Wolfsjagd am Indian River - Peter Dubina - E-Book

Wolfsjagd am Indian River E-Book

Peter Dubina

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Beschreibung

Ein Hubschrauber donnert über den Indian River und entschwindet über den Wipfeln der kanadischen Wälder. Plötzlich krachen vereinzelte Schüsse in der Ferne. Der HalbindianerTom O´Brien und sein Freund Chub wissen: Ben Latimore jagt den schwarzen Wolf. Blinder Hass auf die Bestie treibt den Mann an, lässt ihn Gefahren vergessen und die Warnung des alten Ojibwa-Medizinmannes Shing Wauk überhören: ,,Der Wolfsgeist wird dich töten!" Können die Forest Rangers die Leute vom Indian River retten? Tom O´Brien, der seinen Großvater Shing Wauk besucht, muss sehr schnell erkennen, dass der alte Mann mit seiner religiösen Vergangenheit immer noch tief verwurzelt ist und diese auch sein weiteres Schicksal bestimmt. Ein Schicksal, das Tom entscheidend mitbestimmen kann, wenn er sich diesen alten Traditionen öffnet … „Ich wünschte, es gäbe heute noch solche spannenden Jugendbücher. Peter Dubina hat zu seiner Zeit herausragende Romane für Generationen geschrieben, die spannende Abenteuer in fernen Ländern lasen und mit den Helden mitfieberten ...“ Alfred Wallon – Schriftsteller

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Wolfsjagd am Indian River

ONLY eBook - Abenteuer

Buch 7

Peter Dubina

In dieser Reihe bisher erschienen

e501 Unbekannter Autor - Lord Listere502 Diverse - Kara Ben Nemi 01 Neue Abenteuer Sammelbande503 Alfred Wallon - Highway Cowboyse504 Alfred Wallon- Das Stuntmen-Teame505 Alfred Wallon- Terror im Tal der Königee506 Alfred Wallon - Martin Hallers Abenteuere507 Peter Dubina - Wolfsjagd am Indian River

© 2024 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a,  51570 Windeck

Redaktion: Alfred Wallon

Titelbild: Mario Heyer

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Satz: Torsten Kohlwey

Alle Rechte vorbehalten

ISBN: 978-3-7579-7391-9

e507v1

Inhalt

Der alte Medizinmann

Wolfsjagd

Die Geisterhöhlen

Joe Two Rivers

Absturz im Schneesturm

Der schwarze Wolf

Peter Dubina

Der alte Medizinmann

„Großvater!“

Mit einem Ruck setzte sich Tom O’ Brien auf. Am Himmel trieb der bleiche Mond, weiß und kalt wie Asche, hinter dunstigen Wolken.

Es war die Stunde des ersten Morgengrauens, aber zwischen den Ästen der Schwarzkiefern, unter denen die beiden Indianer, der alte Mann und der Junge, ihr Lager aufgeschlagen hatten, hingen noch die Schatten der Nacht.

Das kleine Lagerfeuer, das sie am Abend zuvor entzündet hatten, brannte noch immer, und die Flammen tanzten wie lebende Wesen. Der alte Mann kniete vor dem Feuer auf der Erde, das Gesicht dem Mond zugewandt, beide Hände über die Schultern erhoben. Sein Gesicht sah aus wie gehämmerte Bronze. Neben ihm lag eine leere Whiskeyflasche.

„Großvater!“

Tom O’ Brien warf die Wolldecken, in die er sich gewickelt hatte, zur Seite und stand auf. Vom jenseitigen Ufer des Wasserlaufs, der die Dunkelheit wie ein zinnfarbener Streifen durchzog, tönte das Heulen eines Wolfes herüber.

„Hörst du?“, fragte der alte Indianer, fast ohne die Lippen dabei zu bewegen.

„Was soll ich hören, Großvater?“

„Er kündigt sein Kommen an.“

„Einer deiner Geister?“ Tom O’ Brien warf eine Handvoll trockenes Reisig ins Feuer. Die Flammen wuchsen knisternd. Es wurde heller. „Es ist nur ein Wolf, der im Morgengrauen auf der anderen Seite des Flusses jagt, Großvater.“

Die ledernen Lippen des alten Mannes bewegten sich.

„Der Wolfsgeist kommt zu Shing Wauk.“

„Wenn er wirklich über den Fluss kommen sollte, werden wir ihn damit verjagen, Großvater“, sagte Tom und deutete auf die Winchester, die, zusammen mit den eisernen Biberfallen, dem Proviantsack und den beiden Wasserflaschen, neben dem Feuer lag.

„Den Wolfsgeist kann niemand verjagen — weder mit einem Stein noch mit einem Gewehr. Kann man den Wind aufhalten oder die wandernden Schatten des Sonnenuntergangs?“

„Nein, aber Schatten vertreibt man am besten mit Feuer“, erwiderte Tom. „Ich werde nach unserem Kanu sehen. Bleib du hier beim Feuer, Großvater.“

„Warte!“, sagte der alte Mann hastig. Er ließ die Hände sinken, griff nach Toms Arm und hielt ihn zurück. „Warte, bis die Sonne aufgeht! Dann kannst du immer noch zum Flussufer hinunter gehen.“

„Großvater, es sind nur alte Geschichten und Erzählungen, die dir keine Ruhe lassen. Ich glaube nicht an den Wolfsgeist.“

„Ich weiß, dass du nicht an ihn glaubst“, sagte der alte Mann, und seine Stimme klang schwer. „Aber es ist keine Lüge, die ich dir erzählt habe. Ich bin ein Medizinmann. Der Wolfsgeist hat mir die Macht gegeben, Dinge zu tun, für die die Kraft anderer Menschen nicht ausreicht. Aber kein Mensch kann diese Macht sein ganzes Leben lang behalten. Er muss sie weitergeben an seinen Sohn oder den Sohn seines Sohnes. Tut er es nicht, tötet ihn der Wolfsgeist. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit, der Wolfsgeist folgt mir schon.“

„Hör auf, Großvater!“, fiel ihm Tom heftig ins Wort. „Mein Vater hat mich zu dir geschickt, damit ich dir mit den Pelztierfallen helfe. Du bist alt und brauchst Hilfe. Vater hat mir von deinen Geistern erzählt, und er hat mich darauf vorbereitet, dass du versuchen würdest, einen Medizinmann aus mir zu machen. Aber ich will es nicht.“

„Dann wird der Wolfsgeist mich töten“, sagte Shing Wauk, ohne den Blick vom jenseitigen Ufer des Flusses zu wenden, wo sturmzerzauste Fichten schwarz aus den Schatten ragten.

Tom antwortete nicht. Er nahm einen harzigen Kiefernast, stieß ihn in die Glut, bis er Feuer gefangen hatte, und ging mit der Fackel zum Flussufer hinunter. Das Kanu lag noch immer an der Stelle, wo sie es am Nachmittag des vergangenen Tages aus dem Wasser gezogen hatten.

Der Wolf am anderen Ufer heulte wieder. Es war ein düsterer, unheimlicher Laut im Morgengrauen. Tom fühlte, dass ihm ein Schauer über den Rücken lief.

Zornig biss er sich auf die Lippen, holte aus und schleuderte die Fackel über den schmalen Wasserlauf. Sie fiel funkensprühend zwischen die Steine am anderen Ufer, und das Heulen verstummte.

Tom drehte sich um. Gegen den dunklen Hintergrund der Bäume mit ihren tiefhängenden Ästen sah er die vom flackernden Feuer beleuchtete Gestalt seines Großvaters. Hundert Schritte entfernt fiel plötzlich ein Lichtstrahl in das graue Zwielicht. Dort lag Charlie Donovans Handelsstation, wo sie am Tag zuvor die Ausbeute von Shing Wauks Pelztierjagd verkauft hatten. Charlie Donovan war also bereits wach. Was ihn wohl geweckt hatte - das Wolfsgeheul oder Shing Wauks Beschwörungen?

Er kehrte zum Feuer zurück, kauerte sich nieder und griff nach der Kaffeekanne und einer der mit Filz überzogenen Blechflaschen.

„Das Boot ist in Ordnung, Großvater“, sagte er. „Ich werde jetzt Kaffee machen. Denk nicht mehr an deine Geister. Bald geht die Sonne auf, dann sieht alles ganz anders aus.“

„Dein Vater war nicht bereit, die Wolfsmedizin aus meinen Händen zu nehmen, und du bist deines Vaters Sohn“, murmelte der alte Mann. „Jetzt weiß ich, dass ich nicht mehr lange zu leben habe.“

Tom warf ihm einen raschen Blick zu und sah wieder weg. Der alte Mann tat ihm leid.

„Du musst etwas essen“, sagte er. „Gestern Abend hast du bei Charlie Donovan nur einen Schluck Kaffee getrunken, obwohl wir den ganzen Tag unterwegs waren und immerzu gerudert oder das Boot getragen haben.“

„Ich habe keinen Hunger.“ Shing Wauk erhob sich. Er war ein alter Mann mit tiefen Falten im Nacken. Sein bronzefarbenes Gesicht war von Runzeln und Narben zerfurcht. Aber keine der Narben war frisch. Sie waren so alt wie Regenrinnen in der Flanke eines Berges.

„Ich bin alt, und ich brauche nicht mehr so viel Nahrung. Iss du! Du bist noch jung. Ich werde auf einen Hügel steigen. Ich will allein sein, wenn die Sonne aufgeht.“

Tom sah ihm nach, und wieder hatte er Mitleid mit dem alten Mann. Er hatte seinen Großvater auf seine Weise gern, wenn er ihm auch manchmal unheimlich war. Der über neunzig Jahre alte Ojibwa-Medizinmann hatte seine Zeit überlebt, war wie ein Felsen, den die Gletscher der Eiszeit weit in die Ebene getragen und dann zurückgelassen hatten. Shing Wauk war wie ein Fels. Alt geworden, lebte Shing Wauk mit seinen Gedanken in der Vergangenheit, in einer fremden Welt, in die ihm niemand folgen konnte.

Tom hatte plötzlich keinen Hunger mehr und auch keine Lust, länger allein zu bleiben. Er warf ein paar Handvoll Erde auf das Feuer und zog seine Jacke aus dickem Wollstoff an. Dann kämmte er sich, indem er sich mit allen zehn Fingern durch das glatte, schwarze Haar fuhr, und ging zur Handelsstation hinüber. Er wollte die Nähe eines Menschen aus Fleisch und Blut spüren und nicht die irgendwelcher Geister, die der alte Mann überall sah. Und einen Becher heißen Kaffee würde er bei Charlie Donovan auch bekommen.

* * *

Donovan schloss ihm die Tür auf. Er war ein untersetzter, breitschultriger und kräftig gebauter Mann mit ergrautem Haar und hellen, kurzsichtig zwinkernden Augen.

„Na, Tom! So früh schon auf den Beinen? War wohl recht kalt draußen heute Nacht? Komm herein und trink einen Schluck Kaffee. Wo steckt denn der alte Shing Wauk? Findet wohl nicht aus den Decken?“

Er zog einen Hosenträger über die rechte Schulter und schloss die Tür wieder hinter Tom.

Drinnen war es warm. Im Ofen brannte ein Feuer und auf dem Ladentisch stand eine Kerosin-Lampe mit einem grünen Blechschirm. Ihr Schein zuckte über die Regale mit Konserven, Kleidung, Angelzubehör, Gewehren und Patronen und tausend anderen Dingen, die man sonst erst wieder in zwölf Meilen entfernten Indian River kaufen konnte. Charlie Donovans Laden war für die Pelztierjäger, Indianer und Holzfäller, Farmer und Sportjäger der einzige Handelsplatz in weitem Umkreis.

„Großvater spricht wieder mit seinen Geistern“, sagte Tom. Er zog seine Jacke aus und setzte sich auf einen dreibeinigen Schemel neben dem Ofen. Nach der rauen Kälte der Herbstnacht brachte die Wärme hier drinnen sein Gesicht rasch zum Glühen. „Wenn er vor dem Wolfsgeist Angst hat, warum nimmt er dann nicht sein Gewehr und tötet irgendeinen Wolf?“

„Wenn man dich sprechen hört, merkt man, dass du in der Stadt aufgewachsen bist, Tom.“

Charlie Donovan reichte ihm einen Blechbecher mit dampfendem Kaffee. Er fluche leise, weil er sich die Finger an der Blechkanne verbrannt hatte, und griff mit den schmerzenden Fingerspitzen nach seinem Ohrläppchen.

„Von allen Indianern, die hier Pelztiere jagen, würde keiner auf das Tier schießen, von dem er in einem Traum seinen Namen empfangen hat. Es ist nicht ganz einfach, den alten Medizinmann zu verstehen, aber er lebt nun einmal nach besonderen Gesetzen. Er glaubt, er würde einen Fluch auf sich laden, wenn er einen Wolf tötet.“

Charlie goss sich selbst einen Becher Kaffee ein, verbrannte sich dabei die Finger der anderen Hand an der Kanne und griff wieder nach seinem Ohrläppchen. Missmutig blickte er auf den Ofen nieder, dann wandte er sich Tom zu.

„Aber vielleicht kann der Wolfsjäger deinem Großvater die Furcht vor den Geistern nehmen.“

„Was für ein Wolfsjäger?“, fragte Tom.

„Du weißt doch, dass die Wolfsrudel in diesem Herbst sehr früh nach Süden gewandert sind. Für die Farmer in diesem Gebiet sind sie eine gefährliche Plage. Da man aber in dieser unwegsamen Gegend einem Wolfsrudel weder zu Fuß noch im Pferdesattel folgen kann, haben die Farmer zwischen Indian River und Chapmans Landing einen Berufsjäger geholt, der Wölfe vom Hubschrauber aus jagt.“

„Davon habe ich schon gehört“, antwortete Tom. „Diese Jäger bekommen eine Prämie für jeden erlegten Wolf. Wann kommt der Hubschrauber?“ Er blies auf seinen Kaffee und trank vorsichtig in kleinen Schlucken.

„Im Laufe dieses Vormittags, denke ich. Jedenfalls stand das in dem Telegramm, das ich aus Sioux Lookout bekommen habe. Ich musste nämlich erst genügend Sprit für den Helikopter aus Indian River heranschaffen.“

„Den Hubschrauber hätte ich gerne gesehen“, gestand Tom. „Aber ich glaube, wenn er kommt, werden Großvater und ich wohl schon wieder den Fluss hinauf paddeln. Großvater hält es nie lange an einer Stelle. Immer hat er Angst, der Wolfsgeist könnte ihn einholen — und so ist er ständig auf der Flucht.“

„Warum tust du ihm nicht den Gefallen und nimmst die Wolfs-Medizin aus seinen Händen, Tom?“, fragte Charlie Donovan. „Wenn du nicht daran glaubst, brauchst du dich auch nicht zu fürchten — und dem alten Mann wäre eine schwere Last von der Seele genommen. Ich kenne Shing Wauk, solange ich zurückdenken kann. Er ist ein seltsamer Mensch, aber ich habe viel für ihn übrig. Ich möchte nicht zusehen, wie die Furcht vor Geistern ihn langsam um seinen Verstand bringt.“

„Ich will es nicht!“, stieß Tom heftig hervor. „Ich hasse diesen dummen Aberglauben. Ich will es nicht tun, und ich werde es auch nicht tun.“

Charlie Donovan zuckte mit den Schultern. Er sagte kein Wort, aber in seinem Gesicht stand deutlich geschrieben, wie er über diese Sache dachte. Tom merkte es und fühlte zornigen Trotz in sich aufsteigen. Er öffnete schon den Mund, um noch etwas hinzuzufügen, aber ein Laut, der von draußen hereindrang, ließ ihn verstummen. Es war Motorengeräusch.

„Das kann doch noch nicht der Hubschrauber sein“, wunderte sich Charlie Donovan, griff nach seiner Jacke und einer pelzgefütterten Mütze, wie Sportfischer sie im Winter tragen, und trat vor die Tür.

Ein Land Rover kam mit brummendem Motor den Weg am Fluss entlang. Er holperte heran, in der klaren Morgenluft eine dünne Staubfahne hinter sich herziehend, und hielt vor der Handelsstation.

„Na, wenn das nicht George Keeley, Peter und Chub sind!“, rief Charlie Donovan. „Hallo, George, was führt euch denn so früh am Morgen hierher? Kommt herein und frühstückt mit uns. Es gibt Pfannkuchen mit Ahornsirup.“

Tom knöpfte seine Jacke zu und blieb nahe der Tür stehen. Aus dem Jeep, dessen Tür das kanadische Ahornblatt und die Aufschrift ,Forest Rangers - Indian River, Canada' trug, stieg ein hochgewachsener, breitschultriger Mann in lammfellgefütterter, kurzer Lederjacke, hohen Schaftstiefeln und einer Uniformmütze auf dem Kopf.

---ENDE DER LESEPROBE---