Woodwalkers (5). Feindliche Spuren - Katja Brandis - E-Book + Hörbuch

Woodwalkers (5). Feindliche Spuren E-Book

Katja Brandis

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Beschreibung

Zurück an der Clearwater High wartet ein neues Abenteuer auf Carag: Das Berufspraktikum vor den Abschlussprüfungen steht an und der Pumajunge schließt sich einem Ranger an. Dabei haben er und seine Freunde gerade ganz andere Sorgen. Widersacher Andrew Milling gewinnt immer mehr Anhänger in seinem Kampf gegen die Menschen. Um denen zu helfen, gründen Carag und seine Freunde kurzerhand einen Secret-Ranger-Club. Aber können sie Milling so wirklich aufhalten? Und wo steckt eigentlich Frankie?

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Seitenzahl: 348

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Katja Brandis

Woodwalkers

Feindliche Spuren

Zeichnungen von Claudia Carls

Bücher von Katja Brandis im Arena Verlag: Woodwalkers. Carags VerwandlungWoodwalkers. Gefährliche FreundschaftWoodwalkers. Hollys GeheimnisWoodwalkers. Fremde WildnisKhyona – Im Bann des Silberfalken

Katja Brandis, Jahrgang 1970, hat Amerikanistik, Anglistik und Germanistik studiert und als Journalistin gearbeitet. Schon in der Schule liehen sich viele Mitschüler ihre Manuskripte aus, wenn sie neuen Lesestoff brauchten. Inzwischen hat sie zahlreiche Romane für Jugendliche veröffentlicht, zum Beispiel White Zone, Floaters – Im Sog des Meeres oder Ruf der Tiefe. Bei der Recherche für Woodwalkers im Yellowstone-Nationalpark lernte sie eine Menge Bisons persönlich kennen, stolperte beinahe über einen schlafenden Elch und durfte einen jungen Schwarzbären mit der Flasche füttern. Sie lebt mit Mann, Sohn und drei Katzen, von denen eine ein bisschen wie ein Puma aussieht, in der Nähe von München. www.katja-brandis.de

Für Alexandra, Samuel und Leon

1. Auflage 2018 © Arena Verlag GmbH, Würzburg Alle Rechte vorbehalten Dieses Werk wurde vermittelt durch die Autoren- und Projektagentur Gerd F. Rumler (München) Cover und Illustrationen: Claudia Carls ISBN 978-3-401-80780-5

Besuche uns unter: www.arena-verlag.dewww.twitter.com/arenaverlagwww.facebook.com/arenaverlagfans

Beim Austausch mit Costa Rica habe ich neue Freunde und Verbündete gewonnen, aber meinen schlimmsten Feind Andrew Milling auch sehr wütend gemacht. Wir müssen herausfinden, wer oder was »Arula« ist und warum das wichtig für Milling ist, Wahrscheinlich brauchen wir diese Information für den Kampf gegen ihn. Aber erst mal müssen wir unseren Otter-Freund Frankie finden, der mir heimlich gefolgt ist – von ihm fehlt immer noch jede Spur. Was kann mit ihm passiert sein? Vielleicht wissen das die Menschen. Doch die können ziemlich seltsam und sogar gefährlich sein, wenn es um Woodwalker geht …

 

Es war einmal ein Ranger

Wenn der Himmel so grau wie Schiefer war und jede Menge Wasser daraus herabfiel, machten wir es uns manchmal unter einem Felsvorsprung gemütlich. So auch an diesem Tag ein paar Wochen nach meinem ersten Besuch in der Stadt der Menschen. Mias Schwanzspitze zuckte aufgeregt, während sie sich Geschichten ausdachte, um uns zu unterhalten. … aber dann kamen zwei dieser Leute in grüngrauen Klamotten und wollten mich mit dem Lasso einfangen, um mich auszustopfen. Aber ich war auf einmal superstark, konnte fliegen und kurvte um die Berggipfel herum, um sie von oben anzugreifen …

Meine Mutter gähnte, sodass ich ihre gelblich weißen Fangzähne bewundern konnte. Meinst du diese Menschen mit den Hüten?, fragte sie. Hüte, die aussehen wie Steinscheiben, auf die ein Wapiti draufgemacht hat?

Ja genau, gab Mia zurück. Gerade wollte ich mich aus der Luft auf sie stürzen, da …

Diese Leute würden dich nicht ausstopfen, sagte meine Mutter knapp. Man nennt sie Ranger.

Mia war eingeschnappt, weil meine Mutter schon wieder ihre Geschichte unterbrochen hatte, aber ich horchte auf. Dieses Wort »Ranger« hatten meine Eltern schon öfter benutzt. Was sind Ranger?, erkundigte ich mich. Damals, vor meinem verbotenen Abstecher zum Old-Faithful-Geysir, wusste ich so etwas noch nicht.

Das sind Leute, die in Nationalparks – also in unserem Revier – darauf achten, dass Menschen und Tiere friedlich zusammenleben und keiner etwas kaputt macht, erklärte meine Mutter.

Tolle Sache, meinte ich beeindruckt. Also sind diese Ranger nicht unsere Feinde?

Nein, meinte meine Mutter und erhob sich. Wenn ihr Lust habt, schauen wir uns einen an. Aber ihr müsst ganz leise sein, denn diese Leute sind oft bewaffnet. Ich will nicht, dass euch etwas passiert.

Klingt echt blöd – ich bleib hier!, motzte Mia, die anscheinend immer noch beleidigt war, und als ich begeistert aufsprang, griff sie mich einfach so an. Das ließ ich mir natürlich nicht bieten, warf mich selbst auf sie und versuchte, sie umzuwerfen. In einem Knäuel aus hellbraunem Fell landeten wir auf unserem Vater, der unsanft aus seinen Träumen gerissen wurde. Nehmt gefälligst eure Pfoten aus meiner Nase!, fauchte er. Nimca, schaff die beiden nach draußen, die brauchen Bewegung!

Für den schroffen Ton bekam er von unserer Mutter einen Schlag auf die Schnauze, wenn auch mit eingezogenen Krallen. Was meinst du, was ich gerade mache?

Mein Fell kribbelte aufgeregt, als wir uns mit unserer Mutter Nimca auf den Weg machten und durch den Kiefernwald streiften. Ich verzichtete sogar darauf, ein Hörnchen zu jagen, das ich über einen umgestürzten Baumstamm laufen sah. Aber ihr habt uns doch immer gesagt, wir sollen uns hier im Wald von Leuten fernhalten? Oder machen wir das in unserer Menschengestalt? Wie man sich verwandelte, hatten wir erst vor Kurzem geübt, bei unserem Ausflug in die Stadt.

Leise jetzt!, antwortete Nimca nur und pirschte auf ihren breiten, weichen Pranken voran. Erschrocken wurde mir klar, dass sie bereits jemanden erspäht hatte. Ja, jetzt witterte ich den Menschen auch und bald darauf waren wir nahe genug, um ihn zu sehen.

Ah, DER ist es, ich habe es mir fast gedacht, meinte meine Mutter und erstaunt spürte ich Freude in ihren Gedanken. Misstrauisch schaute ich mir den Ranger näher an. Er war ein kräftiger Mann mit Haaren in der Farbe von Herbstlaub, einer dunkelgrünen Hose, einem grauen Hemd, an dem etwas Goldenes glitzerte, und genau dem Hut, den meine Mutter beschrieben hatte. Außerdem etwas, das wie ein Buckel aus Stoff aussah – ein Rucksack, erklärte meine Mutter lautlos –, und ein längliches knallrotes Ding am Gürtel.

Der ist tatsächlich bewaffnet!, stellte meine Schwester entsetzt fest. Wer ist das überhaupt? Du kennst ihn, stimmt’s?

Ja, gab unsere Mutter zu. Das ist Tom. Er ist ein Freund von mir.

Mia und ich waren so geschockt, dass sich uns die Nackenhaare aufstellten. Wie, was, aber …?, brachte ich nur heraus.

Jetzt schaute meine Mutter ein wenig verlegen drein. Es ist schon ein paar Monde her, dass er mir zum ersten Mal aufgefallen ist. Ich hatte einen Gabelbock gerissen, aber dann wurde mir klar, dass in der Nähe ein Wanderpfad verlief. Prompt gingen Leute vorbei, sodass ich kaum einen Bissen nehmen konnte. Aber dann kam zum Glück Tom. Er sperrte den Wanderpfad ab, sodass wir später zurückkommen und in Ruhe fressen konnten. Richtig nett, oder? So haben wir uns kennengelernt.

Unsere Mutter hatte einen Menschenfreund. Ich konnte es immer noch nicht fassen. Zu dritt spähten wir vorsichtig durchs Unterholz in Richtung des Rangers.

Später habe ich erfahren, dass er Tom heißt, so haben andere Leute ihn genannt, berichtete Nimca. Das hat mir natürlich auch gefallen, denn Tom bedeutet in Menschensprache Kater! Seither treffen wir uns immer mal wieder.

Der Mensch namens Tom war gerade dabei, mit einer zischenden Dose farbige Zeichen auf einen Baumstamm zu sprühen. Wahrscheinlich markierte er sein Revier. Das fand ich etwas unfreundlich. Wusste er nicht, dass es unseres war?

Das sind Zeichen für mich, erklärte mir unsere Mutter stolz. Damit ich weiß, dass er hier war.

Ich war sehr beeindruckt.

Manchmal winkt er mir zu. Sie schnurrte, während sie ihn betrachtete. So wie jetzt gerade.

Tom wedelte mit der Hand durch die Luft und schlug sich dann auf den Hals. Anscheinend hatte er nicht nur sie, sondern auch die Moskitos begrüßt.

Aber wieso ist er bewaffnet? Hat er Angst vor dir? Mia schien noch nicht ganz überzeugt.

Nein, natürlich nicht, sagte Nimca, sie klang empört. Das ist nur gegen Bären! So ein Pfefferzeugs.

Tom ging weiter den Wanderpfad entlang und wir folgten ihm, ohne dass er sich umwandte. Er bemerkte weder uns noch das Grizzlymännchen, das sich nicht weit entfernt aufhielt. Unsere Mutter wurde ganz aufgeregt, als ihr das klar wurde, und auch ich wurde nervös. Die meisten Bären wären sofort verschwunden, wenn sie einen Menschen hörten oder rochen, aber dieser Grizzly dachte nicht daran. Er betrachtete sich als Chef hier und ging nichts und niemandem aus dem Weg.

Mittlerweile hatte der Grizzly sich entschieden, auf der nächsten Wiese an Gras und Kräutern zu knabbern. Er wirkte wie ein hellbrauner, pelziger Berg, wie er dort stand und herumkaute. Als der Ranger den Bär bemerkte, blieb er sofort stehen und wandte sich halb ab. Gute Idee – Grizzlys mochten es nicht, wenn man ihnen in die Augen schaute, das hätte wie eine Herausforderung gewirkt.

Der ist klug, dein Tom, sagte ich, doch Nimca war so angespannt, dass sie es nicht beachtete. Sie hatte sich geduckt und fixierte Mensch und Bär, die etwa eine Baumlänge von uns entfernt waren und noch nichts von uns ahnten, weil wir uns gegen den Wind genähert hatten. Ich trau diesem Vieh nicht, meinte sie knapp.

Ich auch nicht – das ist der, der uns damals in der Höhle entdeckt hat und uns kaltmachen wollte, beklagte sich Mia. Ein echter Mistkerl.

Ausgerechnet dem mussten wir jetzt begegnen!

Tom war noch eine Baumlänge von ihm entfernt, zog sich langsam zurück und begann in beruhigendem Ton, Worte vor sich hin zu murmeln. »Guter Bär, braver Bär, wir lassen uns beide in Ruhe, okay? Alles in Ordnung, Dicker.« Aber seine Hand lag auf der roten Pfefferflasche an seinem Gürtel.

Nun hatte sich der Bär in Bewegung gesetzt, er trottete mit wiegenden Schritten über die Wiese, rupfte hier und dort eine Pflanze aus und zerkaute sie. Wenn er so weitermachte, würde er nah an dem Ranger vorbeikommen. Inzwischen schien Tom klar zu sein, dass das schiefgehen konnte, selbst auf diese Entfernung roch ich seine Angst.

Auch der Bär schien sie zu riechen – und noch anderes mehr. Anscheinend hatte Tom Proviant in seinem Rucksack, denn der Grizzly hob schnüffelnd den Kopf und machte ein paar Schritte in seine Richtung.

Jetzt könnte Tom langsam mal sein Pfefferzeug abfeuern, meinte meine große Schwester.

Aber ist der Grizzly dann nicht stinkesauer und macht erst recht Ärger?, überlegte ich.

Ich muss etwas tun, sagte unsere Mutter entschlossen. Ihr bleibt hier, ist das klar?

Bevor wir protestieren konnten, war sie schon davongehuscht wie ein hellbrauner Schatten.

Ich hatte keine Ahnung, was sie vorhatte, und wie von selbst kniffen sich meine Ohren flach an den Kopf, ich zeigte die Zähne und ein leises Maunzen entwich mir. Eng aneinandergedrängt, beobachteten Mia und ich, was geschah. Wir wussten beide, dass Grizzlys nicht nur sehr viel größer, sondern auch deutlich stärker waren als Pumas. In einem Kampf hätte unsere Mutter keine Chance gegen diesen Kerl.

Nimca lief zum Rand der Wiese, hielt dort nicht weit von Tom entfernt an und fauchte den Bären an. Es funktionierte, der Koloss blieb stehen und schaute irritiert in ihre Richtung.

Jetzt hätte Tom sich eigentlich zurückziehen und aus dem Staub machen können, während der Grizzly mit unserer Mutter beschäftigt war. Nur leider wirkte Mr Ranger wie erstarrt und murmelte ein paar Wörter, die etwas mit menschlichen Ausscheidungen zu tun hatten. Was sollte das bedeuten? Musste er mal? Jedenfalls schien er sich nicht besonders zu freuen, dass meine Mutter und er sich mal wieder begegneten. Und der Bär zögerte nicht lange, er galoppierte mit gesträubtem Fell und einem wütenden Brummen los. Auf meine Mutter und auf Tom zu. Ach, du großes Gewitter!

Zisssch! Tom hatte die rote Dose vor sich gerissen und ein langer, nebliger Strahl drang daraus hervor. Der Grizzly prallte aufbrüllend zurück, bog ab und trottete hastig davon. Immerhin, der war weg.

Doch leider hatte auch unsere Mama etwas abbekommen, niesend und japsend, flüchtete sie zu uns in die Deckung. Au verdammt, das brennt!

Sie ließ sich neben uns auf den Bauch fallen und rieb sich mit den Pfoten über die Schnauze. Um ihr zu helfen, schleckte ich ihr über das Gesicht. Ganz schlechte Idee! Auf meiner Zunge brach ein Waldbrand aus.

Also, Tom ist ja wirklich ein netter Kerl, aber er sollte das Zielen üben, brummte unsere Mutter, während wir in Richtung des Felsüberhangs liefen, wo Xamber wahrscheinlich noch immer schlief. Wär nett, wenn ihr das alles eurem Vater nicht erzählen würdet.

Kein Problem, versprach ich.

Aber er merkte natürlich trotzdem, dass etwas passiert war, denn Nimca musste erst in einen Fluss springen, bevor sie wieder so roch wie sonst. Ihre Grimassen und Geräusche im kalten Wasser waren toll.

Trotz allem konnte ich nicht aufhören, über die Menschen, Tom und das alles nachzudenken. Kurz darauf flüsterte ich Mia zu: Ich will auch einen eigenen Ranger. Beim Gedanken daran, einen Menschenfreund zu haben, liefen kleine zittrige Schauer über meine Haut. Einen Verbündeten, der nicht zu meiner Familie gehörte. Dem ich erzählen konnte, wie unzufrieden ich manchmal mit diesem Leben als Puma war, weil es in der Menschenwelt unendlich viel zu entdecken gab.

Hast du Motten im Kopf? Oder einen Schwarm Käfer? Mia zeigte mir die Zähne. Hoffentlich machst du nicht so einen Blödsinn wie dieses Luchs-Mädchen, von dem Papa erzählt hat.

Wieso, was hat sie denn gemacht?, erkundigte ich mich neugierig.

Sie ist letzten Winter zu den Menschen gegangen und dortgeblieben, um zu leben wie sie! Vielleicht hat sie was Falsches gefressen, dass sie auf so eine Idee gekommen ist?

Glaube ich nicht, gab ich kurz zurück. Zu den Menschen gegangen und dortgeblieben! So etwas musste unglaublich aufregend sein. Ob ich mich eines Tages auch so etwas trauen würde wie dieses Luchs-Mädchen? Aber vielleicht reichte es erst mal, wenn ich mir einen Menschenfreund suchte.

In den nächsten Wochen entdeckte ich einige Ranger und schließlich entschied ich mich für eine junge, nicht sehr große Frau, die schwungvoll ging und viel lächelte. Manchmal führte sie Wandergruppen und beantwortete den Leuten Fragen, manchmal war sie aber auch allein unterwegs und schien sich um die Pfade zu kümmern. Da ich nicht sicher war, ob ich mich ihr als Puma nähern sollte, traute ich mich schließlich und setzte mich in Menschengestalt und mit klopfendem Herzen dazu, als sie einen ihrer Vorträge über die Natur hielt.

Etwa vierzig Leute saßen auf absichtlich umgestürzten Baumstämmen in einem Halbkreis um sie herum und einer davon war ich, in den fleckigen, viel zu kurzen Klamotten aus unserer versteckten Kiste.

»Hi, mein Name ist Andrea«, verkündete meine neue Lieblings-Rangerin gut gelaunt. »Heute erzähle ich euch etwas über die Wolfsrudel hier im Nationalpark und in der Dämmerung gehen wir zusammen zu einem Punkt, an dem wir diese faszinierenden Tiere beobachten können. Vielleicht haben wir ja Glück.«

Unwillkürlich schnaubte ich und Andrea blickte mich verblüfft an. Na gut, sie mochte Wölfe, aber bestimmt fand sie Pumas noch besser!

Nach dem Vortrag riss ich mich zusammen, ging auf sie zu und lächelte sie schüchtern an. »Hallo«, sagte ich und wartete, ob sie gleich kapieren würde, dass ich ihr neuer Freund war.

Sie lächelte mich ein bisschen verdutzt an. »Hallo! Du warst sehr aufmerksam, habe ich gesehen. Hast du eine Frage?«

»Würdest du mich besuchen?«, fragte ich nervös. »Am besten so, dass mein Vater es nicht merkt. Dann können wir über alles reden.«

Andrea wirkte erstaunt, dann lachte sie herzhaft. Verwirrt schaute ich sie an. Ihre Augen wurden groß und dann ging sie einen Schritt rückwärts. Entsetzt merkte ich, dass sie auf meine Zähne starrte. Oh nein, vor lauter Stress hatte sich mein Gebiss teilverwandelt! Die Fangzähne pikten mich schon in die Lippe.

Ich drehte mich um und rannte weg, so schnell ich konnte.

Die arme Frau – ich hoffe, sie hat ihren Schock irgendwann überwunden. Ich musste an sie denken, als Lissa Clearwater während James Bridgers Stunde zu uns kam und die Ankündigung machte: »Vielleicht habt ihr schon gehört, dass ihr vor den Abschlussprüfungen des ersten Jahres ein Berufspraktikum machen werdet. Überlegt euch am besten schon jetzt, was ihr mal werden wollt, denn ihr solltet euch bald bewerben.«

»Ranger«, sagte ich sofort. Wenn ich mir schon keinen zulegen konnte, dann wollte ich wenigstens selber einer werden!

»Pah, die verdienen doch nichts.« Verächtlich blickte Leitwolf Jeffrey zu mir herüber. »Also ich will einen Job, in dem die Bezahlung stimmt. Manager oder so. Außerdem wärst du ein Scheiß-Ranger, du weißt wohl nicht, was die alles machen müssen, oder?«

»Wieso? Nüsse knacken?«, fragte Holly, doch Jeffrey beachtete sie nicht, er blickte weiterhin mich an.

Seine Bemerkung hatte mich unsicher gemacht, doch ich wollte es mir nicht anmerken lassen. »Ach, und du wirst der weltbeste Manager oder was? So wie dein Vater – hat der mit seinem Unternehmen nicht gerade Pleite gemacht?«

Aus Jeffreys Augen flammte die Wut und mir wurde klar, dass ich zu weit gegangen war. Schließlich wäre auch ich explodiert, wenn jemand meinen Vater beleidigt hätte, während er in den nächsten Wochen bei uns das Fach Tiersprachen unterrichtete.

Nicht nur die Wölfe waren wütend, auch James Bridger blickte mich stirnrunzelnd an, und das war viel schlimmer, denn er war einer der Freunde, die ich mir damals so sehnlichst gewünscht hatte. »Ich glaube, ihr solltet euch beieinander entschuldigen«, sagte er und im Klassenraum herrschte gespannte Stille. Viele Blicke ruhten auf uns.

»Darauf kann das Kätzchen lange warten«, knurrte Jeffrey.

Ich verschränkte schweigend die Arme und blickte geradeaus. Okay, meine Bemerkung war nicht toll gewesen, aber wieso sollte ich mich bei jemandem entschuldigen, der für meinen Todfeind Andrew Milling spionierte?

»Strafaufgabe für euch beide – und ihr werdet sie gemeinsam erledigen!«, verkündete Bridger.

Die Woche fing nicht wirklich gut an.

Beruf ist Glückssache

Nach dem Streit redeten wir erst mal weiter über Berufe, wahrscheinlich damit sich alle wieder etwas beruhigten.

»Also ich werd später Sumpf-Spezialistin«, kündigte Cookie fröhlich an. »Meine Opossumfamilie kommt nämlich aus ’nem Sumpf, wisst ihr? Mit Sümpfen kenne ich mich richtig gut aus.«

Ich war nicht sicher, ob jemand dafür Geld bezahlen würde, dass Cookie ihm etwas über Sümpfe erzählte, aber ich hatte nicht vor, in dieser Stunde noch irgendetwas zu sagen. Besonders nichts Negatives. Es waren schon genug Leute sauer auf mich.

»Aber dann darfst du dich bei Problemen nicht tot stellen, sonst muss dein Chef ständig den Notarzt rufen«, wandte Lou ein, das schönste Wapiti-Mädchen der Welt.

»Apropos«, meinte Tikaani, die weiße Wölfin. »Das wär was für mich, glaub ich. Notärztin. Aber vielleicht auch Bodyguard, schließlich kann ich gut kämpfen. Oder ich werde Sängerin.«

»Jetzt musst du dich nur noch entscheiden.« Bo, ein weiteres Mitglied des Wolfsrudels, verdrehte die Augen. »Leute verletzen, Leute gesund machen oder ihnen doch lieber die Ohren vollheulen?«

Nun war auch Tikaani beleidigt. Diese Stunde hatte es echt in sich!

Holly grübelte schon die ganze Zeit vor sich hin. »Gibt es Nuss-Experten?«, wollte sie wissen.

»Sicher nur sehr wenige«, gab ihr James Bridger bedauernd zur Auskunft. »Aber was es sehr wohl gibt, sind Industriekletterer, die zum Beispiel auf Windkraftanlagen steigen und dort irgendwas reparieren.«

Meine beste Freundin strahlte. »Das probier ich aus!«

»Ich will mit Shadow mal ein eigenes Restaurant aufmachen«, erklärte Raben-Mädchen Wing und ihr Bruder nickte begeistert.

»Die sind dann ihre eigenen besten Kunden«, flüsterte Leroy, mein Banknachbar, mir zu. Ich nickte und verkniff mir die Bemerkung, dass er als Stinktier dann vielleicht in der Parfümbranche richtig war. Meine Laune war heute wirklich nicht die beste.

»Meine Eltern wollen, dass ich Rechtsanwalt werde«, ächzte Brandon und blickte sehr unglücklich drein.

»Macht etwas, was euch gefällt, sonst leidet ihr ein paar Jahrzehnte lang vor euch hin in einem Beruf, den ihr hasst«, warnte uns Mr Bridger. »Also überleg dir lieber was anderes, Brandon.«

»Ich werde mal Lehrer«, sagte Betawolf Cliff plötzlich und überrascht blickten wir ihn an. Worauf er prompt die Lippe hob und ein Knurren losließ. »Was? Dachtet ihr, ich hab eine Karriere als Türsteher vor ’ner Disco im Sinn?«

Cliff hatte als Wolf scharfe Zähne und niemand riskierte, etwas zu sagen. Sein kleiner Freund Miro, der inzwischen oft in Menschengestalt am Unterricht teilnahm, blickte ihn bewundernd an. »Wirklich, man kann Geld damit verdienen, dass man vor einer Tür steht?«

»Man muss dabei ab und zu auch jemanden verprügeln«, erklärte ihm Cliff und grinsend blickte Jeffrey in meine Richtung.

Die anderen wussten zum großen Teil noch nicht, was sie später machen wollten. Aber wir hatten ja noch genug Zeit zum Überlegen.

Nach dem Unterricht zogen Holly, Brandon, Dorian und ich uns zum Baumhaus zurück, das auf einer Wiese in der Nähe der Schule stand. Holly übte Zielspringen, dafür hatten ich und Brandon ihr eine Darts-Scheibe an einer Seitenwand des Baumhauses angebracht. Gerade warf sie sich dagegen – voll ins Schwarze! Zufrieden grub sie die Krallen hinein und hielt sich einen Moment lang an der Scheibe fest. Voll gut, oder? Ich werde mal ’ne Weltklasse-Kletterexpertin! Niemand wird besser sein als ich! Jedenfalls kein Mensch! Hörnchen vor, noch ein …

… Tor, ergänzte Brandon, der unter dem Baumhaus graste und darauf achtete, dass niemand Unerwünschtes hochkam. Falls du Fußball spielen willst, musst du leider zu mir runterkommen.

Ach, hier oben kann man auch sehr gut Ballsportarten machen, behauptete Holly, schnappte sich einen Kiefernzapfen und schleuderte ihn im Sprung an den nächsten Baumstamm. Krach!

Ich legte mich auf die Plattform, sodass meine Vorderpfoten über den Rand baumelten, und schaute über den in der Sonne glitzernden Fluss hinweg. Müsst ihr auch ständig an Frankie denken?, erkundigte ich mich. Er hätte heute bestimmt gesagt, dass er gerne irgendwas mit Computern machen würde.

Ja, ich denke oft an ihn, sagte Holly traurig und kam abrupt zum Stillstand. Wenn er uns nur nicht hinterhergelaufen wäre! Der beknackte Otter wusste doch, wie gefährlich Andrew Milling ist, du hast ihm davon erzählt!

Ja, aber vielleicht hat das nicht gereicht. Mich überlief ein Schauer, wie jedes Mal, wenn ich an meinen ehemaligen Mentor dachte. Andrew Milling war tödlich, auch wenn manche Leute es nicht wahrhaben wollten. Und die Spuren hatten eindeutig verraten, dass Frankie uns hinterhergelaufen war bis zu Millings Stützpunkt. Wenn Frankie ihm in die Hände gefallen ist, dann müssen wir mit dem Schlimmsten rechnen.

Aber hätte Milling dann nicht irgendwas gesagt?, wandte Brandon ein. Damit geprahlt, dass er Frankie erledigt hat, oder so was?

Wir sollten noch mal versuchen, ihn aufzuspüren, mischte Dorian sich ein. Er war gerade intensiv mit seiner Fellpflege beschäftigt, schließlich war er sehr stolz darauf, dass er zur seltenen Katzenrasse Russisch Blau gehörte.

Aber das haben wir doch schon versucht! Bei der wurmstichigen Nuss, wir haben schon alles versucht! Holly drosch mit ihren winzigen Vorderpfoten auf das Geländer ein. Es bekam nicht mal einen Kratzer. Ich würde ihm so gerne helfen, aber wie?

Dorian erhob sich und ging in die Hütte; als er wieder herauskam, trug er eine Zeitung im Maul. Einen Moment lang kämpfte er mit dem Papierstapel, dann schaffte er es, mit Nase und Pfoten umzublättern. Damit der Wind ihm seine raschelnde Beute nicht wegnahm, legte er sich zum Lesen mitten darauf. Seit er weg ist, habe ich jeden Tag von vorne bis hinten alle Meldungen gelesen, erklärte er. Dieser Otter ist schlau – wenn Frankie noch lebt, wird er es irgendwie schaffen, uns ein Zeichen zu geben.

Kann sein, sagte ich mit gemischten Gefühlen. Und, hast du schon irgendwas entdeckt?

Ja, aber nicht das, was ich erwartet hätte, berichtete Dorian.

Gespannt und beunruhigt blickten wir ihn an. Wieso?

Mir scheint, die Menschheit hat gerade eine richtige Pechsträhne, stellte unser Freund fest. Schaut mal, was ich allein in dieser Ausgabe gefunden habe!

Die Zeitung bekam Nasenabdrücke, als er uns auf verschiedene Artikel hinwies und die Schagzeilen vorlas.

»Was ist in meinen Hund gefahren?« So viele Verletzte durch Tierbisse wie nie zuvor! Zahl der Toten durch Schlangenbisse stark gestiegen

Florida: Dutzende Sportboote von Alligatoren umgekippt – bisher zwanzig Verletzte

Detroit, New York, Chicago: Mehrere Kraftwerke und Fabriken ausgefallen oder in Brand geraten, Polizei ermittelt wegen durchgebissener Kabel

Schock am Himmel: Mehrere Verkehrsflugzeuge müssen notlanden, weil Äste oder Steine in ihre Triebwerke geraten sind

Und das waren nur einige wenige Meldungen von vielen.

Also, das dürfte die Menschen misstrauisch gemacht haben, denn normalerweise haben Äste und Steine am Himmel nichts zu suchen, meinte Dorian. Die sind bestimmt von Vogel-Wandlern geworfen worden.

Wir blickten uns an und dachten alle das Gleiche. Konnte es sein, dass Andrew Milling dahintersteckte? Falls er für diese Anschläge verantwortlich war, musste er schon unfassbar viele Verbündete im ganzen Land haben. Ich würde es ihm zutrauen – Milling schadet den Menschen, wo er kann, sagte ich. Und irgendwann wird er Ernst machen mit seiner Rache. Weißt du noch, in seinem Stützpunkt haben wir gehört, wie sie über diesen Großen Tag geredet haben.

Mit einem mulmigen Gefühl blickten wir uns gegenseitig an.

Dieser Piss-Puma! Hollys Fell hatte sich gesträubt, ihre Augen blitzten. Gestern gab es eine Mitteilung vom Rat dazu, das hab ich am Lehrertisch belauscht. Darin heißt es, dass man bitte eingreifen soll, wenn man merkt, dass ein Woodwalker einem Menschen schaden will. Damit haben sie bestimmt diese Anschläge gemeint. Und ich habe auch gehört, dass der Rat gerade eine Ermittlung gegen Milling laufen hat und Beweise sammelt, um ihn endlich verurteilen können!

Gut, sagte ich grimmig. Was ist eigentlich, wenn sie ihn verurteilen, was blüht ihm dann für eine Strafe?

Darüber hab ich neulich mit Mr Brighteye gequatscht …, meldete sich Dorian zu Wort. Man kann aus der Gemeinschaft der Woodwalker verstoßen werden, niemand darf mehr mit einem reden oder einen ansehen. Heftig, oder?

Manche müssen auch ein paar Jahre in diesen Tierparks absitzen, die eigentlich Gefängnisse für Woodwalker sind, berichtete Brandon. Aber die härteste Strafe ist, dass sie einem die Verwandlungsfähigkeit blockieren. Das geht! Weiß ich direkt von Miss Clearwater.

Schockiert schwiegen wir. Für mich war es undenkbar geworden, nur noch als Puma oder als Mensch zu leben … ja, so was war wirklich eine schwere Strafe.

Meine Gedanken wanderten zurück zu den Anschlägen. Es reicht nicht, nur im Notfall einzugreifen, sagte ich spontan. Während Dorian die Meldungen vorgelesen hatte, war eine Idee in meinen Kopf gekrochen – jetzt war es an der Zeit, sie auszusprechen. Was haltet ihr davon, wenn wir einen Wir-helfen-Menschen-Club gründen und den Menschen als Ausgleich so viel Gutes tun, wie wir können? Vielleicht können wir sie auch schützen. Ich will nicht, dass sie anfangen, uns zu hassen.

Sehr cool, sagte Brandon sofort, der als Mensch aufgewachsen war. Aber der Name klingt langweilig, wie wäre es mit ›Secret-Ranger-Club‹? Ranger helfen den Menschen ja auch, aber wir tun es heimlich.

Alles klar, meinte Dorian und seine gelben Katzenaugen leuchteten. Vielleicht können wir es auch irgendwie so drehen, dass wir das mit dem Helfen in unserem Praktikum machen.

Bin dabei!, johlte Holly.

Vielleicht können wir noch ein paar der Leute aus Costa Rica für die Sache gewinnen, meinte Brandon hoffnungsvoll. In einer Woche stand schon der Gegenbesuch unserer neuen Freunde an, die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren.

Ab jetzt hatte die Menschheit eine ganze Menge Schutzengel – uns, die Woodwalker, die auf ihrer Seite standen! Es machte mir Mut, wie ruhig und entschlossen die anderen wirkten. Wir waren alle nicht blöd und wir meinten es ernst. Vielleicht konnten wir mehr bewirken, als wir jetzt ahnten.

Das heißt aber auch, wir sollten nicht irgendwelche Praktika machen, nur weil wir sie spaßig finden, sagte ich schweren Herzens. Wir müssen die Chance nutzen, uns in Schlüsselpositionen zu bringen. Herausfinden, was für den großen Kampf wichtig sein wird, auch wenn wir noch nicht wissen, was überhaupt passieren wird. Wir müssen lernen, so viel wir können, das könnte später nützlich sein.

Brandon nickte. Dann ist das mit deinem Rangerjob eine ziemlich gute Idee. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, ein Praktikum im Klärwerk zu machen – einfach um meine Eltern zu ärgern. Aber ich könnte auch zum Beispiel zur Feuerwehr gehen.

Er blickte ein bisschen leidend drein. Da kein Woodwalker Feuer mochte, war das ein echtes Opfer.

Holly zögerte keinen Moment. Ich natürlich zur Bergrettung!

Wir beschlossen, dass wir, wenn irgendwie möglich, außerdem noch Leute bei der Polizei, im Krankenhaus, bei der Strom- und Wasserversorgung, in der Stadtverwaltung und in der Computersicherheit unterbringen wollten.

Aber da muss man sich bewerben, was ist, wenn die uns nicht wollen? Hollys Stimme klang plötzlich wieder ganz klein, vielleicht waren ihr ihre Schulnoten eingefallen.

Dorian meldete sich zu Wort. Ich weiß, dass Miss Clearwater für die Praktika des letzten Jahrgangs eine Menge Kontakte aufgebaut hat. Mit etwas Glück kann sie uns Plätze vermitteln.

Ein Schauer des Glücks und der Aufregung überlief mich. Carag, Ranger. Kämpfer gegen das Unrecht. Es klang wie der Titel eines echt miesen Films. Aber egal! Es fühlte sich gut an, einen Plan zu haben.

Eine seltsame Nachricht

Es kostete mich etwas Überwindung, aber ich musste versuchen, Jeffrey auszuhorchen. Am besten, ich tat so, als wüsste ich schon etwas darüber. »Wie findest du es eigentlich, dass Milling seine Anhänger dazu aufgerufen hat, irgendwelche Aktionen zu unternehmen? Ich meine Aktionen, die den Menschen schaden?«, fragte ich ihn in der Pause.

»Was geht dich das an?«, knurrte Jeffrey und musterte mich feindselig.

»Vielleicht mache ich ja doch mit«, log ich.

»Erstens glaube ich dir das nicht, zweitens sind das wichtige Sondereinsätze, für die würde er einen Verräter wie dich im Leben nicht einteilen.«

»Stimmt«, sagte ich und bedauerte sehr, dass ich kein Aufnahmegerät mitgenommen hatte. Jeffrey hatte mir schon verraten, was ich hatte wissen wollen. Es war tatsächlich mein ehemaliger Mentor, der hinter dieser »Pechsträhne« steckte!

Ich überlegte, ob ich Jeffrey noch fragen sollte, wer Arula sein konnte, von der oder dem wir durch Zufall erfahren hatten. Doch dann hielt ich den Mund. Erstens durfte er nicht wissen, dass wir diesen Namen überhaupt kannten, und zweitens wusste er über solche sehr geheimen Dinge garantiert nichts. Er war nur ein sehr kleines Licht in Millings Organisation.

Aber jeder wusste, dass er und die Wölfe Andrew Milling weiterhin unterstützten, obwohl Miss Clearwater uns jeden Kontakt mit meinem ehemaligen Mentor verboten hatte. Doch die Wölfe dachten nicht daran, ihre Anweisungen zu befolgen, sie hielten ihre Aktivitäten einfach geheim und schienen keine Angst zu haben, dass sie deswegen womöglich von der Schule flogen.

Sofort machten wir uns daran, Mitglieder für unseren Secret-Ranger-Club zu rekrutieren. Ich quatschte so viele Leute an, wie ich konnte, von Shadow und Wing über Nimble bis hin zu ein paar Wandlern aus den höheren Jahrgängen, die ich flüchtig kannte. »Unsere erste Sitzung findet kurz vor Sonnenuntergang in der Bibliothek statt«, kündigte ich jedes Mal an.

Viola saß gerade vor dem Fernseher und schaute irgendeine Quiz-Show, sie war nicht begeistert, dass ich sie dabei störte. »Nee, ist nichts für mich«, meinte sie nur, als ich ihr von meinem neuen Club erzählte, und schielte an mir vorbei auf den Bildschirm, wo der gut aussehende Moderator und seine verbissen lächelnde Assistentin mit der blonden Löwenmähne gerade die 20 000-Dollar-Frage ankündigten.

Enttäuscht ging ich weiter in unser Klassenzimmer. »Und, kommst du, Juanita?«, fragte ich und blickte hoch zur Decke, an der unsere Spinnenwandlerin gerade Herzformen in ihr Netz webte.

Mal schauen, kam es vorsichtig zurück, gefolgt von einem tiefen Seufzer. Ooooh, ich freue mich so, dass Ignacio bald zu uns kommt!

»Klar, ich mich auch«, versicherte ich ihr.

Auch die anderen sagten meist nur, sie würden es sich überlegen. Bestimmt würden, wenn sie drüber nachdachten, die meisten einsehen, dass wir den Menschen unbedingt helfen mussten! Oder fanden sie Milling und das, was er machte, etwa gut? Bei manchen, wie etwa Berta oder den Wölfen, wusste ich, dass es so war, bei anderen, wie zum Beispiel Leroy oder Nimble, war ich nicht sicher.

Als ich das Grüppchen sah, das sich am Abend in der Bibliothek zusammengefunden hatte, war ich enttäuscht. Natürlich waren meine Freunde da, aber von all den Leuten, die wir angequatscht hatten, waren nur Shadow, Wing und Amber gekommen.

»Ich weiß, ich bin nur eine Ameisen-Wandlerin«, meinte Amber verlegen. »Aber vielleicht kann ich trotzdem ein bisschen was helfen. Bei all den Anschlägen von Milling-Anhängern können die Menschen doch gerade jede Hilfe gebrauchen, oder?«

»Ja, das glaube ich auch«, meinte ich und lächelte sie etwas mühsam an.

Brandon hatte wohl gemerkt, wie ich mich fühlte. »Wir schaffen das. Immerhin haben wir Luftunterstützung.«

Stolz setzten sich Shadow und Wing – beide waren gerade ein Junge und ein Mädchen mit feinen Zügen und langen schwarzen Haaren – aufrechter hin. »Na, klar doch«, sagte Wing. »Allzeit bereit und ganz schön gescheit!« Das war der neueste Lieblingsspruch der beiden Raben.

Holly hielt sich ein Buch vor den Mund, damit niemand ihr Kichern hörte. Was nicht besonders gut funktionierte, dadurch klang es nur, als würde sie gerade ihr Frühstück ausspucken.

Wieso war Lou nicht dabei? In meinem Hals bildete sich ein Kloß, wenn ich an sie dachte. Bei Tikaani verstand ich es noch, sie wollte sich nicht mit ihrem Rudel anlegen, aber dass Lou nicht gekommen war, kapierte ich nicht. Falls ich mich traute, würde ich sie später fragen, warum sie nicht mitmachen wollte. Und Nell! Aber die hatte wenigstens eine gute Entschuldigung und gleich gesagt, dass sie für die Abschlussprüfung lernen musste, weil sie vorhatte, die Prüfung unbedingt zu bestehen. Nach dieser großen Prüfung am Ende des ersten Schuljahres waren wir endlich Zweitjahres-Schüler.

»Also lasst uns mal überlegen, was wir alles machen könnten«, verkündete ich. »Es ist gut, dass wir schon einige Lernexpeditionen hinter uns haben und uns in Jackson Hole und Umgebung frei bewegen dürfen.«

»Wir könnten für die Menschen Dinge suchen, die sie verlegt haben«, sagte Holly. »Weißt du noch, wie schnell du den Autoschlüssel gefunden hast, den ich in den Wald geschmissen hatte?«

»Äh, ja«, erwiderte ich, »das wäre nett von uns. Hilft aber nichts gegen Millings Anschläge. Es sollte schon etwas Wichtigeres sein, was wir machen.«

»Am besten wäre es, wir könnten verhindern, dass die Menschen überhaupt angegriffen werden«, meinte Dorian. »Wir müssten dafür allerdings zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.«

»Aber eins ist klar, wir helfen nur Leuten, die freundlich zu uns sind!«, rief Holly. Offensichtlich hatte das mit dem Autoschlüssel böse Erinnerungen in ihr wachgerufen.

Dorian zog die Augenbrauen hoch. »Wie willst du das denn feststellen, muss jeder Kandidat erst mal einen Test machen, wie sympathisch er ist?«

»Na klar, wir rufen ihm einfach aus der Luft ein paar Testfragen zu.« Wing grinste.

»Aber richtig schwere«, bekräftigte Amber gut gelaunt. »Einen Woodwalker-Schutzengel gibt es nicht kostenlos!«

»Eine Schutzameise meinst du wohl«, meinte Brandon.

»Klingt jedenfalls besser als Schutzhuftier«, sagte Holly.

Schließlich einigten wir uns darauf, dass wir immer zu zweit auf Patrouille gehen und nach Gelegenheiten Ausschau halten würden, Hilfe zu leisten oder etwas Schlimmes zu verhindern.

Als ich daran denken musste, wie viel Schaden Andrew Milling und seine feindlich gesinnten Woodwalker den Menschen zufügen konnten, überlief es mich kalt. »Natürlich reicht es nicht, wenn nur wir so etwas machen. Um den Menschen wirklich helfen zu können, brauchen wir solche Gruppen wie unsere im ganzen Land. Vielleicht kann uns dabei der Rat unterstützen, der will schließlich, dass man wachsam ist und Schlimmes verhindert, solange Milling noch nicht der Prozess gemacht werden kann.«

»Was willst du tun? Bittest du Miss Clearwater, den Kontakt herzustellen?« Brandon blickte mich beeindruckt an und auch die anderen hatten große Augen bekommen. Der Rat war für uns mehr eine Legende als real, keiner von uns hatte schon mal persönlich mit ihm zu tun gehabt.

»Genau«, sagte ich und verlor keine Zeit, sondern machte mich auf den Weg zu unserer Schulleiterin. Brandon und Holly blieben an meiner Seite.

Zum Glück war Lissa Clearwater – bei der wir Biologie hatten, die höheren Jahrgänge auch Chemie – gerade nicht im Unterricht. Als ich an ihre Bürotür klopfte, kam sofort ein »Herein«. Zu dritt traten wir ein, und damit ich es hinter mir hatte, sprudelte ich direkt heraus, was uns aufgefallen war und was wir dagegen unternehmen wollten.

»Keine schlechte Idee.« Lissa Clearwaters durchdringende Augen musterten mich. »Ich werde sie dem Rat vortragen. Vielleicht gibt es solche Clubs auch schon anderswo? Ihr seid wahrscheinlich nicht die Einzigen, denen diese seltsame Häufung von Ereignissen aufgefallen ist, und schließlich hat der Rat alle Woodwalker darum gebeten, Anschläge auf Menschen wenn möglich zu verhindern.«

Ich senkte den Kopf. Wieso hatte ich eigentlich gedacht, dass es eine neue Idee war, die wir hatten? Wir waren ja nur eine Handvoll Jugendliche, längst nicht fertig ausgebildet.

»Auf jeden Fall danke für euren Vorschlag«, fügte Miss Clearwater freundlich hinzu.

Brandon, Holly und ich nickten stumm.

Als wir uns zum Gehen wandten, blieb mein Blick an dem Kalender hängen, auf dem die derzeitigen Ratsmitglieder abgebildet waren. Ein Fuchs, ein Falke, eine Bienenkönigin, ein Delfin und noch sechs andere. Zehn Mitglieder und zwei Anwärter hatte der Rat. Einige unserer klügsten Köpfe. Würden sie eine Lösung dafür finden, wie wir die Menschen gegen Andrew Milling verteidigen konnten? Würden sie Beweise finden, um Milling rechtzeitig den Prozess machen zu können, noch vor seinem Großen Tag der Rache?

Es war noch ein bisschen Zeit, bis James Bridger mich in seinem Büro erwartete, um mir und Jeffrey mitzuteilen, welche Strafaufgabe wir erfüllen mussten. Deshalb schlenderte ich in den Aufenthaltsbereich im ersten Stock, um eine Mail an Melody zu schreiben. Zwischen mir und meiner Pflegefamilie, den Ralstons, war noch immer etwas, das mir wie eine riesige Nebelwand vorkam. Eine, die kein Wort durchdringen konnte. Wir mussten uns bald aussprechen, aber zuerst wollte ich meiner kleinen Stiefschwester erklären, was passiert war.

Doch dazu kam ich nicht. Ein kaltes Prickeln überlief mich, als ich sah, dass eine sehr eigenartige Mail für mich eingetroffen war. Sie kam von Dellaconda Enterprises, einer Firma, von der ich wusste, dass sie Andrew Milling gehörte. Der Betreff lautete einfach »Neues«. War das wieder eine Warnung? Irgendein Ultimatum? Oder würde mein Computer sich einen fiesen Virus einfangen, wenn ich dieses Ding aufmachte? Wir hatten erst neulich in Menschenkunde durchgenommen, dass auch Geräte krank werden konnten.

Ich ging das Risiko ein und öffnete die Mail. Katzen sind nun mal furchtbar neugierig. Verblüfft starrte ich auf den Inhalt der Nachricht.

100 28 3

68 7 6

77 17 7

8 21 12

84 26 5 & 6 & 7

105 4 6 1

Eine solche Mail hatte ich noch nie bekommen, war das ein Virus? Ich hatte keine Ahnung, wie die aussahen. Blitzschnell klickte ich auf Drucken, bevor sich die Nachricht wie üblich von selbst vernichten konnte, und der Drucker begann zu surren. Besser, ich zeigte diese komische Mail Mr Bridger oder Sarah Calloway, unserer Menschenkunde-Lehrerin. Nach dem Ausdrucken löschte ich sie zur Sicherheit, bevor sie irgendwen oder irgendwas anstecken konnte.

Noch ziemlich durcheinander von der unerwarteten Entdeckung, ging ich zu James Bridgers Büro, das mit Karten der USA und anderer Länder tapeziert und mit Büchern vollgestellt war. »Ah, da ist ja ein Teilnehmer der Strafaktion«, begrüßte mich Bridger. »Setz dich, Carag.«

Gerade als ich ihm von der seltsamen Mail erzählen wollte, schlenderte Jeffrey herein und ich schloss den Mund wieder. Der dämliche Wolf war zu spät, aber er dachte gar nicht daran, sich dafür zu entschuldigen. »Also, was geht?«, fragte er gelangweilt. »Müssen wir wieder Kartoffeln schälen? Wenn ja, dann sagen Sie’s gleich, dann können wir in die Küche gehen und es hinter uns bringen.«

»Nein, diesmal nicht.« Bridger lehnte sich gemütlich zurück, schob seinen schwarzen Cowboyhut in den Nacken und legte die Füße auf seinen Schreibtisch. »Stattdessen braucht Theo Unterstützung. Die Clearwater High soll ordentlich aussehen, wenn die Austauschschüler aus Costa Rica eintreffen.«

»Ah, wir sollen putzen?«, meinte ich.

»Falsch geraten. Euer Job ist es, morgen Nachmittag gemeinsam das Müllhäuschen hinter der Schule neu anzustreichen.«

»Oh, wie spannend«, sagte ich und verzog einen Mundwinkel nach oben.

»Nein, nein, der spannende Teil kommt erst danach«, versicherte uns Mr Bridger. »Nämlich dann, wenn ihr aufpassen müsst, dass die Farbe ungestört trocknen kann. Ich weiß, dass es unter Schülern ein beliebter Sport ist, seine Pfotenabdrücke in der frischen Farbe zu verewigen. Das ist nicht verboten, aber wir hätten lieber ein Müllhäuschen ohne Abdrücke.«

Ich unterdrückte nur knapp ein Stöhnen. Wieder einmal hatten Jeffrey und ich etwas mit Farbe zu tun. Wie die Wölfe dem Schulleiter Señor Cortante zu einem gelben Rückenpanzer verholfen hatten, würde ich nicht so schnell vergessen! Zusammen mit Jeffrey dem Zeug beim Trocknen zusehen? Oh danke, das würde meinen Tag deutlich verschönern.

Jede Menge Kleckse

Erst am nächsten Morgen fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, Mr Bridger die seltsame Mail zu zeigen. Und jetzt war es erst mal zu spät, er war den ganzen Tag im Unterricht und unternahm am Nachmittag einen Ausflug mit den Zweitjahres-Schülern.

Bei uns dagegen stand kein Ausflug auf dem Programm. Jeffrey und ich schleppten zwei große Kübel mit dunkelgrüner Farbe zum hinteren Teil der Schule, wo das Müllhäuschen stand. Es war aus Beton und abschließbar, damit wilde Bären nicht an unseren Abfall drankamen.

»Ja, das hat wirklich Verschönerung nötig«, fand ich und betrachtete angewidert die abblätternde braune Farbe, die Theo zum großen Teil schon mit einer Drahtbürste entfernt hatte. »Das ist genau der gleiche Farbton wie bei Essen, das ich fertig verdaut habe.«

Shadow an Carag, bitte kommen! Bitte kommen! Hörst du mich? Eine vertraute schwarze Gestalt flappte an mir vorbei.

Äh, natürlich höre ich dich, gab ich erstaunt zurück und schaute mich nach ihm um. Mit einem Position erreicht, Fahrwerk ausgefahren! begann Shadow gerade den Anflug aufs Dach des Müllhäuschens.

»Auf manche Leute haben Reisen mit einem Verkehrsflugzeug einen schlechten Einfluss«, sagte Jeffrey und seufzte. »He, Shadow, was machst du hier? Sollst du uns Gesellschaft leisten oder was?« Die Raben waren die einzigen Woodwalker an der Schule, die sowohl mit den Wölfen als auch mit mir befreundet waren.

Ziel der Mission ist Überwachung von Bodenzielen!, kam es sofort zurück, während Shadow seine Federn sortierte.

»Aha«, meinte ich und musste schmunzeln. James Bridger hatte an alles gedacht.

»Lass uns anfangen, dann haben wir es schneller hinter uns – quatschen kannst du auch später, Puma!«, knurrte Jeffrey und riss den Deckel von einem Kübel, was mir Farbspritzer auf der Hose bescherte. Zum Glück war es eine alte Jeans, die bei Verwandlungen schon etliche Krallenspuren und Risse abbekommen hatten.

»Würde es dir etwas ausmachen, die Farbe nur auf der Wand zu verteilen und nicht auch auf mir?«, fragte ich ihn.

»Ach, halt doch deine blöde Schnauze!«, gab Jeffrey zurück, tunkte eine Malerrolle in die Farbe und klatschte das Ganze auf das Häuschen. Jetzt sah es aus, als hätte ein Elch daraufgespuckt.