Wirtschaftsmediation - Elisabeth Kals - E-Book

Wirtschaftsmediation E-Book

Elisabeth Kals

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Beschreibung

Konflikte gehören im Wirtschaftsleben zum Alltag. Nicht alltäglich ist hingegen ihre nachhaltige Lösung durch psychologische Mediation. Mediation ist ein Verfahren zur außergerichtlichen Lösung dieser Konflikte, in dem die Tiefenstruktur des Konflikts analysiert wird, um gemeinsam zu einer fairen Gewinner-Gewinner-Lösung zu gelangen. Dazu ist es unerlässlich, die hinter den konkurrierenden Positionen stehenden Interessen und Motive aufzudecken, individuelles Gerechtigkeitserleben zu berücksichtigen und Emotionen als wesentlichen Teil des Konfliktgeschehens anzuerkennen. Genau diese Kernelemente psychologischer Mediation werden im Buch vorgestellt. Ein zentrales Anliegen ist es dabei, vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse der Psychologie über die Entstehung und Lösung von Konflikten für die Praxis nutzbar zu machen. Das Buch gibt einen umfassenden Überblick über Methoden und Techniken der psychologische fundierten Wirtschaftsmediation. Ihre Wirksamkeit wird wissenschaftlich begründet, das Verfahren und das ihm zugrunde liegende Phasenmodell werden praxisnah beschrieben. Ein detailliert kommentiertes Fallbeispiel rundet das Buch ab. Letztlich zeigt dieses Buch, dass sich Wirtschaftsmediation nicht nur kurz- und mittelfristig aus betriebswirtschaftlicher Sicht »rechnet«, sondern dass mit der nachhaltigen und psychologisch fundierten Lösung von Konflikten auch langfristig eine neue Unternehmenskultur gestärkt werden kann. Es ist somit auch ein Kompass für diejenigen, die Konflikte im Arbeitsalltag in ihrer psychologischen Struktur verstehen und nachhaltig lösen wollen.

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Wirtschaftsmediation

Praxis der Personalpsychologie

Human Resource Management kompakt

Band 17

Wirtschaftsmediation

von Prof. Dr. Elisabeth Kals und Dr. Heidi Ittner

Herausgeber der Reihe:

Prof. Dr. Heinz Schuler, Dr. Rüdiger Hossiep,

Wirtschaftsmediation

von

Elisabeth Kals und Heidi Ittner

Prof. Dr. Elisabeth Kals, geb. 1966.

Studium der Psychologie in Trier und Reading (England), Promotion (Studienstiftung des Deutschen Volkes) und Habilitation an der Universität Trier, anschließend Lehrstuhlvertretung an der Universität der Bundeswehr München. Seit 2003 Professur für Sozial- und Organisationspsychologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Aktuelle Forschungsschwerpunkte sind Konfliktforschung, Mediation, Gerechtigkeitspsychologie, Emotionspsychologie sowie Motivforschung, etwa in den Bereichen eigennütziges versus auf das Gemeinwohl bezogenes Handeln. Gemeinsam ist diesen Schwerpunkten, dass Forschung für die Praxis nutzbar gemacht wird.

Dr. Heidi Ittner, geb. 1972.

Studium der Psychologie und Promotion an der Universität Trier. Seit 2003 als Wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Sozialpsychologie und Differentielle und Persönlichkeitspsychologie an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg tätig. Forschungstätigkeiten im Bereich der Konfliktforschung, v.a. der Mediation und Verhandlung, der Gerechtigkeitspsychologie und der Arbeits- und Organisationspsychologie sowie der Verknüpfung ökonomischer und psychologischer Forschungsansätze. Als zusätzlich freiberufliche Mediatorin und Moderatorin ist ihr die enge Verknüpfung von Forschung und Praxis ein besonderes Anliegen.

© 2008 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG

Göttingen • Bern • Wien • Paris • Oxford • Prag

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Rohnsweg 25, 37085 Göttingen

http://www.hogrefe.de

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Umschlagbild: © endostock-Fotolia.com

Format: EPUB

Konvertierung: Brockhaus/Commission

EPUB-ISBN: 978-3-8444-2016-6

Für Leo Montada, den Mitbegründer der Gerechtigkeitspsychologie und der psychologischen Konfliktmediation

Inhaltsverzeichnis

 

1         Wirtschaftsmediation

1.1       Einführung

1.2       Definitionen

1.3       Abgrenzung zu alternativen Verfahren der Konfliktregelung

1.4       Bedeutung für das Personalmanagement

1.5       Betrieblicher Nutzen

1.6       Weitere Ziele und Vorteile

 

2         Modelle

2.1       Entstehung und Verlauf von Konflikten

2.1.1    Woran erkennt man einen Konflikt in der Praxis?

2.1.2    Um welche Inhalte geht es in Wirtschaftskonflikten?

2.1.3    Konfliktstile

2.1.4    Konflikteskalation

2.2       Was macht Konflikte so schwierig?

2.2.1    „Bleiben Sie doch sachlich!“ – Psychologie der Emotionen

2.2.2    „Das ist unfair!“ – Psychologie der Gerechtigkeit

2.3       Was macht Konflikte in der Arbeitswelt so schwierig?

2.3.1    Besonderheiten der Arbeitswelt

2.3.2    Besonderheiten von Organisationen

 

3         Analyse und Maßnahmenempfehlung

3.1       Ablauf einer Wirtschaftsmediation

3.2       Phase 1: Vorbereitung der Mediation

3.3       Phase 2: Probleme und Konflikte erfassen

3.4       Phase 3: Konflikte bearbeiten

3.5       Phase 4: Regelungen finden und Mediationsvereinbarung treffen

3.6       Phase 5: Evaluation der Mediation

3.7       Spannweiten der Wirtschaftsmediation

 

4         Vorgehen

4.1       Der Mediator

4.1.1    Innere Haltung

4.1.2    Kompetenzen

4.2       Interventionsmethoden

4.2.1    Denken und Handeln in Alternativen

4.2.2    Mut zur psychologischen Methodenvielfalt

4.2.3    Methoden der verständnisorientierten Kommunikation und Deeskalation

4.2.4    Tiefenstrukturanalyse

4.2.5    Suche nach Gewinner-Gewinner-Lösungen

4.2.6    Reflexion und Evaluation der Mediation

4.3       Wirkungsweisen der Methoden

4.3.1    Warum in Alternativen denken?

4.3.2    Warum auf Methodenvielfalt zurückgreifen?

4.3.3    Warum verständnisorientierte Kommunikation?

4.3.4    Warum eine Tiefenstrukturanalyse?

4.3.5    Warum Gewinner-Gewinner-Lösungen?

4.3.6    Warum evaluieren?

 

 

5         Fallbeispiel

 

6         Literaturempfehlungen

 

7         Literatur

 

 

Karten

Ablauf einer Mediation – Fundament, Phasen, Ziele

Psychologische Mediation – Werkzeuge und Charakteristika der Phasen

1       Wirtschaftsmediation

1.1      Einführung

Dort, wo Menschen zusammenarbeiten, „menschelt“ es, und Konflikte sind vorprogrammiert: Kollegen können nicht miteinander arbeiten, der Chef wird von Mitarbeitern in seiner Linienfunktion abgelehnt, Hersteller und Lieferanten arbeiten aneinander vorbei, Gewerkschaften und Unternehmensleitung liefern sich wochenlang öffentliche Gefechte etc. Die Kosten dieser Konflikte sind immens. Und dies sind nicht nur die materiellen Kosten und emotionalen Belastungen für den einzelnen Menschen, sondern diejenigen der gesamten Organisation, etwa aufgrund von geringerer Arbeitskapazität durch Fehlzeiten oder Fluktuationen, Produktionsverzögerungen, Gewinneinbußen, einer Beschädigung der Unternehmenskultur, Imageverlusten etc.

Die Lösung dieser Wirtschaftskonflikte vor Gericht ist kostenintensiv. Die Verfahren ziehen sich zeitlich hin, was gerade für Unternehmen auch große finanzielle Einbußen bedeutet – denn: „Zeit ist Geld.“ Zudem ist der Ausgang gerichtlicher Verfahren oftmals nicht klar vorherzusagen. Sehr oft gehen alle Beteiligten aus einem Gerichtsverfahren in ihrem subjektiven Gefühl als Verlierer heraus.

Steigende Bedeutung der Wirtschaftsmediation

Vor diesem Hintergrund gewinnt die Wirtschaftsmediation als alternatives, außergerichtliches Verfahren zur Lösung von Konflikten in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung kontinuierlich an Bedeutung. Auch wenn derzeit noch vergleichsweise wenig Unternehmen auf eine Konfliktmediation als eingeführtes Instrumentarium zur Lösung ihrer Konflikte zurückgreifen, wird die Wirtschaftsmediation doch zunehmend populär. Unternehmen, die sie einsetzen, machen dies publik, was für sie auch Imagegewinne bringt (z. B. Lambrette & Herrmann, 2002; PricewaterhouseCoopers, 2005; Wiedemann & Kessen, 1997).

Dies verweist auf eine weitere Quelle, aus der sich die zunehmende Popularität der Wirtschaftsmediation speist: Empowerment gehört zu den Kernelementen des modernen Managements, und genau die Selbstverantwortlichkeit der Konfliktpartner ist es, die auch in der Mediation gefördert wird. Es geht um eine kooperative Konfliktregelung, bei der die Konfliktparteien für den Ausgang des Verfahrens selbst verantwortlich sind. Die Entscheidung, ob eine Organisation die Wirtschaftsmediation als Instrument zur Konfliktklärung einsetzt, ist daher auch eine Frage des Umgangs miteinander, der Konfliktkultur im Unternehmen und in der Gesellschaft insgesamt. Hier geht die Einführung bzw. Etablierung der Wirtschaftsmediation mit einer neuen Unternehmenskultur Hand in Hand (Neuberger & Kompa, 1987).

Obwohl die kooperative Lösung von Konflikten mithilfe von Mediation auf eine lange Geschichte zurückblickt, wurde sie erst in jüngster Zeit in Europa wiederentdeckt (vgl. Besemer, 2003; Klappenbach, 2006; Montada & Kals, 2007; Wiedemann & Kessen, 1997). In den USA genießt dieses Verfahren bereits seit Jahrzehnten eine breite Akzeptanz und Anwendung in den verschiedensten Feldern. So sind dort Mediationen auch bei Konflikten innerhalb und zwischen Unternehmen sowie im Umweltbereich sehr populär und anerkannt. Eine unklare Gesetzeslage und eine große Ausgangsunsicherheit von Gerichtsverfahren zum Beispiel bei Umweltkonflikten fördern dies und treiben die weitere, innovative Entwicklung des Verfahrens voran (z. B. Besemer, 2002).

In Deutschland ist hingegen die Wirtschaftsmediation als Verfahren bislang nicht institutionalisiert (Europäisches Institut für Wirtschaftsmediation, 2005; Eyer, 2004; Schmeer, 1999). Sie rückt aber in jüngster Zeit auch im Wirtschaftsleben als alternative und innovative Form der Konfliktlösung zunehmend in den Fokus – nachdem sie sich schon länger in anderen Praxisfeldern, wie der Familien-, Scheidungs- oder auch Peermediation, bewährt hat. Noch werden aber eher informelle Wege eingeschlagen, wie etwa denjenigen, einen Psychologen aus dem Personalmanagement hinzuzuziehen. Diese zögerliche Institutionalisierung ist umso bemerkenswerter, als auch hierzulande viele Firmenphilosophien und Unternehmenskulturen propagieren, Konflikte friedlich und kooperativ beilegen und Empowerment stärken zu wollen.

Allerdings ist der Begriff der Wirtschaftsmediation, vor allem in seiner Verwendung in Unternehmen, nicht klar abgegrenzt. Es gibt viele mögliche Abstufungen im Verfahren der Wirtschaftsmediation – wobei die weniger standardisierten und unaufwendigeren Varianten verbreiteter sind als die psychologische Mediation. Zu ersteren gehört u. a. die Mediation nach der juristischen Methode, bei der letztlich das Vorgehen aus dem Gerichtssaal in die Räume der Anwälte verlagert wird. Weiterhin sind darunter Begriffe wie „Verhandlung“ bzw. „negotiation“ mit oder ohne Einbezug dritter Personen, die „prophylaktische“ versus „intervenierende“ Wirtschaftsmediation, Schlichtung durch Dritte etc. zu zählen.

Im Zentrum des vorliegenden Buches steht jedoch die psychologische Mediation im engeren Sinne. Hierbei geht es darum, durch Anwendung psychologischer Methoden und Techniken des Mediators bzw. Mediatorenteams den Konflikt in seiner Tiefenstruktur zu klären, um auf dieser Basis eine Lösung zu erzielen, bei der möglichst alle beteiligten Konfliktparteien als subjektive Gewinner hervorgehen.

Spezifische Bedeutung der psychologischen Mediation

Warum diese Form der Wirtschaftsmediation? Zunächst legt es die eigene berufliche Sozialisation und Prägung nahe, Mediation im Sinne einer psychologischen Konfliktklärung zu begreifen. Doch es sind vor allem die inhaltlichen Vorteile, die mit einer solchen Konfliktklärung, etwa im Vergleich zu einer juristisch oder ökonomisch geprägten Mediation, einhergehen. Nur durch die psychologische Mediation wird der Konflikt nachhaltig gelöst, denn nur bei ihr findet eine tiefere Konfliktbearbeitung statt. Durch diese Bearbeitung und die darauf aufbauende kooperative Konfliktlösung werden zugleich konstruktive Kommunikations- und Konfliktlösestrukturen für die Zukunft aufgebaut, wodurch sich das Gesamtklima oft merklich verbessert. In Relation hierzu sind die finanziellen Kosten für ein solches Verfahren gering – gerade auch, wenn man sie mit den Kosten vergleicht, die durch einen weiterhin ungelösten, schwelenden Konflikt oder durch seine gerichtliche Regelung entstünden. Daher ist es das Anliegen des Buches, Kenntnisse über die Wirtschaftsmediation zu erhöhen, um so ihre wachsende Popularität in Theorie und Praxis zu fördern.

1.2      Definitionen

Konflikte gehören zum Alltag in Organisationen. Dabei sind Organisationen definiert als soziale Gebilde, deren Mitglieder über Aktivitäten und koordinierte Tätigkeiten gemeinsame Ziele verfolgen (vgl. Kieser & Kubicek, 1983). Beispiele für Organisationen sind Unternehmen, Krankenhäuser, Universitäten, Vereine, Schulen, Kindergärten etc. Spielen sich die Konflikte im Kontext von Wirtschaftsunternehmen ab, so werden sie als „Wirtschaftskonflikte“ bezeichnet.

Wann spricht man von einem Konflikt?

Grundsätzlich spricht man von einem Konflikt (vgl. Berkel, 2002; Glasl, 2004; Montada & Kals, 2007), wenn

die Anliegen oder Ziele von verschiedenen Personen oder zwischen sozialen Einheiten miteinander unvereinbar sind,die Anliegen oder Ziele von verschiedenen Personen oder zwischen sozialen Einheiten miteinander unvereinbar sind,sich auf Grund dieser Unvereinbarkeiten eine oder mehrere Konfliktparteien beeinträchtigt oder bedroht fühlen,sie die Verantwortung für diese Beeinträchtigung oder Bedrohung der anderen Konfliktpartei zuschreiben und damit davon ausgehen, dass die andere Partei auch anders handeln könnte,die beteiligten Konfliktparteien gleichzeitig nicht bereit sind, die eigene Position so zu verändern, dass die erlebten Beeinträchtigungen oder Bedrohungen aufgehoben werden.

Ein Beispiel: Zwei Kollegen streiten darüber, wie eine externe Produktpräsentation gestaltet werden sollte. Besteht zwischen den Kollegen ein gutes Verhältnis, so reicht es in den meisten Fällen aus, dass sich beide zusammensetzen, ihre Argumente austauschen, möglicherweise zur weiteren Klärung eine Expertenmeinung hinzuziehen, um sich dann auf eine gemeinsame Lösung zu einigen. Sind jedoch Gefühle der Beeinträchtigung oder Bedrohung aufgrund der Unvereinbarkeiten stark ausgeprägt, etwa weil zwischen den Konfliktparteien tiefergehende Divergenzen bestehen, so stellt sich die Situation anders dar. In diesem Fall ist der Streitgegenstand letztlich nur ein „Pilzthema“, das den eigentlichen Disput überlagert. Dann reicht es nicht aus, eine Einigung über die Produktpräsentation zu erzielen, sondern der dahinter liegende Beziehungskonflikt ist zu klären, der etwa darin begründet sein kann, dass ein Kollege seine Position im Betrieb bedroht sieht, weil der Chef den anderen Kollegen bevorzugt.

Solche konflikthaften Beziehungen spielen bei innerorganisationalen Konflikten (z. B. zwischen Kollegen wie im genannten Beispiel) eine zentrale Rolle. Dies bedeutet nicht im Umkehrschluss, dass hinter jedem Sachthema zwangsläufig immer ein Beziehungskonflikt stecken muss. Jedoch sollte man sich im Klaren darüber sein, dass dies sehr viel häufiger der Fall ist, als es nach außen den Anschein hat. Dennoch gelten vor allem in der Wirtschaft Interessenskonflikte als prototypischer Konflikttyp. Demnach wird Handeln in Konfliktsituationen im Sinne konfligierender Eigeninteressen konstruiert: Alle Konfliktparteien verfolgen nur jene Interessen, die ihnen Nutzen bringen, etwa in Form finanzieller Vorteile, Erhöhung von Sozialprestige und Ansehen, Stabilisierung beruflicher oder persönlicher Macht, Mehrung von Freiheit.

Nach dieser Annahme kommt es zum Konflikt, wenn die Interessen verschiedener Personen oder Personengruppen miteinander kollidieren. Dieses theoretische Erklärungsmuster von Konflikten entspricht der Rational-Choice-Tradition. Ob dies tatsächlich der Fall ist oder ob ein Konflikt mit anderen Grundlagen vorliegt (z. B. ein Konflikt über kollidierende Wertvorstellungen), ist jedoch empirisch zu klären.

 

Rational-Choice-Tradition

In den Wirtschaftswissenschaften dominiert die Annahme, dass sich Menschen eigennützig und zweckrational verhalten. Die Maximierung des Eigennutzes wird als primäres oder sogar einziges Handlungsmotiv postuliert. Diese Annahme drückt sich im Menschenbild des „Homo Oeconomicus“ aus. Sie geht auf Thomas Hobbes im 17. Jahrhundert zurück und wurde ein knappes Jahrhundert später durch Adam Smith wissenschaftlich weiter vorangetrieben. Der Homo Oeconomicus ist in der Ökonomie nach wie vor die grundlegende Denkfigur (vgl. z. B. Kirchgässner, 2000). Er wird verstanden als „rationaler Egoist, der in sozialen Interaktionen seinen subjektiven Nutzen maximieren möchte und sich dabei zweckrational verhält“ (Miller, 1994, S. 6). Ursprünglich bezog sich dieses Konzept auf das Agieren im wirtschaftlichen Marktkontext, doch über die ökonomische Verhaltensanalyse dringt es zunehmend in die Verhaltenswissenschaften und die Psychologie. Die Annahme der Dominanz des Eigennutzes wird dadurch nicht nur in monetären Kontexten, sondern mittlerweile auf fast alle menschlichen Handlungsfelder angewandt. Gleichzeitig ist diese Annahme jedoch als universelles Erklärungsmuster für jegliches menschliches Handeln zunehmend umstritten, da sie in ihrer Übergeneralisiertheit theoretisch unzureichend begründet, empirisch nicht ausreichend gestützt und aus gesellschaftspolitischer Sicht problematisch ist (Kals, 1999).

 

Eigennutz-Maximierung als eine von vielen Triebfedern

Was bedeutet die Annahme der (ausschließlichen) Verfolgung von Eigennutz im Kontext der Mediation? Auch im Konfliktgeschehen sind die Motive für das Handeln der Konfliktparteien in den meisten Fällen vielschichtig und daher im Einzelfall stets zu hinterfragen. Geht der Mediator von der alleinigen Wirksamkeit von Eigennutz als Motiv aus, so führt dies zu einseitigem Denken und Handeln und möglicherweise zu „sich selbst erfüllenden Prophezeiungen“. Daher ist es in allen Fällen von großer Wichtigkeit, dass der Mediator seine eigenen Menschenbildannahmen reflektiert. Nicht zuletzt im Dienste einer unvoreingenommenen Konfliktbearbeitung macht es Sinn, von einem Motivpluralismus auszugehen, der menschlichem Handeln in Konfliktsituationen zugrunde liegt, und die Annahme von Eigennutz als Interesse gegen alternative Annahmen zu prüfen.

Acht Kategorien unterschiedlicher Konfliktinhalte

In Einklang mit dieser pluralistischen Annahme lassen sich folgende acht Kategorien unterschiedlicher Konfliktinhalte unterscheiden (vgl. Besemer, 2003; Kreyenberg, 2005; Montada & Kals, 2007). Von diesen entspricht nur die erste der Rational-Choice-Tradition – darüber hinaus gibt es weitere:

Eigeninteressen:

Die Verfolgung konfligierender Eigeninteressen ist der Prototyp von Wirtschaftskonflikten, denn die Verfolgung von Eigeninteressen wird nicht nur als selbstverständlich angesehen, sondern gilt als Grundprinzip, auf dem wirtschaftliches Wachstum basiert. Wenn Akteure um knappe Güter, Marktanteile, Macht und Erfolg konkurrieren, so wird angenommen, dass dies wohlstandsfördernd sei. Doch die Konkurrenz ist konfliktreich, vor allem, wenn dabei Gerechtigkeitsnormen verletzt werden (Montada & Kals, 2007).

Sachinhalte:

Die Konflikte basieren auf unterschiedlichen Überzeugungen bezüglich sachlicher Fragen (z. B. über eine Standortentscheidung). Die Konflikte lassen sich nicht immer mittels objektiver Informationen lösen, da unterschiedliche Bewertungskriterien zu gewichten sind (z. B. ökonomische, ökologische oder soziale Kriterien der Standortwahl) und zudem subjektive Überzeugungen relevant sind (z. B. über das Verhältnis ökonomischer zu ökologischen Kriterien).

Glaubensinhalte:

Kulturelle, religiöse, ideologische und ethnische Glaubensinhalte lassen sich nicht mit objektivem Wissen belegen oder widerlegen (z. B. Konflikte bzgl. der Organisationskultur).

Einstellungen und Interessen:

Den Konflikten liegen unterschiedliche kognitive und emotionale Urteile über konkrete Werte, Tätigkeits- und Sachinteressen zu Grunde (z. B. über Bewertungskriterien von Arbeitsqualität).

Wertorientierungen:

Die Konflikte betreffen allgemeine Werte, wie Arbeit, Freiheit, Sicherheit, Selbstbestimmung, gesellschaftlichen Erfolg etc., die individuell, kollektiv und organisational zuzuordnen sind (z. B. kann es zu Konflikten über die Corporate Identity als Einlassung auf bestimmte Werte kommen, indem ein Mitarbeiter sich nicht mehr mit den propagierten und gelebten Werten seines Unternehmens identifizieren kann; vgl. hierzu auch Berkel, 2005).

Ansprüche:

Die Verteilung von Ressourcen (Geld, Einfluss, Macht, Freiheit etc.) führt zu verletzten Ansprüchen. Diese sind durch Gesetze, allgemeines Recht, Gerechtigkeitserleben, Konventionen oder Moralvorstellungen normativ begründet (z. B. Verletzung des eigenen Anspruchs auf Beförderung durch Bevorzugung der Kollegin, deren Erfolg auf „Beziehungstaktiken“ zurückgeführt wird).

Normen:

Konflikte über sittliche oder moralische Normen, über Gesetze oder Gerechtigkeitsnormen spielen auch in der Wirtschaftswelt eine Rolle (z. B. bei der Verteilung von Arbeitsplätzen oder Festlegung des Entgeltsystems).

Beziehungskonflikte:

Die Beziehung zwischen den Parteien ist Konfliktgegenstand (z. B. ungeklärtes Verhältnis i. S. eines gleichgestellten oder Vorgesetzten-Verhältnisses). Oder es besteht eine Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdbild (z. B. Selbstbild einer hohen Eigenmotivation vs. Fremdbild mangelnder Motivation und unzureichendem Einsatz in der Gruppe).