Winterpoem 20/21 - Maria Stepanova - E-Book

Winterpoem 20/21 E-Book

Maria Stepanova

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Beschreibung

Der Ausbruch der Covid-Pandemie setzte im März 2020 einem Aufenthalt Maria Stepanovas im britischen Cambridge ein Ende. Zurück in Russland, verbrachte sie die folgenden Monate in einem Zustand der Erstarrung – die Welt hatte sich vor ihr zurückgezogen, die Zeit war »ertaubt«. Als sie aus diesem Zustand auftauchte, begann sie Ovid zu lesen. Motive fanden zueinander, die lange in ihr gewartet hatten. Wie schon in Der Körper kehrt wieder verwandelt sie historische und aktuelle Kataklysmen in ein ungemein feingliedriges, bewegliches Gebilde aus Rhythmen und Stimmen.

Das Poem, das in einer rauschhaften poetischen Inspiration entstand, spricht vom Winter und vom Krieg, von Verbannung und Exil, von sozialer Isolation und existentieller Verlassenheit. Stepanova findet grandiose Bilder für das Verstummen: wenn etwa Worte, die wir einander zurufen, in der Luft gefrieren und unser Gegenüber nicht mehr erreichen. Das Werk verwebt Liebesbriefe und Reiseberichte, chinesische Verse und dänische Märchen in eine vielstimmige Beschwörung der gefrorenen und langsam auftauenden Zeit.

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Seitenzahl: 83

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Cover

Titel

Maria Stepanova

Winterpoem 20/21

Russisch und deutsch

Aus dem Russischen von Olga Radetzkaja

Suhrkamp Verlag

Impressum

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Die Wiedergabe von Gestaltungselementen, Farbigkeit sowie von Trennungen und Seitenumbrüchen ist abhängig vom jeweiligen Lesegerät und kann vom Verlag nicht beeinflusst werden.

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Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel Svjaščennaja zima 20/21 bei Novoe Izdatel’stvo in Moskau.Olga Radetzkaja dankt dem Freundeskreis zur Förderung literarischer und wissenschaftlicher Übersetzungen e.V., der die Übersetzung mit einem Perewest-Stipendium großzügig gefördert hat.

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2023

Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe der Bibliothek Suhrkamp 2023.

Deutsche Erstausgabe© der deutschsprachigen Ausgabe Suhrkamp Verlag AG, Berlin, 2023© 2021 Maria StepanovaAlle Rechte vorbehalten.Wir behalten uns auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.

Der Inhalt dieses eBooks ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Wir behalten uns auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.Für Inhalte von Webseiten Dritter, auf die in diesem Werk verwiesen wird, ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber verantwortlich, wir übernehmen dafür keine Gewähr. Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Umschlaggestaltung: nach einem Konzept von Willy Fleckhaus

eISBN 978-3-518-77532-5

www.suhrkamp.de

Übersicht

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Informationen zum Buch

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

I

II

Postskriptum

»Wo jedes Wort in der Luft gefriert«

Informationen zum Buch

I

ЯвыехалвРоссиюверхомнаконе.

Делобылозимою.

Шёлснег.

ПриключенияБаронаМюнхгаузена

Nach Russland brach ich im Winter auf.

Ich reiste zu Pferd.

Es schneite.

Die Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen

Азиматакаястоитподворам:

Какдуб

Каксруб

Какхрам

Летучиефракцииснежногопраха

Пикируюткавалеристами

Наповиннуюголову

Насамуюеемаковку

Поравзимнююспячку:

Кактрупразъятыйвпустынележатый

Какостановите-вагоновожатый

Какположено

Лежать, гдеуложено

Жилбылзаяцсосвоейлисицей

Усамогосинегоморя.

Онижиливветхойземлянке,

Потомпостроилидомы:

Улисысталаизбушкаледяная,

Узайца, говорят, слюдяная,

Изчистыхзаячьихслезок,

Изгрустнойслюныкапустной

Жили-жили, никогонеели,

Напраздникипускалифейерверки.

*

Dieser Winter draußen – steht

Wie ein Baum

Wie ein Bau

Wie ein Dom

Flüchtige Schneestaubfraktionen

Stoßen im Sturzflug herab

Asche aufs Haupt, berittene Schützen

Zielen direkt auf den Scheitel

Zeit für den Winterschlaf:

Wie im Wüstensand ein zerlegter toter Mann

Wie ein Schaffner-halten-Sie-an

Wie es sein soll

Abgelegt liegen bleiben

Lebte einst ein Hase mit seiner Fuchsfrau

Am blauen Meeresstrand

In einem alten Erdbau

Bis sich was Besseres fand:

Für Frau Fuchs ein Häuschen aus Eis,

Für Herrn Hase eines aus Gneis,

Aus reinen Hasentränchen,

Aus traurig-krautiger Spucke

So lebten sie friedlich, sie fraßen niemand

Und feiertags brannten sie Feuerwerk ab.

*

– Виделасон: стол. Анатомстоле

Нестоял, нолежалпрекрасныйчеловек.

Инанембылонадето:

одеждасерая, соболемопушенная.

– Матушка, ВсемилостивейшаяГосударыня!

– Марморныймойкрасавец.

Мойголубчикбесценныйибеспримерный.

Право, крупнотебялюблю. Самсмотри.

*

– Ich habe geträumt: ein Tisch. Auf dem Tisch

Lag (nicht: stand) ein bildschöner Mann.

Und er trug:

graue Kleider, mit Zobel gesäumt.

– Teure Mutter, Allergnädigste Herrscherin!

– Mein Schöner, Marmorgleicher.

Mein köstliches, einziges Täubchen.

Ich liebe dich wahrhaft gewaltig. Sieh selbst.

*

Тут-тоивсеуснуло:

Иветервтрубе, иогоньвочаге,

Ибольвголове, ивкраневода.

Тут-тоивсезастыло:

Ипарикмахершавхалатепослесмены,

Вытянувноги, глазаполузакрыв.

Ибездомныйвостановившемсятрамвае,

Исветофор, едвазажегшийжелтыйсвет,

Ивзимнемвоздухедубинкиполицейских,

Инебожелтое, подпертоестолбамипара,

Илюдившубахшапкахавтозаках,

Илюди, находящиесяпоместужительства

Сполупрозрачнымидомашнимирастениями,

C неговорящимидомашнимиживотными,

Свещамитеплыми, снапиткамихолодными

Мы, переложенныеснегомдлясохранности,

Какпапиросноюбумагоюкартинки,

Вдругсталистоп.

*

Und da schlief alles ein:

Im Schornstein der Wind, das Feuer im Herd,

Im Kopf das Weh, das Wasser im Hahn.

Und da fror alles ein:

Die Friseurin im Kittel nach Ende der Schicht,

Beine hochgelegt, halb geschlossene Lider.

Der Obdachlose in seiner stehengebliebenen Tram,

Die gerade auf Gelb umspringende Ampel,

In der Winterluft die Schlagstöcke der Polizisten,

Der gelbe Himmel, auf Dampfsäulen ruhend,

Die Menschen in ihren Pelzen Mützen Polizeitransportern,

Die Menschen an ihrem Wohnsitz

Zwischen milchigen Zimmerpflanzen,

Zwischen sprachlosen Haustieren,

Ausgestattet mit Kleidern (warm) und Getränken (kalt):

Wir, zwischen schützenden Schichten von Schnee,

Wie Fotos unter Seidenpapier,

Plötzlich gestoppt.

*

Каквспомню, каксобиралсянапожизненное

– Тогдапервыйразвомнезакоченеладуша,

Словнознала, чемуейтеперьпораучиться –

Иженаплачет, идрузейдвое, ктопосмелее,

Адочкавотъезде, вернется, аменянет,

Иужесветает, аяполночижегдокументыирукописи,

Ниодеждыневзял, нирабовневыбралвдорогу.

Каквспомню – исразууженакорабле,

Моревокруг, инапалубетожеморе,

Кормчиймолится, реввод, матматросов,

Хлещетвноздриволна, аязнайпишу,

Поглядим, ктораньшеустанет, буряли, жалоба.

*

Allein der Gedanke an diese letzte Nacht in Freiheit –

Wie das Herz mir zum ersten Mal kalt und starr in der Brust lag,

Als wüsste es, was ihm bevorsteht, und wollte schon üben –

In Tränen die Gattin, die beiden mutigsten Freunde,

Die Tochter – verreist, sie wird mich nicht mal mehr sehen,

Es tagt schon, seit Stunden verbrenne ich Manuskripte,

Statt warme Sachen zu packen, statt Reisesklaven zu wählen.

Allein der Gedanke – schon sehe ich mich auf dem Schiff

Und überall Wasser, Wellen klatschen aufs Deck,

Der Steuermann betet, Matrosen fluchen, die brüllende See

Peitscht in die Nase, ich aber schreibe, als wär nichts –

Wer wohl früher aufgibt, mein Klagelied oder der Sturm?

*

Какмыоказалисьвэтомшкафу?

(Какяоказаласьвэтомгробу?)

Кажется, мынеоднивэтомшкафу:

Косматыедопотопныешкуры,

Смерзшееся, вльдинках, руно,

Шубысглубокимитемнымиберегами,

Блуждаешьвних (блуждаемвних) каквлесу,

Запахгрозный, морозный, делокзакату,

Оспинаминаснегуследы.

Всторонечужойидальней

Гробкачаетсяхрустальный,

Снегвалит, горитзвезда,

Ходитгробтуда-сюда

Надземлейпустогоместа,

Спитвольдутвояневеста.

СнитсяМариШтальбаум,

Чтоонавглубокомколодце –

Врукавепапашинойшубы:

Тесно, темно, пахнетнафталином,

Шуршитшелковаяподкладка,

Постенкамбанкиибанки

Слетниммалиновымвареньем,

Белый-белыйсветвконцетуннеля,

Лесенкакручеикруче,

Ступенькирежеиреже.

… СнитсяЛаринойТатьяне,

Чтоонавыбегаетнавстречу,

Аземлядавноужеостыла:

Поколенавснегуколонны

Барскогодедовскогодома,

Нитропинки, замелодорогу,

Замелопокрестколокольню.

Накладбищеневидатьнадгробий.

Засугробом, розовымотсолнца,

Какряднина, разбегаетсяравнина.

Несядемвсанки, непоедем

Влеселовыйужинатьсмедведем.

СнятсяОвидиювТомах

Римскиебелыегуси.

СнитсятетеТомеКузнецовой

Наступленьежизниобразцовой.

*

Wie sind wir hier gelandet, in diesem Schrank?

(Wie bin ich hier gelandet, in diesem Sarg?)

Wie es scheint, sind wir nicht allein hier, in diesem Schrank:

Zottige vorsintflutliche Felle,

Ein zu Klump gefrorenes, eissplitterklirrendes Vlies,

Pelzmäntel und ihre hohen dunklen Böschungen,

Du irrst drin umher (wir irren umher) wie im Wald,

Es riecht nach Gefahr, nach Frost, nach gleich wird es Abend,

Wie Pockennarben die Spuren im Schnee.

Im fernen Land des Boreas

Schaukelt sacht ein Sarg aus Glas,

Dichter Schnee fällt, Sterne funkeln,

Leise schwankt der Sarg im Dunkeln,

Aus der Ödnis dringt kein Laut,

Dort im Eis schläft deine Braut.

Im Traum sieht Marie Stahlbaum

Sich in einem tiefen Brunnen –

Im Ärmel von Papas Pelz:

Eng ist es, finster, es riecht nach Mottenpulver,

Das Seidenfutter raschelt,

An den Wänden Gläser über Gläser

Mit Himbeerkompott vom Sommer,

Ein weißes, weißes Licht am Ende des Tunnels,

Die Treppe wird steiler und steiler,

Die Stufen höher und höher.

… Im Traum sieht Tatjana Larina:

Sie läuft aus dem Haus, ihm entgegen,

Doch die Erde ist längst kalt,

Bis ans Knie reicht der Schnee den Säulen

Vor Großvaters Villa,

Nirgends ein Weg, die Straße verweht,

Der Kirchturm verweht bis ans Kreuz.

Auf dem Friedhof ist kein Grabstein zu sehen.

Ein Schneewall, rosa besonnt, dahinter

Wie Leintuch flaches Land weit und breit.

Wir fahren nicht, der Schlittensitz bleibt leer,

Im Tannenwald speist ohne uns der Bär.

Im Traum sieht Ovid in Tomis

Die weißen Gänse von Rom.

Im Traum sieht Tante Toma (Kaplan):

Ein tipptoppes Leben bricht an.

*

Еслиувасвмегаполисеещепомнятобомне, ссыльном,

Знай, ктоспросит: яумер, едваприговорогласили.

Мертвыйживу, хожу, телодонашиваю,

Онопослушное – ссыхаетсянакостях.

Яздесьчужак, варвар, языканеноситель,

Небакоптитель, волосысталибелые,

Мертвымигубамиучугетскуюграмоту,

Мертвыминогамитопчутвердуюводу.

Чтотеберассказать, чтобнескучала? Скачут

Конипогладкойреке, истрелылетают,

Рыбыторчатизольдасоткрытымиртами,

Некомуихвынимать. Некомуменяпонимать.

Винозамерзло, стоитсамобезкувшина,

Кусоквинаотломлюисосу, каксиську.

Яблокнедостать. Тыбыменянеузнала.

Местныезамотанывшкуры, натогукосятся,

Тольколицаивидно, даитевбороде.

Дажезвездыздесьнекакулюдей.

*

Falls man bei euch in der Megapolis noch nach mir fragt,

Wisst: Ich bin im Moment der Urteilsverkündung gestorben.

So lebe ich jetzt, ein Toter, der seinen Körper im Gehen

Geduldig aufträgt, bis er am Knochen verdorrt.

Ein Fremder bin ich, Barbar, kein native speaker,

Ein fauler Strick, mit inzwischen schlohweißem Haar.

Meine toten Lippen murmeln getische Wörter,

Meine toten Füße betreten gehärtetes Wasser.

Was kann ich erzählen, um deine Sehnsucht zu lindern?

Pferde sprengen über den glatten Fluss, Pfeile schwirren,

Fische stecken im Eis fest mit offenem Maul.

Keiner da, der sie rauszieht. Keiner, der mich versteht.

Der Wein ist gefroren, er steht ohne Krug auf dem Tisch,