Wolfsmärchen -  - E-Book

Wolfsmärchen E-Book

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Beschreibung

Märchen sind für jedes Alter geeignet. Der vorliegende Band versammelt Märchen zum Thema Wölfe von Nordamerika bis Afrika. Sie zeigt die sozialen, kulturellen und erzählerischen Unterschiede auf.

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ebook 001 WolfsmärchenErste Auflage 01.06.2013

© Saphir im StahlVerlag Erik SchreiberAn der Laut 1464404 Bickenbachwww.saphir-im-stahl.de

Titelbild: www.hauck-art.deLektorat: Christine RixVertrieb: bookwireISBN: 978-3-943948-04-2

Herausgeber Erik Schreiber

Wolfsmärchen

Vorwort

Die deutschen Märchen der Gebrüder Grimm erfreuen sich einer sehr großen Wertschätzung, besitzen jedoch den Nachteil, dass sie nicht mehr Leben. In der mündlichen Überlieferung wurden die Märchen ständig verändert, den gesellschaftlichen und teils politischen Gegebenheiten angepasst und so weitergegeben. Seit dem Druck der Märchen wurden diese nur höchst selten weiterentwickelt. Hauptsächlich werden die Geschichten heute vorgelesen und sind so starr geworden.

Dass die Geschichten über Jahre und Ländergrenzen sich änderten und letztlich ähnelten, zeigt dieses Buch mit Wolfsmärchen auf. Die Erscheinung des Bandes im Jubiläumsjahr der Grimms, 200 Jahre Grimms Kinder- und Hausmärchen, ist eher Zufall.

Im Gegenteil, mir als Herausgeber ging es darum zu zeigen, dass der Wolf nicht das böse Tier ist, wie er es immer hingestellt wird. Die negative Seite des Wolfes findet sich hauptsächlich im alten Mitteleuropa und ist wohl eher den Kleinstaatenherrschern zu Schulden war der Wolf doch der Konkurrent im Jagdrevier des Herrschers. Also, musste man sich etwas ausdenken, warum ausgerechnet auf den Wolf Jagd gemacht werden sollte. So entstand ein negatives Bild des Wolfes, dass bis heute immer noch gepflegt wird.

Ziel des Märchenbuches ist es, dem geneigten Leser zu zeigen, dass der Wolf nicht böse ist. Und gerade in der heutigen Zeit, da der Wolf in Deutschland wieder heimisch wird, ist es an der Zeit mit alten Vorurteilen aufzuräumen.

Die Sammlung beinhaltet Märchen von Nordamerika, wo der Wolfshund, auch Kojote genannt, zuhause ist, über Europa bis hin nach Afrika. An dieser Stelle sei allen gedankt, die mir bei der Sammlung geholfen haben. Egal ob sie mir "nur" Hinweise gaben, mir alte Märchenbücher zu Verfügung stellten, oder mir die alten Märchen in Überlieferung mündlich darbrachten. Ich freue mich sehr, diese Wolfsmärchensammlung veröffentlichen zu dürfen.

Erik Schreiber

Herausgeber

Inhaltsverzeichnis

Der Wolf in der Vorratskammer

Ein französisches Predigtmärlein des 13. Jahrhunderts

Waldwolf und Steppenwolf

Ein indianisches Märchen

Der Fuchs und der Wolf

Ein Wolfsmärchen der Eskimos

Der Wolf als Freier

Ein Märchen aus Weißrussland

Der Wolf und der Fuchs

Märchen aus Süddeutschland

Der Königssohn und der kupferne Wolf

Ein Märchen aus Estland

Der Wolfsbruder

Ein Märchen der Indianer Nordamerikas

Der Wolf und der Fuchs in der Fallgrube

Ein Märchen aus Finnland

Das Märchen von Iwan dem Zarensohn, dem Feuervogel und dem grauen Wolf

Ein russisches Märchen

Die Kojoten

Ein Märchen der Indianer Nordamerikas

Der Hund und der Wolf

Ein tschechisches Märchen

Schwesterchen Füchsin und der Wolf

Eine mündliche Überlieferung

Der Kojote und der junge Jäger

Ein Märchen der Zuni-Indianer

Der Traum des Wolfes

Ein slowakisches Märchen

Der Fischfang des Wolfes

Ein Märchen aus Deutschland

Der Welpe und der Wolf

Ein nordamerikanisches Indianermärchen

Der betrogene Wolf

Ein Märchen aus Ungarn

Der furchtsame Bär und die furchtsamen Wölfe

Ein Märchen aus Jugoslavien

Kojote stellt die Sterne auf

Ein Indianer-Märchen aus Nordamerika

Rotkäppchen

Ein Märchen nach den Gebrüdern Grimm Aus einem Märchenbuch von 1837

Der Wolf und die sieben jungen Geißlein

Ein Märchen nach den Gebrüdern Grimm Aus einem Märchenbuch von 1857

Wölfe und Hirsche

Ein Märchen der nordamerikanischen Indianer

Der Schneider und die Wölfe

Eine mündliche Überlieferung

Der Wolf und die Nachtigall

Ein Märchen von Ernst Moritz Arndt

Manabozos Wolfsbruder

Ein Märchen der Indianer Nordamerikas

Der Wolf und der Schuster

Ein Märchen aus Norddeutschland

Wie der Wolf bestraft wurde

Ein Märchen aus Deutschland

Vom dummen Wolf

Ein Märchen aus Deutschland

Der Fuchs, der Wolf und der Bär

Ein Märchen aus Deutschland

Kojote behält seinen Namen

Ein indianisches Märchen

Der Wolf als Grenzwächter

Eine mündliche Überlieferung

Das Pferd und der Wolf

Ein Märchen aus Österreich

Kojote erschafft die Erde

Ein Märchen der nordamerikanischen Indianer

Der Fuchs und die Gevatterin

Ein Märchen nach den Gebrüdern Grimm

Der hungrige Wolf

Ein usbekisches Märchen

Kojote beendet sein Werk

Ein indianisches Märchen

Der Wolf und der Bär

Ein französisches Märchen

Der Wolf und der Fuchs

Ein Märchen nach den Gebrüdern Grimm

Kojote macht die Menschen

Ein nordamerikanisches Märchen

Die Geschichte des alten Wolfs

Von Gotthold Ephraim Lessing

Der Wolf und die beiden Böcke

Ein türkisches Märchen

Löwe, Wolf und Fuchs

Ein griechisches Märchen

Kojote und der Bär

Ein nordamerikanisches Indianermärchen

Die Messe der Wölfe

Ein andorranisches Märchen

Die Ziege und der Wolf

Ein kirgisisches Märchen

Fuchs und Wolf

Ein holländisches Märchen

Kojote nimmt den Fröschen das Wasser

Ein Indianermärchen

Die Geschichte von den Füchsen, vom Wolf und vom Löwen

Ein Märchen aus 1001 Nacht

Der Bursche und der Wolf

Ein italienisches Märchen

Kojote erweckt ein Mädchen wieder zum Leben

Ein Märchen aus Nordamerika

Wolf, Fuchs und Esel

Ein griechisches Märchen

Märchen von Ljubim Zarewitsch und vom geflügelten Wolfe

Ein russisches Märchen

Die Geschichte vom Fuchs, Löwen, Bär und Wolf

Ein tibetisches Märchen

Die Geschichte des alten Wolfs

Von Gotthold Ephraim Lessing

Der verwünschte Wolf

Eine schweizer Sage

Das Schaf im Wolfspelz

Ein Märchen mündliche Überlieferung aus Spanien

Der Bär, der Wolf, der Fuchs und der Hase auf dem Jahrmarkt zu Gyergyó

Eine Geschichte aus Ungarn

Der weiße Wolf

Ein Märchen von Ludwig Bechstein

Von dem Wolf und den Maushunden

Deutsches Märchenbuch 1847

Der Wolf und der Kranich

Aesop

Von einem Wolf

Märchen aus Luxemburg

Die Taufe des Wolfes

Ein Märchen aus Jugoslawien

Der Hirte und der Wolf

ein Märchen aus Griechenland

Freundschaft zwischen Hund und Wolf

Eine Geschichte aus Litauen

Der Wolf und der Weise

Eine Geschichte aus Dagestan

Der Wolf und seine Pfeife

Eine Geschichte aus Rumänien

Die drei Schweine und der Wolf

Eine Geschichte aus Chile

Wie ein Bergbewohner den Wolf in den Sack steckte

Eine Geschichte aus Dagestan

Von der Großmutter, die in den Wald ging, um Beeren zu sammeln

Eine Geschichte aus Bosnien

Der Hund und der Wolf

Eine Geschichte aus Albanien

Die Füchsin, der Wolf und der Dachs

Eine Geschichte aus Dagestan

Der Wolf mit dem eisernen Kopf

Ein rumänisches Märchen

Vom eisernen Wolf

Eine Geschichte aus Litauen

Bär, Fuchs und Wolf und ihre Abenteuer auf der Imola-Feldmark

Eine Fabel aus Finnland

Der Fuchs überredet den Wolf, ins verlassene Räuberhaus zu gehen

Ein Märchen aus Deutschland

Der Wolf und die Sau

Eine mündliche Überlieferung

Wie der Wolf Dorfschulze werden wollte

Ein Märchen aus der Ukraine

Der Löwe und der Wolf

Ein Märchen der angolanischen Ambundu

Der arme Wolf

Ein Märchen aus der Ukraine

Der Wolf in der Vorratskammer

französisches Predigtmärlein des 13. Jahrhunderts

Es wird erzählt, dass der Fuchs den mageren Wolf überredete, ihm in eine Vorratskammer stehlenshalber zu folgen. Der Wolf aber fraß so viel, dass er durch die enge Öffnung, die ihm Einlass gewährt hatte, nicht mehr heraus konnte, und er musste so lange fasten, bis er seine ehemalige Magerkeit wieder erreicht hatte. Er wurde indes überrascht und geprügelt und musste unter Zurücklassung seines Pelzes flüchten.

Waldwolf und Steppenwolf

Eine indianische Volksweisheit

Einmal begegneten sich ein Waldwolf und ein Steppenwolf, sie wurden Freunde und beschlossen, miteinander durch das Land zu streifen.

Aber gerade in jener Zeit gab es wenig Wild, und beide blieben viele Tage lang hungrig.

Als sie schon ganz schwach waren, kamen sie am Wigwam einer Indianerfamilie vorüber.

Drinnen briet man am Feuer eine Hirschkeule.

„Wir wollen hineingehen und die Menschen um Nahrung bitten“, sagten sie zueinander. „Vielleicht werden sie uns töten wollen, aber wenn wir länger ohne Nahrung bleiben, werden wir verhungern.“

So schlichen sie zur Hütte und baten um ein paar Bissen Hirschfleisch.

Die Indianer riefen sie hinein, waren freundlich zu ihnen, und sie durften fressen, so viel sie wollten.

Am Morgen sagte der Steppenwolf: „Wir haben hier eine Heimat gefunden. Lass uns bei unseren Freunden bleiben, sie sind gut zu uns.“

Als die Indianer dies hörten, freuten sie sich und fingen an, eine geräumige Hütte für ihre Gäste zu bauen.

Als nun alle damit beschäftigt waren, lief der Waldwolf zu jeder Hütte und stahl alles Fleisch, das er finden konnte. Er verbarg es in einer Felsspalte und sagte zu seinem Gefährten: „Wir wollen warten, bis es Nacht wird. Dann nehmen wir uns all dieses Fleisch und laufen damit in die Wälder.“

Der Steppenwolf wurde traurig, als er seinen Freund so reden hörte. „Waren die Indianer nicht gut zu uns?“, fragte er ihn. „Trage das Fleisch wieder zurück, denn wir dürfen ihre Freundlichkeit nicht mit Undank vergelten.“

Der Waldwolf aber verspottete den Steppenwolf.

Der Steppenwolf ging betrübt zu den Indianern und erzählte ihnen, was sein Gefährte tun wollte. Die Indianer nahmen ihre Waffen, umringten den Waldwolf und sagten: „Willst du so unsere Gastfreundschaft vergelten? Um deines Freundes willen wollen wir dich am Leben lassen. Aber wage dich ja nicht mehr in unser Lager.“

Der Waldwolf floh in die Wälder, der Steppenwolf aber blieb bei den Indianern. Sie fütterten ihn, ließen ihn an ihrem Feuer schlafen, und er bewachte dafür ihren Wigwam. Und allmählich wurde aus dem Steppenwolf der Hund. Zwischen dem Waldwolf und den Indianern aber besteht seit jener Zeit Feindschaft.

Der Fuchs und der Wolf

Ein Wolfsmärchen der Eskimos

Ein Fuchs und ein Wolf lebten einmal nebeneinander. Die Kinder des Wolfs pflegten die Kinder des Fuchses zu besuchen und bekamen bei der Gelegenheit jedes Mal Rentierfleisch zu essen. Einmal aber hatte der Fuchs weder für sich noch für seine Kinder etwas zu essen. Und als die jungen Wölfe zur Fuchswohnung hinüberriefen, ob sie wieder kommen dürften, sagte der Fuchs: „Kommt nur herein und seht euch das Fett an, das ich kaue!“

Der junge Wolf sagte: „Lass es fallen.“

Der Fuchs tat es und sagte: „Es ist wie ein Hammer.“ Und etwas später: „Es ist wie ein weißer Stein.“

Dann sagte er zu dem jungen Wolf, dass er es aufheben und essen möge.

Nach einer Weile ging der junge Wolf nach Hause und erzählte seiner Mutter, was geschehen war. Als das Vater Wolf gehört hatte, schrie er ganz laut, sodass der Fuchs ihn hören konnte: „Dein Fleisch besteht aus lauter Steinen! Warum hast du mein Kind zum Narren gehalten?“

Die alte Frau Füchsin erwiderte: „Ich habe dein Kind nicht zum Narren gehalten!“

Da begannen die Wölfe zu heulen, denn sie entdeckten, dass all ihr eigenes Rentierfleisch in Steine verwandelt worden war. Daher wanderten sie alle fort, und der Fuchs bekam so alles Rentierfleisch.

Der Wolf als Freier

Ein Märchen aus Weißrussland

Es war einmal weit hinter dem großen Strom und fern hinter dem dunklen Wald ein kleines Königreich. Dort lebte ein Mann, der hatte an die vierzig Rinder und drei Töchter.

Als der Mann eines Tages seine Rinder auf die Weide führte, kam plötzlich ein hungriger Wolf daher und sagte: „Mann, wenn du mir nicht eine deiner drei Töchter gibst, packe ich dich und fresse dich auf!“

Als er das sagte, da fürchtete sich der Mann. In seiner Not stimmte er dem Wolf zu: „Einverstanden, ich werde dir eine meiner Töchter geben.“

Der Wolf folgte ihm, und so kam er nach Hause. Hier angekommen, weinte der Vater. Die älteste Tochter fragte: „Vater, mein Vater, warum weinst du?“

Ihr Vater sprach: „Heute, als ich dahinging, die Rinder auf die Weide zu führen, da kam ein Wolf und sagte doch: Wenn du mir nicht eine deiner drei Töchter gibst, packe ich dich und fresse dich!.“ Dann fragte er seine Tochter: „Gehst du zu ihm hin?“

„Ich gehe auf keinen Fall hin!“

Da fragte er seine mittlere Tochter, die antwortete ihm: „Nie und nimmer gehe ich mit dem Wolf.“

Dann aber, als er seine jüngste Tochter fragte, antwortete diese: „Ich lasse mich auffressen an Stelle meines Vaters.“

Ihr Vater ließ sie an des Wolfes Schwanz binden und verabschiedete sich von ihr. Eine Nacht lang zogen der Wolf und die jüngste Tochter dahin, dann erstiegen sie den Gipfel eines hohen Berges. Bei Sonnenaufgang zeigte sich im Osten eine ganz blaue Stadt. Da gingen sie hin zu der blauen Stadt, und als sie sich ihr näherten, war dort kein einziger Mensch. Jedoch fünf Arten Rinder gab es, eine riesige Anzahl. Der Wolf und das Töchterlein lebten dort, denn er wollte sie nicht fressen, sondern als Braut. Der Wolf ging jeden Morgen früh fort. Das Mädchen wartete und kochte Tee und Essen, gleichviel ob er spät oder früh aufbrach.

Eines Tages, als der Wolf unterwegs war, kam ein Jüngling, der war so schön wie Sonne und Mond. Er sprach: „Lass uns beide Frau und Mann werden!“

Da erboste sich das Mädchen und mit der Schere, die es beim Nähen verwendete, stach es zu und traf ihn unter der Achsel, da lief der Jüngling fort. Als es spät geworden war, erschien hinkend ihr Wolf.

Als das Mädchen einmal früh aufstand und hierund dorthin schaute, sah es, dass der Wolf sein Fell abwarf. Sie verbrannte das abgeworfene Fell in ihrem Herd, da sprach der Jüngling: „Lange hat’s gewährt, bis wir uns begegneten. Was hätte ich dazu tun können?“

Darauf blieben sie drei Nächte in ihrem Haus und sprachen dann: „Holen wir Vater und Mutter!“

Als sie die Eltern holen gingen, und die beiden älteren Schwestern den Jüngling sahen, sagten diese: „Ich würde gern mit ihm gehen!“ Sie stritten miteinander, prügelten sogar einander ganz und gar nicht mädchenhaft, stießen mit den Stirnen vor Wut gegen den Feuerbock und starben.

Da holten das Mädchen und der Jüngling ihre Eltern zu sich und lebten aufs Beste und Vergnüglichste zusammen.

Der Wolf und der Fuchs

Märchen aus Süddeutschland

Der Fuchs erzählte einmal dem Wolf von der Stärke des Menschen: Kein Tier könne ihm widerstehen, und sie müssten List gebrauchen, um sich vor ihm zu erhalten.

Da antwortete der Wolf: „Wenn ich nur einmal einen Menschen zu sehen bekäme, ich wollte doch auf ihn losgehen.“

„Dazu kann ich dir verhelfen“, sprach der Fuchs. „Komm nur morgen früh zu mir, so will ich dir einen zeigen.“

Der Wolf stellte sich frühzeitig ein, und der Fuchs brachte ihn hinaus auf den Weg, den der Jäger alle Tage ging. Zuerst kam ein alter, abgedankter Soldat.

„Ist das ein Mensch?“, fragte der Wolf.

„Nein“, antwortete der Fuchs, „das ist einer gewesen.“

Danach kam ein kleiner Knabe, der zur Schule wollte.

„Ist das ein Mensch?“

„Nein, das will erst einer werden.“

Endlich kam der Jäger, die Doppelflinte auf dem Rücken und den Hirschfänger an der Seite.

Sprach der Fuchs zum Wolf: „Siehst du, dort kommt ein Mensch, auf den musst du losgehen, ich aber will mich fort in meine Höhle machen.“

Der Wolf ging nun auf den Menschen los.

Der Jäger, als er ihn erblickte, sprach: „Es ist schade, dass ich keine Kugel geladen habe“, legte an und schoss dem Wolf das Schrot ins Gesicht.

Der Wolf verzog das Gesicht gewaltig, doch ließ er sich nicht schrecken und ging vorwärts. Da gab ihm der Jäger die zweite Ladung. Der Wolf verbiss den Schmerz und rückte dem Jäger zu Leibe. Da zog dieser seinen blanken Hirschfänger und gab ihm links und rechts ein paar Hiebe, dass er, über und über blutend, mit Geheul zu dem Fuchs zurücklief.

„Nun, Bruder Wolf“, sprach der Fuchs, „wie bist du mit dem Menschen fertig geworden?“

„Ach“, antwortete der Wolf, „so hab ich mir die Stärke des Menschen nicht vorgestellt, erst nahm er einen Stock von der Schulter und blies hinein, da flog mir etwas ins Gesicht, das hat mich ganz entsetzlich gekitzelt. Danach pustete er noch einmal in den Stock, da flog es mir um die Nase wie Blitz und Hagelwetter, und wie ich ganz nah war, zog er eine blanke Rippe aus dem Leib, damit hat er so auf mich losgeschlagen, dass ich beinah tot liegen geblieben wäre.“

„Siehst du“, sprach der Fuchs, „was du für ein Prahlhans bist: Du wirfst das Beil so weit, dass du es nicht wieder holen kannst“

Der Königssohn und der kupferne Wolf

Ein Märchen aus Estland

Es war einmal ein König, der hatte einen Sohn. Einst trat der Sohn hinaus in den Garten, um sich dort zu ergehen. Da kam der Vogel Greif geflogen, packte den Königssohn, trug ihn übers Meer auf eine Insel, ließ ihn dort frei und sagte: „Hier“, sagte er, „wirst du drei Jahre bleiben. Doch wenn die drei Jahre um sind, dann bringe ich dich wieder zurück in das Reich deines Vaters.“

Freigelassen wandelte er auf der Insel umher und fand dabei ein kleines Häuschen. In dem Häuschen traf er eine alte Frau. Sie sagte: „Von wo bist du hierhergekommen, Kindchen?“

„Ich bin der Sohn eines Königs. Mich hat ein Vogel hierher auf diese Insel getragen. Er hat mir versprochen, mich nach drei Jahren wieder in meines Vaters Reich zu bringen.“

Da sagte die alte Frau: „Das ist gut, du kannst diese drei Jahre lang bei mir bleiben.“

Er lebte nun dort, fegte das Häuslein aus und machte sich überall nützlich. Als die drei Jahre um waren, sagte er: „Ich muss nun hinausgehen auf die Insel und auf den Vogel warten.“

Da sagte die alte Frau: „So nimm deinen Lohn dafür, dass du mir hier gedient hast.“ Sie gab ihm einen Beutel, sagte aber dazu: „Schau nicht hier auf der Insel hinein, denn sonst wird es dir schlimm ergehen!“

Doch er wollte unbedingt wissen, was da in der Ecke des Beutels so weich war. Er band den Beutel auf, da sprangen drei Pferde heraus: eines aus Silber, das zweite aus Gold, das dritte aus Diamant. Sie sprangen um ihn herum, doch gingen sie nicht wieder in den Beutel zurück.

„Was soll nun werden? Der Vogel wird geflogen kommen, und ich werde diese schönen Pferde hierlassen müssen!“, so jammerte er.

Da kam der kupferne Wolf gelaufen und fragte: „Was gibst du mir? Unterschreibe mir mit deinem Blut, dass du dein Lebtag nicht heiraten wirst, dann treibe ich dir die Pferde hinein.“

Der Königssohn schnitt sich in den Finger und gab die Unterschrift. Der Wolf, der der Sohn der alten Frau war, nahm den Beutel, und die Pferde gingen hinein. Der Vogel Greif kam geflogen, packte den Jüngling und trug ihn in das Königreich seines Vaters. Freude herrschte im ganzen Land und am Hofe des Vaters.

„Jetzt musst du heiraten“, meinte der Vater.

Aber der Königssohn sagte: „Ich werde nicht heiraten. Ich habe mich dem kupfernen Wolf mit meiner Unterschrift verpflichtet, nicht zu heiraten, solange ich lebe, für die Pferde, die ich dort auf dem Hof herausgelassen habe. Denn als ich sie herausgelassen hatte und sie nicht wieder hineintreiben konnte, da musste ich unterschreiben, dass ich bis an mein Lebensende unverheiratet bleibe.“

„Ach was“, sagte der Vater, „wir werden zwölf Meilen vom Schloss Wachen aufstellen, die werden den Wolf totschlagen.“

Eine junge Prinzessin wurde ausgesucht, und schon bald sollte die Hochzeit stattfinden. Der König, der sich von den Staatsgeschäften zurückziehen wollte, stellte zwölf Meilen entfernt rings um den königlichen Hof Wächter auf, und da kam auch schon der kupferne Wolf. Sie schossen auf ihn, stachen mit langen Piken nach ihm, schossen sogar mit Kanonen nach ihm, doch dem Wolf tat dies alles nichts. Er kam ganz gemächlich immer näher an das Schloss heran. Als der Königssohn sah, dass der Wolf schon nahe war, sprach er mit seinem Pferd.

Da sagte das Pferd: „Wenn wir sehen, dass er schon ganz nahe ist, stelle mich unter das Fenster, du selbst springst aus dem Fenster auf meinen Rücken, und wir fliehen.“

So machte er es denn auch. Er sprang aus dem Fenster auf das Pferd und rief: „Gott gib uns Füße!“

Er ritt den ganzen Tag über und kam zu einem kleinen Häuschen. In dem Häuschen lebte eine alte Frau.

„Wohin reitest du?“, fragte sie.

„Ich fliehe vor dem kupfernen Wolf.“

Da sagte sie: „Das ist gut, du kannst hier übernachten. Ich habe so ein Hündchen, das wittert einen Wolf auf neun Meilen. Wenn dieses Hündlein zu bellen anfängt, dann ist es Zeit, loszureiten.“

Der Wolf aber kam indes langsam und vorsichtig auf den Schlosshof. Er sah sich um, der Königssohn war nicht da. Er durchsuchte die Gemächer, und auch da war er nicht. Der Wolf ging ans Fenster und kroch hinaus. Doch kaum war er aus dem Fenster gekrochen, fand er die Spur des Königssohnes und jagte eilig hinter ihm her. Als er sich dem Häuschen der Alten näherte, fing das Hündlein an zu bellen.

Die alte Frau sagte: „Der Wolf hat nur noch neun Meilen, jetzt musst du losreiten!“

Der Königssohn ritt los und ritt den ganzen Tag über und kam wieder an ein Häuschen, darin fand er eine alte Frau.

„Wohin reitest du?“, fragte sie.

„Ich fliehe vor dem kupfernen Wolf.“

Sie sagte: „Das ist gut. Ich habe so ein kleines Hündlein, das hört den Wolf auf sechs Meilen. Du kannst hier übernachten. Wenn das Hündlein bellt, ist es Zeit weiterzureiten.“

Ob er nun in der Nacht etwas geschlafen hatte oder nicht, das kleine Hündlein fing an zu bellen. Da sagte die alte Frau: „Der Wolf hat nur noch sechs Meilen, es ist Zeit zu reiten!“

Wieder ritt er den ganzen Tag und kam zu einem dritten Häuschen und fand dort ebenfalls eine alte Frau.

„Wohin reitest du?“, wurde er auch hier gefragt.

Er sagte es dem Mütterlein und sie bat ihn zu sich ins Häuschen.

„Das ist gut, du kannst hier übernachten. Ich habe so ein kleines Hündlein, das wittert den Wolf auf drei Meilen. Wenn es anfängt zu bellen, dann ist es Zeit, weiterzureiten.“

Sie gab ihm zu essen, und dann legte er sich schlafen. Ob er nun in der Nacht geschlafen hatte oder auch nicht, das kleine Hündlein begann zu bellen.

Das alte Mütterchen sagte zu ihm: „Steh auf, reite los, denn der Wolf hat nur noch drei Meilen!“

Die alte Frau gab ihm zudem zwei Wollknäuel und meinte: „Wenn du jetzt losreitest, wirst du an eine Brücke kommen. Wenn du kaum auf die Brücke geritten bist, wird dich große Müdigkeit befallen, und du wirst dich ihrer nicht zu erwehren wissen. Dein Pferd wird sogleich einschlafen. Daher lass es im Stich und lauf aus Leibeskräften, damit du hinüberkommst. Und wenn du drüben bist, wirf die beiden Knäuel fort.“

Die alten Frauen waren nämlich die Muhmen des Wolfs und sie konnten den Wolf nicht leiden, nur deshalb waren sie bereit, dem Königssohn zu helfen. Er nahm dankbar die Knäuel und ritt los. Er ritt auf die besagte Brücke, und schon befiel ihn solch eine Müdigkeit, dass er sich ihrer nicht zu erwehren wusste. Sein Pferd schlief auf der Brücke im Gehen sofort ein, es blieb da stehen, und er konnte sich nur mit knapper Not über die Brücke schleppen. Hinter der Brücke warf er die Knäuel weg. Aus den Knäueln erwuchsen zwei weiße Windhunde. Das Pferd blieb schlafend zurück, er ging zu Fuß weiter, und die Windhunde jagten immer umher, um den Wolf zu fassen und zu zerreißen. Nach einiger Zeit erreichte er ein kleines Häuschen, und in dem Häuschen fand er ein Fräulein. Doch auch der Wolf war schon dorthin gelaufen, nur sah er ihn nicht. Der Wolf hatte die beiden Windhunde übertölpelt und lauerte nur immer darauf, den Königssohn fressen zu können.

Als der Königssohn das junge Fräulein ansprach, antwortete sie ihm. „Ich“, sagte sie, „bin sehr krank. Könntest du nur zu einer Mühle mit neun Türen gehen, dort haben sie viel Kuchen gebacken. Wenn du mir etwas davon bringen würdest, dann würde ich gesund.“

So erschöpft er auch war, er war bereit, ihre Bitte zu erfüllen. Er ging hin zu jener Mühle, fand den Kuchen, nahm davon und ging wieder hinaus. Kaum war er hinaus, da schlossen sich alle Türen hinter ihm. Und jede Tür hatte sich mit neun Schlössern verschlossen. Jetzt glaubte er, dass es ihm schlimm ergehen würde. Da kam eine weiße Taube geflogen und gab ihm ein kleines Blashorn.

Sie sagte: „Wenn du zu dem Haus des jungen Fräuleins kommst, dann findest du dort schon den Wolf, der auf dich lauert, um dich zu fressen. Bitte den Wolf, er möge dir noch erlauben, dass du dich badest. Aber wenn du ins Wasser steigst, so komme so bald nicht wieder aus dem Wasser heraus. Wenn du dann herauskommst, so bitte darum, noch einmal auf dem Horn blasen zu dürfen. Am Teich in der Nähe steht eine Linde, diese klettere hinauf, um zu blasen.“

Er kam bei dem Fräulein an, dort wartete, wie von der Taube vorhergesagt, schon der Wolf.

„Jetzt“, sagte er, „gehörst du schon mir!“

„Nun denn, so gehöre ich dir. Doch erlaube mir noch, in diesem Teich zu baden, dann wird dir das Fleisch beim Fressen besser schmecken.“

„Na gut, geh!“

Der Königssohn stieg ins Wasser und planschte darin herum. Er blieb lange im Wasser.

„Na“, sagte der Wolf, „du wirst dich schon genug gewaschen haben, steig heraus!“

Er stieg hinaus und sagte: „Erlaube mir auf diese Linde zu klettern und in mein Horn zu stoßen.“

Der Wolf meinte, er wäre ihm schon sicher, und er sagte: „Du kannst noch ein wenig hinaufklettern und dich vergnügen.“

Er stieß einmal ins Horn. Als das die Windhunde hörten, hoben sie die Köpfe und machten sich auf den Weg. Er blies zum zweiten Mal. Der Wolf hatte sich hingesetzt, blickte hinauf und hieß ihn herunterklettern. Der Königssohn stieß nochmals ins Horn.

Da der Wolf so hockte und nach oben schaute, sah er nicht, wie die Windhunde angejagt kamen. Unversehens packten sie den Wolf, rissen ihn mittendurch und zerfetzten ihn auf der Stelle. Doch der Königssohn ging hin zu dem Fräulein, schlug einen Keil in einen Hauklotz und klemmte ihre Zöpfe ein. Und die Windhunde rissen so lange an ihr, bis sie in Stücke zerfetzt war. Dieses Fräulein war nämlich die Schwester des Wolfes. Der Königssohn kehrte mit seinen Windhunden auf die Brücke zurück, dort fand er sein Pferd. Das machte er wach und er ritt glücklich zu seines Vaters Schloss zurück. Heimgekommen, heiratete er nun ganz richtig zum zweiten Male das Mädchen und wurde nach dem Vater König.

Der Wolfsbruder

Ein Märchen der Indianer Nordamerikas

Auf dem See lag Totenstille; nicht der leiseste Windhauch spielte zwischen den Blättern der Waldbäume, und weder Vogel noch Tier regte sich. Das Einzige, was man hörte, waren schwere, tiefe Seufzer, die aus einem einsam stehenden Wigwam kamen, wo ein alter Jäger in den letzten Zügen lag. Alle Künste der Medizin waren erschöpft, und Weib und Kinder, die weinend sein kümmerliches Pelzlager umstanden, erwarteten mit jeder Minute die Abfahrt des Geistes und hatten deshalb schon die Tür geöffnet, damit er ungehindert hinaus könne.

Doch der Kranke fühlte sich durch die hereinströmende frische Luft etwas gestärkt, richtete langsam den Kopf auf und sprach: „Meine lieben Angehörigen, ich lasse euch jetzt in einer Welt voll Hunger und Sorgen zurück, die schwere Forderungen an euch stellen wird. Meiner betagten Gemahlin wegen ist mir nicht bange, denn ihre Tage sind gezählt, und sie wird mir bald nachfolgen. Aber wer wird der Führer meiner Kinder sein, die kaum ins Leben gesehen haben? Missgunst, Undankbarkeit und jede erdenkliche Schlechtigkeit harren ihrer. Deshalb hatte ich mich vor vielen Jahren von meinem Stamm getrennt und war hierher in die Einsamkeit gezogen, damit ich das wilde Kriegsleben gegen ungestörte Ruhe eintauschen konnte. Jetzt ist mein Leben zu Ende, und ich werde meine Augen in Frieden schließen, wenn ihr, meine Kinder, mir feierlich gelobt, euch lebenslang gegenseitig zu lieben, eure alte Mutter nicht darben und euren jüngsten Bruder nicht hilf- und schutzlos zu lassen.“

Darauf sank er tot nieder, und Mutter und Tochter trafen weinend die nötigen Anstalten zur Beerdigung. Der älteste Sohn griff eifrig zu den Waffen seines Vaters und hatte auch Erfolg damit. Nach sechs Monaten schon starb die Mutter, und die Kinder hatten auch ihr vorher geloben müssen, dem Wunsch ihres Vaters gemäß zu leben.

Der Winter ging vorüber, und der Frühling erschien mit seinen mannigfachen Freuden. Der älteste Junge ging täglich auf die Jagd, die Schwester besorgte den Haushalt und pflegte ihren schwächlichen Bruder.

So lebten sie zufrieden und ruhig. Aber dem Ältesten behagte diese Einsamkeit doch nicht, denn er sagte eines Tages zu seiner Schwester: „Höre, unser Leben ist ein wenig zu langweilig, und ich habe große Lust, in die weite Welt zu wandern und die Dörfer und Städte der anderen Menschen aufzusuchen.“

„Das wäre unrecht von dir“, erwiderte das Mädchen, „denn wir haben unseren Eltern versprochen, stets beieinanderzubleiben und unseren schwächlichen Bruder nicht zu vernachlässigen, der doch unsere Hilfe so sehr benötigt.“

Der Knabe hörte diese Worte stillschweigend an, griff dann nach Pfeil und Bogen und ging fort, ohne wiederzukommen. Da wurde denn auch die Schwester des einsamen Lebens überdrüssig und sehnte sich ebenfalls nach größerer Gesellschaft. Sie suchte für den Kleinen so viele Lebensmittel zusammen, wie sie nur finden konnte, packte ihre Siebensachen zusammen und verließ unter dem Vorwand, dass sie zu ihrem Bruder gehen wolle, den elterlichen Wigwam. Sie verheiratete sich bald und vergaß ihren kränklichen Bruder völlig.

Als dieser den zurückgelassenen Vorrat aufgegessen hatte, ging er traurig im Wald umher, suchte sich Beeren und essbare Wurzeln. Als aber der Winter mit seinen Schrecken kam, und überall tiefer Schnee das Land bedeckte, war er gezwungen auszuwandern und sein weiteres Leben dem Zufall zu überlassen. Er brachte die Nächte in hohlen Bäumen zu und suchte sich bei Tag solche Knochen, an denen die Wölfe noch etwas Fleisch gelassen hatten. Dadurch wurde er mit den Wölfen so vertraut, dass er sich getrost in ihre Nähe wagte und später sogar mit ihnen zusammen aß und wohnte.

Die Wölfe gewannen ihn mit der Zeit recht lieb und versorgten ihn reichlich mit allem, was er brauchte, und als der belebende Frühling wieder erschien, nahmen sie ihn mit ans nahe Seeufer.

Gegenüber stand der Wigwam seines ältesten Bruders. Jener Jäger befand sich eben auf der Jagd, als er plötzlich das Schreien eines Kindes – seines verlassenen Brüderleins – hörte.

„Nisia, Nisia!“, rief der Kleine. „Scheikwuh gusu nei mei in kwun iw!“ Das heißt: „Mein Bruder, mein Bruder! Sieh her, wie ich zum Wolf werde.“

Und das wurde er auch tatsächlich. Seine Stimme klang wie die eines Wolfs, sein Körper wurde behaart, und an seinem Hals wuchsen noch zwei weitere Beine heraus.

Sein Bruder, der ihn gleich erkannte, lief so schnell wie möglich zu ihm. Doch als er bei dem Kleinen ankam, war dieser bereits vollständig zum Wolf geworden und verschwand als solcher im Dickicht des Waldes.

Der Wolf und der Fuchs in der Fallgrube

Ein Märchen aus Finnland

Ein Mann grub eine Fallgrube im Wald, um Wölfe und Füchse zu fangen. In der Mitte der Grube richtete er eine Stange auf. Dann hängte er eine Krähe an den Beinen an die Stange. Der Wolf sprang sie von der einen und der Fuchs von der anderen Seite an. Als beide zugleich die Krähe erreichten, stürzten sie in die Grube. Der Wolf hockte sich in die Ecke und sagte: „Ach, ach!“

Die Zeit verging, die Tage verstrichen. Der Fuchs sagte zum Wolf: „Es wird dir noch den Kopf kosten, wenn du dich so dumm hinhockst.“

Eines Morgens kam der Mann, um nachzusehen. Der Fuchs stellte sich tot, auch sein Schwanz lag ausgestreckt. Der Mann sagte zu einem anderen: „Es sind zwei Tiere: der Fuchs ist tot, aber der Wolf hockt in der Ecke.“

Dieser antwortete: „Geh hinunter, ich bleibe oben; der da ist tot, wir legen ihn auf den Grubenrand und töten den Wolf.“

Jener warf den Fuchs über den Rand. Der Fuchs lief in den Wald davon. Die Männer wollten den Wolf töten. Der Wolf jammerte und schrie, als sie ihm gegen die Stirn schlugen.

Der Fuchs rief ihm zu: „Habe ich dir nicht gesagt, dass du auch noch den Kopf verlierst, wenn du dich so dumm hinhockst?“

Das Märchen von Iwan dem Zarensohn, dem Feuervogel und dem grauen Wolf

Ein russisches Märchen

Es lebte einmal der Zar Berendej. Er hatte drei Söhne und einen wunderbaren Garten, in dem ein Apfelbaum mit goldenen Äpfeln wuchs. Eines Tages begann jemand die goldenen Äpfel zu stehlen, und durch keine noch so strenge Bewachung des Gartens ließ sich der Dieb fangen. Aus Trauer hörte der Zar auf zu essen, zu trinken und zu schlafen. Er rief seine Söhne zu sich und sprach zu ihnen: „Demjenigen unter euch, der es schafft, den Dieb zu fangen, werde ich die Hälfte meines Königreichs schenken!“

Als Erster machte sich der älteste Sohn auf. Doch obwohl er den ganzen Abend hindurch im Garten umherging, konnte er niemanden sehen. Er legte sich kurz hin und schlief sofort ein. Und am Morgen waren wieder Äpfel vom Baum verschwunden.

Der Zar fragte seinen Sohn: „Hast du denn den Dieb nicht gesehen?“

„Nein, Vater“, antwortete dieser. „Die ganze Nacht habe ich den Garten bewacht, ohne ein Auge zuzumachen, doch ich habe niemanden gesehen.“

Da dämmerte es dem Zaren, dass der Dieb schwer zu fangen war, und seine Trauer wuchs. Er schickte seinen zweitältesten Sohn zur Wache. Und auch dieser schlief die ganze Nacht durch und meldete am Morgen, er habe niemanden fangen können.

Da war der jüngste Sohn, Iwan, an der Reihe. Er machte sich auf, den Garten seines Vaters zu bewachen. Iwan legte sich jedoch nicht hin, er hatte Angst, auch nur ein Auge zuzumachen. Wenn der Schlaf näher kam, wusch er sein Gesicht mit Tau vom Gras, und der Schlaf entschwand. So verging die halbe Nacht. Plötzlich leuchtete etwas in der Ferne auf und wurde heller und heller, bis der ganze Garten wie am Tag erleuchtet war. Das war der Feuervogel, der auf den Baum flog und begann, die goldenen Äpfel zu fressen. Iwan schlich sich heran und packte den Feuervogel. Doch dieser konnte entfliehen, und Iwan blieb nur eine seiner Federn in den Händen.

Sofort, nachdem der Zar aufgewacht war, kam Iwan zu ihm und erzählte, welcher Dieb seine Äpfel stahl. Er zeigte ihm auch die Feder des Feuervogels. Seit diesem Tag tauchte der Feuervogel nicht mehr im Garten auf, und der Zar konnte wieder essen, trinken und schlafen.

Immer wieder betrachtete der Zar die Feder des Feuervogels und begann zu träumen, den Vogel zu fangen.

So rief er seine Söhne wieder zu sich und sprach: „Hört mir zu, meine Söhne. Sattelt eure Pferde, macht euch auf die Suche, um den Feuervogel zu fangen, sonst kommt er zurück und beginnt aufs Neue, meine Äpfel zu fressen.“

Die Kinder verneigten sich vor dem Vater, sattelten ihre besten Pferde und machten sich auf den Weg: der älteste Sohn in eine Richtung, der Zweitälteste in eine andere und Iwan in die Dritte.

Nach einer Weile gelangte Iwan zu einer Stelle, an der der Weg sich in drei aufteilte. Dort stand eine steinerne Säule, auf der geschrieben war: „Wer von der Säule aus geradeaus reitet, dem wird bald kalt und er wird Hunger haben. Wer nach rechts reitet, der wird am Leben und gesund sein, sein Pferd aber wird sterben. Wer nach links reitet, der wird selbst den Tod erleiden, doch sein Pferd wird am Leben bleiben.“

Iwan dachte nach und nahm den rechten Weg.

Am dritten Tag gelangte er zu einem dichten Wald. Plötzlich sprang aus den Büschen ein großer, grauer Wolf heraus, stürzte sich auf das Pferd, fraß es auf und verschwand wieder in den Büschen.

Iwan musste zu Fuß weiter. Er ging drei Tage lang, bis sein Hunger und seine Müdigkeit so groß waren, dass er sich hinsetzen musste, um sich auszuruhen.

Und plötzlich lief der graue Wolf zu ihm herbei. „Was bist du denn so traurig, wieso lässt du deinen Kopf hängen?“

„Wie kann ich denn nicht traurig sein? Wie soll ich weiterreisen ohne mein Pferd?“

Der Wolf antwortete: „Den Weg hast du dir selbst ausgesucht. Doch tust du mir leid, und ich werde dir helfen.“

Iwan erzählte dem Wolf von dem Feuervogel.

Der Wolf antwortete ihm: „Ohne dein Pferd wirst du den Feuervogel in drei Jahren nicht erreicht haben. Ich allein weiß, wo der Vogel lebt. Da ich nun dein Pferd gefressen habe, werde ich dich hinbringen. Setz dich auf mich und halt dich fest.“

Und der graue Wolf begann zu laufen. Seen flogen nur so vorbei, blaue Wälder huschten vorüber. Irgendwann erreichten sie eine hohe Festung.

Da sprach der graue Wolf: „Hör zu, Iwan! Klettere über die Mauer! Hab keine Angst, die Stunde ist günstig, die Wachen schlafen alle. Hinter der Mauer ist ein Garten und im Garten sitzt der Feuervogel in einem goldenen Käfig. Nimm den Vogel, doch rühre den Käfig nicht an, sonst wird ein Unheil geschehen.“

Iwan kletterte über die Mauer, nahm den Vogel und steckte ihn unter sein Hemd. Doch dann fiel sein Auge auf den Käfig. Das Gold glänzte – es war für Iwan nicht möglich zu widerstehen. Sobald er aber den Käfig berührte, füllte sich der ganze Garten mit einem lauten Glockenton.

Die Wachen eilten herbei, packten Iwan und führten ihn zum Zaren Afron. Dieser fragte ihn: „Wer bist du, wo kommst du her?“

„Ich bin der Sohn von Zar Berendej, Iwan.“

„Was für eine Schande! Ein Zarensohn, der stiehlt!“

„Und wieso plünderte Euer Vogel unseren Garten?“

„Wenn du einfach zu mir gekommen wärst und mich darum gebeten hättest, hätte ich dir den Feuervogel aus Respekt vor deinem Vater geschenkt! Nun werde ich aber in allen Städten erzählen, dass in Eurer Familie ein Dieb ist! Doch wenn du mir einen Gefallen tust, werde ich dir verzeihen. Der Zar Kusman besitzt ein Pferd mit goldener Mähne. Bring mir dieses Pferd, dann werde ich dir den Feuervogel schenken.“

Da wurde Iwan traurig. Als er zum grauen Wolf zurückkehrte, sprach dieser zu ihm: „Ich sagte dir doch, den goldenen Käfig nicht anzurühren. Wieso hast du nicht auf mich gehört?“

„Verzeih mir, grauer Wolf“, sprach Iwan.

„Also gut. Setz dich auf mich.“

Und sie ritten zu der Festung, in der das Pferd mit der goldenen Mähne stand.

„Iwan, steig über die Mauer, die Wachen schlafen alle. Geh zum Stall und nimm das Pferd, doch fass sein reiches Geschirr nicht an.“

Iwan fing das Pferd, doch er konnte dem mit Edelsteinen verzierten Geschirr nicht widerstehen. Als er das Geschirr anfasste, füllte ein lauter Glockenton den Stall, die Wachen kamen herbei, fingen Iwan und brachten ihn zum Zaren Kusman. Dieser fragte ihn: „Wer bist du, wo kommst du her?“

„Ich bin der Sohn von Zar Berendej, Iwan.“

„Schäme dich, einen solchen Diebstahl begehen zu wollen. Diese Tat ist nicht einmal des einfachsten Bauern würdig. Doch ich werde dir verzeihen, wenn du mir einen Gefallen tust. Der Zar Dolmat hat eine wunderschöne Tochter namens Helena. Bring sie mir, dann werde ich dir das Pferd samt Geschirr schenken.“

Da wurde Iwan wieder traurig. Als er zum grauen Wolf zurückkehrte, sprach dieser zu ihm: „Ich sagte dir doch, das Geschirr nicht anzurühren. Wieso hast du nicht auf mich gehört?“

„Verzeih mir, grauer Wolf“, sprach Iwan.

„Also gut. Steig auf mich herauf.“

Und sie ritten zur Festung von Zar Dolmat.

Im Garten der Festung sahen sie die Zarentochter Helena mit ihren Dienerinnen und Hofdamen spazieren gehen. Da sagte der graue Wolf: „Also nein, diesmal werde ich dich nicht gehen lassen. Ich werde alles selbst machen. Und du, geh zurück, ich werde dich einholen.“

Sobald Helena sich von ihrer Gesellschaft getrennt hatte, fasste sie der graue Wolf und lief mit ihr weg. Als er Iwan erreichte, sprach er: „Setz dich auf mich, so sind wir schneller.“

Und so ritten sie zum Reich von Zar Kusman. Da merkte der graue Wolf, dass Iwan wieder traurig war, und fragte ihn: „Iwan, wieso schweigst du? Wieso lässt du deinen Kopf hängen?“

Iwan antwortete: „Wie kann ich nicht traurig sein? Wie soll ich mich von einer solchen Schönheit trennen? Wie kann ich sie gegen ein Pferd eintauschen?“

„Also gut“, sagte der Wolf. „Ich helfe dir. Ich werde mich für dich in Helena verwandeln.“

Sie ließen Helena unter einer Eiche. Der Wolf aber warf sich auf die Erde und verwandelte sich plötzlich in Helena.

Also brachte ihn Iwan zu Zar Kusman. Der Zar freute sich und sprach: „Danke dir, Iwan, für die schöne Prinzessin! Nimm dir dein Pferd mit goldener Mähne samt dem Geschirr.“

Iwan nahm das Pferd, ritt zurück zu Helena, nahm sie mit und reiste weiter.

Währenddessen richtete Zar Kusman seine Hochzeit aus und feierte bis zum Abend. Dann brachte er Helena in sein Schlafgemach, sobald er sich mit ihr auf das Bett gelegt hatte, sah er eine Wolfsschnauze statt dem Gesicht seiner jungen Braut. Der Zar fiel vor Angst aus dem Bett, der Wolf aber lief weg.

Er holte Iwan ein und fragte ihn: „Wieso bist du nun wieder traurig?“

„Wie sollte ich denn nicht traurig sein? Es tut mir leid, das Pferd gegen den Feuervogel eintauschen zu müssen.“

„Also gut, auch diesmal werde ich dir helfen.“