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Im entscheidenden Moment ist der Texas-Ranger Bill Alamo auf sich allein gestellt. Vor allem in diesem Kampf wäre ihm aber jeder Mann willkommen gewesen, der es ehrlich meint. Doch da ist niemand. Dennoch wagt Bill die Auseinandersetzung mit dem Verbrechen. Geradezu starrsinnig setzt er seinen Weg fort, auch obwohl er weiß, dass jeder Fehler tödlich sein kann. Und dann kommt der Tag, an dem ihm die Handlanger des "Bosses" dicht auf den Fersen sind. Alles sieht nun danach aus, als ob er den Sonnenuntergang nicht mehr erleben wird, sofern er nicht als Erster den Colt zieht ...
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Seitenzahl: 150
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhalt
Eine Unze Blei
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Impressum
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Von Rex Hayes
Als ich über einen staubigen Hügelrücken reite, ziehe ich überrascht die Zügel an. Shadow kommt sofort zum Stehen.
»Na, Shadow«, sage ich zu meinem Schwarzen, »das sieht gerade so aus, als ob wir pünktlich zu einer Hängeparty kommen.«
»Hängeparty« nennt man das hier, wenn sich ein paar Männer einen anderen schnappen und ihm einen Strick um den Hals legen, weil sie aus irgendeinem Grund böse auf ihn sind.
Die Männer da unten in dem fast kreisrunden, sandgefüllten Tal scheinen jedenfalls sehr böse zu sein.
Es sind vier Männer. Jeder von ihnen trägt eine raue Weidetracht und ist mit einem Colt bewaffnet. Im Augenblick schreiten sie zu Fuß voran, ihre mageren Pferde stehen etwas abseits ...
Nun hält ein Mann vor ihnen, der im Sattel einer hübschen, roten Stute sitzt. Aber er hält nicht freiwillig an. Seine Hände sind auf dem Rücken verschnürt, und die Schlinge eines Lassos liegt um seinen Hals. Das Ende des Seils hängt über dem mächtigen Ast eines abgestorbenen Cottonwood-Baumes.
Der Hut des Mannes liegt am Boden, deshalb kann ich sein ängstliches Gesicht sehen.
Er weiß nämlich, dass er in ein paar Sekunden sterben wird.
Ich stehe nur fünfzig Meter entfernt. Der Staub hat Shadows Hufschlag gedämpft. Die vier Lyncher kehren mir den Rücken zu. Ich darf es nicht zulassen, dass hier ein Mensch ohne Gerichtsverhandlung und Urteilsspruch aufgehängt wird, ganz gleich, was er getan hat.
Ich muss das verhindern. Aber wie? Vier gegen einen ist kein allzu gutes Verhältnis.
In dieser Sekunde hebt der Verurteilte den Kopf. Sein Blick trifft mich und lässt mich nicht mehr los. Mir ist es, als könnte ich den kalten Schweiß auf seiner Stirn glitzern sehen. Ich hebe die Hand und lege den Finger warnend auf den Mund.
»Worauf warten wir noch?«, knarrt eine frostige Stimme. »Slim, bind das Seil fest. Und dann mach Schluss!«
Einer der Raureiter schlingt das Lassoende um den Baumstamm. Dann reißt er einen Ast aus dem nächsten Gebüsch und schwingt ihn über dem Kopf empor. Die rote Stute unter dem Verurteilten wird unruhig, tritt nervös hin und her. Das Seil beginnt, sich zu straffen. Wenn der Ast die Kruppe der Stute trifft, wird sie losrennen.
Meine Winchester fliegt aus dem Gewehrschuh. Ich lade schnell durch. Der Kolben fährt in die Schulter. Über Kimme und Korn suche ich mein Ziel. Shadow steht wie aus Stein gehauen. Ich lege den Zeigefinger um den Abzug, halte den Atem an. Der erste Schuss muss sitzen.
Aus der Mündung des Gewehrs fährt Feuer und Rauch. Die Kugel trifft das Seil eine Handbreit über dem Kopf des gefesselten Mannes und zerspellt es. Die Stute steigt, von dem Knall erschreckt, aber sein Reiter reagiert rasch. Er bleibt im Sattel und bringt sie mit den Schenkeln auf die Erde zurück, obwohl er seine Hände nicht gebrauchen kann.
Ich repetiere. Die rauchende Hülse fliegt in den Staub. Dann reite ich langsam los, das Gewehr auf die vier Männer gerichtet, die mich anstarren wie den leibhaftigen Teufel.
»Keiner rührt sich, oder es gibt Kugeln zu schlucken!«
Sie sind viel zu überrascht, um an Gegenwehr zu denken. Aber ich weiß, dass diese Überraschung nur ein paar Sekunden dauern wird. Dann werden sie zu ihren Schießeisen greifen, und das muss ich verhindern.
Einer der vier ist groß, hager und noch ziemlich jung. Er hat ein dunkles Gesicht, schwarze Augen und schwarzes, lockiges Haar. Es ist der, der vorhin gesprochen hat, und er scheint der Anführer zu sein.
Ich richte mein Gewehr auf ihn. »Freund, Sie wollen doch noch nicht in der Blüte Ihrer Jahre sterben, wie? Wenn einer Ihrer Partner zur Waffe greift, sind Sie mein Ziel, das ich nicht verfehlen werde.«
Sein Gesicht wird grau unter der Sonnenbräune.
»Was, zur Hölle, wollen Sie von uns?«
»Sagen Sie Ihren Freunden, sie sollen ihre Gürtel abschnallen und fortwerfen.«
»Tut, was er sagt«, befiehlt er und geht mit gutem Beispiel voran. »Er hat mich vor dem Rohr.«
Vier Revolvergürtel fallen in den Staub. Ich wende Shadow mit einem Schenkeldruck.
»Gut so. Und jetzt – vorwärts marsch!«
Einer der Männer wendet sich an den Lockenkopf: »Du hast uns da in eine verdammte Geschichte geritten, Curly.«
Curly beißt sich auf die Lippen. Sein zornerfüllter Blick trifft mich. »Wir wachsen noch zusammen, Mister. Dann werden wir Sie von Ihrem hohen Ross herunterstoßen.«
»Versuchen Sie es«, sage ich gleichmütig. »Vorerst sollten Sie aber besser verschwinden, bevor ich ungemütlich werde.«
Ich schieße, und unter Curlys linkem Stiefel spritzt eine Staubwolke hoch. Er flucht und beginnt zu schwanken, denn dieser Stiefel hat plötzlich keinen Absatz mehr.
»Fort mit euch – los!«
Wieder kracht mein Gewehr, und jetzt verliert auch der rechte Stiefel seinen Absatz. Curly stolpert und fällt aufs Gesicht. Fluchend rappelt er sich auf und beginnt zu rennen, ohne sich noch einmal umzublicken. Seine Partner haben es bereits vorgezogen, sich zurückzuziehen.
Ich sehe ihnen nach, wie sie in der Wüstenstrecke von Adobe Flat verschwinden. Bis zur nächsten Siedlung sind es mindestens zwanzig Meilen. Zwanzig Meilen durch glühend heißen Alkalistaub unter der Sonne von Texas zu trampen, das wird ihre Lust an weiteren Lynchaktionen ein wenig dämpfen.
Ich fülle das Magazin meiner Winchester und lasse sie im Sattelschuh verschwinden. Dann treibe ich Shadow neben die rote Stute, die immer noch unter dem Cottonwood steht, ziehe mein Messer aus dem Stiefelschaft und durchschneide die Fesseln des Mannes, der mich mit einem gequälten Lächeln anblickt.
»Danke«, murmelt er und beginnt, seine schmerzenden Handgelenke zu massieren. »Wenn Sie nicht gekommen wären, dann wäre ich jetzt schon tot.«
Ich betrachte ihn. Er sieht ziemlich strapaziert aus. Wahrscheinlich würde jeder Mann so aussehen, der gerade vom Rand des Grabes zurückgerissen wurde.
»Machen Sie sich nichts draus. Es ist vorbei. Vergessen Sie es.«
Er lächelt etwas mühsam. »Ich werde es versuchen. Mein Name ist Stuart Shane.«
Er streckt mir seine Hand hin, und ich ergreife sie.
»Freut mich. Ich heiße Sands – John Sands«, sage ich dabei.
Ich betrachte Shane. Er muss Anfang dreißig sein und ist gekleidet wie ein Rindermann. Auch sein Pferd, diese rote Stute, sieht aus wie eines jener Rinderpferde, wie sie auf den großen Ranches gezogen werden. Aber Shanes Hand, die er mir über den Sattelknopf hinweg reicht – eine feste, kräftige Männerhand – zeigt nichts von jenen Schwielen und Lassonarben, die jeder Mann besitzt, der hart und schwer mit dem Vieh und einem Lasso arbeiten muss.
»Warum wollten diese vier Burschen Sie aufknüpfen?«, frage ich.
Er sieht mich an. Immer noch liegt dieses bittere Lächeln auf den Lippen.
»Der Schwarze – Curly wird er wegen seiner Locken genannt – war scharf auf mein Pferd.« Seine Stimme ist leise. »Wie bekommt man hier draußen ein Pferd, das einem in die Augen sticht? Man bezichtigt den Besitzer des Pferdediebstahls, sucht sich ein paar Partner, die das beschwören, und hängt ihn auf. So einfach ist das.«
Ich nicke. Ich weiß, dass so etwas hier immer vorkommt. Pferdediebstahl gilt als das gemeinste und hinterhältigste Verbrechen in einem Land, dessen Entfernungen so riesig sind, dass ein Mann praktisch zum Tode verurteilt ist, wenn man ihm sein Reittier nimmt. Deshalb wird ein Pferdedieb auch meistens ohne ordentliche Gerichtsverhandlung aufgeknüpft. Und leider hat Shane recht: Mancher Mann ist schon als Pferdedieb bezeichnet und gehängt worden, obwohl er völlig unschuldig war. Und schon oft war sein eigenes, gutes Pferd der Grund zu einem solch offensichtlichen Mord.
»Woher kannten Sie diesen Curly denn?«
Shane zuckt mit den Schultern. »Oh, ich bin ihm hie und da in Santa Inez begegnet.«
Santa Inez ist eine Siedlung im Happy Valley, das sich nach Westen zu an die Wüstenstrecke von Adobe Flat anschließt. Ich betrachte Shanes Pferd und entdecke ein Brandzeichen auf seinem linken Hinterschenkel: einen Stern in einem Kreis.
»Sie arbeiten für eine Ranch im Happy Valley?«, frage ich.
Shane nickt. »Ja, für die Circle Star. Nun, was tun wir jetzt?«
Ich denke darüber nach, dass er für einen gewöhnlichen Cowboy eigentlich ziemlich weit von seiner Ranch entfernt ist, sage aber nichts. Er muss einen Grund gehabt haben, sich so weit zu entfernen. Und die vier Männer sind ihm gefolgt, haben ihn geschnappt und wollten ihn rasch und unauffällig aus der Welt schaffen.
Was hatten sie wirklich für einen Grund dafür?
Ich denke, dass ich schon noch dahinterkommen werde, denn dieser Curly hat mir nicht so ausgesehen wie jemand, der eine Niederlage widerspruchslos hinnimmt.
»Ich denke, wir verschwinden besser von hier«, sage ich, klettere aus dem Sattel und schneide die Fangleinen der vier Pferde durch. Dann feuere ich meinen Revolver zweimal ab, und sie galoppieren hinaus in die Wüste. Curly und seine Partner werden sich Blasen an die Füße laufen müssen, wenn sie sie wiederbekommen wollen.
Als ich mich umdrehe, sehe ich, dass Shane abgesessen ist und seinen Hut vom Boden aufgehoben hat. Dann nimmt er einen schön gearbeiteten .45er-Colt mit hellem Beingriff auf, wischt den Staub von ihm ab und lässt ihn in dem Holster auf seiner rechten Hüfte verschwinden. Man könnte ihn tatsächlich für einen Cowboy halten, wenn er nur ein paar Schwielen auf seinem Handrücken hätte.
»Begleiten Sie mich?«, fragt er, sich wieder in den Sattel schwingend.
»Ja, das Happy Valley wollte ich schon lange mal kennenlernen.«
Sein Gesicht wird plötzlich ernst. »Halten Sie sich von Santa Inez fern«, warnt er. »Curly hat dort sein Hauptquartier. Er arbeitet für jemanden, den ich noch nicht kenne. Wenn Sie dort aufkreuzen, wird er alle Hunde von der Leine lassen. Er ist keiner von der Sorte, die eine Niederlage vergisst.«
»Danke«, sage ich. »Aber ich glaube, ich kann schon selbst für mich sorgen.«
Shane mustert mich mit einem seltsamen Blick, sagt aber nichts mehr. Er wendet die Nase seiner roten Stute nach Westen, und ich folge ihm.
Es ist schon beinahe dunkel, als wir von einem Höhenrücken aus Santa Inez am Fuß eines grauen, kahlen Bergzuges entdecken. Von hier oben sieht die Stadt klein, schmutzig und verlassen aus. Hinter den Fenstern gehen die ersten Lichter an.
»Sie wollen also doch hinunter?«, forscht Shane, sein Pferd zügelnd, nach.
»Ich brauche ein Bett und Essen. Beides werde ich dort finden.« Mein Blick lässt sein Gesicht nicht los. »Und jetzt spielen wir unsere Karten offen aus. Sie möchten ein Cowboy sein, sind es aber nicht, denn Ihre Hände sind zu weich für diese Arbeit. Sie sehen eher aus wie jemand, den man hergeschickt hat, um etwas herauszubringen, der aber jetzt in verteufelte Schwierigkeiten geraten ist.«
Shane seufzt. »Gott segne Ihre Augen. Sands, Sie können einen Mann durchschauen. Sie haben es also herausbekommen?«
Ich nicke. »Ich weiß, dass Sie nicht aus dem Rindergeschäft kommen, auch wenn Sie wie ein Cowboy reiten und gekleidet sind.«
Shane kreuzt die Hände über dem Sattelknopf. Sein Gesicht sieht plötzlich sorgenvoll aus.
»Sie haben recht, Sands. Sie sehen anständig aus, deshalb will ich aufrichtig zu Ihnen sein. Ich bin Detektiv der Cattlemen-Association von Texas. Man hat mich ins Happy Valley geschickt, um herauszubekommen, wer hinter den Viehdiebstählen steckt, die das Land in Unruhe versetzen.«
Mir geht plötzlich ein Licht auf. Ein Viehdetektiv – und man hat Wind von seiner Aufgabe bekommen und diesen Curly auf seine Spur gesetzt, um ihn verschwinden zu lassen.
»Aha«, sage ich, »ein Weidedetektiv. Und haben Sie schon etwas herausgebracht?«
»Ja, eine ganze Menge. Aber das hat mit Viehraub nichts mehr zu tun.«
»Sondern?«
»Ich glaube nicht, dass Sie das etwas angeht, mein Freund.« Shanes Stimme ist kühl geworden. »Sie haben mich Curly aus den Klauen gerissen, dafür bin ich Ihnen dankbar. Alles andere ist meine Sache.«
»Glauben Sie?« Ich muss lachen. »Schön, Shane – Vertrauen gegen Vertrauen. Jetzt werde ich Ihnen auch etwas verraten: Ich heiße nicht John Sands und bin auch kein Satteltramp oder stellungsloser Weidereiter.«
Seine Augen werden groß. »Nicht?«
»Nein.« Ich ziehe meinen Rangerstern aus der Gürteltasche und halte ihn ihm unter die Augen. »Sehen Sie sich das an.«
Er fährt im Sattel zurück. »Sie sind ein Ranger?«
»Ja, ein Ranger«, bestätige ich. »Mein Name ist William Alamo, Bill für meine Freunde. Für hier und heute möchte ich lieber John Sands bleiben.«
»Alamo – Sands?«, murmelt Shane und wischt sich den Schweiß von der Stirn. »Was suchen Sie hier?«
»Vielleicht hat man mich auch losgeschickt, um im Happy Valley nach dem Rechten zu sehen«, antworte ich vorsichtig und lasse den Stern wieder verschwinden. »Darum sollten Sie mir lieber alles sagen, was Sie wissen.«
Shane nimmt den Hut ab, fährt sich mit fünf Fingern durch das Haar und setzt ihn wieder auf.
»Sands, oder wie Sie sich sonst nennen, ich glaube, Sie hat der Himmel geschickt«, sagt er erleichtert. »Mich geht nur der Viehdiebstahl hier etwas an, aber ich glaube, ich bin einer riesigen Schweinerei auf die Spur gekommen.«
»Was ist los?«, frage ich ruhig.
Er sagt nur ein Wort: »Waffenschmuggel!« Aber es trifft mich wie ein Revolverschuss.
»Waffenschmuggel?« Ich bin wie elektrisiert. »Haben Sie Beweise?«
Er seufzt. »Eben nicht. Ich war den Schmugglern auf der Spur, aber dann kam Curly dazwischen und schaltete mich aus, bevor ich etwas unternehmen konnte.«
»Das sieht mir nach einer abgekarteten Sache aus«, murmle ich vor mich hin. »Nun, man schmuggelt also Gewehre über den Rio Grande nach Mexiko.«
Shane starrt mich an. Ein seltsames Licht erscheint in seinen Augen.
»Nein, Alamo-Sands, nicht über den Rio Grande. Man bringt sie nach Westen – durch New Mexico hindurch in das Arizona-Territorium hinüber.«
»Nach Arizona? Wozu soll das gut sein?«
»Ist das so schwer zu begreifen?«, fragt Shane geduldig. »In Arizona befinden sich die großen Apachen-Reservationen. Die Apachen sind bis jetzt noch nicht zur Ruhe gekommen, und die Kavallerie hat Mühe, sie in den Reservaten festzuhalten. Immer wieder brechen vereinzelte Horden aus, verwüsten die Ranches, sengen und morden und reiten dann über die mexikanische Grenze zu ihren Stammesgenossen!«
»Und Sie denken ...«
»Ich denke, dass die Burschen, die hinter dieser Geschichte stecken, die Apachen mit Gewehren versorgen wollen«, fährt Shane unbeirrt fort. »Sie wollen einen neuen, großen Indianerkrieg vom Zaun brechen. In Arizona gibt es viele Bodenschätze – Kupfer, Silber und Gold. Ich kenne es, denn ich habe ein paar Jahre dort gearbeitet. Aber die besten Plätze sind heute schon alle in festen Händen. Wenn jedoch die Rothäute losbrechen, könnte es geschehen, dass ein paar der fettesten Minen plötzlich ohne Besitzer sind. Skalpierte Männer haben kein Interesse mehr an Gold und ähnlichen Dingen.«
»Tolle Aussichten«, entgegne ich. »Aber Sie könnten recht haben. Die Männer, die diese Sache ausgeknobelt haben, versorgen die Rothäute mit Waffen und lassen sie dann auf jene Plätze los, die sie sich ausgesucht haben, um sie sich selbst unter den Nagel zu reißen.«
»Stimmt genau!«, bestätigt Shane und nickt. »Ranger, ich sehe, dass Sie beginnen, mich zu begreifen.«
»Wie sind Sie denn zu diesen Vermutungen gekommen?«, frage ich rau.
Der Detektiv nickt. »Ich habe diese Frage erwartet. Nun, sehen Sie sich das an.«
Er zieht ein zusammengefaltetes, ziemlich schmutzig aussehendes Stück Papier aus seiner Brusttasche und reicht es mir herüber.
»Lesen Sie das!«
Es ist ein Brief. In dem tiefen Grau der Abenddämmerung kann ich mühsam die Überschrift entziffern: Mr. Eduard Blaine, Calle Ramirez 12, Ciudad Juarez, via El Paso/USA.
»Wer ist das, dieser Ed Blaine?«, frage ich.
Shane lächelt. »Ein Bursche, den ich kenne – von Arizona her. Ich wusste, dass er seine Finger immer in schmutzigen Geschäften hatte. Vor ein paar Jahren ging er mir durch die Lappen. Jetzt traf ich ihn wieder – in Hobbs City, jenseits der Rosebud Mountains. Ich wollte ihn verhaften. Er zog, und ich musste ihn erschießen. In seiner Tasche fand ich diesen Brief. Man hat ihn nach Santa Inez beordert. Lesen Sie weiter.«
Ich tue es und stelle fest, dass der Mann, der diese Zeilen an Mr. Eduard Blaine schrieb, ihn ins Hotel Victoria in Santa Inez bestellt hat: »Ein Zimmer ist für Sie reserviert. Warten Sie dort die Ankunft unseres Boten ab, der mit Ihnen die Lieferung besprechen wird.« Keine Unterschrift, nichts. Nichts, was auf den Schreiber hinweisen könnte.
»Sieht aus, als ob Blaine in sein Unglück gerannt wäre, als er seinen Zufluchtsort Ciudad Juarez verließ und in die Staaten zurückkam«, sage ich und falte den Brief. »In Mexiko hätten Sie nicht gegen ihn vorgehen können.«
Shane grinst. »Eben. Sein Pech, dass er mir in Hobbs City über den Weg laufen musste. Die Welt ist klein.«
»Hm. Und woher wollen Sie wissen, dass er mit Gewehren handelte?«
»Weil er sie bei sich hatte. Einen ganzen Wagen voll. Achtschüssige Henry-Gewehre. Nicht gerade die neuesten Modelle, aber doch weitaus besser als die einschüssigen Springfields, die den Indianern in den Reservationen zum Jagen gelassen werden.«
»Einen ganzen Wagen voll Henry-Repetierern? Wo haben Sie ihn gelassen?«
Shanes Grinsen wird breiter. »Ich habe ihn in einer Schlucht in den Rosebuds versteckt und die Maultiere weggejagt. Was sollte ich sonst mit ihm tun? Vergessen Sie nicht, dass ich als Cowboy auf der Circle Star arbeite und keinen Verdacht erregen durfte. Aber von diesem Tag an habe ich meine Augen offen gehalten. Ich hatte den Brief, der mich auf Santa Inez wies. Die Fäden laufen dort zusammen. Ich weiß nur nicht, wer dahintersteckt. Ich hatte zu wenig Zeit, mich darum zu kümmern. Und dann kam mir Curly in die Quere und machte mir das Leben sauer. Er möchte gern der Schwiegersohn auf der Circle Star werden. Jedenfalls hat er sich sehr um Nell Langdon bemüht.«
»Ach ja – Mister Curly«, murmle ich und überlege scharf. »Glauben Sie immer noch, dass dieser Bursche Sie aufhängen wollte, weil er hinter Ihrem Pferd her war? Ich sage Ihnen, das war ein ganz fauler Trick. Dieser Bursche sieht aus wie jemand, der gern viel Geld verdient, ohne sich dabei die Finger mit ehrlicher Arbeit zu beschmutzen. Ich wette, er steckt bis zum Hals in diesem Geschäft mit den Gewehren. Dann hat er gemerkt, dass Sie etwas gerochen hatten und wollte Sie ausschalten. Dabei hätte er zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, wenn er Sie wirklich als Nebenbuhler in der Gunst dieser Miss Langdon betrachtet.«
Shane starrt mich an. »Alle Wetter, Sie könnten recht haben!«
