Wirksames Coaching - Mathis Wissemann - E-Book

Wirksames Coaching E-Book

Mathis Wissemann

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Beschreibung

Im vorliegenden Buch werden Erkenntnisse aus der Beratungs- und Therapieforschung auf den Fachbereich des Coachings angewandt. Es werden die nachfolgenden Fragen behandelt: Woran kann sich ein Coach im Beratungsprozess orientieren? Welche Arten von Beratungsbedarf gibt es? Welchen Stellenwert hat die Arbeitsbeziehung zwischen Coach und Klient und wie kann der Coach diese aktiv gestalten? Wie lassen sich Wirkfaktoren im Coaching bei unterschiedlichen Problemstellungen umsetzen? Die Anwendung auf die verschiedenen Felder des Coachings wird dargestellt: Führungscoaching, Motivation von Mitarbeitern als Führungsaufgabe, Konfliktcoaching, Coaching zur Führung der eigenen Person.

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Mathis Wissemann

Aus dem Programm Verlag Hans Huber

Wirksames Coaching

Psychologie Sachbuch

Wissenschaftlicher Beirat:

Prof. Dr. Dieter Frey, München

Prof. Dr. Kurt Pawlik, Hamburg

Prof. Dr. Meinrad Perrez, Freiburg (CH)

Prof. Dr. Franz Petermann, Bremen

Prof. Dr. Hans Spada, Freiburg i. Br.

Beim Verlag Hans Huber sind außerdem erschienen – eine Auswahl:

Marcel Allenspach / Andrea Brechbühler

Stress am Arbeitsplatz

Theoretische Grundlagen, Ursachen, Folgen und Prävention

160 Seiten (ISBN 3-456-84192-2)

Eberhardt Hofmann

Wege zur beruflichen Zufriedenheit

Die richtigen Entscheidungen treffen

192 Seiten (ISBN 3-456-84329-1)

Hans-Uwe Hohner

Laufbahnberatung

Wege zur erfolgreichen Berufs- und Lebensgestaltung

181 Seiten (ISBN 3-456-84251-1)

Gustav Keller

Fit im Beruf

Erfolgreich arbeiten, lernen, kommunizieren

130 Seiten (ISBN 3-456-83485-3)

Weitere Informationen über unsere Neuerscheinungen finden Sie im Internet unter: www.verlag-hanshuber.com

Mathis Wissemann

Wirksames Coaching

Eine Anleitung

Verlag Hans Huber

Adresse des Autors:

Mathis Wissemann

CoachingConcept im IIT an der Universität Bielefeld GmbH

Hans-Sachs-Str. 4

D-33602 Bielefeld

www.coachingconcept.org

Lektorat: Monika Eginger

eBook-Herstellung und Auslieferung:

Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. lede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Anregungen und Zuschriften bitte an:

Verlag Hans Huber

Hogrefe AG

Länggass-Strasse 76

CH-3000 Bern 9

Tel: 0041 (0)31 300 45 00

Fax: 0041 (0)31 300 45 93

[email protected]

http://www.verlag-hanshuber.com

1. Auflage 2006

© für die deutschsprachige Ausgabe 2006 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

EPUB-ISBN: 978-3-456-74384-4

Inhalt

Dank

1.  Begründung des Coachings nach Wirkfaktoren

1.1        Eine Coaching-Definition

1.2        Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität

1.3        Messung der Ergebnisqualität: Ein Wirkmodell der Trainingsevaluation, übertragen auf Coaching

1.4        Schlussfolgerungen auf die Ebene der Prozessqualität

2.  Wie wirkt Coaching?

2.1        Wirkfaktoren

2.2        Menschenbild

3.  Unterscheidung von Klärung und Problembewältigung

3.1        Abgrenzung der beiden Bedarfe Klärung und Problembewältigung

3.2        Das Rubikon-Modell

3.3        Nicht-bewusster Klärungsbedarf

3.4        Empirische Befunde für die Unterscheidung von Klärungs- und Problembewältigungsbedarf

4.  Ressourcenorientierung

4.1        Ressourcenperspektive und Problemperspektive

4.2        Problembewältigungserwartung

4.3        Methoden der Ressourcenorientierung

4.3.1    Rollen klären

4.3.2    Vorstellungsbilder

4.3.3    Entwicklungsziel klären

5.  Bedürfnisorientierung

5.1        Voraussetzung für Veränderung

5.2        Komplementäre Beziehungsgestaltung

5.3        Plananalyse

5.4        Veränderungswirkung durch komplementäres Verhalten

5.5        Ablenkungstendenzen

5.6        Feedback

6.  Feldkompetenz als Wirkfaktor

7.  Coaching zum Thema Führung von Mitarbeitern

7.1        Definitionen von Führung

7.2        Einflussnahme durch die Führungskraft

7.3        Zielbezogenheit der Einflussnahme

7.4        Berücksichtigung spezifischer personaler und organisationaler Bedingungen

7.5        Irrationale Bedürfnisse als Bedingungen von Führung

7.6        Interessensphäre und Einflussbereich

7.7        Methoden im Führungscoaching

7.7.1    Mitarbeitergespräch

7.7.2    Rollenspiele

7.7.3    Erwartungen verändern

8.  Coaching zum Thema Motivation von Mitarbeitern

8.1        Motivation von Mitarbeitern als Führungsaufgabe

8.2        Kritische Momente bei der Motivierung von Mitarbeitern

8.3        Motivationstheorien im Coaching

8.4        Comellis und Rosenstiels Modell der Bedingungen des Verhaltens

8.4.1    Anreize

8.4.2    Individuelle Kompetenzen als Motivationsfaktor

8.4.3    Situative Ermöglichung

8.4.4    Soziales Dürfen

8.4.5    Das Modell im Überblick

8.5        Integratives Modell für die Einflussmöglichkeiten Vorgesetzter auf Mitarbeiterverhalten

8.6        Handlungsmöglichkeiten von Vorgesetzten

9.  Konfliktcoaching

9.1        Wirksamkeitsorientierung

9.2        Die Position des Coachs

9.3        Diagnostik

9.3.1    Der soziale Konfliktrahmen

9.3.2    Formgebunden oder formlos?

9.3.3    Unsichtbare Fronten

9.3.4    Typische Konfliktkonstellationen

9.3.5    Ziele des Klienten

9.3.6    Konflikterzeugung als Ziel

9.3.7    Bedürfnisse des Klienten

9.3.8    Konflikteskalation

9.4        Intervention

9.4.1    Planung der Intervention

9.4.2    Moderation

9.4.3    Macht ausüben

9.4.3.1    Arbeitsanweisung

9.4.3.2    Abmahnung

9.4.3.3    Kündigung

9.4.4    Beteiligung des Coachs

10.  Coaching zur Führung der eigenen Person

10.1      Der Begriff der Führung der eigenen Person

10.2      Ausgangssituationen

10.3      Klarheit und vermeintliche Klarheit im Coaching zur Führung der eigenen Person

10.4      Abwehrstrategien der Klienten gegen Klärung innerer Konflikte

10.5      Strategien im Coaching, um Klärung zu begünstigen und für den Umgang mit der Abwehr von Klärung

10.5.1    Nutzung der vorhandenen Ressourcen

10.5.2    Bedürfnisorientierung

10.5.3    Deutliches Angebot von Klärung

10.5.4    Verzicht auf Klärung

10.5.5    Klärung auf einer höheren Abstraktionsebene

10.6      Lebensziele

10.7      Rollen

10.8      Zeitstruktur

10.9      Neue Zielfindung

10.10    Stärken und Schwächen

10.10.1    Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsentwicklung (BIP)

10.10.2    Biografisches Interview

10.10.3    Situatives Interview

10.10.4    Methode der Kritischen Ereignisse

10.11    Problembewältigung

10.12    Zeitmanagementsystem

11.  Methoden im Coaching

12. Ablauf eines Coaching-Prozesses

12.1      Kontaktaufnahme

12.1.1      Informationen Dritter

12.1.2      Vertraulichkeit

12.2      Erstgespräch

12.2.1      Kennen lernen des Problemfeldes

12.2.2      Klientenerwartungen an das Coaching

12.2.3      Grenzen und Möglichkeiten von Coaching

12.2.4      Präsentation des Coaching-Konzepts

12.2.5      Erarbeitung eines gemeinsamen Coaching-Ziels

12.2.6      Klientenentscheidung über weitere Zusammenarbeit

12.2.7      Entscheidung des Coachs über weitere Zusammenarbeit

12.2.8      Einigung über die formalen Aspekte der Zusammenarbeit

12.3      Interventionsphase

12.4      Zwischenevaluationen

12.5      Gesamtevaluation und Abschluss

Literatur

Namenregister

Sachregister

Dank

Ich bedanke mich bei meinen Klienten für ihr Vertrauen, dass sie sich auf den Prozess eingelassen haben, gemeinsam mit mir ihre beruflichen Haltungen, Gewohnheiten und Handlungsweisen zu überdenken, zu erweitern und zu verändern. Sie haben wesentlich zu meinem Verständnis für die Beratungsform Coaching beigetragen. Natürlich ließ es sich nicht vermeiden, dass ich beim Schreiben an den einen oder anderen Klienten gedacht habe. Auch die im Text genannten Beispiele sind meiner Praxis entlehnt. Selbstverständlich sind aber nicht nur die Namen verändert, sondern es ist auch nicht erkennbar, aus welcher Organisation oder welchem Unternehmen ein dargestellter «Fall» stammt. Schließlich habe ich auch die beschriebenen «Schicksale» und Coaching-Verläufe verfremdet und teilweise zugespitzt, um das Beispielhafte für einen bestimmten Kontext, in dem der «Fall» im Text auftaucht, besser herauszuarbeiten.

Außerdem bedanke ich mich bei meinen Ausbildungskandidaten, durch deren intensive Kooperation und ehrliche Rückmeldungen es mir möglich wurde, das komplexe Feld Coaching in der Ausbildung und in dem Buch so zu strukturieren, dass es lehrbar und hoffentlich erlernbar wurde.

1Begründung des Coachings nach Wirkfaktoren

1.1

Eine Coaching-Definition

Coaching erfreut sich als Beratungsform im Spektrum der Personalentwicklungsmaßnahmen einer zunehmenden Verbreitung. Außerdem ist der Begriff Coaching über das Feld der Personalentwicklung hinaus in aller Munde. Diese Entwicklung führt bei allen positiven Konsequenzen zu zwei kritischen Begleiterscheinungen:

1.  Coaching ist ein unscharfer Begriff.

2.  Es gibt keine allgemeinen, verbindlichen Standards, welche die Qualität von Coaching sichern.

Die Unscharfe des Begriffs führt dazu, dass alle möglichen Beratungs- und Interventionsmaßnahmen als Coaching bezeichnet werden, z.B. Eltern-Coaching, Charisma-Coaching oder Stil-Coaching. Teilweise werden bewährte Verfahren, einem Modetrend folgend, plötzlich Coaching genannt, die vor ein paar lahren einfach noch Beratung oder Training hießen, z. B. Eltern-Coaching anstelle von Erziehungsberatung, EDV-Coaching anstelle von Computerkurs. Außerdem versuchen halbseidene Berater ihre Dienstleistung aufzuwerten, indem sie diese mit dem Zusatz Coaching versehen, z.B. Charisma-Coaching. Hinzu kommen diejenigen, die auf dem Coaching-Markt insofern mit bewährten Konzepten auftreten, als dass sie psychotherapeutische Methoden auf dem Feld der berufsbezogenen Beratung anwenden, z. B. systemisches Coaching, Coaching nach verhaltenstherapeutischen oder tiefenpsychologischen Modellen. Indem sie Coaching nach einem anerkannten Veränderungsmodell durchführen, heben sich diese Coachs wohltuend von solchen ab, die ihr Handeln weniger gut begründen. Daher wird an dieser Stelle der Vorschlag gemacht, Coaching unter anderem danach zu definieren, ob ihm eine begründete Konzeption zugrunde liegt. Definitorisch kommt noch eine Reihe anderer Merkmale hinzu, die Coaching von anderen Dienstleistungen abgrenzt.

Coaching ist

•  eine zeitlich begrenzte,

•  sich an dem aktuellen Klientenbedarf orientierende

•  nicht entlang einer Hierarchie stattfindende Beratung

•  von einzelnen Personen oder Gruppen

•  auf der Basis eines theoretisch und empirisch begründeten Veränderungsmodells

•  zu berufsbezogenen Problemstellungen,

•  die in dem oder den Klienten persönlich verortet sind,

•  mit dem Ziel, Klienten zu unterstützen, bestimmte Haltungen, Gewohnheiten oder Kompetenzen zu verändern.

Nach dieser Definition setzt Coaching voraus, dass ein theoretisch und empirisch begründetes Veränderungsmodell zugrunde liegt. Diese Definition übernimmt damit im Grundsatz ein Kriterium, das der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie (WBP) zur wissenschaftlichen Anerkennung von Psychotherapieverfahren anwendet: Die Verfahren müssen theoretisch und auch empirisch begründet sein (vgl. WBP, 1999). Langfristig wird Coaching sich als seriöses Beratungsverfahren nur etablieren können, wenn es sich an diesen Maßstäben messen lässt und sich nicht auf subjektive, politisch motivierte Qualitätsstandards beschränkt.

Weiter grenzt die Definition Coaching von anderen Verfahren ab. So ist Coaching im Gegensatz zur Supervision zeitlich begrenzt. Supervision begleitet Personen, meistens in helfenden Berufen, dauerhaft. Coaching dagegen setzt eine eingrenzbare Problemstellung voraus, die innerhalb eines zeitlich überschaubaren Rahmens bearbeitet werden kann.

Dabei ist Coaching offen dafür, den Klienten zu unterstützen, Haltungen, Kompetenzen oder Gewohnheiten zu verändern. Wichtig ist, dass der Klient sich selbst verändert, und der Coach nur unterstützt. Ein hohes Maß an Selbstverantwortlichkeit seitens des Klienten geht somit in die Definition ein. Außerdem beansprucht Coaching nicht, dass im Ergebnis die Persönlichkeit eines Klienten verändert wird, sondern nur Haltungen, Gewohnheiten oder Kompetenzen. Darin liegt ein Unterschied zu vielen Psychotherapieverfahren.

Darüber hinaus orientiert sich Coaching gemäß der Definition an dem aktuellen Bedarf des oder der Klienten. Damit beinhaltet Coaching ein hohes Maß an inhaltlicher Flexibilität in der Durchführung und grenzt sich von Trainingsmaßnahmen ab, deren Inhalte meist vor dem Training bereits feststehen und während der Durchführung gar nicht oder kaum verändert werden.

Außerdem findet Coaching nicht entlang einer Hierarchie statt. Das bedeutet, dass eine Führungskraft nicht Coach für ihre Mitarbeiter sein kann. Hier gibt es bei manchen eine begriffliche Verwirrung, weil einige Autoren unter Coaching einen Führungsstil verstehen (vgl. z. B. Hausdorf & Polzer, 2004). Eine Führungskraft kann aber deshalb nicht Coach für ihre Mitarbeiter sein, weil die Definition auch vorsieht, dass der Coaching-Prozess nicht entlang einer Hierarchie stattfindet, sich aber am Bedarf des Klienten orientiert. Die Maßnahmen einer Führungskraft müssen sich dagegen primär nach dem Bedarf der Organisation, für die sie tätig ist, ausrichten. Dabei kann es zu Interessenkonflikten kommen, die Coaching unmöglich machen.

Die behandelten Problemstellungen beschränken sich auf das berufliche Feld, so dass sich Coaching von den Begriffsverwendungen distanziert, Coaching auch auf private Problemfelder auszudehnen. Die Beschränkung auf das Berufsfeld ist dabei so zu verstehen, dass der Ausgangspunkt und auch immer wieder der Bezugspunkt von Coaching im Bereich des Berufs liegen. Damit der Klient persönliche Bezüge zum Problem nachvollziehen kann, ist es allerdings unerlässlich, die gesamte Person des Klienten einzubeziehen, was gelegentlich auch private Aspekte umfasst. Bestimmte Themen, z. B. Zeitmanagement, sind außerdem nur befriedigend zu behandeln, wenn die gesamte Zeit des Klienten berücksichtigt wird. Dennoch liegen der Schwerpunkt der Betrachtung und auch das Ziel von Coaching auf dem Berufsfeld. Ziel ist die Steigerung der beruflichen Zufriedenheit und Effektivität des Klienten. Darin liegt ein weiterer Unterschied zur Psychotherapie.

Schließlich sollen die Problemstellungen in dem oder den Klienten persönlich verortet sein. Damit markiert die Definition den Unterschied zur Organisationsberatung, die in der Veränderung von organisatorischen Strukturen ihre Wirkung erzielt, während Coaching die organisatorischen Strukturen als gegeben hinnimmt, sofern der Klient sie nicht verändern kann. Die Wirkung von Coaching zielt auf Veränderung innerhalb der Person des Klienten.

Offen ist die Definition gegenüber der Anzahl der Klienten. Klassicherweise wird Coaching als Einzelberatung durchgeführt. Die weiteren Ausführungen in diesem Buch zielen daher auf diese Konstellation der Einzelberatung ab, dennoch können Gruppen-Coachings in allen Punkten der Definition entsprechen. Um den Begriff Gruppen-Coaching in aller Schärfe zu verwenden, muss er sich vor allem vom Teamtraining abgrenzen. Leichter fällt das, wenn die Klientengruppe nicht auch im Alltag zusammenarbeitet. Aber auch ein Team-Coaching ist denkbar, sofern die Maßnahme sich in Struktur und Inhalt von Trainingmaßnahmen abgrenzt.

Die oben beschriebene Definition von Coaching liegt allen weiteren Kapiteln dieses Buches zugrunde, das damit von der beklagten begrifflichen Unscharfe nicht beeinträchtigt werden soll. Eine weitere Folge der schnellen Verbreitung von Coaching besteht in dem Mangel an einheitlichen Standards im Coaching. Wendet man die oben stehende Definition an, klärt sich das Bild schon etwas, indem viele Beratungsangebote nicht als Coaching bezeichnet werden können. Dennoch kann eine Vielzahl von Protagonisten auf dem Coaching-Markt für sich in Anspruch nehmen, der Definition zu entsprechen, obwohl sie zum Teil höchst unterschiedliche Verfahren anwenden. Damit stellt sich die Frage, was denn überhaupt im Coaching als wirksam anzunehmen und daher als Kriterium für wirksames Coaching zu fordern ist.

Die unterschiedlichen Konzepte der Coachs, die über ein Konzept verfügen, rekurrieren nahezu alle auf Psychotherapieverfahren. Es gibt verhaltenstherapeutisches Coaching, tiefenpsychologisches, klientenzentriertes oder systemisches Coaching. Pate stehen auch die Gestalttherapie, Neuro-linguistisches Programmieren oder die Transaktionsanalyse, um nur einige zu nennen. Aufgrund dieser Provenienz in der Psychotherapie lohnt sich der Vergleich der Entwicklung auf dem Coaching-Markt mit dem auf dem Psychotherapiemarkt, vor allem vor dem Hintergrund der Entwicklung von Qualitätsstandards.

Der heutige Wildwuchs in der Coaching-Branche ähnelt dem Bild auf dem Psychotherapiemarkt vor 1998, also vor der Umsetzung des Psychotherapeutengesetzes. Warf man vor 1998 einen Blick in die Gelben Seiten einer Großstadt, konnte man unter dem Stichwort Psychotherapie eine große Anzahl von Anbietern finden, heute ist deren Zahl unter dem Stichwort Psychologische Psychotherapie durchaus überschaubar. Was war geschehen? Im Zuge der Umsetzung des Psychotherapeutengesetzes wurden nur noch diejenigen psychotherapeutischen Verfahren wissenschaftlich und sozialrechtlich anerkannt, die ein theoretisch schlüssiges Veränderungsmodell vorwiesen und zusätzlich ihre Wirksamkeit aufgrund von empirischen Studien belegten. Sicher waren einige Entscheidungen des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie als politisch zu werten, im Großen und Ganzen aber hat das Psychotherapeutengesetz zu einer Marktbereinigung beigetragen und die Sicherheit auf Seiten der Patienten und Kostenträger vergrößert. Eine grundlegende Arbeit bot eine Leitlinie für die Entwicklung von Qualitätskriterien: Der Psychotherapieforscher Klaus Grawe und Mitarbeiter haben in ihrer groß angelegten Metaanalyse (Grawe, Bernauer & Donati, 1994) gezeigt, dass trotz der Unterschiedlichkeit in der Vorgehensweise unterschiedliche Therapieverfahren, z. B. verhaltenstherapeutische Verfahren auf der einen Seite und die klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie auf der anderen Seite, Therapieprozesse erfolgreich zum Abschluss bringen können. Oft sind die Verläufe unterschiedlich, wenn auch das Ergebnis in beiden Fällen als erfolgreich zu werten ist (ebenda, S. 722 ff). Andere psychotherapeutische Verfahren konnten jedoch nicht oder nur in geringerer Ausprägung ihre Wirksamkeit nachweisen. Diese Befunde zeigen deutlich, dass die Wirksamkeit von psychotherapeutischen Verfahren unterschiedlich stark ist, außerdem verschiedene Verfahren ihre Wirkung auf unterschiedliche Weise entfalten. Daraus kann man schließen, dass die verschiedenen psychotherapeutischen Verfahren Wirkfaktoren auf unterschiedliche Weise gewichten. Die Verhaltenstherapie unterstützt ihre Patienten schwerpunktmäßig bei der Problembewältigung, indem sie mit ihnen z. B. angemessene Lösungen trainiert (vgl. Margraf, 2000, S. 8). Ein Patient mit Hundephobie übt also, sich einem Hund zu nähern. Klärungsaspekte im Sinne eines tieferen Problemverständnisses, einer Erarbeitung der persönlichen Bedeutsamkeit des Problems, werden üblicherweise nicht unterstützt. Bei der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie findet sich das gegenteilige Bild: Ein Gesprächspsychotherapeut hilft seinem Klienten bei der Klärung, würde ihm allerdings eher nicht Anweisungen zur Problemlösung geben oder Lösungswege mit ihm üben. Vielmehr versucht der Therapeut, «das innere Bezugssystem des Klienten zu übernehmen […] und dem Klienten etwas von diesem einfühlenden Verstehen mitzuteilen» (Rogers, 1993, S. 42). Trotz der Unterschiede haben beide Verfahren ihre generelle Wirksamkeit nachgewiesen. Darauf haben auch die Ausbildungsinstitute reagiert: Die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten kann heute zwar nach wie vor z. B. mit einem tiefenpsychologischen oder verhaltenstherapeutischen Schwerpunkt erfolgen, die Ausbildungscurricula decken jedoch zunehmend mehr die gesamte Breite der von Grawe und Mitarbeitern festgestellten Wirkfaktoren ab, der eigene Schwerpunkt wird entsprechend angereichert. Etwas sehr Positives ist damit geschehen: Ideologische Grabenkämpfe zwischen den psychotherapeutischen Schulen sind weitgehend beigelegt und man betrachtet sich nunmehr als gegenseitige Bereicherung.

Den Klienten im Coaching ist zu wünschen, dass ein entsprechender Prozess auch im Coaching stattfindet. Auch sollte ein solcher Prozess nicht so lange dauern wie auf dem Feld der Psychotherapie, bedenkt man, dass die Schulenstreits bereits in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts begonnen hatten. Dieses Buch will einen Beitrag dazu leisten, Wirkfaktoren im Coaching herauszuarbeiten und Vorschläge machen, wie diese in praktisches Handeln zugunsten der Klienten umgesetzt werden können. Daraus ist ein Ansatz entstanden, der nicht eklektisch, sondern theoretisch wohlbegründet, verschiedene Herangehensweisen an Coaching in einem Modell integriert, dessen übergreifende Klammer die Orientierung an Wirksamkeit ist: Coaching nach Wirkfaktoren.

1.2

Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität

An dieser Stelle soll ein Beitrag zur Qualitätsentwicklung von Coaching geleistet werden, indem die verschiedenen Aspekte von Qualität, nämlich Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität (vgl. Hentschel, 1992 und Stauss, 1992), auf Coaching bezogen werden. Zur Strukturqualitätkann man Aspekte zählen, die Hess und Roth (2001, S. 132 ff.) als «Qualifikationsanforderungen an den externen Coach und Ausbildungswege» bezeichnen. Darunter fallen unter anderem die Ausbildung, die Führungserfahrung oder die Lebenserfahrung. Zur Prozessqualität kann man zum Beispiel die Qualität der Arbeitsbeziehung zwischen Coach und Klient rechnen (Hess & Roth., 2001; Rauen, 2000), festgemacht an Kriterien wie Vertrauen, gegenseitige Akzeptanz oder angemessene Zielformulierung im Erstgespräch. Zur Bestimmung der Ergebnisqualität muss man Kriterien festlegen, an denen diese gemessen werden kann. Für Coaching können nach Hess und Roth (2001, S. 137) dazu z. B. der Grad der Zielerreichung, die Erweiterung des Handlungsrepertoires des Klienten, die subjektive Zufriedenheit, die emotionale Entlastung und eine Einstellungsanpassung im Falle eines nicht lösbaren Problems dienen.

Die Ergebnisse von Hess und Roth (2001) sind durch Befragung von Experten entstanden, weisen also eine gewisse praktische Gültigkeit auf. Als nächstes muss die Frage beantwortet werden, in welcher Beziehung die drei Ebenen zueinander stehen: Inwiefern lassen sich kausale Verknüpfungen herstellen, so dass man zum Beispiel sagen kann, die Erfüllung des Faktors «eigene Führungserfahrung» auf der Ebene Strukturqualität trage zu einem gesteigerten Vertrauen auf der Ebene Prozessqualität und schließlich zu einem höheren Maß an Zielerreichung auf der Ebene Ergebnisqualität bei. Man kann logischerweise bestimmte Anforderungen an die Struktur oder den Prozess nur vom Ergebnis her begründen. Hier ist also Forschung notwendig, die Struktur- und Prozessfaktoren zu Ergebniskriterien in Beziehung setzen. Nur dann lassen sich Ansprüche an die Struktur oder den Prozess begründet formulieren.

Bisher liegen jedoch keine echten Evaluationsstudien über Coaching vor, die ganz klar die Ergebnisse von Coaching messen. Bisher vorliegende empirische Untersuchungen haben eher Befragungen zu Strukturen vorgenommen. So groß der Beitrag von Hess und Roth (2001) zur Exploration des Forschungsfeldes auch sein mag, haben sie sich doch auf die Befragung von Experten, also Coachs, beschränkt, um Kriterien für die Wirksamkeit von Coaching zu erhalten. Die Coachs haben hauptsächlich persönliche Voraussetzungen des Coachs genannt, die erfüllt sein sollten, um ihrer Meinung nach eine hochwertige Beratungsdienstleistung anbieten zu können. Diese Voraussetzungen kann man den Kriterien der Strukturqualität zuordnen. Außerdem werden sie nicht von den Prozessen und Ergebnissen her begründet, sondern Hess und Roth haben Coachs einfach nach ihrer Meinung gefragt. In Abwandlung eines verbreiteten Sprichworts kann man darauf verweisen, dass wenn man die Frösche fragt, wie eine schöne Landschaft aussieht, dabei immer ein Sumpf herauskommt. Das folgende Teilkapitel reflektiert daher darüber, wie sich die Ergebnisse von Coaching evaluatorisch strukturieren lassen, um sie im nächsten Schritt zu den voraus laufenden, notwendigen Prozessen in Beziehung zu setzen.

1.3

Messung der Ergebnisqualität: Ein Wirkmodell der Trainingsevaluation, übertragen auf Coaching

Fängt man mit der Erkenntnisgewinnung bei den Ergebnissen an, drängt sich die Frage auf, welche Kriterien zur Messung von Coaching-Erfolg herangezogen werden können und ob, bzw. wie diese sich sinnvoll strukturieren lassen. Hier bietet sich ein Vergleich mit dem entsprechenden Vorgehen bei einem anderen Personalentwicklungsinstrument, nämlich Training, an. So ist es plausibel, wie bei Training auch bei Coaching verschiedene Wirkebenen zu unterscheiden, auf denen sich Effekte manifestieren können. Kirkpatrick (1959 a, 1959 b, 1960 a, 1960 b, 1976, 1998) unterscheidet vier Ebenen:

Auf der ersten Ebene – direkte Reaktionen – sind für Coaching Effekte zum Beispiel in Form von direkter Entlastung oder gesteigerter Problembewältigungserwartung zu vermuten. Bei der zweiten von Kirkpatricks Ebenen –Lernen –, ist es fraglich, inwiefern Lernen im Coaching eine Rolle spielt, also wie groß die Schnittstelle zwischen Training und Coaching tatsächlich ist. Das mag je nach Einzelfall und Coaching-Konzept unterschiedlich sein. Kirkpatricks dritte Ebene ist die des Verhaltens. Im Erfolgsfall kann man sowohl bei Trainings als auch bei Coaching davon ausgehen, dass sich Verhalten verändert. Bleibt schließlich die vierte Ebene, die Ebene der Ergebnisse für die Organisation. Hier dürfte es für Coaching ähnlich schwierig wie für Trainings sein nachzuweisen, welchen messbaren Effekt Coaching auf zum Beispiel den Erfolg von Unternehmen hat. Der Grund liegt vor allem darin, dass Effekte von Personalentwicklungsmaßnahmen auf der Organisationsebene kaum isoliert messbar sind, sondern in hohem Maße von anderen Faktoren (z.B. der Konjunktur, Unternehmensentscheidungen auf höherer Ebene etc.) mitbestimmt werden.

Effekte auf einer höheren Ebene sind nach Kirkpatrick allerdings ohnehin nur zu erwarten, wenn auf einer vorhergehenden Ebene notwendige Voraussetzungen geschaffen wurden1. Damit erscheint es sinnvoll, zunächst die erste Ebene, die Ebene der Reaktionen, zu betrachten, bevor man sich einer höheren Ebene zuwendet. Ein erster Schritt wäre also, die Klienten nach dem Ausmaß ihrer subjektiven Zufriedenheit, Entlastung und wahrgenommenen Klärung bzw. Problembewältigung zu befragen.

1.4

Schlussfolgerungen auf die Ebene der Prozessqualität

In einem nächsten Schritt sollten die Ergebnisse zu den Prozessen in Beziehung gesetzt werden. Die Forschung über Coaching ist dabei nicht nur der Generierung von Daten über die Wirksamkeit von Coaching verpflichtet, sondern sie trägt auch eine Verantwortung gegenüber den Belangen der Klienten. Daher muss auch im Rahmen von Forschungsuntersuchungen Coaching immer bestmögliche Ergebnisse hervorbringen. Die Qualität der Ergebnisse darf daher nicht absichtlich variiert werden. Zumindest wäre es schwierig, die Motivation eines Klienten über einen kompletten Coaching-Prozess zu erhalten, wenn er wüsste, dass er absichtlich eine Behandlung erfährt, die voraussichtlich suboptimale Ergebnisse hervorbringt. Den Klienten darüber nicht aufzuklären, wäre gemäß den Richtlinien für Humanexperimente ethisch nicht zulässig (vgl. Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V., 2005). Damit bleiben nur die Möglichkeiten, einzelne Verfahren auf ihre Wirksamkeit zu prüfen oder konkurrierende Verfahren im Rahmen von Forschung einander gegenüber zu stellen. Dazu müssen zunächst aus theoretischen Überlegungen heraus Prozesse so geplant werden, dass sie voraussichtlich zu positiven Ergebnissen führen und die Verfahrensgrundlage für die Wirksamkeitsforschung darstellen. Am Anfang stehen die Forschungsfragen: Wie wirkt Coaching? Welche Prozesse spielen in der Interaktion zwischen Coach und Klient eine Rolle? Die Psychotherapieforschung hat dazu eine Reihe von Antworten gegeben, die auf das Feld Coaching behutsam transferiert und gegebenenfalls ergänzt werden müssen. Das folgende Kapitel stellt das Ergebnis dieses Transfers mit seinen praktischen Implikationen dar.

2 Wie wirkt Coaching?

2.1

Wirkfaktoren

Die Wirkung von Coaching entfaltet sich auf unterschiedliche Weise, je nach Ausgangslage und Bedarf des Klienten. Schon die Vielfalt der Coaching-Anlässe zeigt, auf welch unterschiedliche Coaching-Situationen sich ein Coach einlassen können muss. Das stellt einerseits einen hohen Anspruch an die Kompetenz eines Coachs, andererseits macht gerade diese Anforderung an die Flexibilität einen ganz besonderen Reiz dieser Tätigkeit aus. Im Folgenden ist beispielhaft ein kleiner Ausschnitt der möglichen Anlässe aufgelistet:

•    Ein Klient möchte seine Rolle als Vorgesetzter überdenken, z. B. in den ersten hundert Tagen in einer neuen Funktion.

•    Ein anderer Klient bemerkt an sich selbst einen Motivationsverlust und fragt sich schließlich, ob die Arbeit, die er verrichtet, überhaupt noch die richtige für ihnist.

•    Mit bestimmten Mitarbeitern oder auch dem eigenen Vorgesetzten tauchen immer wieder Kommunikationsprobleme auf. Die Folge ist, dass wichtige Informationen verloren gehen und notwendige Aufgaben nicht erfüllt werden.

•    Die eigene Arbeit wächst einem über den Kopf. Es wird immer schwieriger, Termine einzuhalten und Arbeiten fristgerecht fertig zu stellen.

•    Die Inhalte eines Führungskräftetrainings waren sehr interessant, die Umsetzung gestaltet sich aber schwierig, so dass Unterstützung beim Transfer notwendig ist.

Die thematischen Felder für Coaching sind nahezu unbegrenzt. Auf diesen Feldern den Klienten mit profundem Wissen im Sinne von theoretischen Kenntnissen, aber auch von praktischen Erfahrungen unterstützen zu können, z. B. auf dem Gebiet von Führung, Konfliktmanagement, Selbstmanagement usw., ist ein nicht zu unterschätzender Wirkfaktor. Viele Coachs spezialisieren sich oder schärfen ihr Profil in Bezug auf bestimmte Themenfelder. So gibt es z.B. Spezialisten für Unternehmensnachfolge oder Post-Merger-Situationen.

Ausgangspunkt für Coaching ist ein Anlass bzw. ein Problem. Diesen Anlass oder dieses Problem bringt der Klient ein und sucht Unterstützung, damit er eine Lösung entwickeln und umsetzen kann. Das sind jedoch nicht die einzigen Faktoren, die bei dem dann beginnenden Prozess eine Rolle spielen. Die Abbildung 2.1 gibt einen Überblick über weitere relevante Faktoren.

Diese Grafik macht deutlich, dass bestimmte Voraussetzungen für Coaching vorliegen müssen, außerdem sorgt eine Reihe von Faktoren für Wirksamkeit.

Die Voraussetzungen sind:

1.  Ein Klient hat ein Problem oder einen Anlass, so dass er Coaching in Anspruch nehmen möchte.

Abbildung 2.1:Wirkfaktoren im Coaching Hellgraue Felder sind die Faktoren, die in der Interaktion zwischen Coach und Klient von Bedeutung sind. Dunkelgraue Felder die zur Erzeugung der Wirkfaktoren notwendigen

2.  Dieses Problem verortet er mindestens zum Teil in der eigenen Person. Zwar äußern viele Klienten, vor allem bei Problemen in den Bereichen Motivation von Mitarbeitern und Konfliktbewältigung, das Problem läge an anderen Personen, und nicht an ihnen, mindestens glauben sie aber, dass sie in dieser Sache selbst von einer Beratung profitieren können, sonst wären sie nicht gekommen.

3.  Das Problem bzw. der Anlass lässt sich grob unter mindestens einer der Überschriften Führung von Mitarbeitern, Führung der eigenen Person oder Konfliktbewältigung einsortieren. Über rein private Probleme oder hinsichtlich technischer, steuerlicher, betriebswirtschaftlicher oder rechtlicher Themen lässt sich kein Coaching machen, dafür gibt es andere bewährte Beratungsformen.

4.  Jeder Klient bringt eine Reihe von Ressourcen mit. Eine Ressource, die in den meisten Fällen vorliegt, und die auch eine Voraussetzung darstellt, ist der Wille, das Problem zu lösen.

Die Wirkfaktoren sind:

1.  Der Coach unterscheidet beim Klienten zwischen Klärungsbedarf und Problembewältigungsbedarf.

2.  Der Coach spricht die Ressourcen des Klienten an, weckt sie ggf. und bezieht sie in die gemeinsame Erarbeitung von Lösungen ein.

3.  Der Coach berücksichtigt die Bedürfnisse des Klienten an die gemeinsame Arbeitsbeziehung, indem er die Bedürfnisse zum Aufbau einer tragfähigen Arbeitsbeziehung befriedigt, und indem er die Bedürfnisse, sofern sie mit dem Coaching-Thema in Beziehung stehen, zum Thema im Coaching und zum Gegenstand von Feedback macht.

4.  Der Coach weist in den behandelten Themenfeldern Feldkompetenz auf.

5.  Alle Interventionsmaßnahmen, die der Coach anwendet, beherrscht er souverän.

Die Kapitel drei bis elf stellen die Wirkfaktoren einzeln detailliert dar. Zuvor jedoch sollen einige grundlegende Gedanken über das diesem Coaching-Ansatz zugrunde liegende Menschenbild präsentiert werden.

2.2

Menschenbild

Der vorliegende Ansatz, wirksam Coaching zu machen, leitet sich aus Erkenntnissen der Therapie- und Beratungsforschung ab. Diese Forschung hat sich in den letzen Jahren von einer «Rechtfertigungsforschung», mit der einzelne Schulen versuchten, Ihre Herangehensweise empirisch zu untermauern, zu einer objektivierten Forschung entwickelt, die allgemeine Gesetzmäßigkeiten in der Therapie und Beratung versucht festzustellen. Während die einzelnen Schulen sich immer auf bestimmten Menschenbildern gründeten (vgl. Kriz, 1991) hat ein Beratungsansatz, der sich auf empirische Fakten beruft, ein spezifisches Menschenbild zunächst nicht zur Verfügung. Ein Grund liegt in den Ergebnissen der Therapie- und Beratungsforschung, dass nämlich nicht eine einzelne Schule allein die wirksame Art, Beratung zu betreiben, vertritt, sondern abhängig vom Bedarf des Klienten eine Kombination auf unterschiedlichen Ansätzen am wirksamsten erscheint (vgl. Grawe, 1994,1999 b). Dem daraus entstehenden Konzept kann man Eklektizismus vorwerfen. Aufgrund der vorliegenden empirischen Erkenntnisse kann man nicht mehr von einem spezifischen Menschenbild die dazu passenden Herangehensweisen in der Beratung ableiten, also deduktiv vorgehen. Ausgehend von empirischen Befunden muss man sich vielmehr induktiv die Frage stellen, welche modellhafte Vorstellung vom Menschen in der Lage ist, gleichsam als übergreifende Klammer die empirisch gewonnenen Erkenntnisse miteinander in Einklang zu bringen. Die Bedürfnisse, Klärung oder Problembewältigung zu betreiben, die Bedürfnisse, die Klienten in die Interaktion einbringen und das Bedürfnis, die eigenen Ressourcen einsetzen zu können, um sich kompetent zu fühlen, zeigen eines ganz deutlich:

Der Mensch ist bedürfnisgeleitet.

In diesem Satz steckt nicht die Überzeugung, dass Menschen grundsätzlich bedürftig sind in dem Sinne, dass sie sich nicht selbst helfen können, sondern vielmehr die Erkenntnis, dass Menschen keine Handlung ohne Grund vollziehen, und dass der Grund, das Motiv einer Handlung, immer mit den vielfältigen Bedürfnissen des Menschen in Zusammenhang steht. Der Wunsch, Bedürfnisbefriedigung zu erlangen, treibt uns unser ganzes Leben an. Man könnte meinen, der Mensch sucht den Zustand der Befriedigung, weil er Bedürfnisfreiheit erlangen möchte. Dieser Meinung war auch schon Sigmund Freud (1986), indem er annahm, dass Menschen Homöostase anstreben. Tatsächlich aber wird dieser Zustand nicht erreicht, weil das eine, eben befriedigte Bedürfnis gleich von einem neuen Bedürfnis abgelöst wird, und sei es das Bedürfnis nach Erholung von der Anstrengung, das eine Bedürfnis befriedigt zu haben. Die humanistische Psychologie weist auf die Zusammenhänge zwischen Bedürfnissen hin. So geht Abraham Maslow von Bedürfnissen auf unterschiedlichen Ebenen aus (Maslow, 1977). Nach seiner Theorie gibt es ein höchstes Bedürfnis, nämlich das nach Selbstverwirklichung (auch Wachstumsbedürfnis genannt), das mindestens immer dann wachgerufen wird, wenn alle Bedürfnisse auf den anderen Ebenen (Bedürfnisse nach Vermeidung von Defiziten) befriedigt sind. Das impliziert, dass Bedürfnisfreiheit nie erreicht wird, weil mindestens das Streben nach Wachstum im Sinne von Selbstverwirklichung von seiner Natur her unstillbar ist. Zum Menschenbild der humanistischen Psychologie erklärt Kriz (1991, S. 179): «Doch auch wenn diese (primären1) Bedürfnisse erfüllt sind, ist der Organismus aktiv, lebendig, unternehmungslustig und strebt unter anderem danach, seine schöpferischen Fähigkeiten zu entfalten. Daher werden zusätzlich Selbstaktualisierungstendenzen bzw. Wachstumsbedürfnisse als grundlegende Antriebskräfte des Organismus angenommen, die in ständigem Austausch mit der sozialen Umwelt bei günstiger Konstellation vorhandene Fähigkeiten weiter entfalten und ausdifferenzieren lassen.» Schultz (1976) weist darauf hin, dass die Wachstumsbedürfnisse zwar weniger wichtig für das bloße Überleben sind, dennoch zu Überleben und Wachstum beitragen. Die Befriedigung höherer Bedürfnisse führe zu besserer Gesundheit, einem längeren Leben und einer allgemein verbesserten biologischen Leistungsfähigkeit. Sie sind damit geradezu eine Voraussetzung für Wachstum, und Wachstumsprozesse sind in bestimmten Lebensphasen überlebenswichtig. Bereits von Beginn des Lebens an oszillieren Menschen daher zwischen der Befriedigung primärer Bedürfnisse und Wachstumsbedürfnissen. Bedürfnisse leiten unser Handeln schon vor unserer Geburt. Kinder im Mutterleib haben bereits Bedürfnisse nach Nahrung, Ruhe, Vermeidung von hellem Licht, aber auch positive Zuwendung und Anregung. Nach der Geburt wird ein Säugling weiter von Bedürfnissen geleitet mit den Zielen, Defizite zu vermeiden und Wachstum zu erlangen.

Im Folgenden wird dargestellt, wie das kleine Kind, angestoßen durch seine Bedürfnisse, seine vorhandenen Ressourcen einsetzt, um seine primären und Wachstumsbedürfnisse zu befriedigen. Besonders die Verwirklichung seiner Bedürfnisse nach Wachstum stattet das Kind dann mit einer Ausweitung seiner Ressourcen aus, die es ihm ermöglicht, adaptiv auf die Umwelt zu reagieren. Der Säugling verfügt direkt nach der Geburt bereits über basale Fähigkeiten, sein Verhalten zu regulieren (Brazelton, 1984). Die Verhaltensweisen eines Säuglings haben «Signalcharakter für die Bezugsperson» (Spangler, 1999, S. 177). Das bedeutet, er trägt auf seine Weise dazu bei, dass die Bezugsperson Pflegeverhalten zeigt, also seine Bedürfnisse befriedigt. Der Säugling zeigt dabei eine Reihe von Verhaltensweisen: Er kann weinen, schreien, anklammern oder saugen (ebenda). Damit ruft er Bindungsverhalten seitens seiner Bezugsperson hervor. Die Angemessenheit der Reaktion der Bezugsperson ist dann von entscheidender Bedeutung für den Säugling, sein Verhaltenssystem weiter auszudifferenzieren. Eine feinfühlige Reaktion auf den kindlichen Appell, den der Säugling z. B. durch Weinen ausdrückt, lässt ihn Weinen als einen angemessenen Ausdruck auf bestimmte Empfindungen von Unwohlsein erleben. Bei der Einordnung der eigenen Gefühle und Bedürfnisse ist der Säugling also auf seine Bezugsperson angewiesen, man spricht hier auch von interpsychischer Regulation (ebenda, S. 180). Der Säugling, der noch nicht die kognitiven Fähigkeiten hat, zwischen sich und seiner Umwelt zu unterscheiden, macht damit bereits die ersten Erfahrungen, die sein weiteres Handeln beeinflussen. Macht er die Erfahrung, dass seine Handlungen als Reaktionen auf wahrgenommene Bedürfnisse dazu führen, dass Bedürfnisbefriedigung eintritt, so nimmt er die Welt als einen Ort wahr, an dem Bedürfnisse nicht quälend werden, sondern an dem ihm geholfen wird. Und er nimmt wahr, dass er selbst aktiv dazu beitragen kann. Das führt dazu, dass er emotional ausgeglichen wird, seine Bedürfnisse weiterhin wahrnimmt, und die Wahrnehmung seiner Bedürfnisse bei ihm keine Angst verursacht. Dazu liegen empirische Befunde vor: In einer Studie wiesen drei- und sechsmonatige Kinder von weniger feinfühligen Müttern im Vergleich zu Kindern feinfühligerer Mütter erhöhte Konzentrationen des Stresshormons Cortisol auf (Spangler, Schieche, Ilg, Maier & Ackermann, 1994). Macht der Säugling diese Erfahrung nicht bzw. nicht mit der notwendigen Zuverlässigkeit des Zusammenhangs von eigenen Aktionen und Bedürfnisbefriedigung, wird ihn die Wahrnehmung eigener Bedürfnisse ängstigen, so dass er sie im Extremfall gar nicht mehr wahrnimmt. Erlebt der Säugling aber Befriedigung, werden Wachstumsbedürfnisse geweckt: Ein sattes Kind sucht Anregung, es betrachtet die Umgebung mit den Augen, bald kann es tasten und greifen, bis es schließlich spielen kann. Dabei bevorzugt das Kind Reize, die für ihn gemäßigt neu sind (Piaget, 1983). Auf zu fremde oder zu abstrakte Reize regiert das Kind mit Desinteresse oder mit Angst. Der Grund besteht darin, dass das Kind nur gemäßigt neue Reize in die bereits vorhandenen kognitiven Strukturen integrieren kann. Das heißt, das Kind kann vorhandene Ressourcen nutzen, um sein Verständnis von der Welt zu vergrößern und sein Handlungsrepertoire zu erweitern. Dadurch kommt es zu positiven Rückkopplungsprozessen: Ein Kind kann mit einem erweiterten Handlungsspektrum auf seine Bedürfnisse reagieren. Ein Kind kann z. B. bald nicht nur schreien, sondern sich auch auf die Mutter zu bewegen. Es erlebt sich selbst umso mehr als kompetent in dem Sinne, dass es über wirksame Kontrollmechanismen über seine Umwelt im Dienste der Bedürfnisbefriedigung verfügt. Es hat damit bereits erweiterte kognitive Strukturen, so dass es sich neuen, zunehmend komplexer werdenden Reizen zuwenden kann. Die beste Möglichkeit, das eigene Handlungsrepertoire zu erweitern, stellt für Kinder das Spiel dar. Viele Autoren sprechen davon, dass das Spiel die Funktion hat, die Welt zu explorieren.2Kinder lernen Neues in der Welt kennen und probieren sich und ihre Handlungsmöglichkeiten aus. Auch wenn die Reize, mit denen sich Kinder am liebsten beschäftigen, gemäßigt neu sind, was die Anforderungen an ihr kognitives Verständnis angeht, so müssen viele Handlungsweisen erst ausprobiert und eingeübt werden. Auch wenn ein einjähriges Kind eine klare Vorstellung davon haben mag, was eine Hose ist und was man mit ihr macht, so ist die Handlung, allein eine Hose anzuziehen, ungewohnt und in mancherlei Hinsicht noch außerhalb seiner motorischen Fähigkeiten. Probiert das Kind aus, eine Hose allein anzuziehen, kann es im Misserfolgsfall Unsicherheit erleben. In dem Fall wird es sich an die Bindungsperson um Hilfe wenden. Spielen produziert also immer wieder Unsicherheitssituationen, eben weil es seiner Funktion entspricht, eigene Handlungsmöglichkeiten zu erweitern, sich also schrittweise auf unbekanntes Terrain vorzuwagen. Daher ist es für Kinder wichtig, über eigene Mechanismen zu verfügen, Unsicherheiten und Angst zu regulieren. Kleine Kinder brauchen dazu in der Regel die Bindungsperson (vgl. Ainsworth, Blehar, Waters, & Wall, 1978). Sie können nur dann mit der notwendigen inneren Ruhe spielen und die Welt explorieren, also ihr Handlungsrepertoire erweitern, wenn sie sicher sind, dass ihre Bezugssperson zur Stelle ist, wenn sie sie brauchen. So konnten Belsky und Mitarbeiter zeigen, dass einjährige Kinder bei gegebener sicherer Bindung eher in der Lage waren, vorhandene Fähigkeiten im Spiel anzuwenden als unsicher gebundene Kinder (Belsky, Garduque & Hrncir, 1984). Sie haben also zwei Bedürfnisse: Sie wollen erstens ihr Handlungsrepertoire erweitern (Bedürfnis nach Wachstum), und als Voraussetzung dafür brauchen sie zweitens emotionale Stabilität, vermittelt über ihre Bezugsperson (Bedürfnis nach Vermeidung von Defiziten). Kinder, die sich der Verfügbarkeit ihrer Bezugsperson weniger sicher sind, probieren im Spiel weniger Neues aus, erweitern weniger ihren Handlungsrahmen und sind emotional weniger ausgeglichen. Spangler und Zimmermann weisen auf entsprechende Zusammenhänge von Bindung und Problemlösefähigkeiten hin (Spangler & Zimmermann, 1999, S. 183), die Zimmermann und Mitarbeiter auch bei Jugendlichen nachwiesen (Zimmermann, Maier & Winter, 1997).

Später, wenn die primäre Bindungsperson an Bedeutung verliert, werden eigene emotionale Regulationsmechanismen zunehmend wichtiger. Ältere Kinder und Erwachsene verfügen über ein Set an Mechanismen, mit deren Hilfe sie eigenständig Gefühle von Angst und Unsicherheit regulieren können. Bretherton spricht dabei von inneren Arbeitsmodellen vom Selbst, von Bindungspersonen und der Welt (Bretherton, 2001, S. 73). Manche Menschen lassen sich auf Situationen, die potenziell Unsicherheiten hervorrufen können, ein, weil sie ein hohes Maß an eigener emotionaler Stabilität aufweisen, z. B. weil sie sich kompetent Trost und Hilfe von anderen Personen zu beschaffen wissen. Das bedeutet, diese Menschen wissen von sich, welches Ausmaß an Unsicherheit sie noch allein für sich, also intrapsychisch, regulieren können, und ab wann sie aktiv Hilfe zur Bewältigung aufsuchen sollten, also zusätzlich auf interpsychische Regulationsmechanismen zugreifen. Menschen, die über ein weniger großes Maß an eigener, emotionaler Stabilität verfügen, nutzen diese interpsychischen Regulationsmechanismen nicht, vermeiden potenzielle Unsicherheitssituationen lieber von vornherein und sorgen auf diese Weise für emotionale Stabilität.

Gemeinsam ist allen Menschen, dass sie ein Bedürfnis haben, Gefühle von Unsicherheit zu regulieren. Sie wollen vorhersagen, «ob bestimmte Situationen […] eine Gefahr darstellen» (ebenda). Die Auswahl der Strategien hängt von den bisherigen Erfahrungen ab. Vergangene Erfahrungen haben in der Person ein Bild von sich selbst entstehen lassen: Sie hat einen Überblick über ihre Kompetenzen, sie weiß, was sie kann und was sie nicht gut kann, sie weiß damit auch, welche Situationen möglicherweise Unsicherheiten auslösen können, schließlich weiß sie, mit welchen Handlungen sie in der Vergangenheit erfolgreich Gefühle von Unsicherheit reguliert hat. Aus diesen Bausteinen setzt sich das Selbstbild der Person zusammen. Unrealistisch erscheinendes Verhalten kann dabei durchaus realistisch sein, «wenn man die Erfahrungen dieses Menschen kennt, die er im Laufe seines Lebens gemacht hat» (ebenda, S. 74). Vermeidet die Person Gefühle von Unsicherheit, so geschieht das in der Regel nicht bewusst. Eine Bewusstmachung würde gerade die Beschäftigung mit dem Unsicherheit auslösenden Reiz zur Folge haben, und die soll ja vermieden werden. Also findet diese Person andere Erklärungen für ihre Handlungsweisen. Sie denkt von sich nicht: «Ich vermeide lieber Unsicherheiten und beschäftige mich daher lieber nicht mit meinem persönlichen Anteil an dem Führungsproblem», sondern sie denkt: «Der Mitarbeiter ist schuld» und spricht von dem Mitarbeiter und nicht von sich selbst, was zu ihrer inneren Beruhigung beiträgt.

Coaching hat zum Ziel, Haltungen und Gewohnheiten zu verändern und Handlungsrahmen zu erweitern. Insofern weist Coaching eine Reihe von Eigenschaften auf, die sich auch im kindlichen Spiel finden lassen. Hier soll, ähnlich wie im Spiel, der Klient probehalber die Welt und sich selbst explorieren. Eine weitere Parallele ist, dass es zu Unsicherheitssituationen kommen kann, nämlich immer dann, wenn Klienten bemerken, dass ihr Handlungsrepertoire nicht ausreicht, um ein anstehendes Problem zu lösen. An dieser Stelle kommt es dann sehr stark darauf an, über welche Mechanismen der Klient verfügt, seine Unsicherheit zu regulieren. Vermeidet er die Unsicherheitssituation, lässt er sich auf Coaching weniger ein als eine Person, die über Regulationsmechanismen verfügt, die ihr die Auseinandersetzung mit dem Unsicherheit auslösenden Thema gestatten, (vgl. Spangler & Zimmermann, 1999, S. 193). Kindliches Spiel findet nur statt, wenn das Kind die notwendige innere Ruhe und Sicherheit verspürt. Einem Klienten, der Unsicherheiten eher vermeidet, aber Coaching machen will, muss der Coach ein Angebot machen, das es dem Klienten erlaubt, sich mit dem Coaching-Thema zu beschäftigen, und gleichzeitig sein Bedürfnis nach Sicherheit befriedigt. Klienten brauchen die Möglichkeit, ihr Selbstbild zu wahren, große Unsicherheiten nicht zu empfinden, um sich auf Coaching einlassen zu können. Ein Mittel ist, im Coaching die vorhandenen Kompetenzen des Klienten stark einzubeziehen. Diese Vorgehensweise beschreibt das Kapitel 4, Ressourcenorientierung, genauer. Genau wie Kinder im Spiel aus ihrem Sicherheitsbedürfnis heraus gemäßigt neue Reize favorisieren, fühlt sich ein Klient sicherer und kompetenter, wenn er im Coaching auf vorhandenen Ressourcen aufbauen kann. Es hilft ihm, sein Selbstbild zu wahren.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass Menschen eine Reihe unterschiedlicher Bedürfnisse aufweisen, die für einen Coaching-Prozess von großer Relevanz sind. Einige Bedürfnisse versehen Klienten mit der notwendigen Energie, ihr Problem lösen zu wollen. Zum Beispiel schafft das Bedürfnis, im Beruf anerkannt zu werden, die Motivation, sich beruflichen Problemen zu stellen. Aus dem bereits von Anfang an im Menschen angelegten Bedürfnis, das eigene Verständnis und Handlungsrepertoire zu erweitern, hat sich bei einem Klienten, bevor er Coaching beginnt, bereits ein hohes Kompetenzniveau entwickelt, das er positiv in den Coaching-Prozess einbringen kann. Andere Bedürfnisse dagegen stehen einer erfolgreichen Problemlösung oft zunächst im Wege. Nur unter Beachtung auch dieser Bedürfnisse kann ein Coaching-Prozess jedoch zum Ziel führen. Dieser Gedanke wird im Kapitel 5, Bedürfnisorientierung, weiter ausgeführt. Gefühle von Unsicherheit, die mit der Betrachtung eines Problems und Veränderung der eigenen Haltungen, Gewohnheiten und Handlungen einhergehen, können viele Klienten selbst nicht regulieren, ohne sich von dem Coaching-Thema gleich wieder abzuwenden. Diese Klienten sind nicht in der Lage, die Gefühle von Unsicherheit intrapsychisch so zu regulieren, dass ihnen gleichzeitig eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Thema möglich ist. Dieses Bedürfnis nach Wahrung des eigenen Selbstbildes muss im Coaching-Prozess befriedigt werden, um dem Klienten das notwendige emotionale Polster zu verschaffen, Selbstexploration zu betreiben. Das bedeutet, der Coach muss den Klienten interpsychische Regulatoren zur Verfügung stellen. Dieses emotionale Polster kann der Coach dem Klienten verschaffen, indem er dessen Ressourcen in den Coaching-Prozess stark einbezieht.

3 Unterscheidung von Klärung und Problembewältigung

3.1

Abgrenzung der beiden Bedarfe Klärung und Problembewältigung

Neben der Einordnung des Coaching-Themas, das der Klient mitbringt, muss der Coach den Bedarf des Klienten genauer spezifizieren. Eine wichtige Unterscheidung ist dabei die zwischen Klärungsbedarf und Problembewältigungsbedarf. Klärungsbedarf besteht dann, wenn der Klient sich über das Ziel, das er erreichen möchte, nicht ganz im Klaren ist. Zum Beispiel könnte ein Klient als Anlass für sein Coaching definieren, dass er eine bessere Führungskraft werden wolle. Auf genauere Nachfrage erfährt der Coach dann, dass der Klient sich grundsätzlich bemühe, Entscheidungen in Kooperation mit seinen Mitarbeitern zu treffen. Manchmal müsse er aber Entscheidungen allein oder gar gegen die Meinung seiner Mitarbeiter treffen. Dann fühle er sich extrem unwohl, obwohl er sicher sei, dass die Entscheidung richtig und notwendig ist. Dieser Klient hat vermutlich einen Bedarf an Klärung seiner Rolle als Führungskraft. Er sollte im Coaching einen persönlichen Bezug zu seiner Rolle und den damit verbundenen Besonderheiten herstellen. Möglicherweise hält er nicht gut aus, einsam an der Spitze zu stehen – ein verbreitetes Phänomen. Dieser Klient sollte also seine Führungsrolle klären. Vielleicht kann er nach der Klärung seine neue Rolle völlig eigenständig und ohne Unterstützung eines Coachs umsetzen. Das heißt, möglicherweise hat er nur Klärungsbedarf, aber keinen Problembewältigungsbedarf (Textkasten 3.1 auf S. 30).

Es kommt aber auch vor, dass genau eine solche Umsetzung nicht gelingt. Ein Klient hat also z. B. seine Führungsrolle im Coaching zuvor geklärt, oder er hatte diesen Bedarf gar nicht, weil ihm seine Rolle ohnehin klar war. Aber die Umsetzung gelingt nicht. Dann müssen Coach und Klient gemeinsam erarbeiten, wie eine Führungskraft Entscheidungen angemessen treffen und kommunizieren kann. Das bedeutet, es gibt ein klares Problem («Wie sage ich es meinem Mitarbeiter?») und das soll bewältigt werden. Dieser Klient hat Problembewältigungsbedarf.

Textkasten 3.1

Klärungsbedarf

Notwendige Voraussetzung, ein Problem zu lösen, ist, es hinreichend zu verstehen. Viele Klienten haben daher einen Bedarf nach Klärung. Der Coach muss diesen Bedarf erkennen und von dem Bedarf nach Problembewältigung unterscheiden. Außerdem soll er die Klärungsprozesse aktiv begleiten. Er verwendet dazu Werkzeuge, die z. B. Stärken und Schwächen analysieren, Entscheidungsprozesse strukturieren, und den Klienten seine Erwartungshaltung hinterfragen lassen. Wesentlich bei der Klärung ist, dem Klienten zu helfen, die persönliche Bedeutung von Ereignissen, Erwartungen, Motiven und Gefühlen zu verstehen.

Wie wichtig diese Unterscheidung ist, sieht man z.B. an den vielen Unglücklichen, die ein Zeitmanagement-Seminar nach dem anderen absolvieren, aber ihren Terminkalender nicht in den Griff kriegen. Sie beherrschen zwar alle Methoden – die wurden ihnen in den Trainings reichlich beigebracht – aber sie haben ihre eigenen Ziele und Bedürfnisse nicht geklärt, können diese daher in der Planung nicht angemessen berücksichtigen und werden mit ihrem Zeitmanagement nicht zufrieden.

Im Folgenden werden zwei Coaching-Dialoge mit zwei fiktiven Klientinnen präsentiert. Die Dialoge beginnen beide gleich, entwickeln sich dann aber schnell in unterschiedliche Richtungen. Der erste mit Frau A. zeigt deutlich Klärungsbedarf. Im zweiten Dialog mit Frau B. steht der Problembewältigungsbedarf im Vordergrund.

Frau A. mit Klärungsbedarf

Coach:

Wenn es Ihnen recht ist, erzählen Sie mir doch zunächst einmal, wieso Sie eine Beratung wollen.

Klientin:

Mein Problem ist, dass ich bei einigen Projekten, für die ich verantwortlich bin, in letzter Zeit Termine nicht habe einhalten können. Durch diese Verzögerungen habe ich mir natürlich den Zorn einiger Kollegen und auch meines Chefs zugezogen. Aber eigentlich kann ich gar nichts dazu, weil ich mit meiner Arbeit wiederum wesentlich von anderen abhängig bin, die mich warten lassen. Mein Chef macht es sich da einfach: Er meint, ich müsse mehr Druck machen, ich sei viel zu nett. Ich weiß nicht, ob das das Problem ist. Ich habe auch schon Zeitmanagement-Seminare besucht. Das klingt in der Theorie immer ganz einleuchtend, aber im Alltag taugt das nichts, zumindest wenn man so sehr mit seinen Terminen von anderen abhängig ist wie ich. Daher weiß ich auch gar nicht, ob Sie mir da überhaupt helfen können.

Coach:

Tja, das werden wir dann sehen. So wie Sie es darstellen, wäre Ihnen dann am besten geholfen, wenn wir die Tage verlängern könnten, so dass ein Tag nicht mehr 24 sondern, sagen wir, 36 Stunden hat?

Klientin:

Witzige Idee. Aber das geht ja leider nicht. Außerdem glaube ich auch kaum, dass das wirklich helfen würde. Sobald alle wüssten, dass ich mehr Zeit habe, hätte ich auch noch mehr Arbeit, oder andere würden mich noch länger warten lassen. Wissen Sie, ich kann ja auch gar nicht mehr Druck machen, weil die Leute, von denen ich hier spreche, mir gegenüber nicht weisungsgebunden sind. Es ist Teil meines lobs, dass ich die gewinnen muss für unsere gemeinsamen Projekte.

Coach:

Was würde Ihnen dann also helfen?

Klientin:

Wenn ich das wüsste… Wenn alle ihre Aufgaben ordentlich und zügig erledigen würden, das würde mir helfen.

Coach:

Nun, das ist ein verständlicher Wunsch, aber leider nicht sehr realistisch.

Klientin:

Nein, ich weiß, Sie wollen mir natürlich sagen, dass ich bei mir etwas ändern muss. Aber ich weiß nicht was, sagen Sie es mir!

Coach:

Erlauben Sie mir, dass ich mich einmal ganz dumm stelle. Was ich noch nicht verstanden habe, ist, warum Sie sich fortwährend weiter über diesen Zustand ärgern, wo Sie doch anscheinend sowieso nichts ändern können. Sie können sich doch wenigstens den Ärger sparen.

Klientin: