Wo die wilden Pflanzen wohnen - Ewald Weber - E-Book

Wo die wilden Pflanzen wohnen E-Book

Ewald Weber

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Beschreibung

Die Welt der Pflanzen ist voller Wunder: Die Wurzeln der Kratzdistel zum Beispiel reichen bis zu sieben Meter in den Boden und die Samen des Ackerstiefmütterchens können über 400 Jahre überleben. In unterhaltsamen und informativen Essays stellt Ewald Weber heimische Wildpflanzen vor, die Besonderes zu bieten haben – und überrascht mit ihren beeindruckenden Fähigkeiten und ausgeklügelten Strategien, um zu überleben. Ein Frühlingsspaziergang zu seltenen Schönheiten und alten Bekannten, über die wir viel zu wenig wissen. Ausgestattet mit liebevollen Zeichnungen und Aquarellen der Künstlerin Rita Mühlbauer wird das Buch all jene begeistern, die die Natur und ihre kleinen Wunder schätzen und lieben.

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Seitenzahl: 228

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Ewald Weber
Wo die wildenPflanzen wohnen
Geschichten über Kratzdistel,Besenginster & Co.
Mit Illustrationen vonRita Mühlbauer
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2022 oekom verlag, Münchenoekom – Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbHWaltherstraße 29, 80337 München
Lektorat: Uta RugeUmschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, MünchenUmschlagabbildung: Rita MühlbauerKorrektorat: Maike Specht
E-Book: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt
Alle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-96238-890-4
Vorwort
Ein paar Worte zu Pflanzen
Einjährige
Blaue Flocken im Feld
Die Rote aus dem Süden
Ein unscheinbares Veilchen
Die Pflanze aus dem Land der höchsten Berge
Mehrjährige
Das violette Schaf in der Mitte
Unsterblich und unentbehrlich
Butter-, Kuh- und Pusteblume
Die Staude mit Borsten und Flecken
Ungeliebt – und wertvoll
Von Betrügern heimgesucht
Die Blume mit gestielten Tellern
Zarte Farben im kalten Nebel
Sträucher
Unauffällig am Waldrand
Der Hollerstrauch
Schrille Früchte, exotische Familie
Bei Schmetterlingen und Vögeln beliebt
Platzende Blüten, knallende Früchte
Die Heide in Rosa
Bäume
Der Baum, der aus der Kälte kam
Ein Baum mit vielen Gesichtern
Der geflügelte Baum
Ein Opportunist
Standfest und uralt
Europas wichtigster Laubbaum
Kletterpflanzen
Die dickste Liane des Landes
Die bekannteste aller Schlingpflanzen
Weiße Trichter am Schilf
Eine dehnbare Rebe
Dank
Literatur
Artenregister
Autor und Illustratorin

Vorwort

Warum in die Ferne schweifen, wenn die heimische Natur mit so vielen aufregenden Pflanzen und Tieren aufwartet? Unsere Natur ist reichhaltig und vielfältig, gerade was die Pflanzen anbelangt. Als mitteleuropäisches Land mit einem Küstenstreifen und einem Gebirge besitzt Deutschland eine abwechslungsreiche Flora mit über 3.000 verschiedenen wild wachsenden Pflanzenarten. Sie besiedeln die unterschiedlichsten Lebensräume, von Hochmooren bis zu Trockenrasen, von Laubwäldern bis zu Küstendünen. Viele von ihnen sind nur selten anzutreffen, andere wiederum stehen beinahe an jeder Ecke und sind uns geläufig, wie Mohn oder Fichte. Aber kennen wir diese Pflanzen wirklich? Namen und Aussehen sind schließlich nicht alles. Erst die Naturgeschichte macht sie spannend, und jede Art hat dabei ihre eigene Geschichte zu erzählen: wie sie lebt und sich vermehrt, welche Beziehungen zu Tieren sie pflegt und welche Bedeutung sie für uns hat. Gerade die häufigen »Allerweltspflanzen« verraten viel über die Herkunft unserer Wildpflanzen und ihrem Zusammenleben mit den anderen Bewohnern eines Lebensraumes. Im Gegensatz zu seltenen Arten begegnen sie uns auf Schritt und Tritt, und wir können sie das ganze Jahr über erleben.
In diesem Buch ist von häufigen Wildpflanzen die Rede, von Blumen, Sträuchern und Bäumen, die im ganzen Land vorkommen und denen man auf Wanderungen und Streifzügen begegnet. Zu jeder Art hat die Münchener Künstlerin Rita Mühlbauer ein stimmungsvolles Bild angefertigt, das die Pflanze in ihrer natürlichen Umgebung zeigt. Ich hoffe, mit diesem Buch Begeisterung und Interesse für die wilden Pflanzen in unserem Land zu wecken. Und auch zu zeigen, dass wir diese Schatzkammer der Natur bewahren und pflegen müssen. Zu viele Arten sind vom Aussterben bedroht, zu viele Lebensräume bereits unwiderruflich zerstört. Um die Natur wirklich wertschätzen zu können, muss man sich mit ihr beschäftigen – durch Aufsuchen der Lebensräume und durch genaues Beobachten ihrer Bewohner. Pflanzen eignen sich bestens dazu, denn man kann sich ihnen nähern, sie anfassen, an ihnen riechen und ihnen zuhören.
Potsdam, September 2021Ewald Weber

Ein paar Worte zu Pflanzen

Was würden wir ohne Pflanzen machen? Wir könnten gar nicht leben. Pflanzen sind Teil unseres Lebens, nicht nur in Form von Nahrung. Ohne Pflanzen müssten wir auf viele Medikamente verzichten, wir hätten weder Holz noch Baumwolle, und unsere Gärten wären ohne bunte Blumen langweilig. Mehr noch, Pflanzen sind das Fundament der gesamten belebten Natur, denn nur sie und die Algen vermögen organische Biomasse aufzubauen, ohne andere Organismen verdauen zu müssen. Aus Wasser, Kohlendioxid und den Nährsalzen des Bodens produzieren sie Zucker, Stärke, Zellulose, Vitamine und vieles mehr. Und Sauerstoff, den Mensch und Tier zum Atmen brauchen.
Pflanzen sind nicht nur überlebenswichtig, sie sind auch spannend – vor allem die wild wachsenden Pflanzen draußen in der Natur, von denen viele mit ganz besonderen Überraschungen aufwarten. Die hier von mir behandelten Pflanzen gehören alle zu den Samenpflanzen. Damit ist die große Gruppe jener Pflanzen gemeint, die Blüten bilden und sich durch Samen vermehren und ausbreiten. Die anderen wie Bärlappe, Farne, Moose und Schachtelhalme bilden weder Blüten noch Samen, sondern vermehren sich durch staubfeine Sporen – wie auch die Pilze. Die Samenpflanzen wiederum bestehen aus zwei unterschiedlichen Gruppen, den Nacktsamern und den Bedecktsamern. Erstere umfassen alle Nadelhölzer, Letztere all die Pflanzen, die wir umgangssprachlich als Blütenpflanzen bezeichnen. Bei den Bedecktsamern sind die Samenanlagen im Gewebe eines Fruchtknotens untergebracht, sie sind bedeckt. Im Gegensatz dazu liegen sie bei den Nadelhölzern auf schuppenförmigen Fruchtblättern, die in einem Zapfen untergebracht sind. Die meisten der wild wachsenden Pflanzen zählen zu den Bedecktsamern, und bei ihnen finden wir die uns so vertrauten farbigen Blüten.
Die Organe einer Samenpflanze sind rasch aufgezählt: Wurzel, Sprossachse, Blätter und Blüten sowie die Früchte. Die Varianten in Gestalt und Größe dieser Organe sind schier unermesslich. Die Sprossachse ist die tragende Konstruktion einer Samenpflanze und erreicht bei Bäumen Dutzende von Metern Höhe, bei niedrig wachsenden Polsterpflanzen hingegen nur wenige Zentimeter. Bei den nicht verholzten Pflanzen entspricht die Sprossachse den Stängeln, bei den Gehölzen dem Stamm sowie den Ästen und Zweigen. Aufgrund ihrer Gestalt lassen sich Pflanzen verschiedenen Lebens- und Wuchsformen zuordnen, die auch Grundlage der Gliederung des vorliegenden Buches sind.
Die Blüte
Die Blüten der Blütenpflanzen dienen der geschlechtlichen Fortpflanzung, und ihre Funktionsweise ist mitunter ziemlich komplex. Das Prinzip ist aber immer dasselbe: In den Staubblättern wird der Blütenstaub oder Pollen gebildet; er entspricht den männlichen Geschlechtszellen. Die weiblichen Eizellen befinden sich in den Samenanlagen des Fruchtknotens. Dieser trägt eine sogenannte Narbe, auf dem Pollenkörner kleben bleiben. Oft gibt es einen langen Stiel zwischen dem eigentlichen Fruchtknoten und der Narbe, der als Griffel bezeichnet wird. Ein Pollenkorn keimt auf der Narbe aus und bildet einen dünnen Pollenschlauch, der sich seinen Weg durch den Griffel und den Fruchtknoten zu einer Samenanlage bahnt. Dann geschieht die eigentliche Befruchtung, die Verschmelzung von Eizelle mit dem Inhalt des Pollenschlauches. Aus der befruchteten Eizelle und dem Fruchtknoten entstehen schließlich die Samenkörner. Auch die Nadelhölzer bilden Blütenstaub und Eizellen, und die Pollenkörner befruchten diese in ganz ähnlicher Weise.
Die Übertragung des Pollens von einer Blüte auf die Narbe einer anderen Blüte derselben Art ist der Vorgang der Bestäubung. Pflanzen nutzen entweder Wind oder Insekten, auf anderen Kontinenten auch Vögel, Fledermäuse oder kleine Säugetiere. Blüten, die von Tieren bestäubt werden, sind meist farbig und auffallend, sie machen die enorme Vielfalt der Samenpflanzen aus.
Aus den Blüten werden die Früchte, die genauso vielfältig gestaltet sind wie Blüten oder Blätter. In der Botanik ist eine Frucht »die Blüte im Zustand der Samenreife«, unabhängig von der Größe, ob sie Fruchtfleisch hat oder verholzt ist. Ein Getreidekorn ist daher genauso eine Frucht wie ein Apfel oder eine Erdbeere. Die Früchte beherbergen die Samen und lösen sich meist von der Mutterpflanze.
Pflanzen und Tiere
Wo wilde Pflanzen wohnen, ist immer viel los, denn sie sind auf innige Art und Weise mit Tieren verbunden. Bei vielen Beziehungen zwischen Pflanzen und Tieren beobachten wir Abhängigkeiten. Bei der Bestäubung etwa bevorzugen manche Insekten ganz bestimmte Pflanzenarten, sie sind wählerisch und dadurch auf das Vorhandensein ihrer Blumen angewiesen. Eine solche Spezialisierung kennt man auch von pflanzenfressenden Insekten, seien dies die Raupen von Schmetterlingen, Blattläuse oder Käfer. So manche Insektenart braucht zum Leben ganz bestimmte Pflanzenarten. Fehlen diese, kann das Insekt nicht bestehen.
Ich werde in den folgenden Porträts des Öfteren auf solche intimen Beziehungen zu sprechen kommen. Sie sind nicht nur faszinierend, sie zeugen auch von der Vernetzung der Natur, von einer gegenseitigen Abhängigkeit und von der unabdingbaren großen Vielfalt an Pflanzenarten als Grundlage für viele Insektenarten. In dieser Zeit des Insektensterbens und Artenschwundes gilt es, sich die Bündnisse zwischen den ganz unterschiedlichen Arten bewusst zu machen und sie aufrechtzuerhalten.
Pflanzen sind nicht nur für Insekten wichtig, auch für viele Vögel und Säugetiere sind sie eine unersetzbare Nahrungsgrundlage und bieten ihnen Lebensraum. Und bei den Beziehungen zwischen Vögeln und Pflanzen haben sich ebenfalls gegenseitige Anpassungen herausgebildet. Beispiele sind die Beerenfrüchte als natürliches Vogelfutter oder der kräftige Schnabel eines Kernbeißers, um Steinobst und harte Baumsamen zu knacken.
Die Namen der Pflanzen
Jede Art, die jemals wissenschaftlich beschrieben wurde, erhielt einen lateinisch klingenden wissenschaftlichen Namen. Auch eine neu entdeckte Art bekommt einen wissenschaftlichen Namen, und die Namensgebung folgt strengen Regeln. So besteht ein wissenschaftlicher Name aus zwei Worten, wie in Fagussylvatica, die Rot-Buche. Fagus ist die Gattung, und sylvatica bezeichnet die Art, denn es gibt innerhalb der Gattung Fagus noch weitere Arten. Im Deutschen wäre Fagus die Gattung Buche und Rot-Buche dann die Art.
Jeder wissenschaftliche Name verrät etwas über den Verwandtschaftsgrad einer Art, indem die Gattungszugehörigkeit gleich mitgeliefert wird. In der Systematik werden ähnliche Gattungen zu Familien zusammengefasst, ähnliche Familien zu Ordnungen. So lässt sich Ordnung in die schier unübersehbare Artenvielfalt der Natur bringen. Art, Gattung und Familie sind die drei wichtigsten Kategorien dieses Systems und werden in Bestimmungsbüchern auch immer angegeben.
Einjährige
Einjährige Pflanzen sind die Kurzlebigen unserer Wildpflanzen. Sie treten für ein paar Monate in Erscheinung und vollziehen ihren gesamten Lebenszyklus in dieser kurzen Zeit, von der Keimung des Samens bis zum Blühen und dem Ansetzen neuer Früchte. Danach ist Schluss. Nach der Samenreife tritt der Tod ein, daran führt kein Weg vorbei. Sämtliches Gewebe vertrocknet und geht ein, von der Wurzel bis zur Spitze der Stängel. Im Gegensatz zu Stauden und Gehölzen hat eine Einjährige keine Knospen, die überwintern und im nächsten Jahr wieder austreiben.

Blaue Flocken im Feld

Kornblume
(Cyanus segetum)
Im Juni zeigen sich Hunderte enzianblauer Sterne am Rande von Getreidefeldern und zwischen den Halmen der Getreidepflanzen. Bei mir in Brandenburg kommt die Kornblume häufig vor, wenn auch nicht in jedem Feld und nicht jedes Jahr in gleichem Ausmaß. Meist gesellt sich Mohn zur Kornblume, und beide gehören zu den auffälligsten Begleitpflanzen in Äckern. Eine Kornblume erreicht etwa einen Meter Höhe, blüht von Juni bis Oktober und ist von stattlichem Wuchs. Ihre Stängel und die schmalen Blätter tragen einen spärlichen Besatz von feinen Haaren. Der Stängel ist im oberen Bereich verzweigt, und jeder Ast trägt am Ende einen der blauen Sterne. Für eine einjährige Pflanze bildet die Kornblume ein ziemlich dichtes Wurzelwerk, das bis zu sechzig Zentimeter tief in den Boden reichen kann.

Blüten in Kronleuchtern

Was wir bei der Kornblume vielleicht als Blüte bezeichnen – der blaue Stern am Ende des Stängels –, ist in Wirklichkeit eine Ansammlung vieler kleiner Blüten, die auf einer gemeinsamen Basis sitzen. Der Stängel bildet einen Blütenboden, er formt gleichsam ein Körbchen, das die einzelnen Blüten vereint. Dies ist das Markenzeichen der Korbblütengewächse, zu denen die Kornblume zählt. Die Familie ist die zweitgrößte der Welt, was ihre Artenzahl anbelangt. Die artenreichste Familie ist mit 26.000 Arten die der Orchideengewächse, aber die der Korbblütengewächse steht ihr mit 25.000 Arten nur wenig nach. Wir werden auf den folgenden Seiten noch manch weiteren Vertreter dieser Familie kennenlernen.
Die Ansammlung vieler Blüten auf einem Körbchen wirkt auf Insekten wie eine große Einzelblüte, das Ganze ist eine Einheit. Bei der Kornblume lassen sich leicht zweierlei Blüten erkennen, es gibt eine Aufgabenteilung in ihren Funktionen. Auffallend sind die großen Trichter am Rande, von denen jeder mehrere Zipfel hat und die wie richtige Blüten aussehen. Doch ist das nur Bluff, diese randständigen Blüten sind steril, enthalten also weder Staubgefäße noch Fruchtknoten. Sie dienen lediglich dem Anlocken von Insekten, sie sind das Aushängeschild des Blütenstandes. Zwischen ihnen stehen die echten Blüten, die viel kleiner und nur mit einer Lupe deutlich zu erkennen sind. Sie bilden Blütenstaub und Samen, sind also funktionell voll entwickelt. Jedes Blütenkörbchen der Kornblume enthält 25 bis 35 der echten Blüten.
Einen solchen Aufbau kennt man sonst von den Flockenblumen (Centaurea), zu denen früher die Kornblume zählte; sie hieß vor nicht allzu langer Zeit noch Centaureacyanus. Doch neuere Untersuchungen über die Verwandtschaftsverhältnisse machten eine Abspaltung der Kornblume sinnvoll.
Den Insekten sind der anatomische Aufbau und die systematischen Details freilich egal. Hauptsache, es gibt etwas zu holen, und Kornblumen sind überaus attraktiv. Hummeln, Bienen, Schwebfliegen, Wespen und Tagfalter suchen sie gerne auf und bedienen sich am Nektar sowie dem Pollen.

Ein Kulturpflanzenbegleiter

Außerhalb von Getreidefeldern wächst kaum eine Kornblume von selbst, abgesehen von Wegrändern und Brachland zwischen den Feldern. Sie wird aber inzwischen vermehrt angesät, doch darauf komme ich weiter unten zurück.
Die Kornblume ist ein typischer Kulturpflanzenbegleiter. Die Pflanze ist bei uns streng genommen nicht einheimisch, sie existiert in Mitteleuropa nur dank des Menschen und gilt als Alteinwanderer oder Archäophyt: Pflanzenarten, die schon vor langer Zeit unbeabsichtigt durch den Menschen verschleppt wurden. Die ursprüngliche Heimat der Kornblume dürfte das östliche Mittelmeergebiet sein. Hier wächst sie an Orten fern jeglicher menschlicher Siedlungen und Getreidefelder, nämlich an Felshängen und in trockenen Steppenrasen. Das dürften die natürlichen Wuchsorte der Kornblume sein, an denen sie schon lange vor Beginn des Getreideanbaus existierte.
Die Kornblume folgte dem Menschen seit der jüngeren Steinzeit, als er mit dem Ackerbau begann, Felder pflügte und Getreide aussäte. Vom Mittelmeergebiet kam sie schon früh nach Mitteleuropa, wahrscheinlich durch Saatgut verschleppt. Heute ist die Kornblume auf allen Kontinenten vorhanden.
Die strenge Assoziation zwischen Kornblume und Getreidefeld lässt darauf schließen, dass die Pflanze in den Äckern einen idealen Wuchsort gefunden hat. Auch im Raps trifft man die Kornblume an, allerdings längst nicht so häufig. Jedenfalls gibt es aber zwischen den Kulturpflanzen genug Raum, in dem sich Ackerbegleitpflanzen wie die Kornblume entfalten können. Als einjährige Pflanze macht ihr der jährliche Umbruch des Ackers nichts aus. Bis das Feld gepflügt wird, sind ihre Samen längst verstreut und sorgen für die nächste Generation. Der hohe Wuchs kommt nicht von ungefähr, denn eine Kornblume muss ihre Blüten in der Höhe platzieren, an der Oberfläche der Pflanzendecke, damit Insekten die Blüten auch finden können.

Wertvolle Ackerbegleiter oder Unkraut?

Kornblume, Mohn und viele andere sind Vertreter der sogenannten Ackerbegleitflora, auch Segetalflora genannt. In Mitteleuropa zählen etwa 300 Pflanzenarten dazu. Früher waren Ackerbegleitpflanzen sicher viel häufiger als heute, doch während der letzten paar Jahrzehnte ging ihre Vielfalt drastisch zurück. Kornblume, Kornrade (Agrostemma githago), Acker-Schwarzkümmel (Nigella arvensis), Sommer-Adonis (Adonis aestivalis) und wie sie alle heißen, sie wurden immer seltener. Viele Arten sind sogar so selten geworden, dass sie heute auf der Roten Liste der bedrohten Pflanzenarten stehen, wie beispielsweise das Flammen-Adonisröschen (Adonis flammea).
Die Gründe liegen in der Intensivierung der Landwirtschaft seit den 1950er-Jahren. Die Flurbereinigung führte zum Zusammenlegen vieler kleiner Parzellen zu großen Produktionsflächen, Hecken und andere den Fruchtanbau störende Strukturen wurden entfernt. Die Ertragssteigerung durch starken Düngereinsatz und Unkrautvernichtungsmittel ließ den Segetalarten keinen Raum mehr, die Landschaft verarmte. Auch die Saatgutreinigung hat zum Rückgang der Ackerbegleitpflanzen beigetragen. In großen Trommeln werden die Fremdsamen aus den Getreidesamen herausgesiebt. Das alles gab es in früheren Zeiten nicht, es war ganz normal, dass in einem Getreidefeld auch blühende Blumen wuchsen.
In den Augen eines Bauern sind Kornblume, Mohn und andere freilich nichts weiter als Unkräuter, die nicht ins Feld gehören. Sie stören das Wachstum der Kulturpflanzen und vermindern den Ertrag. Man nennt sie auch Beikräuter – das klingt wie der nutzlose Beifang in der Hochseefischerei. Aus Sicht des heutigen Naturschutzes sind Ackerbegleitpflanzen aber wertvoll, da sie für Insekten eine willkommene Nahrungsquelle in der Landwirtschaftszone darstellen. Die farbigen Blüten bieten Nektar oder Pollen, weil diese farbenprächtigen Unkräuter von Insekten bestäubt werden, im Gegensatz zum windbestäubten Getreide. Insekten wiederum bieten Vögeln Nahrung, darunter seltenen und bedrohten Arten wie der Feldlerche.
Es ist schon fast ironisch, dass Kornblumen und andere Arten einerseits auf der Roten Liste stehen, andererseits in Unkrautlisten aufgeführt werden und dass es Bekämpfungsempfehlungen für sie gibt. Die ambivalente Einstellung zu den Ackerbegleitpflanzen ist nicht neu, und für Bauern waren Kornblumen auch früher nur lästig. Der deutsche Dichter Julius Sturm (1816–1896) hat den Sachverhalt treffend in einem Gedicht beschrieben:
Der Bauer und sein Kind
Der Bauer steht vor seinem Feld
Und zieht die Stirne kraus in Falten:
»Ich hab’ den Acker wohl bestellt,
Auf reine Aussaat streng gehalten;
Nun seh’ mir eins das Unkraut an!
Das hat der böse Feind getan.«
Da kommt sein Knabe hochbeglückt,
Mit bunten Blüten reich beladen;
Im Felde hat er sie gepflückt,
Kornblumen sind es, Mohn und Raden;
Er jauchzt: »Sieh, Vater, nur die Pracht!
Die hat der liebe Gott gemacht.«

Renaissance der Unkräuter

Seit einigen Jahren sind Kornblume und weitere Vertreter der Segetalflora wieder auf dem Vormarsch. Entlang von Äckern werden von den Bauern breite Blühstreifen angelegt und auf ihnen Wildpflanzen angesät. Kommerzielle Saatgutmischungen sind erhältlich, und viele Bundesländer unterstützen Landwirte beim Anlegen von Blühflächen. Im Zuge der Bemühungen, wieder vermehrt Natur in die Agrarlandschaft hineinzubringen, sind das erfreuliche Entwicklungen. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche macht in Deutschland schließlich 48 Prozent der Landesfläche aus, da bleibt nicht viel Raum für Natur. Die Förderung von Wildblumen ist auf jeden Fall sinnvoll und stellt einen wichtigen Beitrag dar, um die biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft zu erhöhen. Allerdings kommt es sehr darauf an, was angesät wird. Fremdländische Arten, wie sie in vielen Saatgutmischungen enthalten sind, nützen nicht viel – wichtig sind die einheimischen Ackerunkräuter. Sie sind gut für die Insekten, was wiederum gut für Vögel ist. Diese wirken als natürliche Schädlingsbekämpfer, was dem Bauern wieder zugutekommt – alles hängt zusammen. Breite Blühstreifen bieten auch gewissen Vögeln wie dem Rebhuhn Lebensraum. Die moderne Landwirtschaft steht vor der großen Herausforderung, einerseits die Nahrungsmittelproduktion zu sichern, andererseits möglichst nachhaltig und naturschonend zu produzieren – keine leichte Aufgabe! Zumal die Lebensmittel ja auf keinen Fall teurer werden sollen; da fehlt es noch an der Bereitschaft der Konsumenten und Konsumentinnen, für gute Produkte mehr Geld auszugeben. Klar ist, dass eine Vielfalt an Wildblumen unerlässlich ist.

Die Rote aus dem Süden

Klatsch-Mohn
(Papaver rhoeas)
Vor Jahren kam ich an einem Feld voller Mohn vorbei, wie ich es noch nie gesehen hatte. Ein einziger roter Blütenteppich mit Tausenden von Mohnblüten erstreckte sich zwischen der Straße und einem Wald. Am Rande mit Kornblumen durchmischt, stellte das Feld einen spektakulären Anblick dar. Leute hielten an und machten Fotos, Kinder pflückten Blumensträuße. Auch ich war überwältigt, blieb stehen und sah mir die Mohnpflanzen an.
Mohn kennt jeder, und die vielen volkstümlichen Namen wie Klappermohn, Feuerblume oder Feldrose zeugen von der Häufigkeit des Gewächses. Vom Klatsch-Mohn ist hier die Rede, auch wenn der nahe verwandte Saat-Mohn (Papaver dubium) zum Verwechseln ähnlich aussieht und ebenfalls in Äckern zu Hause ist. Die reifen Fruchtkapseln des Saat-Mohns sind allerdings länglich, fast keulenförmig, während sie beim Klatsch-Mohn breit und rundlich sind. Beide sind wie die Kornblume alteingesessene Arten, die während der Steinzeit als Kulturbegleiter ins übrige Europa kamen; ihre ursprüngliche Heimat ist das Mittelmeergebiet.
Auffälligstes Kennzeichen des Klatsch-Mohns sind die großen roten Blütenblätter. Jede Blüte hat vier davon, sie sind hauchdünn, zerknittern leicht und fallen bald ab. Stängel und Blütenknospen sind borstig behaart, die rötlichen Haare stehen ab wie bei einem Dreitagebart. Die Blütenknospen hängen kopfüber nach unten, sodass man meinen könnte, die Pflanze sei am Verwelken.
Mohn gehört zur Gattung Papaver, die weltweit etwas mehr als fünfzig Arten umfasst. Nicht alle Arten blühen rot, das Farbspektrum reicht von Weiß über Gelb bis zu Orangefarben und Rot und Rosarot wie beim Schlaf-Mohn (Papaver somniferum). Letzterer ist eine berühmt-berüchtigte Pflanze, die zu Krieg und Drogenkriminalität geführt hat, da der getrocknete Milchsaft unreifer Samenkapseln das Rauschmittel Opium liefert. Aber wie so oft sind Gift- und Rauschpflanzen auch Heilpflanzen, und der Hauptbestandteil des Opiums – das Morphin – ist ein wichtiges Schmerzmittel.
Mit 825 Arten weltweit sind die Mohngewächse eine eher kleine Familie, die hauptsächlich in den beiden Amerikas und in Eurasien verbreitet ist. In Deutschland gehören nur etwa zwanzig einheimische Arten zu dieser Familie, darunter das Schöllkraut (Chelidonium majus) mit seinen gelben Blüten, verschiedene Arten an Lerchensporn (Corydalis) und Erdrauch (Fumaria), deren Blüten ganz anders aussehen. Milchsaft führen auch unsere einheimischen Mohnarten und das Schöllkraut, bei dem er auffallend orangefarben ist.

Rote Blüten sind selten

Im Innern einer Blüte des Klatsch-Mohns zeichnet sich ein schwarzviolettes Kreuz ab, das gebildet wird, weil jedes Kronblatt unten einen breiten Pinselstrich dieser Farbe hat. Beim Hineinblicken erkenne ich unzählige Pollenkörner von olivgrüner Farbe, die aus den Staubsäcken gefallen sind und in der Blüte herumliegen. Auffallend ist der große und hellgrüne Fruchtknoten in der Mitte der Blüte, ein Fass mit etlichen dunklen Strichen auf dem Deckel. Um ihn herum steht ein dichter Kranz unzähliger Staubblätter, deren Stiele so violett sind wie das Kreuz der Kronblätter. Eingerahmt wird dies alles von den roten Kronblättern. Und jetzt nehme ich den Farbaufwand dieser Pflanze einmal zum Anlass, etwas über Blütenfarben zu erzählen.
Welche Farbtöne herrschen bei unseren Wildblumen vor? Das Spektrum der Blütenfarben mitteleuropäischer Wildpflanzen umfasst meist Gelb, Blau, Weiß, Violett und alle Schattierungen dazwischen. Ein reines Rot wie beim Klatsch-Mohn ist die Ausnahme in unserer Flora. Mir fallen nur ein paar wenige Pflanzenarten mit roten Blüten ein: das Sommer-Adonisröschen (Adonis aestivalis) und Flammen-Adonisröschen (Adonis flammea), der Acker-Gauchheil (Anagallis arvensis) und der bereits erwähnte Saat-Mohn.
Warum ist das so? In anderen Gegenden wie Nordamerika warten unzählige Wildpflanzen mit roten Blüten auf. Als ich das erste Mal in Kalifornien unterwegs war, begegneten mir prächtig rot blühende Gewächse wie das Kalifornische Leimkraut (Silene californica) oder das Kalifornische Weidenröschen (Epilobium canum). Im östlichen Nordamerika wächst die Kardinals-Lobelie (Lobelia cardinalis) an moorigen Stellen, die bei uns als Zierpflanze erhältlich ist. Alle die eben aufgezählten Arten fallen durch ihre scharlachroten Blüten auf.
Der Grund für die unterschiedlichen Häufigkeiten von Farben hat mit den Blütenbesuchern zu tun. Die roten Blüten in Amerika werden nicht von Insekten aufgesucht, sondern von Vögeln – Kolibris, die im Schwirrflug ihren spitzen Schnabel in die Blüten stecken, um den Nektar aufzulecken. Vögel haben eine Vorliebe für Rot, das zeigen bei uns die vielen roten Beeren an Gewächsen wie Vogelbeerbaum, Aronstab oder Maiglöckchen – sie alle bilden kleine rot gefärbte Kugeln, die für Vögel bereitgehalten werden. Die Samen in den Früchten passieren unbeschädigt den Darm der Tiere und werden so wirkungsvoll verbreitet.
Bei uns gibt es keine Kolibris. Unsere Wildblumen werden ausschließlich von Insekten bestäubt – Bienen, Schmetterlingen, Fliegen und Käfern, die sich von Pollen oder Nektar ernähren. Bleibt die Frage, warum bei uns dennoch ein paar wenige Wildblumen rote Blüten hervorbringen. Wir wissen es nicht! Außer Zweifel steht, dass eine Mohnblüte für Kolibris uninteressant wäre, denn sie bietet kein bisschen Nektar an.

Wer sucht den Mohn auf?

Mohnblüten sind ohne Nektar und auch ohne Duft. Nur Pollen wird reichlich produziert, eine einzelne Mohnblüte bildet etwa 2,5 Millionen Pollenkörner. Die blütenbesuchenden Insekten bedienen sich gerne am Pollen. Die leicht zugänglichen Blüten werden dabei von ganz unterschiedlichen Insekten aufgesucht: Fliegen, Käfer, Bienen und Schwebfliegen sind die wichtigsten Bestäuber. Nun ist ein Käfer aber etwas ganz anderes als eine Schwebfliege, so wie ein Zaunkönig etwas anderes als ein Greifvogel ist. Die Blüten des Klatsch-Mohns sind nicht auf bestimmte Bestäuber spezialisiert, würden Biologen sagen, im Gegensatz zu anderen Arten.
Für Bienen und viele andere Insekten erscheinen die Mohnblüten sicher ganz anders als uns, denn sie können die Farbe Rot gar nicht wahrnehmen. Bienen sehen dafür UV-Licht, und das schwarzviolette Kreuz reflektiert diese Wellenlängen des Lichts. Für sie erscheint eine Mohnblüte wahrscheinlich dunkel mit einem auffallenden Fleck in der Mitte. In der Heimat des Mohns, dem Mittelmeerraum, leben aber bestimmte Käfer, die Rot wahrnehmen können und möglicherweise die ursprünglichen Bestäuber der Mohnblüten darstellen.

Eine Wildbiene ist scharf auf Mohn

Wildbienen warten in Deutschland mit einer unglaublichen Artenvielfalt auf. Rund 550 verschiedene Arten sind bekannt, von denen wir die wenigsten zu Gesicht bekommen. Meist sind sie viel kleiner als die Honigbiene, und sie leben solitär. Sie bilden also keinen Staat wie die Honigbiene oder Wespen, die sogenannten sozialen Insekten. Wildbienen bauen Niströhren oder nutzen Öffnungen, in denen die Weibchen die Eier ablegen und einen Vorrat an Pollen anlegen, damit die schlüpfende Larve auch etwas zu fressen hat.
Viele Arten unserer Wildbienen brauchen bestimmte Pflanzenarten zum Leben. Sie sind wählerisch, so wie die Witwenblumen-Sandbiene (Andrena hattorfiana), die ausschließlich Pollen von Witwenblumen und Skabiosen sammelt. Sie hängt vollkommen von diesen Pflanzen ab und kommt also nur dort vor, wo es diese Pflanzen gibt.
Eine andere Art der Wildbienen Deutschlands ist besonders bemerkenswert. Die Mohn-Mauerbiene (Hoplitis papaveris oder Osmia papaveris) ist auf eine sehr besondere Art und Weise auf Mohn spezialisiert. Die kleine Biene ist braun und grau behaart und fällt kaum auf. Sie ist selten, und ich habe mir sagen lassen, sie sei sehr scheu. Für die Nachkommenschaft gräbt eine Mohn-Mauerbiene einen senkrechten Gang von etwa zwei Zentimeter Tiefe in den Boden. Sie erweitert ihn unten, sodass eine Kammer entsteht, in der Ei und Vorrat angelegt werden. Vorher aber sucht die kleine Biene blühenden Mohn auf und beißt runde Stücke aus den Kronblättern heraus. Diese trägt sie zusammengerafft zur Nisthöhle und kleidet damit die Wände der Kammer und des Ganges aus. Sie stellt dies so an, dass einzelne Zipfel der Kronblattstücke etwas überstehen und einen Kranz um die Öffnung der Nisthöhle bilden. Nun ist die edel ausgekleidete Nistkammer fertig. Nach Einbringen von Pollen als Proviant und nach der Eiablage verschließt die Mohn-Mauerbiene die Zelle, indem sie die überstehenden Zipfel nach innen faltet. Dann wird Sand über den Eingang gebracht, das Nest ist nun verschlossen und kaum wahrnehmbar.
Die Mohn-Mauerbiene ist sehr selten geworden und laut Roter Liste vom Aussterben bedroht. Wer in einem Mohnfeld Blüten mit gestutzten Kronblättern bemerkt, weiß, dass hier die Mohn-Mauerbiene lebt.

Streubüchsen als Früchte

Mohn gehört zu jenen Pflanzen, bei denen die Fruchtbildung nicht mit einer Totalumwandlung einhergeht wie bei anderen Pflanzen. Beim Ahorn etwa verwandelt sich die Blüte in eine komplett andere Struktur. Beim Mohn entspricht die Form des Fruchtknotens bereits der Form der Frucht. Er wird lediglich größer, verholzt, vertrocknet und wird braun. In seinem Innern reifen die nierenförmigen Samenkörner heran, bis zu 5.000 haben in einer der Kapselfrüchte Platz. Die reifen Kapseln sind mit einem Deckel verschlossen und gleichen einer Urne oder einer breiten Vase.
Die winzigen Samen müssen aber irgendwie ins Freie gelangen. Beim Mohn hat sich ein raffinierter Mechanismus entwickelt, indem sich der Deckel etwas vom oberen Rand des Behälters abhebt und Öffnungen entstehen. Durch diese kann der Wind fegen, die Kapselfrucht des Mohns wird zur Streubüchse. Wenn ich an einem vertrockneten Mohn rüttle, höre ich die Samen in den Kapseln rasseln. Bläst der Wind, wiegen sich die Stängel hin und her, die kleinen Mohnsamen werden hinausgeschleudert und fliegen bis zu vier Meter in die Umgebung. Es kann aber auch geschehen, dass Wildtiere beim Laufen durch ein Feld die Kapseln abbrechen und dabei die Samen verstreut werden.
Die Mohnkapseln sollen den österreichisch-ungarischen Botaniker und Naturphilosophen Raoul Heinrich Francé (1874–1943) zu einer Idee inspiriert haben; er meldete jedenfalls ein Patent eines Salzstreuers nach dem Vorbild der Mohnkapseln an. Aus der Natur lernen und technische Anwendungen nach deren Vorbild entwickeln, das ist die Bionik. Francé kann daher als Pionier dieses heute so wichtigen Forschungszweiges gelten.

Ein unscheinbaresVeilchen

Acker-Stiefmütterchen
(Viola arvensis)