas trinken.«

»Wir haben alle Durst«, meckerte Jegor. »Wir können nicht in der Hitze herumstehen und zuschauen, wie die kleinen Babys trinken.« Er war schon ein Jährling und trank nicht mehr aus den Zitzen seiner Mutter.

Doch die anderen hörten nicht auf ihn. Sie wussten, dass es richtig war, was Darklight gesagt hatte. Die Fohlen waren zu schwach, um den langen Weg ohne Milch zu überstehen. Ihretwegen mussten sie tatsächlich anhalten. Sie brauchten ihren Schutz. Natürlich waren alle durstig, aber die ausgewachsenen Pferde mussten sich noch gedulden.

Sofort stupsten die Stuten ihre Fohlen unter ihren Bauch, und die zögerten nicht lange, sondern tranken mit kräftigen Zügen. Alba betrachtete sie liebevoll. Wie süß die kleinen Pferdchen aussahen. Sie hatte alle lange dünne Beinchen und ein richtig kleines Milchgesicht. Das Fell war so kuschelig und weich und ihre Mähne noch kurz und struppig. Auch Nachtwind betrachtete sie nachdenklich.

»Ich hoffe mal, dass unser Fohlen nicht so spinnbeinig aussieht«, flüsterte er Alba ins Ohr. Die schob die Oberlippe vor und warf den Kopf in den Nacken.

»Natürlich nicht«, gab sie zurück. »Unser Fohlen wird gleich als prachtvoller großer Hengst geboren.«

Nachtwind kaute nachdenklich mit seinem Maul. »Ich habe manchmal das Gefühl, du bringst mir zu wenig Respekt entgegen«, brummte er.

Alba schnaubte und stupste ihn an. »Das stimmt nicht«, sagte sie. »Du bist der wundervollste, klügste und schönste Hengst, den ich kenne. Ich liebe dich über alles, und ich bin froh, dich an meiner Seite zu haben.«

Für einen kurzen Moment tauchte der goldene Hengst Pawel vor ihren Augen auf, das Leitpferd der Tekkiner, bei denen sie gelebt hatte, nachdem sie vom Rennstall geflohen war. Er hatte darauf bestanden, dass sie seine Stute wurde, und dann hatte er sie unglaublich schlecht behandelt. Hoffentlich würde sie ihn nie wiedersehen müssen. Er hatte wohl noch lange nach ihr gesucht, doch Alba sorgte dafür, dass ihn das Gerücht erreichte, sie wäre in der Wildnis ums Leben gekommen. Ob er die Geschichte glaubte? Er war ein misstrauisches Pferd, und vielleicht würde er niemals aufgeben, nach ihr zu suchen.

Nachtwind bemerkte offenbar, dass sie traurigen Gedanken nachhing, denn er schleckte ihr mit seiner trocknen Zunge über den Hals. »Ich liebe dich auch. Du bist das Beste, was mir passieren konnte«, flüsterte er ihr zu.

Diese liebevollen Worte ließen Albas Herz höher schlagen, und sie brummelte zärtlich.

Das kleine Fohlen, das direkt vor ihnen an den Zitzen seiner Mutter saugte, verschluckte sich nun und hustete. Die kostbare Milch lief an seinem Körper herunter. Kurz musste sich Alba über das trockne Maul lecken. Sie hätte alles darum gegeben, jetzt auch noch mal ein Fohlen zu sein und sich an der Stutenmilch satt zu trinken.

Plötzlich war die Erinnerung an ihre Mutter wieder da, und dieser Gedanke tat unglaublich weh. Sie war schon so früh von ihrer Mutter getrennt worden, dass sie sich nur ganz dunkel an sie erinnerte. Schwarze warme Augen kamen ihr in den Sinn. Und sie spürte noch einmal dieser Nacht der Trennung nach, als sie ganz allein auf einen Hänger geladen wurde und ihre Mutter schreien hörte, weil sie sie nicht fortlassen wollte. Der Hänger war losgefahren, mit ihr und noch ein paar anderen Fohlen. Ihre Mutter war nicht dabei. Von da an war sie ohne ihre Stutenmutter gewesen, und von dem Moment an hatte auch ihr Leben als Rennpferd begonnen. Dieser Gedanke war genauso traurig wie die Erinnerung an die Tekkiner.

»Ich will endlich weiterziehen!«, jammerte Jegor. »Ich will auch etwas trinken können.«

Er hatte recht. Die Hitze führte dazu, dass alle in dunkle Gedanken verfielen. Das tat nicht gut – sie mussten stark bleiben. Der Weg war noch weit.

»Dann geh doch zu einer Stute und trink bei ihr wie ein Baby!«, zischte ihn Antip an. »Du tust immer so groß wie ein Jährling, aber wenn es darauf ankommt, heulst du hinter der Stutenmilch her wie ein Fohlen.«

Jegor wandte sich beschämt ab. Alba aber verspürte Mitleid mit ihm. Es war nicht so einfach, erwachsen zu werden.

»Schäm dich nicht«, sagte sie liebevoll. »Wir würden doch alle am liebsten noch mal einen Schluck gute Milch trinken wollen.«

Dann sah sie, wie die Stute Dunja zu Jegor und ihr hinüberschaute. Dunja hatte vor einiger Zeit ein Fohlen bekommen, das gerade an ihren Zitzen trank. Jetzt lächelte sie Jegor aufmunternd zu.

»Komm her, Jegor«, lockte sie ihn. »Ich habe noch eine Zitze übrig. Extra für dich.«

Jegor schämte sich zwar, aber der Durst war stärker als die Verlegenheit, und so schlich er zu ihr und schnappte sich die freie Zitze. Dann trank er so laut und gierig, dass sich alle belustigte Blicke zuwarfen.

Als die Fohlen satt waren, hieß es weiterzuziehen. Die Sonne stand nun hoch am Himmel, die Hitze war unerträglich geworden. Die Pferde galoppierten schon lange nicht mehr. Langsam und mit hängenden Köpfen schlichen sie durch das steinige Geröll, fraßen hin und wieder einen dürren Grasbüschel und versuchten auf diese Weise, etwas Flüssigkeit zu bekommen.

Alba schaute zu Nachtwind. Er bemühte sich zwar, gefasst zu sein, aber er wirkte müde und sehr erschöpft. Das schwarze Fell war nicht für diese Hitze gemacht. Er war eben ein Rennpferd und kein Wildpferd. Die Wildpferde dieser Gegend waren meist cremefarbig, weiß oder hellbraun. Mitleidig betrachtete Alba seinen nassen Körper. Der Schweiß lief ihm an der langen Mähne entlang und dann über die Augen. Im Gegenzug dazu waren seine Lippen rissig und trocken. Trotzdem klagte er nicht. Obwohl ihm heiß war, konnte er mühelos mit den anderen Schritt halten. Er war zäh, das wusste Alba noch von der Rennbahn. Bei den Rennen war er bis weit über die Ziellinie gerannt und hatte erst dann keuchend um Luft gerungen. Er war so tapfer.

Sie kamen nun an einem dürren vertrockneten Baum an, und Alba blieb stehen. »Warte mal!«, sagte sie.

Verwundert hielt auch er an.

»Was ist mit dir?«, fragte er besorgt.

»Ich will dir mal eine kleine Erfrischung geben«, flüsterte sie.

Nachtwind betrachtete sie überrascht. Da stellte sich Alba ihm direkt gegenüber und hob ihren Kopf. Dann leckte sie ihm mit der Zunge über das Maul, bis seine trocknen Lippen weicher und nasser wurden. Danach schleckte sie ihm über die Nase und wischte auf die Weise den Schweiß fort. Trotz der großen Erschöpfung brummelte er leise.

»Hmm, du schmeckst gut«, raunte er ihr zu.

Sie knabberte an seinem Hals. »Du bist ziemlich salzig, aber das ist auch okay.«

Als sie wieder nebeneinander hergingen, streckte er seinen Hals und pustete seinen heißen Atem ins Fell.

»Du bist lieb«, murmelte er. »Danke.«

***

Sie wussten nicht, wie lange sie gegangen waren. Zuletzt stolperten einige von ihnen schon.

»Wir sollten noch einmal anhalten, um die Fohlen zu tränken«, überlegte Darklight.

Noch einmal eine Pause? Das konnten sie kaum aushalten. Plötzlich blieb Alba stehen und flehmte. Es roch feucht und kühl. Sie schnupperte, versuchte, diesen Geruch auf die Zunge zu bekommen, und kaute nach. Wasser?

Auch Nachtwind schien das zu bemerken. Er schaute sich um. Sie entdeckten das Glitzern fast gleichzeitig. Es schimmerte durch das heiße Felsenmeer wie ein Sternenteppich.

»Wasser!«, rief Alba.

»Ein See!«, schrie Nachtwind.

Eine große Unruhe erfasste die Pferdeherde.

»Wo?«

»Ich seh nichts.«

»Das soll ein See sein? Das ist eine Täuschung, weil wir so durstig sind.«

Aber Alba ließ sich nicht irritieren. Sie schnaubte, und dann rannte sie los. Nachtwind folgte ihr. Er war immer noch schneller als sie, und so hatte er sie bald eingeholt. Dann rannten sie nebeneinanderher und erreichten den See gleichzeitig. Alba wieherte wie eine Verrückte, Nachtwind buckelte und schlug nach vorne und hinten gleichzeitig aus. Dann sprangen sie ins Wasser, tobten wie die Irren und kühlten ihre heißen Körper. Gleichzeitig rissen sie ihre Mäuler auf und ließen die Flüssigkeit in ihr Maul strömen. Es war kalt und erfrischend.

Die anderen Pferde liefen hintereinanderher. Auch sie tobten wild und ungestüm im See herum.

Nach kurzer Zeit aber wurde es ganz still. Alle Pferde hielten ihr Maul in das Wasser gesenkt. Mit kräftigen Zügen sogen sie das köstliche Nass wie durch einen Strohhalm in ihre Backen hinauf, minutenlang, bis sie durch und durch mit erfrischender Flüssigkeit gefüllt waren. Dann schluckten sie es prustend herunter, um erneut einen großen Schluck zu sich zu nehmen. Alba sah, dass Nachtwind nicht genug davon kriegen konnte. Endlich hatte er seinen Durst gestillt. Zufrieden schaute er zu ihr.

»Jetzt können wir uns ein Schlafplätzchen suchen«, überlegte er. Aber Alba schüttelte ihre lange weiße Mähne.

»Ich möchte noch schwimmen gehen«, sagte sie. »Kommst du mit?«

Nachtwind sah sie unsicher an.

»Schwimmen?«

Alba verstand. Sicherlich hatte ihr schwarzer Freund das noch nie ausprobiert. Er hatte genau wie sie viel zu lange in Gefangenschaft gelebt. Da kannte man nur die Rennbahn, die Zuschauertribüne, den Hänger und die Box. Auch sie selbst war erst ein Mal schwimmen gewesen, in den ersten Tagen ihrer Freiheit. Aber es hatte sich wundervoll angefühlt.

Am großen Ozean hatten sie das nicht ausprobieren können. Die Wellen waren zu hoch und zu gefährlich gewesen. Man hätte weit aufs Meer heraustreiben können. Aber der See war harmlos. Die Wasseroberfläche glänzte ruhig, und es gab keine Wellen.

»Versuch es mal, es ist ganz leicht«, sagte sie ihm. »Du musst einfach nur weiter und weiter ins Wasser gehen, dann weiß dein Körper von selbst, was er machen soll.«

»Ich bin mir da nicht so sicher«, brummte Nachtwind. Doch er schritt neben Alba her, unruhig zwar, aber voller Vertrauen. Tiefer und tiefer gingen sie in den See.

»Was macht ihr da?«, hörte Alba jemanden hinter ihr herrufen.

»Sie schwimmen«, rief ein anderer. »Das sollten wir auch tun.«

Alba reichte das Wasser nun bis zur Brust.

»Und los!«, rief sie. Dann stieß sie sich vom Grund ab und schwamm los. Sie hörte Nachtwind hinter sich aufgeregt wiehern. Dann platschte Wasser, und plötzlich war er neben ihr. Aufgeregt paddelte er mit seinen Beinen herum.

»Ganz ruhig«, rief Alba ihm zu. »Beweg die Beine unter Wasser wie beim Laufen.«

Nachtwind pustete aufgeregt. Doch nach kurzer Zeit wurden seine Bewegungen ruhiger, und dann schwamm er tatsächlich neben ihr her.

»Großartig, du kannst es!«

»Es fühlt sich wundervoll an«, brummte Nachtwind behaglich. »So erfrischend und kühl.«

Sie schwammen gemeinsam ein Stück auf die Mitte des Sees zu, dann wendeten sie. Jetzt sahen sie, dass auch andere Pferde im Wasser schwammen, andere tollten am Ufer herum. Einige aber trauten sich nicht weiter als bis zu der Oberkante ihrer Hufe.

»Wie toll, dass du es gewagt hast«, sagte Alba bewundernd.

»Ich dachte, entweder ich schwimme mit dir, oder ich gehe mit dir unter«, gab Nachtwind zurück.

»Schwimmen gefällt mir besser«, sagte Alba liebevoll.

Als sie aus dem Wasser kamen, fühlten sie sich wie neugeboren. Direkt am See gab es eine Wiese mit Gras, das so grün war, wie sie es schon lange nicht mehr gesehen hatten. Dort fraßen sie sich nach langer Zeit mal wieder so richtig satt.

»Hier bleiben wir«, schlug Antip vor. »Ich glaube, hier sind wir im Paradies.«

3Gefahr aus dem Himmel

Es war tatsächlich ein wundervolles Leben, das sie nun führten. Das Golden Dale war groß und bot so viel Grasland, dass jeder aus der großen Herde genug zu fressen bekam. Die Pferde sorgten gut füreinander, und auch Nachtwind und Alba fühlten sich wohl unter ihren neuen Freunden. Hin und wieder gab es wilde Tiere, die versuchten, sie zu bedrohen, aber in der großen Gruppe fand jeder genug Schutz. Antip und Darklight wachten über die Herde, die Stuten passten auf ihre Fohlen auf, und Nachtwind und Alba achteten aufeinander. So fühlten sich alle sicher und geborgen.

»Hier haben wir einen neuen Ort gefunden, an dem wir in diesem heißen Sommer bleiben können«, sagten die Pferde zueinander. Und doch, Alba traute dem Frieden nicht. Sie wusste selbst nicht genau, warum.

Aber an einem Nachmittag, als sie neben Nachtwind auf der Wiese graste, hörte sie ein Geräusch, das ihr auf eine unangenehme Weise vertraut war. Ein lautes Brummen kam aus der Luft. Auf einmal sah sie dieses seltsame graue Ding, das ein großes Rad auf seinem Kopf hatte. Es dröhnte laut und gefährlich und flog direkt auf die Herde zu.

Erschrocken starrten die Pferde in den Himmel. Das laute Brummen ließ sie erzittern, und sie rannten ängstlich zusammen.

»Was ist das für ein Vogel?«, wunderte sich Darklight.

»Das ist kein Vogel«, erklärte Alba. »Es ist ein Auto, das durch die Luft fliegt.«

»Hubschrauber nennen sie das«, erklärte Nachtwind. »Alba und ich haben das schon oft auf Rennen erlebt. In diesem Ding sitzen Menschen.«

Ängstlich schauten die jungen Pferde dem Hubschrauber nach, der seine Kreise über das Golden Dale drehte.

»Wenn das Ding zu den Menschen gehört, müssen wir keine Angst haben«, versuchte Darklight die Herde zu beruhigen. »Sie tun uns nichts. Sie wollen nur von einem Ort zum anderen kommen.«

Misstrauisch schauten die Pferde dem Hubschrauber nach. Doch tatsächlich wurde das Brummen leiser und leiser, und dann war der große silberne Vogel verschwunden.

»Lasst uns trotzdem auf die andere Seite des Tales hinübergehen«, schlug Nachtwind vor. »Da, wo der Wald anfängt, sind wir besser geschützt.«

Aber die anderen wollten nicht. Das Gras im Tal war besonders frisch und grün, am Waldrand vermischte es sich mit den Tannenzweigen und Ästen und schmeckte nicht mehr so gut.

Doch Nachtwind blieb unruhig. »Wenigstens wir beide sollten ein bisschen weiter zum Waldrand gehen«, drängte er Alba. »Ich weiß nicht, ich habe ein ungutes Gefühl.«

»Seit du Vater wirst, entwickelst du dich wirklich zu einer Oberglucke«, neckte Alba ihn. Doch im Grunde ging es ihr ähnlich. Seit sie dieses Fohlen in sich trug, war sie vorsichtiger geworden.

Gemeinsam verließen sie die Herde, um zum Waldrand hinüberzugehen. Das Gras hier war zwar magerer, aber das war nicht so schlimm. Nachtwind und Alba hatten sich längst am grünen Gras des Tals satt gefressen. Nun aber bot der Wald ein bisschen mehr Schatten in der heißen Mittagssonne. Nachtwind und Alba genossen die kühle Ruhe und lehnten sich aneinander.

»Trächtige Stuten brauchen viel Ruhe. Sie sollten regelmäßig ein kleines Mittagsschläfchen einlegen«, sagte Nachtwind.

Alba konnte ihm nur zustimmen. Seit das Fohlen allmählich größer wurde, gab es Tage, an denen sie tatsächlich müder war als früher. Sanft schloss sie die Augen. Nachtwind knabberte an ihrem Fell und liebkoste sie. Dann aber fielen selbst ihm die Augen zu.

Da war es wieder, dieses Geräusch, diesmal aber noch viel lauter und dröhnender als vorher. Die beiden Pferde zuckten zusammen und rissen ihre Augen weit auf. Dann starrten sie Himmel.

»Ein Gewitter?«, flüsterte Alba erschrocken.

»Kein Gewitter«, entgegnete Nachtwind. »Schon wieder Hubschrauber! Aber diesmal sind es ganz viele.«

Jetzt sahen sie die Hubschrauber direkt auf sich zufliegen. Sie flogen alle nebeneinander, eine laute dröhnende Front aus grauen Vögeln.

Für die Pferdeherde, die immer noch mitten auf der Wiese stand, kam das völlig überraschend. Die Hubschrauber setzten sich nun tiefer und rasten direkt auf sie zu. Es sah aus, als wenn sie auf ihnen landen wollten. Die Pferde wieherten und stoben auseinander. Einige jagten nach links, die anderen nach recht.

»Kommt zum Waldrand hoch! Macht schon!«, schrie Alba. Aber es gelang ihr nicht, das Geräusch der Hubschrauber zu übertönen.

»Hierher!«, brüllte auch Nachtwind, und er wieherte, so laut er konnte und stieg dabei hoch, damit die anderen ihn sehen konnten. Leider sah ihn nur ein Mann, der aus dem Fenster des Hubschraubers auf ihn zeigte. Der Hubschrauber bewegte sich nun auf den Waldrand zu.

»Sie sind hinter uns her«, kreischte Alba hektisch. »In den Wald mit uns!«

Sofort zogen sich die beiden mitten in den Wald zurück. Leider war der Wald nicht besonders groß – ein Wäldchen nur, das von allen Seiten einsehbar war. Ein Hubschrauber umkreiste den Wald im Tiefflug. Er schien es genau auf Alba und Nachtwind abgesehen zu haben.

Alba begann zu zittern. »Was machen wir bloß?«

»Hier im Wald können sie nicht landen«, versuchte Nachtwind sie zu beruhigen. »Die Bäume stehen zu dicht.« Aber Alba konnte ihm ansehen, dass er selbst Angst hatte.

Das schien der Pilot wohl auch zu wissen, doch er hörte nicht auf, das Wäldchen mit seinem Hubschrauber zu umkreisen. Wahrscheinlich wollte er sie damit in Angst und Schrecken versetzen. Und tatsächlich hatten Alba und Nachtwind Mühe, still zu stehen und nicht zu den anderen auf die Wiese zu laufen. Aber das wäre die falsche Entscheidung gewesen, das sahen sie jetzt. Die anderen Hubschrauber machten nämlich nun Jagd auf die Mustangs und die Traber. Sie hetzten sie hin und her. Zuerst kamen die großen grauen Vögel von links über die Wiese, dann drehten sie und rasten von rechts auf die Pferdeherde zu. Schließlich starteten sie einen frontalen Tiefflug und brachten die Herde damit in helle Panik. Das Wiehern der Pferde klang wie verzweifelte Schreie.

»O nein, das können wir doch nicht zulassen!«, rief Alba aufgelöst. »Wir müssen ihnen doch helfen!«

»Das können wir nicht«, gab Nachtwind zurück. »Sie sind viel zu viele. Und sie sind stärker als wir.«

Immer noch umkreiste der eine Hubschrauber den Wald. Nachtwind und Alba trieb es nun tiefer in die Tannenschonung. Sie gingen genau dorthin, wo die Bäume am dichtesten standen, und versuchten, sich zu verstecken. Nachtwind betrachtete Alba unglücklich. »Dein weißes Fell wird dich hier im Wald verraten«, murmelte er. »Los, leg dich hin.«

Alba zögerte einen Moment. Doch als der eine Hubschrauber erneut seine Kreise um das Wäldchen drehte, ließ sie sich auf den Waldboden fallen. Nachtwind trat nun vorsichtig über sie und ließ sie unter seinem dunklen Körper verschwinden, so gut es ging.

Auch von der Wiese her war das Brummen der Hubschrauber zu hören. Unaufhörlich kreisten sie über das grüne Weideland. Immer wieder erklang das schrille Wiehern der Wildpferde. Es war schrecklich.

»Warum machen sie das?«, flüsterte Alba.

»Ich glaube, sie wollen sie fangen«, gab Nachtwind tonlos zurück.

Alba zog nun ihre Beine ganz dicht an den Körper, damit bloß nichts Weißes von ihr zu sehen war, und Nachtwind