Wo ist mein Kind? - Helga Torsten - E-Book

Wo ist mein Kind? E-Book

Helga Torsten

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkinder" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit. Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann. »Ich habe gesagt, du heiratest ihn, und dabei bleibt es!« Baron Waldern warf seiner Tochter einen unmutig-ärgerlichen Blick zu. »So, und nun entschuldige mich bitte. Ich muß hinaus aufs Feld.« Er schob den schweren Eichenstuhl zurück und traf Anstalten, das Zimmer zu verlassen. »Papa! Das kannst du mir doch nicht antun!« Das zarte blondhaarige junge Mädchen rang die Hände und blickte den Vater aus angstvollen Augen flehend an. »Ich liebe Baron Wildenfels nicht. Wie könnte ich auch! Er ist ja so viel älter als ich.« Baron Waldern blieb vor seiner Tochter stehen und zog ärgerlich die Augenbrauen hoch. »Du liebst ihn nicht! Du liebst ihn nicht! Wenn ich das schon höre! Deine Mutter und ich haben auch nicht aus Liebe geheiratet. Und doch haben wir eine sehr harmonische Ehe geführt.« »Trotzdem willst du jetzt Frau von Eschloh heiraten, die mich ebenso haßt, wie sie meine Mutter gehaßt hat. Das ist auch der Grund, warum ich aus dem Haus soll«, stieß Marion von Waldern bitter hervor.

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Fürstenkinder – 52 –

Wo ist mein Kind?

Helga Torsten

»Ich habe gesagt, du heiratest ihn, und dabei bleibt es!«

Baron Waldern warf seiner Tochter einen unmutig-ärgerlichen Blick zu. »So, und nun entschuldige mich bitte. Ich muß hinaus aufs Feld.«

Er schob den schweren Eichenstuhl zurück und traf Anstalten, das Zimmer zu verlassen.

»Papa! Das kannst du mir doch nicht antun!«

Das zarte blondhaarige junge Mädchen rang die Hände und blickte den Vater aus angstvollen Augen flehend an.

»Ich liebe Baron Wildenfels nicht. Wie könnte ich auch! Er ist ja so viel älter als ich.«

Baron Waldern blieb vor seiner Tochter stehen und zog ärgerlich die Augenbrauen hoch.

»Du liebst ihn nicht! Du liebst ihn nicht! Wenn ich das schon höre! Deine Mutter und ich haben auch nicht aus Liebe geheiratet. Und doch haben wir eine sehr harmonische Ehe geführt.«

»Trotzdem willst du jetzt Frau von Eschloh heiraten, die mich ebenso haßt, wie sie meine Mutter gehaßt hat. Das ist auch der Grund, warum ich aus dem Haus soll«, stieß Marion von Waldern bitter hervor.

»Also, jetzt ist es aber genug! Ich verbitte mir derartige Bemerkungen!«

Der Baron sah seine Tochter zornig an. Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken und begann, erregt im Zimmer hin und her zu gehen.

»Frau von Eschloh liebt dich wie eine Tochter. Sie und ich, wir beide, wollen nur dein Bestes. Daß sie deine arme Mutter gehaßt haben soll, ist eine Verleumdung, die du sie besser nicht hören läßt. Sie wäre außer sich vor Empörung. Du vergißt wohl ganz, wie aufopfernd sie deine Mutter gepflegt hat.«

»Aufopfernd? Mama mochte sie nicht. Sie hat dich mehr als einmal gebeten, Frau von Eschloh fortzuschicken und eine andere Hausdame einzustellen.

Von Anfang an war diese Person hinter dir her. Sie hat nur auf Mamas Tod gewartet. Und Mama wußte das. Sie hat noch kurz bevor sie starb zu mir gesagt, daß Frau von Eschloh jetzt wohl bald meine Stiefmutter sein würde. Sie hat so sehr geweint, die arme Mama. Ich weiß, sie hat sich darum gesorgt, was aus mir werden solle.«

Marion schluchzte auf. Der Schmerz um die geliebte Mutter, die erst vor drei Monaten an einem Herzleiden gestorben war, übermannte sie. Sie kam sich so verlassen vor wie noch nie in ihrem Leben.

»Laß das Geflenne, und Schluß jetzt mit dem dummen Gerede. Damit machst du mich auch nicht weich«, sagte der Baron hart. »Es bleibt dabei. Du heiratest Baron Wildenfels, und damit basta. Eine bessere Partie könntest du gar nicht machen.

Er kommt morgen, um offiziell um deine Hand anzuhalten. Du wirst ihm dann dein Jawort geben und ein bißchen nett zu ihm sein. Sonst sollst du mich kennenlernen«, sagte er drohend. »Und jetzt geh auf dein Zimmer und kühle deine Augen. Ich will nicht, daß du verheult herumläufst und dem Personal Anlaß zum Gerede gibst.«

Marion von Waldern warf ihrem Vater einen Blick zu, in dem Schmerz und Anklage zugleich lagen. Dann wandte sie sich stumm um und lief aus dem Zimmer.

Als sie die Tür mit einem Ruck aufstieß, ertönte ein unterdrückter Schmerzenslaut. Frau von Eschloh stand vor dem erstaunten jungen Mädchen, sich rasch aus ihrer gebückten Haltung aufrichtend, die eine Hand fest auf die schmerzende Stirn gepreßt.

Marion warf der hageren Person mit dem Raubvogelgesicht einen verächtlichen Blick zu. Gelauscht hatte sie also auch. Wie widerlich.

Sie stürmte ohne ein Wort an ihr vorbei und lief die Treppen hinauf, zu ihrem Zimmer.

Sie schloß sich ein und warf sich auf das Bett, ihren Tränen freien Lauf lassend

*

»Was hat es gegeben? Hast du ihr gesagt, daß sie Baron Wildenfels heiraten wird?«

Gertrud von Eschloh zog die Tür hinter sich ins Schloß und trat zu Baron Waldern ins Zimmer.

»Ich könnte mir denken, daß du alles gehört hast«, sagte der Baron und deutete auf die Stirn der Frau, auf der sich langsam eine Beule zu bilden begann.

Er nahm aus seinem Schreibtisch ein Jagdmesser und ging damit auf sie zu.

Sie wich einen Schritt zurück. Angst flackerte in ihren Augen.

»Was soll das, du fürchtest dich doch nicht etwa vor mir?« fragte er spöttisch und unmutig zugleich.

»Hier«, er reichte ihr das Messer, »drück die Klinge auf die Beule. Sie schwillt dann nicht weiter an. Das ist ein altes Hausmittel. Kennst du es nicht?«

Die Frau schüttelte schweigend den Kopf und tat, wie er ihr geheißen hatte. Der Baron ging zu einem kleinen Rauchtisch neben dem Fenster und nahm sich eine Zigarette aus einem Silberkästchen. Er zündete sie an und tat ein paar hastige Züge. Dann setzte er seine Wanderung durch das Zimmer fort.

»Sie will ihn nicht heiraten. Sie liebt ihn nicht. Liebe, was ist das schon«, sagte er wie zu sich selbst. »Wer heiratet schon aus Liebe.«

Er warf der Frau in dem mausgrauen, unscheinbaren Kleid einen kühl abschätzenden Blick zu.

Manchmal begriff er sich selbst nicht. Warum wollte er diese Frau heiraten, die so unscheinbar war wie ihr Kleid?

Er mußte blind gewesen sein, als er ihr in einem schwachen Augenblick ein Heiratsversprechen gegeben hatte.

Aber ein Baron Waldern hielt sein einmal gegebenes Wort.

Wieder warf er einen raschen Blick zu Gertrud von Eschloh hinüber, die, das kühle Metall des Messers gegen die Stirn pressend, stumm dastand und ihn abwartend beobachtete.

Eine gute Hausfrau war sie, das mußte man ihr lassen. Und arbeiten konnte sie auch. Der große Gutshaushalt lief wie am Schnürchen. Also, was wollte er mehr.

»Was ist nun?« fragte die Frau ungeduldig. »Wird sie ihn heiraten oder nicht?«

»Natürlich wird sie!« brauste der Baron auf. »Sie wird es kaum wagen, sich gegen ihren Vater aufzulehnen.«

Er warf den Rest der Zigarette fort und zündete sich eine neue an.

»Aber dir scheint sehr viel daran gelegen zu sein, daß Marion möglichst rasch aus dem Haus kommt. Warum eigentlich?« Er sah sie mißtrauisch an.

Sie senkte den Blick ihrer eiskalten grauen Augen. »Ich will nur ihr Bestes«, entgegnete sie.

»So? Wirklich?«

»Ja, sicher«, beteuerte sie und setzte scheinheilig hinzu: »Soll sie etwa eine alte Jungfer werden? Sie ist schließlich schon zweiundzwanzig.«

»Hm, du hast schon recht«, brummte er. »Baron Wildenfels ist ein rechtschaffener Mann. Wir sind immer gute Nachbarn gewesen. Und außerdem«, ein listiger Ausdruck trat in seine Augen, »vor allem ist er mit dem Wäldchen da hinten am Hang als Aussteuer zufrieden. Besser könnte ich gar nicht dabei wegkommen.«

Er drückte seine Zigarette aus und wandte sich zur Tür.

»So, ich reite jetzt aufs Feld. Zum Abendessen bin ich wieder da. Bis nachher also.«

»Bis nachher«, sagte Gertrud von Eschloh leise und verließ hinter dem Baron das Zimmer, nachdem sie das Messer wieder an seinen Platz gelegt hatte.

Zufrieden lächelnd ging sie gleich darauf in den großen Wirtschaftsraum, um nach dem Rechten zu sehen. Sie hatte erreicht, was sie wollte. Marion von Waldern würde bald dieses Haus verlassen, in dem sie als lebendes Ebenbild ihrer verstorbenen Mutter herumlief, ebenso schön und von der gleichen zerbrechlichen Zartheit wie sie.

Ah, sie konnte dieses Engelsgesicht mit den blonden Locken nicht mehr sehen. Haß kam in ihre Augen, und ihre ohnehin nicht sehr weichen Gesichtszüge wurden noch schärfer und härter.

Sie warf die Tür des Wirtschaftsraumes mit einem Knall hinter sich ins Schloß, daß die Mägde erschreckt auseinanderfuhren.

»Los, los, an die Arbeit. Was steht ihr hier herum und tratscht!« rief sie mit ihrer unangenehmen, harten Stimme. »Dafür werdet ihr schließlich nicht bezahlt.«

Schweigend gingen die Mägde wieder an ihre Arbeit. Die zukünftige Herrin von Gut Waldern erfreute sich keiner großen Beliebtheit beim Personal.

*

Der große, breitschultrige Mann mit dem derbgeschnittenen Gesicht griff wieder nach der jungen Frau in der weißen, tiefausgeschnittenen Seidenbluse und dem leuchtendroten Rock und versuchte, sie an sich zu ziehen.

»Du sollst mich loslassen, habe ich gesagt.«

Sie stampfte zornig mit dem Fuß auf und riß sich los.

»Hast du mir nicht immer wieder versprochen, du holst mich aufs Schloß, ich solle nur noch ein wenig warten?«

»Natürlich habe ich es dir versprochen, und du wirst sehen, ich halte mein Wort.«

»Ich halte mein Wort, ich halte mein Wort«, äffte sie ihn nach. »Ich möchte wissen, wann.«

»Schon bald. Du wirst es sehen.«

»Schon bald.« Sie warf den Kopf in den Nacken, daß die langen schwar-zen Locken, die sich bis auf die üppigen, bloßen Schultern ringelten, flogen und lachte. »Nun sag mir nur noch, du willst mich heiraten, und nicht die andere, Vornehme, aus adligem Geblüt«, sagte sie böse. »Die Spatzen pfeifen es ja schon von den Dächern, daß Baron Wildenfels um die Komteß Waldern angehalten hat und bald Hochzeit sein wird. Und mir schwindelst du vor, du holst mich auf Schloß Wildenfels.«

»Ich schwindele dir gar nichts vor«, sagte der Baron jetzt ruhig. »Ich habe dir nie versprochen, dich zu heiraten. Ich brauche einen Erben einwandfreier Abstammung, aus adligem Geblüt, wie du eben mit boshaftem Unterton sagtest.

Es geht nicht, daß Zigeunerblut in den Adern meiner Nachkommen fließt.

Das Geschlecht von Wildenfels hat einen uralten Stammbaum, der sich bis in die Zeit Karls des Großen zurückverfolgen läßt. Das verpflichtet. Und nur darum heirate ich die Komteß Waldern.

Außerdem bringt sie mir genau das Stück Wald als Mitgift in die Ehe, in das mein Wild hinüberzuwechseln pflegt. Das scheint der alte Fuchs, der Waldern, noch nicht bemerkt zu haben, sonst hätte er mir nicht so bereitwillig den Wald gegeben.« Er lachte selbstgefällig und boshaft.

»Na, komm her, mein Täubchen, und sei wieder gut.«

Er griff erneut nach ihr und zog sie an sich.

»Ein – zwei Monate nach der Hochzeit hole ich dich aufs Gut. Als Gesellschafterin für meine Frau. Nun, wie gefällt dir das?«

Diesmal wehrte sie sich nicht.

»Hm, gar nicht so schlecht ausgedacht, mein Alterchen«, sagte sie und lächelte hintergründig. Plötzlich veränderte sich ihre Miene schlagartig. »Aber wird sie mich auch als Gesellschafterin wollen? Hast du das schon bedacht? Vielleicht hat sie was gegen Zigeuner?«

»Wir werden sie nicht danach fragen, sie hat zu parieren«, sagte er wegwerfend.

»Wie sieht sie denn aus, deine Zukünftige? Ist sie sehr schön?« fragte sie lauernd.

»Schön. Hahaha.« Der Baron amüsierte sich. »Aber Herzchen, sie kann dir nicht das Wasser reichen. Dünn ist sie und farblos. Na, du wirst ja sehen. Und von deinen Liebeskünsten wird sie kaum etwas verstehen, du kleine Teufelin. Aber nun entzieh dich mir nicht wieder. Ich will dich spüren.«

Er packte sie mit schmerzhaftem Griff und riß sie in seine Arme.

Die junge, sündhaft schöne Person lächelte unter seinem ungestümen Kuß verschlagen. Aber das konnte der liebestolle Baron nicht sehen.

Seit er Roswitha Batschenko zum erstenmal gesehen hatte, war er ihr verfallen mit Haut und Haar. Die junge Zigeunerin wußte das, und sie gedachte es auszunutzen.

*

Obwohl die Hochzeit nur im kleinsten Kreis gefeiert wurde, war die kleine Dorfkirche doch bis auf den letzten Platz besetzt.

Marion von Waldern war beliebt bei den Dorfleuten. Wie früher ihre Mutter ging auch sie zu den Armen und Bedürftigen und half, wo sie nur konnte. Meist tat sie es heimlich, denn sie wußte, der Vater sah es nicht gern.

Heute nun, an ihrem Ehrentag, ließen die Arbeiter und Bauern, junge wie alte, es sich nicht nehmen, mit ihren Frauen der jungen Baronesse Glück zu wünschen und sie am Arm ihres Bräutigams zu bewundern.

»Wie blaß sie ist, unsere kleine Baronesse«, flüsterte eine alte Frau aus dem Dorf ihrer Nachbarin zu, als das Brautpaar an ihnen vorbeischritt und, gefolgt von den wenigen Gästen, die Kirche verließ.

»Das ist die Aufregung«, sagte die andere ebenso leise. »Als meine Älteste heiratete, war sie genauso blaß, wie sie aus der Kirche kam. Am ganzen Leib hat sie gezittert vor Aufregung. Sie hat es mir hinterher erzählt.«

»Ob sie ihn wohl liebt, den Baron Wildenfels?«

»Aber sicher, so einen schönen, stattlichen Mann«, kicherte die Alte. »Wie sollte sie wohl nicht.«

»Na, und der Baron ist sicher ganz verrückt nach ihr. Sie ist ja auch eine kleine Schönheit, unser Baroneß-chen.«

»Bestimmt ist er sehr verliebt in sie. Davon bin ich überzeugt.« Versonnen sah die alte Bäuerin dem Brautpaar nach.

Die dunkelhaarige junge Frau, die versteckt hinter ihr stand und sich auch das Brautpaar angesehen hatte, lachte geringschätzig. Sie wußte es besser.

*

»Auf das Wohl des jungen Paares«, sagte Baron Waldern und hob sein Glas. Er lächelte seiner Tochter wohlwollend väterlich zu und stieß mit ihr an.

Marion, in dem schlichten weißen Brautkleid und dem kurzen Spitzenschleier ganz reizend anzusehen, lächelte gezwungen.

Die marmorne Blässe ihres lieblichen Gesichtchens fiel nun auch dem Vater auf.

»Fühlst du dich nicht wohl, Marion?« fragte er leise, und für eine kurze Sekunde kam ihm der Gedanke, daß sein Kind vielleicht doch nicht so glücklich war, wie es hätte sein sollen.

»Doch, Papa«, sagte Marion, »ich fühle mich ganz wohl.«

Sofort wieder beruhigt, wandte sich der Baron den Hochzeitsgästen zu. Er feierte gern, der Freiherr von Waldern. Und dies war ein Anlaß dazu.

Marion von Waldern aber, deren Glück dieses Fest hätte überstrahlen sollen, war still und in sich gekehrt. Der hünenhafte Mann an ihrer Seite mit den etwas derben Manieren, der nun ihr Gatte war, flößte ihr nach wie vor Abscheu ein. Voller Angst und Schrecken dachte sie an die Nacht, die diesem Tag, ihrem Hochzeitstag, folgen sollte, und mehr als einmal war sie drauf und dran, einfach davonzulaufen.

*

Es war schon gegen Morgen, als Baron Wildenfels endlich anspannen ließ, um seine junge Frau heimzufüh-ren. Marion konnte sich kaum noch aufrechthalten vor Müdigkeit.

Die Nacht war kühl, und Marion saß, zitternd vor Kälte und Furcht, neben ihrem betrunkenen Mann im Wagen, die schmalen Hände krampfartig ineinandergepreßt. Sie betete heimlich, daß der Baron, der dem Alkohol mehr als reichlich zugesprochen hatte, nur das Bedürfnis haben möge, sofort zu schlafen.

Aber dem war nicht so.

Als sie in den Gutshof einfuhren, erscholl ein furchtbares Gebell aus lautstarken Hundekehlen. Wolfram von Wildenfels lachte selbstzufrieden.

»Das sind meine Bluthunde, mein Schatz«, sagte er. »Sie wittern ihren Herrn. Ich werde sie dir gleich vorführen. Es sind alles wahre Prachtexemplare. Jeden Abend lasse ich sie aus ihrem Zwinger. Sie werden auch dich gut bewachen, da bin ich ganz sicher.« Wieder lachte er, und in seinem Lachen war etwas, das Marion nicht gefiel. Aber sie sagte nichts.

Der Wagen hielt. Der Kutscher sprang herunter und half der jungen Frau beim Aussteigen.

Ein verschlafener Stallbursche erschien und begann die Pferde abzuschirren.

Leicht schwankend kam der Baron um den Wagen herum und nahm Marion am Arm.

»Na komm, dann wollen wir mal die lieben Tierchen begrüßen. Du hast doch keine Furcht?«

Marion schüttelte schweigend den Kopf.

»Das gehört sich auch nicht für eine Freifrau von Wildenfels!« sagte er herrisch.

Der große Hundezwinger lag an der Südseite des Gutshofes.

Eine Menge riesiger Tiere, alles Bluthunde, die der Baron selbst züchtete, warf sich gegen den Maschendraht und winselte, jaulte und bellte, daß Marion sich die Ohren zuhielt. Es war ein ohrenbetäubender Lärm, der dem Baron offensichtlich nichts ausmachte.

Er zog einen Schlüssel aus der Tasche und schloß das Zwingertor auf.

Marion klammerte sich an seinen Arm. Sie fürchtete sich fast zu Tode vor den Bestien, aber sie preßte die Lippen zusammen und gab keinen Ton von sich.

Wolfram von Wildenfels öffnete das Tor. Gleichzeitig brüllte er: »Platz!«

Alle Tiere legten sich sofort nieder, die Augen aufmerksam auf ihren Herrn gerichtet.

»Sascha! Pascha!«

Auf seinen Ruf hin erhoben sich die beiden schwersten Tiere und stürzten heran. Sie warfen den Baron fast um vor Freude, sprangen immer wieder an ihm hoch und leckten ihm das Gesicht ab.

Plötzlich ließen sie von ihm ab und begannen an Marion herumzuschnüffeln, wobei sie leise Knurrlaute ausstießen.

Marion rührte sich nicht. Ihr blieb das Herz fast stehen vor Furcht, aber sie gab keinen Ton von sich.

»Sie sind eifersüchtig auf dich. Das wird sich mit der Zeit schon geben. So, jetzt ab ihr beiden.«

Die beiden großen Hunde rasten in den Gutshof und tobten dort herum.

Paarweise rief der Baron nun die anderen Hunde heraus, begrüßte sie und ließ sie in den Hof.

Marion war schon ganz klamm vor Kälte, als endlich der letzte draußen war.

»Na, was sagst du? Sind sie nicht großartig?« fragte der Baron stolz. »Sie haben fast alle Preise. Ich rate keinem, mit ihnen anzubändeln. Sie würden ihn in Stücke reißen.«

Marion zweifelte nicht daran. Sie war froh, als sie endlich im Haus waren und die Tür hinter ihnen geschlossen war.