Wolfsmacht - Daniel Boyer - E-Book

Wolfsmacht E-Book

Daniel Boyer

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Beschreibung

Die Menschen bekamen meinen Hass zu spüren. Es begann wie ein lauer Wind, der sich zu einem wahrhaftigen Sturm entwickelte. Doch etwas Neues half mir aus dem Dunkel. Zahlreiche Wiedervereinigungen ließen mein Gemüt aufleuchten. Doch das Böse wartet nicht und beginnt sich über die Ebene der Menschen – Midgard – auszubreiten. Ragnarök ist seit Langem vergangen. Ich bin Fenrir, ein Bote der Götter, Sohn des Loki und Bringer des Fimbulvintar. Wer sich an meiner Familie vergreift, wird unweigerlich ausgelöscht. Ich kenne kein Erbarmen. Mit guten Freunden gesegnet, strebe ich meinem Schicksal entgegen. Eine Zeit des Krieges wird erneut über die gesamte Welt hereinbrechen. Der Aufmarsch der Monsterkönigin ist gekommen und ihre Heerscharen ergießen sich wie eine Flut über die östliche Welt. Allein der Klang ihres Namens, getragen von den Klängen der Winde, ausgesprochen in flüsternder Manier, flößt nicht nur mir unsagbare Furcht ein. Der Feind der Götter, machtvoll und als der Ursprung alles Bösen bekannt – Emarakiul.

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Seitenzahl: 650

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Nachdruck oder Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Verlages gestattet. Verwendung oder Verbreitung durch unautorisierte Dritte in allen gedruckten, audiovisuellen und akustischen Medien ist untersagt. Die Textrechte verbleiben beim Autor, dessen Einverständnis zur Veröffentlichung hier vorliegt. Für Satz- und Druckfehler keine Haftung.

 

 

 

Impressum

 

Daniel Boyer

»Wolfsmacht«

 

www.edition-winterwork.de

© 2024 edition winterwork

Alle Rechte vorbehalten.

Satz: edition winterwork

Umschlag: edition winterwork

Lektorat: Birgit Rentz, http://www.fehlerjaegerin.de/

 

Druck/E-BOOK: winterwork Borsdorf

ISBN E-BOOK 978-3-98913-127-9

Wolfsmacht

 

 

Daniel Boyer

 

 

 

edition winterwork

Prolog

 

Eine Wüstenlandschaft. Die Sonne brannte auf die Erde herab. Vereinzelte abgestorbene Baumgerippe standen in dieser trostlosen Wüste weit voneinander entfernt. Hier gab es kein Leben mehr. Die unerträgliche Hitze hatte dieses vom Angesicht der Erde getilgt. Ein Sandsturm kam auf und entwurzelte eines dieser Baumgerippe, das einst ein Olivenbaum gewesen war. Nach einiger Zeit legte sich der Sturm und gab den Blick auf einen Altar frei. Wie aus dem Nichts war er aufgetaucht. Rechteckig und drei Schritt hoch auf einem Podest, schien dieser, aus einem unbekannten Material bestehend, über dieses trostlose Land zu gebieten. Auf den ersten Blick sah dieser Altar – fünf Schritt in der Breite und zwei Schritt in der Länge – so aus wie eine Platte aus weißem Sandstein, die unbeweglich in der Luft hing. Durch die Hitze war diese Platte so heiß geworden, dass die Luft darüber zitterte und Schlieren zog. Völlig überraschend begann die Atmosphäre über der Altarplatte zu vibrieren. Nein, sie begann sich regelrecht zu verzerren. Bog sich hin und her, als würde der Raum von einer unbekannten Energie zerrissen werden. Nach einer Weile begann sich der Raum zu öffnen und es entstand ein schwarzes, rundes und undurchsichtiges Portal von fast fünf Schritt Durchmesser. Ohne Übergang versuchte etwas aus dem Portal zu entkommen. Auf der schwarzen und schimmernden Oberfläche des Portals entwickelte sich in rasender Geschwindigkeit eine Wölbung. Aus dieser bahnte sich eine eiserne Spitze, die rasch zu einer axtähnlichen Klinge anwuchs. Schnell war ersichtlich, dass es sich um eine Kreuzung zwischen Axt und Speer handeln musste, doch das Material, aus dem das Klingenblatt und der Schaft bestanden, war unbekannt. Eine starke und narbenverzierte Hand, die die Mordwaffe hielt, glitt nun gleichwohl mit dem Schaft aus dem Portal, gefolgt von einem mächtigen dunkelhäutigen Krieger, der Rankar körperlich weit in den Schatten stellte. Seine Augen erweckten den Anschein, alles durchschauen zu können. Sie waren von einem mächtigen Gelb. Nach dem Krieger durchschritt ein großer männlicher Löwe das Portal. Gemeinsam sprangen sie von der Altarplatte herunter. Einige Schritte vor dem Portal positionierte sich das Paar und sank auf die Knie. Der Krieger und der Löwe schienen die brutale Hitze der Wüste nicht wahrzunehmen. Der Oberkörper des Kriegers war nackt und auf seiner fast schwarzen Haut bildeten sich zusehends kleine Schweißperlen, je länger er dort bewegungslos vor dem schwebenden Portal kniete. Offenbar fürchtete er sich vor weiteren Neuankömmlingen. Es verging eine ganze Weile, bis sich die Oberfläche des Portals wieder regte. Nach einer gefühlten Ewigkeit durchschritt ein anmutiges Paar dieses Weltentor. Es waren eine Frau mit dunkler Haut, die Ebenholz glich, und ein Mann mit derselben Hautfarbe. Blaue, rote, gelbe und grüne lange Tücher bedeckten ihre Körper und wiegten sich in der aufkommenden leichten Brise. Auch diese zwei sprangen anmutig von der Altarplatte und nahmen an der Seite des knienden Kriegers Aufstellung. Die Lippen des Mannes bewegten sich und die Frau antwortete auf diese Lippenbewegungen, doch aus beiden Mündern drang kein Laut. Hinter dem Paar erschienen Hunderte kleinere Portale, aus denen Aberhunderte dunkelhäutige Soldaten mit allerhand fremdartigen Waffen und Rüstungen schritten. Mit höchster Disziplin begann sich die Armee in dem kargen Wüstengebiet aufzustellen, ohne dabei Staub aufzuwirbeln. Alle Bewegungen waren von höchster Präzision. Dann endlich, als sich die Armee aus fast viertausend Soldaten in Reih und Glied aufgestellt hatte, erzitterte das große Tor auf der steinernen und schwebenden Platte ein weiteres Mal. Eine machtvolle Existenz trat aus dem schwarzen Portal heraus. Mit ihrem Auftauchen verstärkte sie die Sonne für einen kurzen Moment. Doch dann hob sie aus heiterem Himmel die behandschuhte Hand und die Macht der Sonnenstrahlen nahm abrupt ab. Es war der Herr des Todes und der Pest, der Kriegsgott, der die vernichtende Sonnenhitze verkörperte, sodass ihm siechende Seuchen und Krankheiten zugeschrieben wurden. Er befand sich auf dem unteren dritten Weltenrang und war in seinem Teil der Welt, in seiner Götterfamilie, das mächtigste Wesen. Nach ihm traten zwei weitere Männer mit fast schwarzer Hautfarbe aus dem Portal und knieten sich wie der Krieger mit dem Löwen vor ihm in den Dreck.

»Meine Familie! Bitte steht doch wieder auf. Ich bin nur zurückgekehrt, um euch die neuesten Entwicklungen mitzuteilen«, sagte Nergal mit sanfter Stimme. »Vater! Mutter! Ich habe gute und auch schlechte Nachrichten aus der anderen Welt für euch.« Erst machte sich Freude im Gesicht des Gottes breit, doch diese verflog genauso schnell, wie sie gekommen war. Nun hielt Trauer Einzug.

»Hast du deine Aufgabe erledigen können, mein Sohn?«, fragte ihn der bunt gekleidete Mann namens Enlil. Seine Frau Ninlil schürzte die Lippen. Es schien, als wollte Nergals Mutter erst den Grund für die Freude ihres Sohnes erfahren, doch sie wusste, dass die Mission wichtiger war.

»Ja, Vater. Ich habe in Helheim das Siegel des Versteckes gelockert.«

Enlil nickte dem Kriegsgott dankbar und freundlich zu. »In der Zwischenzeit habe ich unsere Armee aufgestellt und werde sie deinem Kommando unterstellen«, sagte er mit dunkler Stimme. Der Gott sprach in sachlichem Ton zu seinem Sohn. Abrupt änderte sich jedoch seine Tonlage. Neugier war herauszuhören, als er Nergal fragte, was es denn Freudiges zu berichten gebe.

»Ich habe endlich eine Frau gefunden, die meiner Aufmerksamkeit würdig ist.«

»Wer ist es?«, fragte seine Mutter aufgeregt.

»Es ist … die Göttin der …« Nergal zeigte seine Freude offenkundig.

Sichtlich überrascht ließ sich sein Vater vernehmen: »Aber du weißt, dass es schwierig werden wird. Du weißt, dass du nicht in die andere Welt gehörst, und du weißt auch, dass die Ursprünglichen deinen Aufenthalt dort nur genehmigt haben, weil es notwendig ist.«

Nergal wusste, worauf sein Vater hinauswollte. Nach dem Krieg, gleichgültig ob es ein Sieg oder eine Niederlage sein würde, müsste er die andere Welt wieder verlassen. Diese bedeutete eine andere Zeitlinie, die Vergangenheit. Nergal war mit reichlich Macht gesegnet. Er war dazu auserkoren, die Vergangenheit zu unterstützen und den Lauf der Geschichte zum Besseren zu wenden. Das Buch der Schatten war leer gewesen und das höchste Wesen hatte den Rat der Sieben zusammengerufen, damit die Zukunft nicht leer bleiben würde. Nur aus diesem Grund war es dem Gott gestattet worden, die Reise in die Vergangenheit anzutreten. Natürlich musste er seine Identität verbergen und nur zwei Wesen dieser Zeitlinie waren eingeweiht. Doch auch sie waren dazu verpflichtet, allen anderen Wesen mit Unwissen zu begegnen.

»Wurde das Siegel der Gewissenlosigkeit, unser Ursprung, aufgehoben?«, fragte der Krieger mit dem Löwen den Herrn des Todes.

»Ja, mein Freund. Erst dort erhielt ich die Erlaubnis, meine verborgenen Kräfte zu zeigen.«

»Mit den hier Anwesenden werden wir die Vergangenheit ändern und …«

Nergal hörte seinem Bruder Ninurta nicht mehr zu. Er sehnte sich nach der ungewöhnlichen, aber befriedigenden Wärme seiner neuen Freundin. Dabei wusste er ganz genau, dass dies ein beinahe unerreichbares Ziel war. Der Sieg war kaum in Aussicht, dennoch sah der Gott den bevorstehenden Schlachten mit Freude entgegen. Nur so konnte er seine Brüder und Schwestern rächen, die durch den alten Feind, die Elasadri, vernichtet worden waren. »Ich werde euch rächen und dieses hässliche Miststück umbringen!«, grollte der mächtigste Gott seiner Zeit in die leere und zugleich volle Wüste.

 

 

Kapitel 1 – Aufstieg

#1

 

Da schwebte sie nun in unserer Mitte über dem Lagerfeuer. Aus meinen Augen lösten sich leise Tränen der Freude. Die Menschen waren ruhig geworden, gaben keinen Ton von sich, machten keine Geräusche. Selbst ihr Atmen war nicht zu vernehmen, als hätten sie alle damit aufgehört. Mir verschlug es die Sprache. Niemals hatte ich damit gerechnet, dass Jor so früh hier auftauchen würde. Anscheinend konnte meine Schwester es nicht abwarten, wieder mit mir vereint zu sein. Mehrere Tausend Jahre hatten wir uns nicht gesehen, doch ich erkannte Jormungandr sofort wieder. Die Macht, die sie ausstrahlte, war einzigartig.

»Hast du mir denn gar nichts zu sagen?« Ihre liebliche Stimme drang in mein Ohr, als würde sie direkt neben mir stehen. Keiner meiner Gefährten wagte es, auch nur ein Wort zu sagen.

Nach einigen Augenblicken hatte ich meine Stimme wiedergefunden und flüsterte Jor ganz leise zu: »Ich habe dich so sehr vermisst. Bitte bleib bei mir und geh nie wieder fort.«

Rani schaute verwundert zu mir hoch, hob ihre Linke und wischte mir die Tränen vom Gesicht. Die Frau im blauen Kleid beobachtete das Ganze genauestens. Mein Blick machte ihr deutlich, dass ein Platz an meiner Seite für sie immer frei sei. Doch es gab ein Wesen in unserer Runde, das seinen Blick nicht von meiner Schwester abwenden konnte. Eigentlich hätte es mich stören und mich überaus wütend machen müssen, doch bei diesem Wesen ließ ich das Interesse durchgehen. Wäre es hart auf hart gekommen, hätte ich sowieso keinen Stich gegen diese Person gesehen.

»Also gut, mein Bruder«, antwortete Jor. »Ich werde wie in unseren Kindertagen an deiner Seite weilen. Auch möchte ich meinen Neffen kennenlernen, den ich leider noch nie gesehen, von dem ich aber gehört habe.«

»Ja, natürlich. Komm, setz dich zu mir!« Noch immer war ich überrascht und ein jeder musste es mir deutlich ansehen. In meinem Geist suchte ich noch nach passenden Worten, als ich bereits zu sprechen begann.

Jor sah mich an und lachte laut los. Ach, wie sehr habe ich ihr Lachen vermisst! Schließlich lachte auch ich, verhielten wir uns doch immer noch wie Kinder. Mit eleganten Schritten flog meine Schwester durch die Luft und stieg eine unsichtbare Treppe hinunter auf den Boden. Jede ihrer Bewegungen strahlte Kraft und Eleganz aus. Nachdem Jormungandr sich neben mich auf den feuchten Boden gesetzt hatte, atmete sie tief durch. Das hatte sie schon als kleines Mädchen getan.

»Ich wollte euch nicht unterbrechen. Fenrir, du scheinst diesen machtvollen schwarzen Ritter zu kennen. Ich kann kaum glauben, dass du eine kleine, aber schlagkräftige Truppe um dich versammelt hast. Ausgerechnet du als Einzelgänger!«, sagte sie mir direkt ins Gesicht. Da ich mich in meiner Tiergestalt befand, setzte ich weder eine verwirrte noch eine peinlich berührte Miene auf, doch meine Schwester durchschaute mich, das wurde mir bei ihrem Anblick klar. Mir entfuhr ein tiefer Seufzer. Jor war aber noch nicht fertig, das sah ich an ihrer Aura.

»Also, dann werde ich mich einfach einmal vorstellen. Ihr alle habt es bereits gehört: Ich bin die Schwester dieses grauen Wolfes hier. Mein Name ist Jormungandr – für meine Familie auch einfach Jor. Bekannt bin ich in Midgard als die Weltenschlange oder eher als die Midgardschlange.« Sie sah von einem zum anderen, bis ihr Blick an Rani haften blieb. Plötzlich begannen ihre Augen in einem tiefen Blau zu flimmern. Das überraschte mich, denn als wir getrennt worden waren, hatte Jormungandr den magischen Blick noch nicht beherrscht.

Meine Freundin verspürte keine Angst, sicher konnte sie sich den Grund des Flimmerns denken. Die anderen anwesenden Menschen hingegen fühlten sich augenblicklich unwohl. Mein alter Freund Bronos verhielt sich still. Er schien meine Schwester genauestens zu beobachten. Ich nahm an, dass er bisher noch nicht allzu viele höhere Wesen kennengelernt hatte.

Nach einigen Augenblicken hörten die Augen der Midgardschlange auf zu flimmern. Die blauen Flammen verschwanden aus ihren wunderschönen Augen.

»Mein Bruder. Ich gratuliere dir zu deiner neuen Partnerin. Anscheinend hast du sie zu einem Teil unserer Familie gemacht.« Jor schien Rani als meine Freundin anzuerkennen. Dies erleichterte mich ungemein. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was gewesen wäre, wenn Jor meine Partnerin nicht gemocht hätte.

Mein Blick wanderte hinunter zu Rani, die kein Wort herausbrachte. »Dann erzähle ich einfach weiter«, sagte ich liebevoll zu Jor. »Ich denke, dass du gerne etwas über meine vergangene Zeit hier in Midgard hören möchtest.«

»Nun, Fenrir, fahre ruhig fort«, erwiderte meine Schwester, »doch der goldene Wolf hier scheint regelrecht verzaubert von mir zu sein. Auch der schwarze Krieger wirkt interessiert.« Sie ließ ein amüsiertes Lachen ertönen.

Skalli fand als Erster die Sprache wieder. »Vater, ist das wirklich meine zweite Tante? Du hast nie etwas von ihr erzählt!«

»Was?« Jor sah mich fragend an. »Wirklich nicht? Ach, Fenrir … Was hast du dir denn nur dabei gedacht? Aber verstehen kann ich es irgendwie schon … Dennoch … wer ist der Goldene überhaupt?«

Eigentlich müsste Jor das ganz genau wissen, aber na ja.

»Ich freue mich, dich zu treffen, Tante Jor. Ich bin Skalli und gelte als der Sonnenverschlinger.«

»Ich freue mich darauf, endlich meinen Neffen kennenzulernen, doch diesen ganzen Trubel erledigen wir am besten, wenn wir wieder unterwegs sind. Erst einmal möchte ich gerne wissen, was mein Bruder noch so zu erzählen hat.« Jor wandte sich an Skalli und schmunzelte. »Ich denke, dass Fenrir, wenn er sich seit damals nicht geändert hat, nie wirklich viel aus seiner Vergangenheit erzählt hat.«

Lachend schüttelte ich den massigen Wolfskopf. Die Menschen hatten geduldig darauf gewartet, dass ich meine Geschichte fortsetzte, und das sollte nun auch geschehen, doch Rankar hatte noch etwas zu besprechen, so schien es mir zumindest. Also ließ ich den Gesegneten gewähren. In seinen Armen lag die Elfe und hatte die Augen geschlossen. Anscheinend konzentrierte sich Amari einzig und allein auf den Herzschlag ihres Freundes. Nein, sie schien vor Erschöpfung eingeschlafen zu sein und von der Ankunft meiner Schwester nichts mitbekommen zu haben. Rankar würde keinen Zoll von der Seite der Elfe weichen, dessen war ich mir sicher.

»Fenrir. Kannst du Amari ein wenig Macht einflößen, sodass sie vor morgen früh nicht aus ihrem Schlaf erwacht? Ich will, dass meine Kleine sich vollständig erholt.« Er bat mich um einen gewaltigen Gefallen und ich zögerte zunächst. Rani strafte mich mit einem wütenden Blick, also nutzte ich einen speziellen Zauber, den ich auch ihr gegenüber bereits angewendet hatte.

Anschließend wandte sich Rankar an den alten Fürsten. Als Bronos vorhin erwähnt hatte, dass Nirgenfeld sein Ziel sei, war der alte Kriegsherr hellhörig geworden. »Nach Nirgenfeld? Da wollen wir auch hin!«, begann er. »Dann kannst du doch mit uns reisen, ähm … Ich weiß deinen Namen noch gar nicht.«

»Entschuldigt bitte, wo sind denn nur meine Manieren geblieben? Mein Name ist Bronos. Einfach nur Bronos. Fenrirs Freunde sind auch meine Freunde, ungeachtet meines Status«, sagte der schwarze Ritter lächelnd. Mittlerweile waren seine Haare dreckig-blond und für meinen Geschmack etwas gewöhnungsbedürftig.

Bronos bemerkte meinen fragenden Blick. »Das passiert im Alter nun mal. Ich denke, dass mein Haupt in weiteren zweitausend Jahren weiß sein wird«, sagte er mit einem Grinsen im Gesicht. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Jor überrascht eine Augenbraue hob. Sie schien gar nicht bemerkt zu haben, welch starke Macht meinem alten Freund innewohnte. Alle Menschen, die um uns herum versammelt waren, staunten. Wirklich alle staunten, sogar Rani und ihrem Vater Rankar klappte die Kinnlade herunter.

»Fenrir, wie lange ist es denn jetzt schon her seit unserer letzten Reise?« Der schwarze Krieger schien nachzudenken. Er legte die Stirn in Falten, was ich gar nicht von ihm kannte.

»Ich denke, das müssen knapp … eintausenddreihundert Jahre sein!«, rief ich erstaunt. »Wie die Zeit vergeht. Ich erinnere mich noch daran, als wäre es gestern gewesen.« Hier in Midgard schritt die Zeit nach meinem Empfinden wirklich schnell voran. War es tatsächlich schon so lange her, dass ich mit ihm auf Reisen gewesen war? Ich konnte es kaum glauben.

»Jetzt noch mal langsam, Bronos, damit wir es auch verstehen«, bat Rani. »Wie kann das sein, dass du so alt bist?«

Zustimmende Rufe erklangen aus den Reihen der Menschen. Inzwischen hatte sich eine große Anzahl Soldaten um uns versammelt. Ein jeder wollte mithören.

Allen voran dem Kommandanten der Menschen, Urolog, standen die vielen Fragen deutlich ins Gesicht geschrieben. »Nun, eigentlich will ich erst einmal wissen, wer du bist, Fenrir?«, sagte er und maß mich mit einem fragenden Blick.

Stimmt ja! Ich habe es niemals auch nur erwähnt, dass ich zu den alten Göttern gehöre.

»Nun, ich bin der Gott aller Wölfe und erster Sohn des Loki«, antwortete ich. Meine gesamten Titel wollte ich nicht herunterrattern. Alle Menschen, die es noch nicht gewusst hatten, starrten mich mit offenem Mund an. Rankar und Rani mussten die Männer erst einmal aufklären, wer Skalli und ich wirklich waren.

Der Kriegsherr hörte geduldig zu und nickte schließlich. Sein Blick wanderte erst zu den alten Fürsten und anschließend zu meiner Schwester. »Dann ist ja alles in Ordnung. Und dieser Bronos hier ist wahrscheinlich auch so ein Gott, nehme ich an. Und die bezaubernde junge Dame dort im blauen Kleid wird ebenfalls eine Göttin sein.«

»Nein, ich bin kein vollwertiger Gott«, warf Bronos ein. »Ich bin ein Halbgott, so wie Skalli auch. Außerdem fließt kein Menschenblut durch meine Adern. Ich gehöre einem sehr alten Volk an. Wir sind nicht mehr viele. Vielleicht nur noch knapp siebentausend«, sagte mein Freund mit trauriger Stimme.

Stellte sich Bronos wirklich auf die Stufe eines gewöhnlichen Halbgottes? Er stand doch in Rang und Macht über mir. Vorstellen, dass er es nicht besser wusste, konnte ich es mir nicht. Verschwieg er diese Tatsache absichtlich? Als hätte der alte Fürst der Rogo meine Gedanken gelesen, sah er mich entschuldigend an. Der Halbgott verschwieg es tatsächlich! Aber mit seiner Entscheidung musste ich leben und diese auch akzeptieren. Sein Weltenrang war nun mal höher als meiner.

»Dann habt ihr euch nicht wirklich erholt …«, knurrte ich.

Bronos versuchte sich an einem Lächeln, doch er scheiterte kläglich.

»Und auch ich bin keine Göttin im herkömmlichen Sinne. Einerseits kann man meine Macht mit der eines vollwertigen Gottes vergleichen, doch ich befinde mich tatsächlich zwischen dem Rang der Halbgötter und dem der vollwertigen Götter. Es ist ein wenig knifflig, anders kann ich es jedoch nicht beschreiben.« Streng sah die Midgardschlange in die Runde, bis ihr Blick an meinem Gesicht haften blieb. Wirklich überrascht war ich nicht, denn genau dies hatte ich bereits geahnt. Also befand sich ihr Aufstieg in Arbeit und ich konnte mir denken, wer diesen genehmigt hatte.

Um nicht allzu sehr aufzufallen, behielt ich meine Gedanken für mich. Ich hatte vor vielen Hundert Jahren nur einmal davon gehört, dass Jor den Titel der Königin der Meeresschlangen von einem Wesen erhalten hatte, das über mir stand. Der Aufstieg in einen höheren Weltenrang war überaus selten und fast unmöglich zu erreichen. Bisher hatte ich nur ein weiteres Wesen kennengelernt, das eine solche Erlaubnis erhalten hatte. Doch bevor man einen solchen Aufstieg in Angriff nehmen konnte, musste man eine gewisse Macht erlangen. Und diese hatte sich Jor augenscheinlich angeeignet. Der Stolz auf meine Schwester war kaum in Worte zu fassen.

»Fenrir, was meinte Jormungandr damit, dass du mich als Teil deiner Familie ansiehst?«, fragte mich Rani plötzlich.

Mit einem liebevollen Blick sah ich ihr in die Augen. Für einen kurzen Moment wuchs mein Verlangen nach ihr ins schier Unermessliche, doch ich hatte mich schnell wieder unter Kontrolle, ehe ich meiner Partnerin antwortete.

»Da wir uns vereinigt haben, einander lieben und dies auch in die Welt tragen, sind diese Ereignisse ausreichend, dass ich dich als einen wichtigen Teil meiner Familie ansehen darf. Es gibt einige Gesetze, die die Sieben vor Urzeiten aufgestellt haben. Ebendiese sind von allen Göttern strengstens einzuhalten. Anderenfalls drohen Strafpredigten, im schlimmsten Fall sogar die Existenzauslöschung. Für dich ist nur wichtig, dass du nun zu meiner Familie gehörst«, erklärte ich ihr liebevoll.

Rani lächelte, strich sich eine Strähne ihres schwarzen Haares aus dem Gesicht und küsste meine feuchte Nase mit ihren zarten Lippen. Die anderen Menschen, die Zeuge dieses unumstößlichen Liebesbeweises wurden, sprachen leise miteinander, sodass es sich wie ein Raunen anhörte. Eine leichte Brise kam auf und ließ das Feuer in unserer Mitte flackern. Holzscheite nachlegend, beugte sich ein Soldat vor und verbrannte sich beinahe die Hand. Der Mann wagte es nicht, auch nur einen Laut von sich zu geben.

Ein Wesen in unserer Runde konnte die romantische Situation nicht mehr ertragen und wechselte prompt das Thema. »Wer ist eigentlich älter, Elfareg oder ich?«, fragte mein Sohn mich neugierig.

Die Frage wurde von meinem guten Freund beantwortet. »Skalli, du bist auf jeden Fall älter als mein Schüler hier. Ich war sogar bei deiner Geburt dabei, musste dann aber bald weiterziehen. Das Volk, zu dem ich gehöre, brauchte meinen Rat, meine Führung und meine Macht. Deine Mutter habe ich auch gekannt. Sie war ein wunderschönes Geschöpf«, sagte Bronos in Erinnerungen schwelgend.

Rani verkrampfte sich in meinem Fell, doch ich ignorierte ihre Reaktion. Sie musste lernen, dass es vor ihr ein Wesen gegeben hatte, das niemals aus meinem Herzen verschwinden würde.

»Wenn ich mich recht erinnere, war Leila eine magische weiße Wölfin, die den Titel einer Königin innehatte«, sagte der alte Fürst mit Freude in der Stimme. »Dementsprechend brauchte man sich auch nicht mit ihr zu messen. Aber vor allem war Leila eine liebevolle Mutter. Sie hatte mich als den Onkel ihrer Kinder akzeptiert, obwohl ich von einer ganz anderen Spezies abstamme. Skalli, deine Mutter war das weltoffenste Wesen, das ich bis heute kennenlernen durfte.«

»Ja, das war sie. Meine Zeit mit Leila war wunderschön. Wenn sie doch nur noch leben würde …« Ich hielt inne, setzte aber noch mal an. »Durch sie habe ich wahres Glück erfahren, ebenso wie ich den dunkelsten Hass kennengelernt habe. Als man sie mir wegnahm, brach eine Welt für mich zusammen. Drei der alten Götter stiegen herab und wollten mich für meine grausamen Taten an den Menschen bestrafen. Dies taten sie auch und fesselten mich mit Gleipnir. Leider sind sie alle schon lange tot.« Ich erzählte noch ein wenig weiter und meine Stimme veränderte sich stetig. Mal war sie von ungeheurer Trauer erfüllt, mal von tief sitzendem Hass.

Skalli hörte stumm zu, hatte er doch das meiste aus seiner Vergangenheit längst vergessen.

Rani blickte mit Tränen in den Augen zu mir hoch. »Das wusste ich alles gar nicht. Und, Fenrir … Jetzt, da du so viel erzählt hast, kann ich gar nicht mehr eifersüchtig auf Leila sein.«

Dennoch erzählte ich nicht alles. Den Tod meiner damaligen Frau ließ ich weg. Würde ich darüber sprechen, könnte ich meinen Hass nicht mehr zügeln und würde hier die gesamte fürstliche Armee auslöschen.

Bronos schien meine Gedanken gelesen zu haben, denn er wechselte das Thema. Auch Jor hielt sich zurück. Sie legte ihre Arme um meinen Hals und bettete meinen massigen Kopf auf ihren Schoß. Ich war flankiert von zwei wunderschönen Frauen, die mich innig liebten. In diesem Moment verspürte ich wahre Freude und Ruhe. Die Sonne war schon seit einer Weile hinter den Bergen und Hügeln Midgards verschwunden. Knisternd und hungrig fraß sich das Feuer ins Holz und ließ es ein paar Mal laut knacken. Funken stoben in den Nachthimmel. An unserem Lagerfeuer herrschte gespannte Stille. Mit feuchten Augen lauschten die Menschen unseren Geschichten. Niemals hätte ich zu träumen gewagt, wieder friedlich mit ihnen an einem Feuer sitzen zu können. Mein alter Freund sah zu mir herüber und sein Blick verriet, dass er zu spannenden Geschichten bereit war.

#2

 

»Fenrir, erinnerst du dich noch an damals, als wir beide zum ersten Mal zusammen gefochten haben?«, fragte Bronos und es wurde noch stiller, als es ohnehin schon war. Die Augen der Anwesenden waren auf uns gerichtet. Skalli, Rankar und auch die beiden Frauen an meiner Seite hielten den Atem an. Sie alle wussten, dass es eine solche Gelegenheit, in der ich Geschichten aus längst vergangenen Zeiten zum Besten gab, wohl kaum wieder geben würde. Sogar Elfareg spitzte die Ohren.

»Oh ja, das weiß ich noch sehr gut. Ich habe damals das Vieh regelrecht zerrissen«, grinste ich. »Zumindest habe ich es versucht.«

»Ja, meine Partnerin Elna konnte gar nicht so schnell gucken, wie wir beide den Dämon vernichtet haben.«

Als ich mich an den Kampf gegen dieses Ungetüm erinnerte, schloss ich kurz die Augen. Bis heute war ich mir nicht sicher, ob diese Monster Soldaten der Götterschlächterin gewesen waren. Die Möglichkeit bestand natürlich, dennoch würde ich es auf keinen Fall begrüßen. Ich hoffte inständig, dass Emarakiul niemals wieder in die Ebene der Menschen eindringen würde. Mit absoluter Sicherheit wusste ich, dass auch alle anderen Götter einen solchen Krieg auf keinen Fall herbeisehnten.

»Wie sah der Dämon denn aus?«, fragte mich Rani und nahm einen Schluck aus ihrem Horn. Mit ihrer Frage riss sie mich aus meinen Gedanken. Insgeheim dankte ich ihr dafür.

»Das Ding war fast doppelt so groß, wie ich es jetzt bin, hatte riesige Hörner auf seiner Stirn und lief auf zwei Beinen. Die Arme endeten in auffallend großen Krallen. Seine schuppige Haut war pechschwarz und sein Atem roch nach fortwährender Verwesung. Kurze, nadelartige Auswüchse befanden sich auf dem Rücken des Untiers«, beschrieb ich das Wesen. »Ich weiß noch, wie es uns mit schneeweißen Augen angefunkelt hat. Damals war ich noch so verbohrt und stolz, dass mich dieses Funkeln zur Weißglut brachte. Also stürmte ich auf das Wesen zu, sprang es an und wollte zubeißen, doch dessen Haut war steinhart. Ich, der auch als Kettensprenger bekannt ist, konnte mit meinen Fängen die schuppige Haut nicht durchdringen. Im ersten Moment verfiel ich fast in Schockstarre und hinter mir hörte ich Bronos lachen«, sagte ich mit Erzählerstimme.

Die Menschen hörten mir gespannt zu. Auch Skalli und die anderen lauschten aufmerksam.

»Stolz und verbohrt bist du immer noch«, stichelte Rani, ihr Einwurf wurde aber von allen ignoriert. Nur meine Schwester kicherte leise in sich hinein.

»Ja, ich musste einfach lachen, denn du wusstest ja noch nicht, wie diese Monster zu bekämpfen sind«, erzählte Bronos weiter und wandte sich an die anderen. »Damals rief ich Fenrir zurück, dann zog ich mein Schwert, nahm meinen Schild vom Rücken, sprach einige Zauber und griff das Ding an. Zu Fenrir sagte ich, dass er die Beine nehmen solle, denn wir mussten diesen Dämon zu Fall bringen. Ich sprang derweil in die Luft und hieb dem Wesen mit einem einzigen Schlag ein Horn ab. Das Horn war fast so dick wie der Stamm einer jungen Eiche, den ein Mann mit etwas Mühe umfassen kann«, erzählte er.

Als ich mir das Wesen rückblickend vorstellte, wurde mir bewusst, dass es doch wirklich unförmig gewesen war. Ein Wunder, dass der Dämon auf zwei Beinen laufen konnte.

»Ich wiederum zerstörte die Waden und die Knöchel des Monsters. Nach einiger Zeit des Duckens und Ausweichens hatten wir es geschafft und der Riese ging wie ein gefällter Baum zu Boden. Nun mussten wir ihm nur noch den Rest geben.«

»Wir brauchten wirklich eine lange Zeit, um den Schrecken zu töten. Fenrir hatte einfach kein Glück. Gleich bei unserer ersten Reise ein solch mächtiges Wesen zum Feind zu haben …« Bronos blickte in die Runde und die erfahrenen Soldaten, die sich mit schwierigen Situationen auskannten, nickten mit wissendem Blick. In den Augen der jungen Männer hingegen las ich Naivität.

»Ihr müsst verstehen, dass solch mächtige Schrecken nicht so leicht zu vernichten sind. Gewöhnliche Waffen zerbrechen einfach an ihrer Haut. Die körpereigenen Waffen reißen gehärtetes Eisen auseinander wie Blätter. Ohne magische Verteidigungszauber ist es unmöglich, erfolgreich gegen solche Monster zu kämpfen. Meinen Kriegern bläue ich die effektivsten Kampftechniken immer wieder ein«, erklärte Bronos den Menschen.

Beeindruckt betrachtete ich meinen alten Freund, hatte ich es doch noch nie erlebt, dass er den Menschen etwas ernsthaft erklärte.

»Bronos, kannst du mir erzählen, wie du eine solche Macht erreichen konntest?«, erkundigte sich Jor.

»Leider kann und möchte ich hier in der Gegenwart von Menschen nicht allzu viel erzählen. Dennoch liegt es natürlich an der Ausbildung, die ich genossen habe«, sagte er mit einem schiefen Grinsen.

»Hm, schade. Das hätte ich nur zu gerne von dir erfahren«, nuschelte meine Schwester. Dann atmete sie vernehmbar ein und wieder aus. »Ich werde mich nun zurückziehen. Wir sehen uns morgen früh. Leider muss ich noch ein paar Dinge erledigen, die keinen Aufschub dulden.« Ein mörderisches Flimmern hatte sich in ihre Augen geschlichen. Wahrscheinlich wollte Jor die Schiffe, die sich noch auf dem Meer befanden, in die Versenkung schicken.

Zunächst bemerkte ich große Enttäuschung in den Gesichtern der jungen Männer, doch als sich Jormungandrs Blick wandelte, lag aufflammende Angst in der Luft. Als sich meine Schwester erheben wollte, hörte ich, wie Bronos Elfareg irgendetwas zuflüsterte. Danach erhob auch er sich. Seine schwarze Plattenrüstung begann bei jeder Bewegung leise zu klirren. Mit geübten Bewegungen gürtete er seine Waffe und ließ seinen Helm dematerialisieren. Dies war eine neue Magie, die ich in der Form noch gar nicht von ihm kannte. Auch Jor verfolgte die Zauberei mit gespannter Miene.

»Nun denn. Die Ehre eines Mannes gebietet es, eine junge Dame nicht allein durch die Nacht laufen zu lassen. Dementsprechend biete ich mich gerne als Begleitung an«, sagte Bronos höflich und verneigte sich kurz.

Ich glaubte nicht, was ich da sah. Der Halbgott, der mächtiger war als ich, hatte ein augenfälliges Interesse an meiner Schwester bekundet. Jor, die meine Mimik richtig deutete, konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Aus einer anderen Richtung vernahm ich ein leises Kichern und sah Rankar entgeistert an. Mein Sohn gluckste vor sich hin und Rani strich mir liebevoll über den Rücken.

»Ist das dein verdammter Ernst?«, fragte ich den alten Fürsten.

»Mein Bruder«, antwortete Jor stattdessen. »Lass ihn mich doch begleiten! Vielleicht kann er mir meine Frage dann besser beantworten. Und außerdem … Was geht es dich eigentlich an, mit wem ich spazieren gehe!« Die letzten Worte hatte mir die Midgardschlange genervt zugezischt.

Ich glaube, da bin ich zu weit gegangen. Leise knurrend stand ich auf und bettete meine Freundin auf meinen Rücken, da sie inzwischen tief und fest schlief. Ohne mich zu verabschieden, entfernte ich mich von den Menschen und bereitete mir in einiger Entfernung mit meiner Macht ein Nachtlager. Schon vor einer Weile waren mir die gierigen Blicke der Soldaten auf die Nerven gegangen.

Nachdem ich mich mit Rani zurückgezogen hatte, errichtete Elfareg für uns einen magischen Schild, der einen gewissen Schutz vor den Menschen bieten würde. »Auf Bronos konnte man sich schon immer verlassen«, murmelte ich leise vor mich hin. »Wenn ich ihm damals Bescheid gegeben hätte, wäre er unweigerlich gestorben.« Zumindest dachte ich mir dies. Auch hatte ich damals noch nicht gewusst, mit welchen Überraschungen Bronos noch aufwarten würde.

Rani bekam mein Gemurmel nicht mit. Sie schlief tief und fest an meiner Seite. Die Siegesfeier war zu Ende und die Armee löste sich auf. Viele Soldaten kehrten zu ihren Höfen zurück, weil sie sich um das Vieh und um ihre Familien kümmern mussten. Urolog verabschiedete sich von uns und meinte noch, dass er ein gutes Wort bei seinem Fürsten einlegen werde. Ich wollte noch einige Tage auf den Ebenen verbringen, um allmählich zur Ruhe zu kommen, und ich plante, mehr Zeit mit meiner Freundin zu verbringen.

 

Es war Herbst und an jenem Tag begegneten wir dem ersten Dämon seit Jahren. Gemütlich plaudernd spazierten wir einen Feldweg entlang. Neben uns plätscherte ein Fluss, bei dem man bis auf den Grund sehen konnte. Kleine Fische schwammen darin gegen den Strom an. Die Sonne wurde durch gelegentliche Wolkenfäden abgeschwächt und briet deshalb nicht so unbarmherzig auf uns herab. Rani ging neben mir. Ich hatte mich derweil an meine menschliche Form gewöhnt und auch Bronos schien diese zu begrüßen. Seitdem meine Schwester mit dem Fürsten bei Nacht über das blutige Schlachtfeld spaziert war, verstanden sich die beiden außergewöhnlich gut. Elfareg und Skalli hatten sich mittlerweile ebenfalls angefreundet und bezogen Rankar und Amari mit ein. Die vier übten gerne mal Kampftechniken und jeder lernte etwas von den anderen. Gerade Elfareg als Magieritter konnte seinen Mitstreitern einiges beibringen. Er öffnete sich immer mehr gegenüber den Menschen. Der junge Mann hatte anscheinend sehr viel Schlimmes durchmachen müssen.

Mir kam ein Gedanke. Hat Jor Bronos vorher schon einmal getroffen? Aber wenn dem so wäre, warum hat er mir nie davon erzählt?

»Sag mal, Bronos. Hast du meine Schwester vorher schon einmal getroffen? Vielleicht in der Zeit, in der wir uns nicht sehen konnten?«

Etwas widerstrebend wandte sich der alte Fürst von Jormungandr ab. »Fenrir … Ich merke an deiner Stimme, dass du eifersüchtig bist. Aber um deine Frage zu beantworten: Nein, ich habe deine Schwester noch nie zuvor getroffen und auch niemals von ihrer Existenz erfahren«, sagte er mit einem schiefen Grinsen.

Nun schaltete sich auch die Midgardschlange ein. »Mein Bruder. Zwischen mir und Bronos besteht keine romantische Beziehung. Wir verstehen uns einfach gut. Wir sind nur Freunde.«

Der Rogo begann laut zu lachen, doch ich fand das alles andere als witzig.

»Also wirklich … könnt ihr drei euch nicht einfach einig werden?«, fragte Amari plötzlich mit einem angesäuerten Unterton.

Ich knurrte nur, nahm meine Wolfsgestalt an und setzte mich an die Spitze unserer Truppe. Doch Bronos und Rani holten zu mir auf. Jor unterhielt sich mit Rankar und Amari. Irgendetwas schien dem Fürsten in der Atmosphäre nicht zu gefallen, allerdings fragte ich nicht nach.

Rani kletterte derweil wieder auf meinen Rücken. »Bronos, für dich muss das doch jetzt eine sehr ruhige Zeit sein, oder?«, fragte sie. Sie schien den alten Fürsten zu mögen.

»Wie meinst du das?«

»Nun, diese gefürchteten Schrecken tauchen scheinbar gar nicht mehr auf, oder?«

»Ach, so meinst du das … Ja, in letzter Zeit ist wirklich mal Ruhe eingekehrt. Noch vor dreihundert Jahren hatte mein Orden eine Menge zu tun. Jetzt können wir ausruhen und neue Kämpfer ausbilden. Das muss auch mal sein.«

Ich begrüßte es, dass Rani und Bronos sich gut verstanden.

»Ich möchte aber gerne mal so ein Wesen sehen.« Rani war neugierig geworden.

Ich beschloss, dass es an der Zeit war, mich einzuschalten. »Beschwör so ein Ding nicht herauf. Diese Viecher sind wirklich schlimm.«

Genau in diesem Moment öffnete sich vor uns ein schwarzes Portal. Etwas mehr als dreihundert Schritt vor uns hing es in der Luft.

»Scheiße!«, rief Bronos. Zischend zog er sein schwarzes Schwert aus der Scheide, nahm seinen ebenso schwarzen Schild vom Rücken und stürmte vor. Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Von Bronos’ Waffe ging eine schreckliche Aura aus. Besonders der Name der Klinge flößte jedem rangniederen Wesen große Furcht ein. Vor Jahrhunderten hatte Bronos mir ebenjenen nur ein einziges Mal genannt und ich hatte gehofft, dass die Magie für immer in der Waffe verbleiben würde.

Als Elfareg sah, dass sein Meister die Waffen gezogen hatte, tat er es ihm gleich. Auch ich beschwor meine Waffen herauf und folgte meinem Freund. Schwert und Schild materialisierten in meinen Händen, nachdem ich menschliche Gestalt angenommen hatte.

»Ihr anderen bleibt, wo ihr seid!«, rief ich unserer Gruppe zu. »Bereitet euch aber auf einen harten Kampf vor!«

Rani wollte mich begleiten, doch mein vernichtender Blick ließ sie an Ort und Stelle verharren. Augenblicklich schlich sich Angst in ihr Gesicht, denn meine Augen glühten purpurn. Sofort waren Skalli, Rankar und Amari bei meiner Kleinen. Mein Sohn bedeutete ihr aufzusteigen, was Rani unverzüglich tat. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass durch Jors Augen weiße Blitze zogen.

»Schwester! Du bleibst bei den anderen! Ich will nicht, dass du in den Kampf eingreifst!«, brüllte ich sie an. Meine Stimme war erfüllt von unterdrückter Wut. Bedächtig nickend gehorchte sie mir. Noch immer war ich ihr kleiner Bruder und ich sah mich in der Pflicht, sie zu beschützen.

Mit einer irren Geschwindigkeit stürzten wir drei Krieger auf das schwarze Portal zu. Als wir nach wenigen Herzschlägen gut die Hälfte der Strecke überwunden hatten, hielt Bronos abrupt an. Elfareg stellte sich rechts neben seinen Fürsten und ich mich links neben ihn. Gemeinsam sahen wir zum Himmel hinauf.

Dem Portal entstieg ein grauenhaftes Wesen. Auf allen vieren krachte es auf den Grasboden. Das Monster war ungefähr zehn Fuß hoch. Es hatte eine schuppige Haut, die stark nach einem Panzer aussah. Aus der Stirn ragten zwei Hörner, die sich leicht nach hinten bogen. Der Schädel war länglich und endete in einem Maul voller spitzer Zähne. Als das Wesen uns bemerkte, wuchsen Dornen aus seinem Rücken und sein langer Schwanz peitschte wild durch die Luft. Ein grünes Paar Augen funkelte uns wütend an.

»Siehst du die Aura?«, rief ich Bronos zu. Sie war tiefschwarz und mächtig. Wir stürmten nach vorn.

»Ja, ich habe sie gesehen. Das wird ein harter Kampf!« Bronos ließ seinen Schild verschwinden und sein Schwert verwandelte sich in ein riesiges Breitschwert mit rot glühender Klinge. Ich zuckte kaum merklich zusammen, als die schreckliche Magie des Schwertes zu wirken begann. Mit einem Knall war Bronos bei dem Dämon und schlug ihm eines der Hörner ab. Im Gegenzug wurde der alte Fürst mit einem Kopfstoß weit nach hinten geschleudert. Elfareg und ich stellten uns schützend vor ihn. Ich ließ meine Waffen verschwinden. An ihrer Stelle erschienen zwei gewaltige Streitäxte, die ich gekonnt herumwirbeln ließ. Um meine Muskeln zu lockern, vollführte ich einen tödlichen kleinen Tanz. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie die Menschen hinter uns das Geschehen mit weit aufgerissenen Augen verfolgten. Amari und Jor staunten nicht schlecht und auch mein Sohn glotzte wie ein Hund beim Grasfressen.

»Seit wann nutzt du Äxte?«, fragte mich mein Freund, als er endlich wieder auf die Beine kam. Blut lief ihm über die Stirn. Er hatte einen besonders harten Treffer einstecken müssen. Als der Dämon zugeschlagen hatte, war die magische Schutzbarriere mit Leichtigkeit durchbrochen worden. Gerade diese Wucht unterstrich noch einmal die Stärke des Monsters.

»Schon immer. Für schwierige Feinde nehme ich grundsätzlich Äxte, da meine Schwerter nicht dafür geeignet sind. Also, wie gehen wir es an?«

»Du und Elfareg werdet das Monster ablenken. Derweil bereite ich mich vor, um den Schrecken auszulöschen.« Als der Rogo meinte, dass er den Dämon auslöschen wollte, sah ich etwas wirklich Unheimliches in seinen Augen aufflammen. Innerlich war ich froh, dass der Halbgott auf unserer Seite war. Ich hatte ihn noch nie seine gesamte Macht nutzen sehen. Mir war bewusst, dass Bronos genau wie ich und viele andere höhere Wesen seine Macht durch verschiedene Siegel portionierte. Das war im Grunde nichts Schlechtes, doch er war dermaßen begabt im Umgang mit der Magie, dass man nie bis ins Detail sagen konnte, wie weit seine Macht reichte. Und genau das bereitete mir Unbehagen.

»Gut, dann werden wir es so machen«, sagte ich und ließ meinen Kräften freien Lauf. Um mich herum entstand eine graue Aura. Der Boden unter meinen Füßen begann zu knacken. Die Schneiden meiner Äxte schimmerten in einem hellen Blauton, während meine Augen in kaltem Eis glühten. Diesmal nutzte ich einen Teil der Macht meiner Vertragsrune und zusätzlich einen Teil der Macht meines Eissiegels. Insofern hätte ich noch genügend Reserven, wenn es dann doch brenzlig werden sollte, bevor ich zu noch mehr Macht greifen müsste.

»Dann mal los!«, rief ich und stürmte vor. Elfareg kam kaum hinterher. Als ich mich kurz umsah, bemerkte ich die Aura meines Freundes, die in diesem Augenblick sichtbar wurde, und war schockiert. Wir kämpften wohl gerade gegen einen Hasen, denn das Monster bereitete sich auf ebendieses Szenario vor. Mit meinem Götterblick erkannte ich, dass Bronos eine mir unbekannte Macht nutzte. Dies musste also die Kraft der Schatten sein, die über jedweder anderen Art und Form der Magie stand.

#3

 

Alle anderen, die weiter hinten standen, bekamen nun auch etwas zu tun, denn der Schrecken beschwor seine Brut. Es waren knapp ein Dutzend Kreaturen mit grüner, schuppiger Haut. Zwar wirkte die Brut auf den ersten Blick insektenartig, doch wiesen die Kreaturen auch Gemeinsamkeiten mit Reptilien auf. Mundwerkzeuge besaßen die Monster nicht. Anstelle von diesen wurden die anderen von Mäulern voller spitzer Dolche begrüßt. Auf keinen Fall durfte ich mich ablenken lassen, denn die gewaltige Mordlust des Schreckens flammte regelrecht zu Elfareg und mir herüber. Um den Rest unserer Gruppe brauchte ich mir keine Sorgen zu machen, weil genügend mächtige Leute anwesend waren. Deshalb richtete ich meinen Blick wieder nach vorn und damit zu der größeren Gefahr.

Das Biest funkelte mich hasserfüllt an. Es beachtete den jungen Ritter gar nicht. Über seinem gewaltigen Schädel entstand eine Kugel aus schwarzer Magie. Wie ein Strudel floss die Magie in der Kugel hin und her. Ein wenig mulmig war mir schon zumute, wenn ich daran dachte, dass das da mich treffen würde. Mit einer irren Geschwindigkeit schoss die Kugel auf mich zu. Aus den Tiefen meiner Kehle befreite sich ein magisches Brüllen, das die Kugel aus purer Magie zerplatzen ließ. Die Fetzen flogen in alle Richtungen davon. Dort, wo sie auftrafen, ätzte der Boden weg. Ich schloss die Hände fester um meine beiden Äxte, bis die Fingerknöchel weiß hervortraten. Elfareg hatte mich längst überholt und traf das Monster mit seinem Schwert an der linken Flanke. Beim Aufprall zerbarst seine Waffe und die Haut des Untiers blieb unversehrt. Ungläubig starrte der Halbling auf seine zerstörte Waffe und war kurzzeitig abgelenkt. Genau diesen Moment ließ sich der Schrecken nicht nehmen, stattdessen ging er direkt zum Angriff über. Der junge Ritter wurde von einem Peitschenhieb getroffen und zur Seite gefegt. Kurz war das Geräusch von brechenden Knochen zu hören, doch ich konnte mich nicht um den Ritter kümmern, weil ich selbst den magischen Attacken ausweichen musste. Ein Treffer hätte genügt, um mir schwere Wunden zuzufügen. Wir hatten es hier anscheinend mit einem Grafen der Schrecken zu tun, denn dieses Vieh war unnormal stark. Ich schlug einen Haken und entging so einem Flammenstrahl, der direkt aus dem Maul des Dämons spie. Weil die Hitze unerträglich war, musste ich dennoch einen magischen Schild um mich herum aufbauen. Als Wolf hätte ich besser kämpfen können, doch das Mistvieh ließ mir keine Zeit, mich zu verwandeln.

Elfareg stemmte sich mühsam auf die Beine und schüttelte den Schwindel, der ihn befallen hatte, ab. Sein gesamter Harnisch hing in Fetzen. »Ich werde mich zu den anderen zurückziehen und magische Unterstützung leisten!«, brüllte er zu mir herüber. Mit einem Nicken meinerseits entließ ich den geschundenen Ritter.

Als ich meine Aufmerksamkeit wieder nach vorne richtete, sah ich, dass das Monster an mir vorbeiblickte. Der Grund war mir vollkommen klar. Selbst ich hätte gerne einen Blick nach hinten gewagt, konnte mir diese Chance aber nicht entgehen lassen. Also nutzte ich den Moment und grub meine Äxte tief in das Fleisch der rechten Flanke, woraufhin es gefror. Von einem unsagbaren Schmerz geplagt, jaulte das Monster auf und versuchte mich abzuschütteln, doch ich riss eine der Äxte aus der Flanke, um sie gleich noch einmal hineinzurammen. Dabei sprengte ich das gefrorene Fleisch aus dem Körper des Schreckens.

Plötzlich wurde meine Aufmerksamkeit von einer abscheulichen Aura abgelenkt. Auch das Ungetüm starrte den grau-schwarzen Ball an, der auf der Ebene dreihundert Schritt entfernt stand. Ein eiskalter Schauer der Furcht rauschte mir den Rücken hinunter. Nun tat sich ein Riss in der Kugel auf. Zwei tiefschwarze Pranken fassten an die Ränder der Öffnung und rissen diese voller unbändiger Gewalt auseinander. Ein Bein zeigte sich und schritt aus dem Inneren heraus. Nach und nach verwandelten sich die Stahlplatten der Rüstung in eine wehende Robe. Als das Wesen gänzlich aus der Dunkelheit ins Licht getreten war, schlug mir Verwesungsgeruch entgegen. Es war ein süßlicher, stickiger und zugleich torfiger Grabesgeruch. Als hätte jemand ein frisches Grab ausgehoben und eine halb verrottete Leiche hineingeworfen.

Bronos entfesselte seine Mächte. Dies ist also seine göttliche Form. Schwarze, gefiederte Schwingen ragten aus seinem Rücken. Die finstere Robe wehte im Wind und das Gesicht wurde von einer Kapuze verborgen. Ich versuchte einen Blick zu erhaschen, doch ich sah nur Dunkelheit. Plötzlich leuchteten zwei Punkte unter der Kapuze auf. Sie glühten in einem tiefem Blutrot. Bronos streckte seinen rechten Arm nach vorn und spreizte die zu pechschwarzen Krallen gewordenen Finger. Wie aus dem Nichts entstand aus purer Schattenmagie eine mächtige Sense. Ich kannte damals den Tod noch nicht persönlich, konnte aber sagen, dass dieser sich eine solche aller Wahrscheinlichkeit nach gewünscht hätte.

Nun hatte Bronos also seine wahre Macht entfesselt und er kontrollierte sogar das Wetter. Die Natur lag dem Fürsten zu Füßen und beugte sich seinem Willen. Wir Göttlichen mussten uns zusammenreißen, damit wir nicht direkt vor ihm auf die Knie fielen. Ich wusste, dass er auf gar keinen Fall ein normaler Halbgott war, und erkannte, dass er eine derart gewaltige Macht innehatte, die meine eigene bei Weitem übertraf. Schockiert starrte ich den Halbgott an. Das illegitime Kind der Schattengöttin entwickelt solche Kräfte? Es gab einen lauten Knall, dann war Bronos auch schon vor dem Dämon. Mit der freien Krallenhand hielt er sich an einem der Hörner fest. Mit der anderen, mit der er die gewaltige Sense hielt, holte er weit aus und schlug den Kopf des Untiers mit einem Hieb vom Rumpf. Nicht einmal mit meinen Waffen, die mir Brokkr heimlich angefertigt hatte, konnte ich dem Dämon solch gewaltigen Schaden zufügen. Der Schrecken bebte noch einmal kurz, brach dann aber zusammen und schlug krachend auf dem Boden auf. Alles Blut, das er verlor, floss auf die Sense zu und drang in sie ein. Es war eine große Menge grünen Blutes, das die Waffe bis auf den letzten Tropfen gierig verschlang. Schließlich glühte das Klingenblatt für einen kurzen Augenblick rot auf.

»Bronos! Verstehst du mich noch?«, rief ich ihm zu. In meinen Knochen hatte sich Furcht festgesetzt. Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich ihn noch hätte besiegen können. Nein, es war mir nicht einmal möglich, ihn auch nur für einen halben Tag aufzuhalten. Wahrscheinlich zerfleischt er mich, bevor ich auch nur blinzeln kann.

»Na klar, wieso sollte ich dich nicht verstehen können?«, antwortete er mit verzerrter Stimme. Ich sah, wie Rani und die anderen zusammenzuckten, als der dunkle Halbgott sprach. Seine Stimme war dämonisch und gebietend zugleich. Gerade die Menschen würden es niemals wagen, dem Fürsten in dieser Gestalt zu widersprechen. Auch ich musste mich zusammenreißen. Die Schattengötter, die Sieben, standen über allen anderen Götterfamilien. Und das aus einem guten Grund. Aus der Schattenmagie wurde jede andere Magie aus allen Zeitaltern geboren. Das bedeutete, dass jeder, der die Schattenmagie meisterte, theoretisch auch jede andere Art der Magie beherrschen dürfte. Von allen anderen Götterfamilien gab es niemanden, der die Macht der Schatten auch nur ankratzen konnte.

»Verwandle dich bitte zurück, sonst muss ich dich dazu zwingen«, sagte ich in einem scharfen Ton zu Bronos und stellte mich zwischen ihn und Rani. Sie waren zwar gute dreihundert Schritt voneinander entfernt, doch ich spürte Ranis Angst, und das gefiel mir gar nicht.

Bronos sah sich kurz um, ließ durch pure dunkle Magie erneut einen schwarzen Kern entstehen und schlüpfte hinein. Wenige Augenblicke später zerbarst der Kern und Bronos stand in seiner gewohnten Ausrüstung mitten auf der Ebene. Neben ihm sah ich eine Gestalt, die ihm gerade mal bis zum unteren Ende der Brust reichte. Es war ein kleines Mädchen, dessen Aura mir seltsam vorkam. Das Kind war schön. Es hatte lange rote Haare, die ihm bis zur Brust reichten, seine Gesichtszüge waren weich und die Haut blass – ungesund blass. Ich schätzte die Kleine auf etwa zehn Jahre.

»Ist das deine Tochter, oder wer ist das, Bronos?«, fragte ich meinen Freund kühl.

Bevor er antworten konnte, keifte mich das Mädchen aus allen Rohren an. »Bist du scheiße, du verdammter Wolf? Der da ist doch nicht mein Vater!«

Mir klappte die Kinnlade herunter und Bronos grinste nur. Für einen Moment war ich sprachlos, doch dann wallte Wut in mir auf.

»Guck nicht so scheiße!«, zeterte die dreckige Göre.

Rani kam zu mir gelaufen und fasste mich am Arm. Ihr Griff war fest und ihr Blick ernst. Ich verstand, was sie mir sagen wollte, und beruhigte mich augenblicklich. Rani wusste, dass ich das Gör, ohne mit der Wimper zu zucken, umbringen würde, wenn es sie beleidigen würde. Zumindest wäre ich versucht, ebendies zu tun, denn Bronos war ja auch noch da.

»Beruhige dich erst mal und schrei meinen Freund nicht so an!«, keifte nun Rani das kleine Ding an.

Eine dicke Zornesader trat dem alten Fürsten auf der Stirn hervor. »Jetzt haltet mal alle die Schnauze!«, donnerte er.

Das Mädchen zuckte zusammen und blickte ängstlich zu ihm auf, doch bereits einen Herzschlag später wirkte es eher belustigt.

»Ich will euch die Kleine hier mal vorstellen«, sagte der Fürst und wies auf die rothaarige Göre. »Dies ist Blutzahn, meine Waffe. Sie ist ein lebendiges Schwert und kann sich in einen Menschen verwandeln. Ihr Name …«

»Klappe dicht, Alter! Ich kann mich selber vorstellen!«, keifte das Mädchen nun ihn an.

Ich brach in schallendes Gelächter aus. Die Kleine gefiel mir. Sie hat keine Angst vor uns Göttern und Halbgöttern. Wie amüsant!

»Also noch mal das Ganze. Mein Name ist Mira. Ihre Stimme hatte einen betörenden Unterton angenommen. Irgendwas stimmte mit der Göre nicht.

»Du fängst an, mir zu gefallen, Mira!« Ich lachte, während Rani mich entgeistert ansah. »Mein Name ist Fenrir.«

»Ich weiß genau, wer du bist, Gott der Wölfe. Neben dir steht Rani Rankarsdottir. Und da hinten sind Rankar, Amari und dein Sohn Skalli Sonnenverschlinger. Ach ja, den Halbling dort sollte man auch nicht vergessen. Das ist Elfareg Torgrosson.«

Mir fiel auf, dass sie meine große Schwester vergessen hatte. »Und meine Schwester …«

»Schnauze, Hundi!«, unterbrach mich Mira. »Ich weiß sehr wohl, wer die kleine Schlange ist!«

Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Jor bemüht war, ihre Wut zu unterdrücken. Dennoch sagte sie kein einziges Wort.

Wir alle waren sprachlos. Mira kannte uns nicht nur, sie kannte unsere vollen Namen.

»Bei dir, Fenrir, will ich nicht alle Titel aufzählen, das ist mir zu langweilig«, sagte Mira und winkte ab.

Jap, die Kleine gefiel mir immer mehr. »Da wir uns ja jetzt kennen, können wir endlich weiterziehen«, sagte ich grinsend.

»Vielleicht sollten wir bis morgen warten«, warf Rani ein. »Elfareg muss seine Wunden versorgen und wir haben während der Zeit, in der ihr drei das Monster fertiggemacht habt, den Kleinkram erledigt.« Sie deutete auf die umliegenden Leichen.

»Oha!«, sagte Mira ungerührt. »Diese kleinen grünen Viecher nennt man auch Goblins. Aber diese hier sind anders. Ich wusste gar nicht, dass sie sechs Beine haben. Ungewöhnliche Schrecken beschwören auch gerne mal eine ungewöhnliche Brut. Nervige kleine Drecksdinger! Meinetwegen können wir hier halten und warten, bis die Weicheier ihre Wunden geleckt haben.«

Ich hatte bemerkt, dass Amari und Rankar sich schon die ganze Zeit mit Kommentaren zurückhielten.

Mich beschlich ein seltsames Gefühl. Hier am Straßenrand zu rasten, hielt ich für keine gute Idee, deswegen suchten wir uns eine Stelle, die für andere schlecht einsehbar, aber für uns gut zu überblicken war. An der Südseite befand sich eine Handvoll alter Eichen. Sie standen dicht beieinander und boten tagsüber ausreichend Schatten.

Als wir unser Lager aufgeschlagen hatten, verteilten wir die Aufgaben. Amari wollte mit Rankar auf die Jagd gehen, also überließen wir den beiden diese bereitwillig. Ich hatte auch keine große Lust, mich darum zu kümmern. Elfareg und Skalli übernahmen die Wache und passten auf unsere Habseligkeiten auf, während Rani und Jor die Zelte aufbauten.

 

»Also, diese Mira ist wirklich eine lebendige Waffe?«, fragte ich Bronos, während wir Feuerholz sammelten.

»Ja«, er nickte, »und ich verstand es erst, als sie zum ersten Mal mit mir sprach. Damals war es eine ziemliche Überraschung, eine Mädchenstimme in meinem Kopf zu hören, die mir sagte, dass ich unbedeutend sei.« Bronos lächelte versonnen.

»Das kann ich mir gut vorstellen. Aber was meinst du mit ›damals‹? Von vor wie vielen Tausend Jahren sprechen wir denn hier?«

»Ach, Fenrir, mein alter Freund. Das muss mindestens dreitausend Jahre zurückliegen. Genau weiß ich es nicht mehr.«

Obwohl er sich Mühe gab, überzeugend zu klingen, war ich mir sicher, dass ihm der Zeitraum sehr wohl bewusst war.

»Kann sie denn in ihrer jetzigen Gestalt kämpfen oder müssen wir sie auch beschützen?«

Auf meine Frage hin sah mich der Fürst zunächst erstaunt an. Dann wiederholte er sein Lächeln. Ein wenig stutzig machte mich das schon. Bronos wusste offenbar mehr über diese Mira, als er preisgeben wollte. »Keine Sorge, Fenrir«, sagte er. »Mira kann sehr gut auf sich selbst aufpassen. Die Kleine ist ziemlich stark.« Jetzt grinste er.

Der Rogo verheimlicht etwas vor mir …

Wir sammelten noch eine Weile Holz. Als wir vollgepackt waren, gingen wir zum Lager zurück. Die Zelte waren bereits aufgestellt, als wir ankamen. Zeitgleich mit uns kamen die Elfe und ihr gesegneter Freund von der Jagd zurück.

»Ich hoffe, er wird für uns alle reichen«, sagte Amari entschuldigend und deutete auf den Hirsch, den die beiden erlegt hatten. Ich winkte ab.

Plötzlich suchte Rankars Blick den meinen. Erst war ich verwirrt, doch dann machte sich Erkenntnis in mir breit.

#4

 

Das Vogelgezwitscher ebbte allmählich ab und auch das Zirpen der Grillen verstummte. Sternenklar brach die Nacht herein.

Plötzlich kam Skalli zu uns gelaufen. Irgendetwas schien vorgefallen zu sein. »Rankar!«, rief er. »Ein Bote aus deinem Dorf ist auf der Suche nach dir! Er scheint uns den gesamten Weg gefolgt zu sein!«

Der Krieger sprang auf und der Goldene brachte ihn zu dem erschöpften Boten. Es handelte sich um einen jungen Mann, nicht älter als zwanzig Winter. Der Bote war genauso groß wie Rankar, aber längst nicht so muskulös. In einigen Schritten Entfernung lag das Pferd des jungen Mannes auf dem Boden. Weißer Schaum quoll aus dem Maul des todgeweihten Tieres.

Als der Bote seinen ehemaligen obersten Krieger sah, versuchte er aufzustehen, doch so erschöpft, wie er war, gelang es ihm nicht.

»Bleib sitzen, mein Junge«, sagte Rankar, als er vor dem Boten zum Stehen kam. »Was ist denn eigentlich los? Warum bist du uns gefolgt?«

»Mein Herr! Das Dorf wurde überfallen und Eure Gemahlin getötet! Wir brauchen Euch wieder bei uns. Ohne Euch wird das Dorf untergehen!«

»Wer hat meine Heimat angegriffen?«, knurrte Rankar sichtlich aufgebracht. Seine Frau Hildegard, das wusste ich, war ihm ziemlich egal, zumal er eine neue Liebe gefunden hatte. Außerdem konnte er dank Amari seit Kurzem auf seine Segen zugreifen. Das Wichtigste jedoch war, dass seine Liebe zu der Elfe echt war.

»Mein Herr«, begann der Bote. »Es war das Königreich der Kärnten! Sie haben einen schwer bewaffneten Trupp in unsere Heimat und laut unseren Spähern einen weiteren in den Wolfswald geschickt. Letzterer wurde nie wieder gesehen. Irgendetwas scheint noch in diesem Wald zu leben, das keine Eindringlinge duldet.«

»Die Kärnten?«, hakte Rankar nach. »Von denen habe ich noch nie gehört, und so lange sind wir auch noch nicht weg – ein oder zwei Monate vielleicht.«

Genau in diesem Moment musste ich mich einmischen. Rankar hatte sich gehörig verschätzt. »Das ist falsch!«, sagte ich. »Wir sind inzwischen mehr als drei Monate unterwegs.«

»Was? Wirklich? Aber wieso kommt mir unsere Reise dann so kurz vor?« Rankar schien sichtlich verwirrt zu sein.

Wir waren mitten im Sommer aus seinem Dorf weggegangen, nun hatten wir Herbst. Genau das sagte ich dem Krieger auch. Nachdenklich runzelte er die Stirn.

Amari war noch nicht lange bei uns, deshalb hielt sie sich zurück. Einer hier in der Runde jedoch strahlte eine ungeheure Nervosität aus. Er wartete händeringend auf eine Antwort. Verdenken konnte ich es ihm nicht, doch noch musste sich der Bote gedulden.

»Nun, dann werde ich mich von euch verabschieden, denn mein Dorf braucht dringend meine Hilfe, und diese kann ich den Menschen, die an mich glauben, nicht verwehren«, sagte Rankar. Natürlich war es keine leichte Sache, eine solche Entscheidung zu treffen, allerdings schien Bronos einen Vorschlag machen zu wollen.

»Rankar, warum hörst du dir nicht erst einmal an, was Bronos zu der Sache zu sagen hat?«, spielte ich den Vermittler. »Wenn ich den Boten richtig verstanden habe, dann greifen euch die Kärnten aus dem Osten an. Ich kenne dieses Volk und hatte auch schon mit ihnen zu tun. Ich weiß, wie kriegerisch sie sein können und dass sie kaum auf das gesprochene Wort reagieren. Ein alter Freund sagte immer, dass man die Menschen erst einmal richtig vermöbeln muss, ehe sie bereit sind zu hören.«

»Wie lautet denn jetzt dein Vorschlag?«, drängte Ranis Vater den alten Fürsten. Auf meinen letzten Satz ging er gar nicht erst ein. Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.

»Immer mit der Ruhe, Rankar. Wenn ich eine bestimmte Magie anwende, können wir binnen weniger Augenblicke in deinem Dorf sein. Diese Kärnten müssen meiner bescheidenen Meinung nach ausgerottet werden. Ich wäre gerne dabei, wenn das geschieht.« Bronos’ Stimme war mit jedem Wort tiefer und kehliger geworden, doch nur wir Göttlichen nahmen seine aufkommende Mordlust wahr. Ich spürte ein Kribbeln auf meiner Haut und fühlte mich zunehmend unwohl in seiner Nähe.

Jor legte dem Fürsten eine Hand auf die Schulter. »Also dann, Bronos, will ich deine weitere Macht gerne sehen«, sagte sie mit freudiger Stimme. »Ich bin auch gerne mit von der Partie. Vorhin konnte ich mich nicht so richtig austoben. Na, dann wollen wir mal!«

Augenblicklich verflog Bronos’ ungeheure Mordlust. Mich beschlich ein seltsames Gefühl. Irgendwas ist doch mit den beiden! Ja bin ich denn blöd?

»Fenrir … Ich habe mit deiner Schwester nichts am Laufen. Wir sind nur Freunde. Wann begreifst du das endlich?« Bronos seufzte wehleidig. Anscheinend hatte ich meine Gedanken laut ausgesprochen. Ich stieß einen leisen Fluch aus.

»Also gut, Fürst Bronos. Könntest du dann deine Magie anwenden?«, fragte Rankar. Er hielt seine Freundin fest in seinen Armen. »Aber was sagen eigentlich die anderen? Wollt ihr mitkommen und ein paar Leute verprügeln?«

Skalli reagierte als Erster auf die Frage und stieß ein Heulen aus. Rani stieg, nachdem ich mich wieder verwandelt hatte, sogleich auf meinen Rücken. Elfareg, der seinem Meister überallhin folgen würde, bekundete seine Verbundenheit mit einer Verbeugung, ganz wie die alten Ritter seines Ordens es getan hatten. Mira hatte sich zurück in ein Schwert verwandelt und verweilte nun hängend an der Hüfte des alten Rogo. Somit hatten alle ihre Einwilligung gegeben und es konnte losgehen.

Zum Glück musste ich meine Macht nicht nutzen, um diese Art der Magie einzusetzen. Bronos schaute zu mir herüber und beobachtete mich genau. Auch meine Schwester schien mich zu mustern. Nach einer Weile wurden mir die Blicke der beiden unangenehm.

»Bei den Verdammten!«, knurrte ich. »Was seht ihr mich so an?«

Bronos hatte als Erster eine Antwort parat. »Also, Fenrir, weißt du, dass ich jetzt kein magisches Portal aufbauen werde, sondern eine fortgeschrittene Variante der Teleportationsmagie?«

Seine Antwort verblüffte mich. Natürlich wusste ich, dass Teleportation für einzelne Wesen möglich war, aber für eine ganze Gruppe? Davon hatte ich noch nie etwas gehört. Selbst Jor schien verblüfft zu sein. Alle anderen – mein Sohn eingeschlossen – hatten offenbar gar nicht verstanden, wovon der Rogo sprach.

»Mein Freund«, meine Stimme war ein einziges Knurren, »von einer solchen Magie habe ich noch nie in meinem Leben gehört. Nicht einmal Odin konnte so etwas zustande bringen! Verarsch mich also nicht!«

»Dann muss ich bei euch allen also bei der Ursuppe beginnen.« Bronos’ dunkle Augen funkelten. »Das Folgende, das ich euch nun erklären werde, dürft ihr auf keinen Fall weitergeben!« Der Fürst meinte es todernst. Er unterstrich seine Forderung mit seiner Aura, die augenblicklich sichtbar wurde. Sie war pechschwarz und flammend.

Unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück. Der Reihe nach sah uns der Halbgott in die Augen und ein jeder nickte von Furcht erfüllt und bekräftigte damit, dass er verstanden hatte.

»Dann ist wenigstens das jetzt geklärt. Übrigens habe ich bei jedem von euch ein Siegel in die Seele gewoben, das diesen Pakt zementiert. Wer sich nicht daran hält, wird ausgelöscht. Sollte ich eines Tages doch mein Einverständnis zur Weitergabe des Wissens geben, verfliegt das Siegel wieder.« Ich schluckte und sah, dass auch den anderen mulmig zumute war. »Nun gut«, fuhr Bronos fort. »Alle Arten der Magie aller Zeitalter wurden und werden aus den Schatten geboren. Die Elementar- und Geistermagie, die ihr kennt, ist die einfachste und auch die schwächste Art der Magie überhaupt. Ich werde die Raummagie nutzen, die aus der Finsternis hervorgeht. Licht und Finsternis bilden Schatten. Die gesamte Tragweite der Magie aller Arten und Stufen werde ich euch nicht erklären, denn dann würden wir noch in einigen Tagen hier stehen. Es sollte reichen, wenn ihr wisst, dass ich finstere Magie nutzen werde. In nur wenigen Augenblicken werden wir in Rankars Dorf sein. Von dort werden wir diese niederträchtigen Menschen, die euch angegriffen haben, auslöschen, um gleich danach hierher zurückzukehren. Haben das jetzt alle begriffen?« Noch einmal sah er jedem von uns tief in die Augen.

Ich wusste, dass nur Jor und ich das Gesagte verstanden hatten, und nickte meinem alten Freund zu.

Rankar wollte etwas fragen, doch der Blick, mit dem ich ihn bedachte, hielt ihn davon ab.

»Ich weiß«, sagte ich zu Bronos, »dass du mir einst einiges über die Magie beigebracht hast, aber dies ist mir neu und ich werde auch nichts davon weitergeben. Wie damals kannst du dich darauf verlassen.« Meine Worte waren ehrlich gemeint und der Fürst nickte.



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