Woodwalkers – Die Rückkehr (Staffel 2, Band 2). Herr der Gestalten - Katja Brandis - E-Book

Woodwalkers – Die Rückkehr (Staffel 2, Band 2). Herr der Gestalten E-Book

Katja Brandis

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Beschreibung

Die "Woodwalkers" starten in ihr nächstes großes Abenteuer! In der zweiten Staffel der Bestsellerreihe von Katja Brandis warten größere Herausforderungen als je zuvor auf Puma-Wandler Carag, Wolfsmädchen Tikaani und ihre Freundinnen und Freunde von der Clearwater High. Die Klassenfahrt nach Namibia steht kurz bevor. Doch zuerst wartet eine gefährliche Mission auf Pumawandler Carag und seine Mitschüler. Ihr Lehrer James Bridger wird tief in den Rocky Mountains gefangen gehalten. Die Rettungsaktion stellt ihren Mut auf eine harte Probe. Carag weiß, dass die Entführer hinter dem geheimen Buch der Gestaltwandler her sind. James Bridger konnte es in letzter Sekunde ins Ausland schmuggeln- nach Namibia! So wird die Klassenfahrt zu einem Wettlauf mit ihren Feinden, allen voran der Löwen-Wandlerin Rebecca Youngblood. Während des Austauschs mit der Narawandu School versucht Carag, an das wertvolle Buch heranzukommen. Dabei wären die Begegnungen mit den afrikanischen Gestaltwandlern, Kämpfe mit wilden Pavianen und Lernexpeditionen in der Wüste schon aufregend genug! Carag merkt, dass viele der afrikanischen Schüler eigene Geheimnisse haben. Das größte von ihnen: der sagenumwobene Herr der Gestalten - ein Wandler, der über unglaubliche Fähigkeiten verfügen soll. Und angeblich lebt er mitten unter ihnen. Auch im zweiten Schuljahr kommen Tierfantasy-Fans ab 10 Jahren voll auf ihre Kosten: Neue, spannende Gestaltwandler-Charaktere und mitreißende Abenteuer in der Natur machen jeden Band zum garantierten Lesespaß. Die Illustrationen im einzigartigen Stil von Claudia Carls setzen die Geschichten perfekt in Szene. Gedruckt auf Recycling-Umweltschutzpapier, zertifiziert mit dem Blauen Engel. Die Woodwalkers- und Seawalkers-Bände erscheinen halbjährlich.   Bisher erschienen sind: Woodwalkers, Staffel 1 Woodwalkers (1). Carags Verwandlung Woodwalkers (2). Gefährliche Freundschaft Woodwalkers (3). Hollys Geheimnis Woodwalkers (4). Fremde Wildnis Woodwalkers (5). Feindliche Spuren Woodwalkers (6). Tag der Rache Woodwalkers, Staffel 2 Woodwalkers - Die Rückkehr (1). Das Vermächtnis der Wandler Woodwalkers Special Woodwalkers & Friends. Katzige Gefährten Woodwalkers & Friends. Zwölf Geheimnisse Woodwalkers & Friends. Wilder Kater, weite Welt Seawalkers Seawalkers (1). Gefährliche Gestalten Seawalkers (2). Rettung für Shari Seawalkers (3). Wilde Wellen Seawalkers (4). Ein Riese des Meeres Seawalkers (5). Filmstars unter Wasser Seawalkers (6). Im Visier der Python Alles über die Serie und viele Extras zum Buch unter www.woodwalkers.de

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Seitenzahl: 397

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Bücher von Katja Brandis im Arena Verlag:

Woodwalkers. Carags Verwandlung

Woodwalkers. Gefährliche Freundschaft

Woodwalkers. Hollys Geheimnis

Woodwalkers. Fremde Wildnis

Woodwalkers. Feindliche Spuren

Woodwalkers. Tag der Rache

Woodwalkers – Die Rückkehr. Das Vermächtnis der Wandler

Woodwalkers and Friends. Katzige Gefährten

Woodwalkers and Friends. Zwölf Geheimnisse

Woodwalkers and Friends. Wilder Kater, weite Welt

Seawalkers. Gefährliche Gestalten

Seawalkers. Rettung für Shari

Seawalkers. Wilde Wellen

Seawalkers. Ein Riese des Meeres

Seawalkers. Filmstars unter Wasser

Seawalkers. Im Visier der Python

Die Jaguargöttin

Khyona – Im Bann des Silberfalken

Khyona – Die Macht der Eisdrachen

Gepardensommer

Koalaträume

Delfinteam. Abtauchen ins Abenteuer

Delfinteam. Der Sog des Bermudadreiecks

Katja Brandis, Jahrgang 1970, hat Amerikanistik, Anglistik und Germanistik studiert und als Journalistin gearbeitet. Schon in der Schule liehen sich viele Mitschüler ihre Manuskripte aus, wenn sie neuen Lesestoff brauchten. Inzwischen hat sie zahlreiche Romane für Jugendliche veröffentlicht, zum Beispiel Khyona, Gepardensommer, Die Jaguargöttin oder Ruf der Tiefe. Bei der Recherche für Woodwalkers im Yellowstone-Nationalpark lernte sie eine Menge Bisons persönlich kennen, stolperte beinahe über einen schlafenden Elch und durfte einen jungen Schwarzbären mit der Flasche füttern. Sie lebt mit Mann, Sohn und drei Katzen, von denen eine ein bisschen wie ein Puma aussieht, in der Nähe von München.

www.woodwalkers.de | www.seawalkers.de

Für Arvin

Ein Verlag in der Westermann Gruppe

1. Auflage 2023

© 2023 Arena Verlag GmbH

Rottendorfer Straße 16, 97074 Würzburg

Alle Rechte vorbehalten

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Autoren- und Projektagentur Gerd F. Rumler (München).

Cover und Innenillustrationen: Claudia Carls

Der Arena Verlag hat keinen Einfluss auf die Inhalte externer Webseiten.

E-Book ISBN 978-3-401-81038-6

Besuche uns auf:

www.arena-verlag.de

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Die neuen Erstjahresschüler auf der Clearwater High haben sich gut eingelebt und ich habe – o Wunder! – die Zwischenprüfungen sogar in Mathe bestanden. Aber weder meine Freunde noch ich können uns so richtig entspannen und auf Weihnachten freuen, weil mein Lieblingslehrer James Bridger noch immer in der Gewalt der Löwen-Wandlerin Rebecca Youngblood ist. Aber wir wissen, wo er ist, und wir werden es schaffen, ihn zu befreien! Ob unsere Schulleiterin danach trotz allem unseren Schüleraustausch mit Afrika durchzieht? Dorthin, nach Namibia, hat James Bridger das geheimnisvolle alte Buch mit den Verwandlungsformeln geschickt, bevor sie ihn gefangen genommen haben …

Prolog

Rebecca Youngblood

Dieses Mädchen, das ihr da, mit Schneeflocken im Haar, auf dem abgelegenen Parkplatz gegenüberstand, sah unfassbar normal aus. Mittelgroß, hellblaue Augen, braunes, schulterlanges Haar, durchschnittliches Gesicht. Natürlich konnte sie nichts dafür, dass sie in zweiter Gestalt nur eine Kanadagans war, aber meine Güte, wieso machte sie nicht ein bisschen was aus sich?

»Wir haben neue Anweisungen für dich«, sagte Rebecca und lächelte das langweilige Gänschen an, ohne sich ihre Verachtung anmerken zu lassen. »Andrew Milling zählt darauf, dass du ihm hilfst. Ich hoffe, du weißt, was für eine Ehre das ist.«

Kimberley nickte, aber ein bisschen zögerlich. Bestimmt hatte sie inzwischen in dieser verdammten Schule vom Tag der Rache erfahren. Wahrscheinlich hatten dieser miese Pumajunge und seine Freunde ihr davon erzählt.

»Was sind das denn für neue Anweisungen?«, fragte das Mädchen.

»Natürlich wirst du weiterhin für uns die Clearwater High auskundschaften. Aber du könntest noch mehr tun, um Andrew zu helfen. Es bringt nichts, ihm ein Handy in die Zelle zu schmuggeln, denn er ist ja noch in seiner Pumagestalt gefangen.« Rebecca gab sich mitleidig. Zum Glück war sie eine hervorragende Schauspielerin, das lag ihr einfach im Blut. »Aber weil ich die richtigen Leute bestochen habe, können wir immer noch persönlich mit ihm kommunizieren. Du würdest kein Aufsehen erregen, wenn du das Raubtiergehege im Tierpark besuchst und für ihn …«

»Ich bin nicht sicher, ob ich das will«, sagte Kimberley leise.

»Was hast du gesagt?« Die Kleine wurde rebellisch! Mal schauen, wie sie auf Einschüchterung reagierte. Rebecca näherte sich ihr ein paar Schritte und funkelte sie an. »Du willst ihn nicht etwa im Stich lassen nach all dem, was er durchgemacht hat, oder?«

Kimberley zitterte – und sicher nicht nur vor Kälte. »Stimmt es, dass …« Ihre Stimme klang jämmerlich piepsig. »Stimmt es, dass er sehr viele Woodwalker dazu angestiftet hat, Menschen zu verletzen? Als Rache dafür, dass Jäger seine Pumafamilie erschossen haben?«

»Natürlich stimmt es. Was würdest du denn tun, wenn deine Angehörigen als Trophäe geendet hätten? Einen empörten Leserbrief an eine Jagdzeitschrift schreiben?«

Nervös zupfte Kimberley an ihren pinken Handschuhen herum. »Warum, äh, haben Sie Mr Bridger entführt? Geht es ihm gut? Er hat doch das alte Buch mit den Geheimformeln nicht mehr und weiß nichts darüber, was …«

»Hör mal, Kleine.« Das Mädchen war wirklich anstrengend diesmal – Zeit, die Krallen auszufahren. »Wer hat dir erlaubt, mir Fragen zu stellen?«

»Aber …«

Aus dem Augenwinkel überprüfte Rebecca, dass niemand in der Nähe war, dann teilverwandelte sie ihr Gebiss und spürte ihre Fangzähne an den Lippen. »Wir wissen alles über dich. Dass du Gedichte schreibst – keine besonders guten, finde ich – und im Literaturclub deiner alten Highschool warst. Dass du aus dem Schwimmteam geflogen bist, weil du den Leistungsdruck nicht ausgehalten hast und dich einmal zu oft mit Bauchweh krankgemeldet hast. Dass dein Bruder Chase, dem es so viel Spaß macht, wenn du ihm vorliest, manchmal noch ins Bett pinkelt, obwohl er schon sieben ist …«

Kimberley war bleich geworden, nur ihre Nase schimmerte durch die Kälte rot. »Wie haben Sie das alles herausgefunden?« Ihr Gesichtsausdruck war wirklich amüsant.

»Wir haben viele, viele Unterstützer«, raunte Rebecca und hielt sich gerade noch davon ab, auf die Uhr zu blicken. Sie musste zurück, so bald wie möglich – hoffentlich lief in der ehemaligen Goldmine alles glatt. »Aber auch dich können wir gebrauchen, um die gute Sache voranzubringen. Also, was ist?«

Kimberley wiederholte: »Ich bin nicht sicher, ob ich …«

Na so was. Es war wohl wirklich nötig, diesem Geschöpf mal an die Kehle zu gehen. Leider nicht im wörtlichen Sinne, Rebecca fraß gerne Gans. »Deine Familie ist dir wichtig. Sehr wichtig, gerade weil du nun so weit weg aufs Internat gehst. Doch deine Eltern streiten oft in letzter Zeit. Was, meinst du, würde passieren, wenn dein Vater zufällig Beweise fände, dass deine Mutter ihn betrogen hat?«

Das Mädchen bekam ganz große Augen. »Aber das hat sie nicht. Bestimmt nicht!«

Rebecca lächelte breit. Das hier machte wirklich Spaß, weitaus mehr als diese dämliche Las-Vegas-Show vor Kurzem, die von Anfang an schlecht organisiert gewesen war. »Es reicht ja, wenn dein Vater es denkt. Wenn er Beweise dafür findet.«

»Sie würden wirklich …«

»Keine Sorge. Es wird nicht nötig werden, oder?«

»Nein.« Das Mädchen flüsterte das Wort nur. »Sagen Sie mir, was ich tun soll.«

Na also. Rebecca erklärte es ihr und händigte ihr alles aus, was sie dafür brauchte.

»Was macht das mit ihm? Das bringt ihn nicht um, oder?« Kimberley war blass geworden.

»Nein, nein, keine Sorge, was denkst du von mir?« Rebecca winkte ab.

»Aber wird er das nicht merken? Soll ich ihn nicht lieber überreden, nicht mehr gegen euch zu kämpfen?«

Als wenn das funktionieren würde. Nie wieder würde sie sich so demütigen lassen wie bei dem Kampf in Atlanta! Sie wollte mindestens so dringend wie der gute alte Andrew quitt werden mit diesem Pumajungen, weil er eine Gefahr für ihr ganzes Projekt darstellte. »Tu, was ich gesagt habe. Und zwar so, dass niemand Verdacht schöpft, ist das klar? Er darf nicht nach Afrika fliegen. Und am besten dieses Polarwolfmädchen auch nicht! Polarwölfe haben in der Wüste sowieso nichts verloren.«

Ganz im Gegensatz zu ihr selbst. Mit teilverwandelten Zähnen lächelte Rebecca auf das Mädchen hinab, dem bestimmt nicht klar war, mit welcher Persönlichkeit sie eigentlich redete. Mit einer Nachfahrin der ägyptischen Göttin Sechmet und der berühmten Sphinx!

»Na gut.« Das Mädchen vergrub die Hände in den Taschen. »Und was macht ihr mit Bridger? Er ist euer Druckmittel, richtig?«

»Genau.« Rebecca hatte keine Lust mehr, ein Lächeln an diese Gans zu verschwenden. In Gedanken war sie schon wieder im Hubschrauber (den praktischerweise diese reiche Anwältin aus Florida spendiert hatte) und auf dem Weg zurück zu der ehemaligen Goldmine, wo ihr Gefangener wartete. »Mal schauen, was der Rat dazu sagt … und eure verdammte Schulleiterin, die ich schon mal fast in den Fängen hatte. Das nächste Mal wird sie mir nicht entwischen.«

Nachts im Waschraum

Carag

Nachts ist es in unserer Wandler-Schule Clearwater High längst nicht so ruhig wie in einem Internat für Menschen. Als ich verschlafen Richtung Klo schlurfte, grüßte ich, ohne richtig hinzusehen, den Igel-Erstjahresschüler, der in einer Ecke herumschnupperte. Währenddessen huschte über mir eine Fledermaus herum und jagte mit einem Deine letzte Stunde hat geschlagen, Falter! irgendein armes Insekt, das sich in unsere Flure verirrt hatte. Beinahe wäre ich über meinen Klassenkameraden gestolpert, der als Kater nachts auch ziemlich munter war. Mit einem vorwurfsvollen Du warst schon mal geschickter, Carag stolzierte er davon.

»Jaja, sorry«, murmelte ich und bewegte mich weiter in Richtung Jungenwaschraum. Ich hatte bei unserer Feier gestern eindeutig zu viel Weihnachtspunsch getrunken, jedenfalls fühlte es sich an, als würde ich gleich platzen.

Und dann ging die blöde Tür nicht auf. Eulendreck! Anscheinend hatte jemand abgeschlossen. Sollte ich runter auf die Waldlichtung laufen? Aber ich war ziemlich sicher, dass ich es nicht unfallfrei bis ins Erdgeschoss und nach draußen schaffen würde. Ich rüttelte noch einmal an der Waschraumtür, kräftiger diesmal – und fiel beinahe ins Innere, als das Ding plötzlich aufging. Ein paar rot-grün glitzernde Dekoperlen waren unter die Tür gerollt und hatten sie verklemmt.

Dort war das rettende Pinkelbecken! Ich benutzte es ausgiebig …. und hörte über das Plätschern, wie jemand den Waschraum betrat.

»Oh, hallo, Carag«, sagte eine Mädchenstimme.

Ich sprang vor Schreck beinahe bis zur Decke.

»Äh, Shari … das hier ist der Jungenwaschraum«, erklärte ich, während ich in Rekordgeschwindigkeit meine Shorts hochzog.

Unser blond gelockter Gast aus Florida wirkte nicht beeindruckt. »Ach so, echt? Kannst du mir mal erklären, wozu diese getrennten Klos überhaupt gut sein sollen? Wir haben als Delfine einfach ins Meer gemacht, dort, wo wir gerade entlanggeschwommen sind, und es hat niemanden gestört.«

Noch immer ein bisschen durcheinander, nickte ich. Als ich noch als Puma in den Bergen gelebt hatte, war es auch kein Thema gewesen, wer hinter welchen Busch ging. »Stimmt, wirklich eine komische Menschensitte. Vielleicht so ein Revierding. Man gewöhnt sich dran.«

»Ich glaube, es ist dafür da, dass man sich auf den Mädchenklos über Jungs unterhalten kann, ohne dass die das hören.« Shari riss eine der Kabinen auf, ging hinein … und vergaß, die Tür wieder zuzumachen. Hastig drehte ich mich um und wollte die Flucht ergreifen, da fiel mir das Händewaschen ein. Das gehörte zu den ersten Dingen, die meine Pflegefamilie mir damals beigebracht hatte, als ich begonnen hatte, in Menschengestalt zu leben.

Nur leider hatte mal wieder jemand die Seife geklaut. Wetten, es war Wing gewesen? Unser Rabenmädchen lebte gerade seine künstlerische Seite aus und hatte begonnen, aus dem Zeug kleine Figuren zu schnitzen. Unsere Kunstlehrerin fand das sehr originell, doch dafür hatte Wing Stress mit James Bridger bekommen. Er war seltsamerweise der Meinung, dass Seife nur zum Waschen da war.

James Bridger. Auf einmal fühlte sich mein ganzer Körper schwach an, ich musste mich am Waschbeckenrand abstützen. Wo war mein Lieblingslehrer gerade? Wie behandelten ihn seine Entführer? Wann konnten wir endlich los, um ihn zu befreien?

»Alles meerig bei dir?« Fürsorglich tätschelte Shari meine Schulter. »Du denkst wahrscheinlich an deinen Lehrer, oder? Ich kann auch nicht pennen, weil mir das die ganze Zeit im Kopf herumgeht. Aber halb so schlimm. Als Delfin schlafe ich sowieso immer nur halb.«

»Was meinst du mit halb?«, fragte ich verdutzt.

»Das hatten wir neulich in Sei dein Tier. Wenn ich in zweiter Gestalt schlafe, schwimme ich einfach weiter, weil immer nur eine meiner Gehirnhälften ruht, die andere hält Wache. Ein Auge behalte ich immer offen. Wart mal, ich zeig dir, wie das aussieht …«

Sie marschierte im Kreis, ein Auge zugekniffen. Ich nickte, lächelte und hoffte, dass jetzt niemand reinkam und blöde Fragen stellte. Besonders nicht Tiago, mit dem sie mittlerweile zusammengekommen war. Tiago – ein Tigerhai – und ich mochten uns sehr. Aber ich wollte ihm nicht wirklich erklären müssen, warum seine Freundin mir im Jungenwaschraum eine Privat-Schlaf-Vorführung gab.

Deshalb sagte ich schließlich: »Danke, total nett, dass du mir das erklärt hast. Aber ich würde jetzt, glaube ich, lieber mit ganzem Gehirn schlafen gehen. Morgen wird ein harter Tag … ich hoffe, wir schaffen es, James zurückzuholen.«

Sofort hielt Shari an. »Dürfen wir mit? Wir Leute von der Blue Reef High?«

Ich druckste ein bisschen herum. »Da bin ich nicht sicher. Ihr seid hier an Land sowieso immer in Gefahr, weil ihr Meerestiere in zweiter Gestalt seid. Ich glaube, das wäre zu riskant.«

»Ja, stimmt.« Unser Delfingast dachte nach. »Aber ihr müsst unbedingt unsere Kampflehrerin mitnehmen! Die ist richtig gut in so was!«

»Bestimmt ist geplant, dass sie mitkommt«, versprach ich ihr. »Jetzt aber gute Nacht – und träum am besten nicht vom Meer.« Wir hatten zwar für den Notfall ein Planschbecken in der Eingangshalle aufgebaut, aber mir war lieber, wenn wir das nicht brauchten.

»Haha, ich werd’s versuchen. Hab mich schon lange nicht mehr versehentlich verwandelt.« Shari lächelte mir noch einmal zu, dann zog sie ab.

Erleichtert tappte ich zurück in mein Zimmer, in dem mein Bison-Zimmergenosse Brandon mal wieder kräftig schnarchte. Trotzdem musste ich es schaffen wegzudösen. Mit meinen Freunden hatte ich ausgemacht, dass wir uns bei Sonnenaufgang bei unserem Baumhaus treffen und eine Notfallbesprechung abhalten würden.

Hatten unsere Lehrer schon einen Plan, wie wir James aus den Fängen dieser miesen Löwenfrau Rebecca Youngblood befreien konnten? Ich hoffte es sehr.

Heute keine Beute

Manchmal bist du gar nicht nussig, Carag, sagte Holly, rannte mit zuckendem Puschelschwanz einen Ast entlang und schlug die Zähne in einen Kiefernzapfen. Wieso hast du diesen Baum markiert, obwohl das eindeutig MEIN BAUM ist?

Weil mir keine Antwort einfiel, zog ich erst mal die Krallen aus der Rinde. Wie eine weiße Wolke breitete sich mein Atem vor mir aus, als ich durchschnaufte.

Mein Baum, dein Baum – hast du keine anderen Probleme, Horrorhörnchen?, antwortete meine Freundin Tikaani an meiner Stelle. Sie schnüffelte in ihrer Gestalt als Polarwölfin am tief verschneiten Waldrand herum. Bald geht es los, dann versuchen wir, James Bridger zu befreien!

Beim großen Gewitter, wir versuchen es hoffentlich nicht nur, meinte ich, legte die Ohren an und fauchte leise. Mein Lieblingslehrer war gefangen genommen worden, als wir auf dem Rückflug gewesen waren von unserer Mission, das alte Buch des Cherokee-Schamanen in Sicherheit zu bringen. Keiner von uns hatte gewusst, dass unser Lehrer es heimlich per Post nach Afrika geschickt hatte, bevor wir losgeflogen waren. Das war eine katzige Idee von ihm gewesen, sonst wäre es nämlich unseren Feinden in die Hände gefallen, die uns bald darauf abgefangen hatten. Und die hätten es damit womöglich geschafft, Andrew Milling seine Menschengestalt wiederzugeben und ihn zu befreien.

Immerhin, die Kerle wissen nicht, dass wir wissen, wo sie ihn hingebracht haben. Wissen ist Macht! Brandon pflügte nervös durch den Schnee. Anscheinend versuchte er, denjenigen von uns, die nicht so lange Beine hatten wie er in seiner Bisongestalt, einen Weg zu unserem Baumhaus frei zu machen. Dabei wollte gerade niemand rein, den meisten war es zu frostig – über uns glänzten die Sterne so kalt wie Eisstücke.

Wissen ist Nacht? Was meinst du damit? Nicht immer wurde ich schlau aus meinem besten Freund, der als Mensch aufgewachsen war.

MACHT, nicht Nacht, du Pelzvorleger. Holly nagte den Zapfen so heftig ab, dass mir holzige Stücke auf den Kopf prasselten.

Brandon stampfte den Schnee fest. Ich geb dir mal ein Beispiel. Wenn du alle Prüfungsfragen schon vorher weißt, betteln alle dich an, sie dir zu sagen – und du kannst von ihnen haben, was du willst.

Oder du hast ein altes Buch mit Verwandlungsformeln, die außer dir keiner kennt, flüsterte einer der Rabenzwillinge, die über mir auf einem Ast hockten und ungewohnt schweigsam waren.

Zum Beispiel, wisperte ich mutlos zurück. Dann streiften wir weiter rastlos durch den Schnee und beobachteten unser Wandler-Wolfsrudel, das ein Stück entfernt herumlungerte und ebenso unruhig wirkte wie wir. Inzwischen hatte jeder in der Clearwater High von dem Kampf und der Entführung gehört. Die Schulweihnachtsfeier war deshalb ziemlich kurz ausgefallen, wir hatten nur unsere Wichtelgeschenke ausgetauscht und eine Kleinigkeit gegessen.

Jetzt war es sehr früh am nächsten Morgen, auf dem Kalender stand: 22. Dezember. Ich hatte gesehen, wie Kimberley, eine der Erstjahresschülerinnen, mit unserem Hausmeister in die Stadt gefahren war. Niemand achtete gerade auf das, was wir taten. Morgen fingen sowieso die Ferien an und jetzt irgendwelche Formeln oder Vokabeln zu unterrichten, brachte keiner der Lehrer über sich. Dabei hatten wir, wie ich letzte Nacht mal wieder gemerkt hatte, Gäste aus der Seawalker-Schule (die anscheinend noch schliefen, ob nun halb oder ganz).

Meinst du, diese Kampflehrerin aus Florida – Miss White – kommt mit und hilft uns, Bridger zu befreien?, fragte Brandon in die Runde. Übrigens war sie die ganze letzte Nacht in Jackson Hole unterwegs, hat mir eine Fledermaus erzählt.

Ist ja schräg. Sie muss mitkommen – sie ist stärker als wir alle und kann Türen eintreten! Zum Glück konnte Holly auch mit vollem Mund reden, das war der Vorteil an Gedankensprache. Wir werden diese beknackten Auspuffwolken so dermaßen wegfegen, ihr werdet sehen.

Noch während ich überlegte, ob Goldminen überhaupt Türen hatten, sah ich meine Schwester Mia mit langen Sprüngen durch den Tiefschnee auf uns zukommen. Mich müssen sie auch mitnehmen, ich bin die Kampfkraft pur, behauptete sie. Weißt du nicht mehr, wie wir dieses Stachelschwein fertiggemacht haben, Carag? Und da waren wir Kätzchen!

Ach, ich dachte, das hat UNS fertiggemacht, gab ich zurück und als Mensch hätte ich bestimmt gelächelt. Allmählich war mir ein bisschen leichter zumute. Ja, wir hatten ein paar richtig gute Kämpfer bei uns an der Schule; und nein, wir würden James Bridger nicht im Stich lassen.

Wir hörten das Geräusch einer Seitentür, die sich öffnete. Tikaani riss den Kopf hoch, Brandon schnaubte und Holly ließ ihren Zapfen fallen, sodass er im Schnee verschwand.

Es war unsere Adler-Schulleiterin Lissa Clearwater, das Licht glänzte auf ihren fedrig feinen weißen Haaren. Sie winkte uns heran.

Geht es los oder können wir noch schnell was im Wald erlegen? Jeffrey und der Rest seines Wolfrudels – alle im dicken Winterpelz – rannten in unsere Richtung.

»Heute keine Beute«, sagte Miss Clearwater grimmig. »Kommt rein, dann erkläre ich euch den Plan.«

Lissa Clearwater führte uns zu dem großen Raum, in dem wir sonst Kampf und Überleben hatten. Weil sich darin nun ziemlich viele Wölfe und Pumas tummelten, roch es ein bisschen muffig nach feuchtem Fell.

Wir schlagen so bald wie möglich los, richtig?, fragte Jeffrey grimmig und Cliff wedelte kurz, bevor der strafende Blick gleich zweier Clearwaters ihn traf. Ganz recht, das hier war keine lustige Kampfstunde, sondern ein Notfall!

»Wie ihr euch schon gedacht habt, macht sich eine Einsatzgruppe gleich auf den Weg zu dieser alten Goldmine, um James zu befreien«, sagte unsere Schulleiterin. Ihr Gesicht war verzerrt vor Sorge.

Ihr Sohn Jack Clearwater warf einen Blick auf ihren verbundenen Arm. »Weil meine Mutter ja beim Kampf mit der Youngblood verletzt worden ist, fliege ich selbst mit, damit wir Luftüberwachung haben.«

»Genau«, fuhr Lissa fort. »Bill leitet die Befreiungsaktion …«, sie deutete auf unseren jungen, muskulösen Kampflehrer mit dem kahl geschorenen Kopf, »… und Alisha ist ebenfalls mit von der Partie.«

Die durchtrainierte, dunkelhaarige junge Frau nickte, verschränkte die Arme … und kaute seelenruhig ihren Kaugummi weiter. Viele neugierige Augen musterten sie – ich kannte Alisha White schon aus Florida, aber die meisten von uns hatten sie erst vor Kurzem zum ersten Mal gesehen.

»Ihr fragt euch gerade, ob ihr mir vertrauen könnt, stimmt’s?«, meinte sie. »Die Antwort ist ganz einfach: Ja, könnt ihr. Ich habe Milling und seine Leute nie ausstehen können.«

»Was ist mit den drei Sicherheitsleuten des Rates, die wir schon kennen?«, fragte Jack.

»Die jagen den Leuten der Youngblood nach, die beim Kampf dabei waren und unser Flugzeug zur Landung gezwungen haben«, sagte Lissa. »Rechne also lieber nicht mit ihnen.«

»Beim großen Gewitter, das darf doch echt nicht wahr sein«, beschwerte ich mich. »Wieso hat der Rat nicht mehr Sicherheitsleute? Wie viele sind es denn insgesamt?«

»Ich glaube, nicht mehr als zehn«, flüsterte Lissa Clearwater mir zu. »Darüber hinaus gibt’s natürlich die Wachen in Sunny Meadows, die zählen extra.«

Schweigend nickte ich. Wer darf von uns Schülern mit?, fragte Tikaani gespannt.

Bill Brighteye deutete auf Jeffrey, Cliff, Tikaani sowie die neue Wölfin Mondauge, dann auf mich und Mia, mit einer Handbewegung winkte er uns an seine Seite.

Ich wusste, dass ihr nicht ohne uns Wölfe auskommen würdet, prahlte Jeffrey und ich verdrehte die Augen. Doch Mr Brighteye nickte nur. »Euch brauche ich zum Kämpfen, aber jemand zum Spionieren muss auch dabei sein.«

Anscheinend hatte er Nell, unserer Maus-Wandlerin, schon Bescheid gesagt, sie stand in ihrer Gestalt als schwarzes Mädchen mit vielen Zöpfchen in der Nähe. Nun trat auch sie an die Seite unseres Kampflehrers und ich begrüßte sie mit einem Schnurren. Keiner in unserer Klasse unterschätzte Nell, sie war zwar klein in zweiter Gestalt, aber schon ziemlich oft fast getötet worden und deshalb ziemlich taff.

»Zuletzt brauchen wir noch jemanden, der lautlos fliegt und uns außerdem zeigen kann, wo diese Mine genau ist … es gibt nämlich ziemlich viele ehemalige Gold- und Silberminen in der Gegend«, fuhr Lissa Clearwater fort. »Ava, bist du bereit?«

Mit einem zittrigen, aber stolzen Lächeln trat Ava vor, ein zierliches Mädchen mit glatten braunen Haaren und großen Augen. Sie war Steinkauz in zweiter Gestalt und ein bisschen zurückhaltend, aber wir mochten sie alle.

Sonst niemand?, meckerte Holly und hüpfte auf meinem Kopf auf und ab, was sich nicht gerade toll anfühlte.

»Joe Bridger natürlich«, sagte Bill Brighteye und gab Joe, der wie sein Vater ein Kojote war, ein Zeichen. »Schließlich ist es sein Vater, um den es hier geht. Sei froh, dass wir dich nicht brauchen, Holly – es wird garantiert gefährlich …«

Pah! Ich kann »gefährlich«, behauptete Holly und vergaß dabei, sich an meinen Ohren festzuhalten. Sofort schüttelte ich den Kopf und sie flog in hohem Bogen auf eine der Übungsmatten. Wie ein Gummiball hüpfte sie sofort wieder hoch und raste aufgeregt im Raum umher.

»Leise!«, mahnte unsere Schulleiterin. »Es braucht nicht jeder zu wissen, was wir vorhaben.«

Wir schlichen nach draußen – doch offensichtlich waren wir nicht leise genug gewesen, denn im Schulflur fing uns jemand ab. Ein nicht sehr großer Junge mit kräftigen Schultern und Armen; seine dunkelbraunen Haare umrahmten sein eckiges Gesicht. Es war Paolo, einer der Erstjahresschüler. »Wenn ihr schlau seid, nehmt ihr mich auch mit«, sagte er, während er Lissa Clearwater den Weg vertrat. Sie wirkte einen Moment lang genauso sprachlos über seine Dreistigkeit wie wir anderen.

»Ich fürchte, das geht nicht, Paolo«, sagte sie kühl. »Unsere Gruppe ist komplett.« Sie fügte nicht hinzu, dass wir uns bei einem Ameisenlöwen wie ihm, der auf ihren kleinen Fingernagel gepasst hätte, eher Sorgen machen mussten, dass er im Schnee verloren ging. Mein Erzfeind Andrew Milling hätte diesen Kerl in seiner Insektengestalt wahrscheinlich runtergeschluckt, ohne es zu merken.

»Aber ihr habt noch nicht viele Leute in der Gruppe, die so wie ich auch in Menschengestalt gut kämpfen können«, behauptete Paolo und verschränkte die Arme.

Hä?Meinst du das ernst? Cliff, der größte unserer Wolfsschüler, und Tikaani knurrten ihn an.

Doch Paolo wich nicht vor ihnen zurück, warf ihnen nur einen gleichgültigen Blick zu und sah die Lehrer an. »Also?«

Ich war überrascht, als Bill Brighteye sich an die anderen Lehrer wandte. »Es stimmt, eigentlich ist die Gruppe voll, aber meine Stimme hat er. Er ist tatsächlich ein sehr guter Kämpfer.«

»Na gut – du bist der Leiter der Aktion«, sagte Lissa Clearwater.

Paolo grinste so breit, als wäre er wie Henry ein Frosch in zweiter Gestalt. »Cool, danke. In wessen Fell darf ich reisen?«

So wie eine Laus?, fragte Mondauge, die noch vor Kurzem als wilde Wölfin gelebt hatte, und schüttelte angewidert ihr rötlich graues Fell.

Bevor Paolo erwidern konnte, dass er keine gottverdammte Laus, sondern ein wilder, gefährlicher Ameisenlöwe war (solche Sprüche kannten wir schon von ihm), nickte Tikaani. Er kann meinetwegen mit mir reisen, sagte sie ohne Begeisterung. Das war wirklich edel von ihr. Verliebt blickte ich ihr einen Moment lang in die Augen. Dann meinte ich: Und Nell mit mir, worauf unser Mausmädchen sich sofort verwandelte und an meinem Vorderbein hochhangelte.

Holly hockte als Rothörnchen beleidigt auf einem Stapel Matten und sah zu. Viel Glück, ihr Pelzis – und wehe, ihr kommt ohne Mr Bridger zurück!, schickte sie uns hinterher.

Die Sonne war kaum richtig über den Horizont gestiegen, als wir uns auf den Weg machten. Wahrscheinlich frühstückten die anderen gerade. Schade, dass wir nicht mehr Zeit mit unseren Hai- und Delfingästen aus Florida verbringen konnten, aber James’ Schicksal ließ mir keine Ruhe. Was machte Rebecca Youngblood mit ihm, was hatte er gerade auszustehen? Über uns flogen ein Weißkopf-Seeadler und ein Käuzchen. Der überfrorene Schnee knirschte unter meinen Pfoten, während ich mit den anderen nach Nordosten lief. Hechelnd rannten die Wölfe voraus, ihr Atem dampfte in der Kälte. Von meiner Polarwölfin und Mr Brighteye, einem schwarzen Timberwolf, sah ich nur die Hinterteile und die pelzigen Schweife – diese beiden zogen Miss White, die auf dem Bauch auf einem Kunststoffschlitten lag. Als Mensch hätte sie niemals mithalten können. »Hey, das macht sogar Spaß«, hörte ich sie rufen. Dann bekam sie ziemlich viel Schnee ins Gesicht, den die Wolfspfoten aufwirbelten, und verzog das Gesicht. »Na ja, manchmal jedenfalls.«

Hältst du dich gut fest, Paolo?, hörte ich Tikaani brummen. Wenn du abgeworfen wirst, werde ich es nicht mal merken …

Doch, an meinem Schrei, murmelte Paolo, der irgendwo in ihrem Fell hockte, ganz nah an ihrer Haut. Ich war ein bisschen neidisch.

Natürlich hielten wir uns von jeder Farm und Hütte fern, Mondauge – die den besten Geruchssinn hatte – witterte jeden Menschen von Weitem. Mia, die von uns das schärfste Gehör hatte, warnte uns, schon lange bevor zwei Skidoos – Motorschlitten – in Sicht kamen, sodass wir uns rechtzeitig verstecken konnten. Ahnungslos brausten die Fahrer an uns vorbei.

Von oben hätte man unsere Gruppe natürlich sichten können, aber wir hielten alle Ausschau nach dem Hubschrauber unserer Gegner. Und feindliche Vogel-Wandler hätte Jack Clearwater schneller vom Himmel geholt, als sie »Piep!« sagen konnten.

Achtung, Hubschrauber – es ist der von der Youngblood!, rief Ava plötzlich, ich hörte Angst in ihrer Stimme.

Zum Glück war gerade eine Baumgruppe in der Nähe. Wir gingen alle unter einer Kiefer oder dem erstbesten Schneehügel in Deckung. Doch das Flappen kam nicht näher, sondern verklang in der Entfernung.

Alles gut, er ist weg, ihr könnt rauskommen, meldete der junge Schulleiter der Blue Reef High, der über uns durch die Luft glitt. Rasch sprang ich auf und schüttelte den Schnee von mir ab.

Hoffentlich haben sie meinen Dad nicht inzwischen woanders hingebracht, sagte Joe Bridger und blickte der Maschine nach. Sonst haben wir keine Spur mehr zu ihm.

Oh nein. Ich spürte, wie ein Zittern durch mich hindurchlief. Wir hasteten weiter, so schnell unsere Pfoten uns trugen.

Gegen Mittag, als die Sonne am höchsten stand und den Schnee zum Glitzern brachte, hauchte Ava uns in die Köpfe: Vorsicht, Leute … hier in der Nähe war es ungefähr! Wir bremsten ab. Neben mir legte sich Mia flach in den Schnee, sie wirkte ausgepumpt. Die blöden Wölfe keuchen nicht mal, beschwerte sie sich.

Ich dafür umso mehr, japste ich und warf mich ebenfalls auf den Boden, um zu verschnaufen. Pumas wanderten weite Strecken, aber sie rannten nicht dabei. Jedenfalls nicht freiwillig.

Tikaani stupste mich mit der Schnauze an und Alisha White betrachtete mich mitfühlend. »Wenn ich hätte laufen müssen, wäre ich garantiert noch viel fertiger.«

Dann blieb uns die Luft weg, denn Jack Clearwater meldete von oben: Keinen Schritt weiter, Leute – ich sehe den Eingang der Mine, er ist nur dreihundert Meter entfernt! Wenn wir weitergelaufen wären, wären wir den Kerlen direkt in die Arme gerannt …

Klein ist Trumpf

Wir waren direkt vor dem Eingang der Mine? Und hatten es nicht mal gemerkt? Beim großen Gewitter! Ich presste mich in den Schnee und wagte kaum, mich zu rühren. Mia hatte sich das Nackenfell gesträubt. Tikaani neben mir hatte die Ohren angelegt und blickte sich wachsam um.

Schon kamen weitere Neuigkeiten von unserer Fliegerstaffel. Ah, da ist auch der Hubschrauber, hörte ich Mr Clearwater flüstern. Für den haben sie eine Holzplattform gebaut und alles mit einer weißen Plane getarnt, damit ihn niemand entdeckt.

Seht oder riecht ihr irgendwelche Späher? Bill Brighteyes Gedankenfrage war so leise, dass ich sie kaum verstehen konnte. Wir alle flüsterten jetzt, denn obwohl ich noch keinen unserer Feinde bemerkt hatte, waren sie garantiert in der Nähe.

Hier sind Spuren von Bären, stellte Cliff fest, der aussah, als hätte ihn jemand mit der Nase an den Boden geklebt. Außerdem riecht es nach Löwe.

Natürlich riecht es nach Löwe, schließlich haben wir es mit Miss Youngblood zu tun, meinte ich und vergaß seine Bemerkung wieder.

Jeffrey war in eine andere Richtung geschlichen. Zwei verschiedene Bären, würde ich sagen. Garantiert Woodwalker. Mist – was ist, wenn die in Windrichtung von uns rumlaufen?

Dann war’s das mit dem Überraschungseffekt, wisperte Tikaani. Als unerfahrene Erstjahresschüler hätten wir es nicht riskieren können, so viel in Gedanken zu reden; unsere Feinde hätten etwas davon auffangen können. Doch inzwischen waren wir alle ziemlich gut im Flüstern von Kopf zu Kopf und keinem von uns entschlüpfte mehr ein verräterischer lauter Gedanke.

Mir stieg der Geruch nach Luchs in die Nase und lautlos erzählte ich den anderen davon. Tikaani und ich warfen uns einen Blick zu. War das dieser Soldatentyp aus dieser bescheuerten Selbsthilfegruppe für ehemalige Milling-Anhänger? Der uns in seiner Raubkatzengestalt so heftig angegriffen hatte, als wir inkognito zum Treffen der Gruppe gegangen waren?

Ava schrie auf und wir alle zuckten zusammen. Da!, wisperte sie. Seht ihr sie?

Sehen wir was?, fragte Alisha White nervös zurück und duckte sich ganz langsam, ließ sich hinter ein Gebüsch sinken, sodass kein knirschender Schnee sie verriet.

Genau über euch hängt eine Fledermaus im Baum. Die ist eine Woodwalkerin, das spüre ich.

Vielleicht war das diese unangenehme Fledermausfrau, die wir ebenfalls in der Selbsthilfegruppe hatten ertragen müssen. Hätte mich nicht überrascht, denn ihre Reue war so dünn gewesen wie die Eisschicht nach dem ersten Frost. Im Grunde hatten sich alle in der Gruppe gewünscht, dass jemand versuchte, Milling zu befreien. Obwohl sie genau wussten, dass er ein Verbrecher war, der nichts dabei fand, Menschen schwer zu verletzen oder sogar zu töten.

Völlig verkrampft warteten wir darauf, dass die Späherin Alarm schlug.

Tat sie aber nicht.

Schließlich wagte es Jack Clearwater, etwas näher an ihrem Baum vorbeizufliegen.

Die ist eingeschlafen und außerdem vermutlich halb in Kältestarre, sagte er erleichtert.

Aber die anderen Wächter schliefen keineswegs – und sie hatten gemerkt, dass etwas nicht stimmte. He, Dhana, du pennst doch nicht etwa?, rief jemand von Kopf zu Kopf. Diese Stimme kannte ich, ich hatte sie vor sehr kurzer Zeit gehört. Thor, ein Schwarzbär-Wandler; in erster Gestalt war er ein Softwareentwickler in Seattle.

Was?, kam die verpennte Antwort. Irgendwas los?

Wir erstarrten vor Furcht, als die Fledermaus den Blick schweifen ließ … aber sie warf nur einen Rundblick über die Umgebung und kam nicht auf die Idee, direkt nach unten zu schauen. Uff.

Das sollst DU für uns rausfinden, du blödes Flattervieh, sagte eine zweite Stimme, die ich nicht kannte. Wenn alles ruhig ist, können wir nämlich Mittagspause machen. Und ein Bierchen zischen!

Joe grinste mit seinem Kojotenmaul und flüsterte uns zu: Toll. Wenn sie mit dem Magen denken, können wir währenddessen meinen Dad befreien.

Still!, fuhr ihn Bill Brighteye an. Du bist nicht erfahren genug, um richtig gut von Kopf zu Kopf zu flüstern. Mondauge und ich gehen auskundschaften, wo die Wachen sind.

Die beiden Wolfs-Wandler schlichen los. Jeffrey – der Alpha unter unseren Wolfsschülern – sah aus, als wäre er nicht ganz sicher, ob er gekränkt sein sollte oder nicht. Aber sein neustes Rudelmitglied kannte sich nun mal besser in der Wildnis aus als er.

Schnell kamen unsere Späher zurück und Mondauge berichtete: Insgesamt sind es drei inklusive einem Zweibeiner, der nach Luchs riecht – sie hocken an diesem eckigen Loch in der Erde und konzentrieren sich auf ihr Fressen.

Ich musste grinsen. Noch vor zwei Jahren, als ich gerade erst zu den Menschen gegangen war, hätte ich die Lage am Eingang der alten Mine ähnlich beschrieben. Schließlich war ich als Puma in den Rocky Mountains aufgewachsen.

Keiner von denen rechnet damit, dass wir tagsüber angreifen könnten, aber leider sind sie alle bewaffnet, meinte Bill Brighteye. Nell, traust du dich, an ihnen vorbeizuhuschen und zu schauen, was drinnen so vorgeht?

Nells dunkle Knopfaugen waren groß vor Aufregung, doch sie nickte. Schaff ich schon irgendwie. Aber erzählt das alles bloß nicht meinen Eltern. Die motzen sonst, sie hätten keine Einwilligung für so was unterschrieben.

Wie seltsam. Meine Eltern hätten mich höchstens angefeuert.

Unternehmungslustig hüpfte Nell von meinem Rücken … und war sofort weg. Fasziniert starrte ich auf das mausförmige Loch im frisch gefallenen Schnee. Alles in Ordnung? Kriegst du noch Luft?

Ja, aber ich fürchte, ich muss unter der Schneedecke entlangkriechen, wisperte Nell.

Wir tauschten einen beunruhigten Blick. Einerseits war sie dadurch perfekt getarnt, andererseits konnte es dauern, bis sie am Ziel war und wieder zurückkam. Je länger wir hierblieben, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass diese Fledermaus-Lady uns entdeckte. Es war komplett windstill, jedes Geräusch konnte uns verraten.

Okay, wir warten noch mit dem Angriff auf die Wächter, sagte Bill Brighteye, er klang verkniffen. Noch wissen wir ja nicht sicher, ob James überhaupt da unten im Schacht ist oder sie ihn schon woanders hingebracht haben …

Äh, Leute?, hörte ich Nells Stimme in meinem Kopf. Es ist mir ja echt peinlich, aber ich weiß nicht mehr, wo ich bin. Ich seh hier unten ja nichts. In welcher Richtung geht’s zur Mine?

Nach Westen, erklärte Jack Clearwater ihr aus luftiger Höhe.

Und wo zum Geier ist Westen?

O Mann, gibt’s eigentlich Navis für Mäuse?, fragte Joe verkniffen.

Noch während ich darüber nachdachte, ob wir Nell nicht besser ausgruben, bevor sie dort unten zu einem Nagetiereiszapfen wurde, ergriff plötzlich Paolo das Wort. Er hockte noch immer in Tikaanis Pelz und hatte bisher den Mund gehalten, deshalb hatte ich ihn fast vergessen. Wenn ihr wollt, mache ich das. Das mit dem Spionieren.

Ernsthaft?, fragte Jeffrey.

Ja, ernsthaft, kam es verächtlich, aber profimäßig geflüstert zurück. Und weil ich so nett bin, sage ich euch sogar, wie: Ava oder Mr Clearwater nehmen mich ins Gefieder und setzen sich neben diese Fledermaus. Ich klettere rüber. Das Biest wird sich erschrecken … und wo fliegen Fledermäuse hin, wenn sie sich erschreckt haben?

Unsere Gesichter leuchteten auf. Die Antwort war klar: Heim in ihre Höhle, dorthin, wo sie sich in der Dunkelheit sicher fühlten! In der Mine angekommen, konnte Paolo dann die Lage peilen.

Obwohl der Plan klang, als hätte jemand Paolos Gehirn durch eine Kelle Matsch ersetzt, hatten wir leider keinen besseren. Bevor wir hier jemanden angriffen, brauchten wir Gewissheit, was da unten abging.

Als die erschrockene Fledermaus plötzlich Gesellschaft von Ava bekam, schrie sie auf – Leute, hier ist so ein Eulenvieh, ich hasse Eulen! Kann jetzt mal jemand anders Wache halten? Aber dann sauste sie nicht etwa auf den Eingang der Mine zu, wie wir erwartet hatten. Sondern auf ein zweites Loch im Boden, das ein Stück entfernt und viel kleiner war. Kopfüber stürzte sie sich hinein.

Was, beim großen Gewitter, passierte hier?

Irgendwie schaffte es Paolo, sich nicht durch einen Schrei zu verraten. Und er hatte in seinen ersten Monaten auf der Clearwater High gelernt, wie man jemandem ein Bild schickte. Das Problem war nur – anscheinend hatten Ameisenlöwen verdammt schlechte Augen. Was wir bekamen, war nur ein unscharfer Eindruck, aus dem jemand auch noch alle Farben rausgelutscht hatte.

Kann es sein, dass du Kontaktlinsen bräuchtest?, motzte Jeffrey.

Ich bin keine verdammte HD-Kamera, ätzte unser Spion zurück.

Während wir uns an die Mine anschlichen – eine dunkle, mit Stützbalken verstärkte Öffnung, neben der sich die Reste einer halb verfallenen Holzhütte erhoben –, versuchten wir, aus den Bildern schlau zu werden, die Paolo uns schickte.

Anscheinend war das zweite Loch, eine dunkle Öffnung von der Größe eines Bärenkopfs, ein Luftschacht. Unser Ersti war tatsächlich in der Mine gelandet und seine Transporteurin hing gerade unter der Decke, denn wir sahen alles von oben. Sie sind in einem Seitenstollen, nicht sehr tief im Inneren, berichtete Paolo und begann, uns einen Bilderstrom zu schicken, eine Art Film. Allmählich konnte ich etwas erkennen …

Unwillkürlich entfuhr mir ein Fauchen und Joe Bridger ein Knurren, als wir erkannten, was dort unter der Erde gerade geschah.

Schneeduell mit Schinkenbrot

Ich konnte nicht fassen, was dort in der Mine passierte. Nein, ich irrte mich nicht – tief unter der Erde saß mein Lieblingslehrer anscheinend gemütlich auf einem Stuhl und war dabei, Miss Youngblood auf den Mund zu küssen.

Was macht er da?, wisperte ich verstört in die Runde.

Niemand antwortete, wahrscheinlich waren meine Freunde ebenso geschockt wie ich. Schließlich hatte uns Mr Bridger immer vor dieser Löwen-Wandlerin gewarnt, von Anfang an!

Vielleicht erpresst sie ihn, sagte Bill Brighteye zögernd.

Joes Gedankenstimme wehte durch unsere Köpfe. Schaut mal genau hin, Leute. Das ist nicht sehr romantisch – seine Arme sind an den Stuhl gefesselt.

In Mias und Tikaanis Gedanken spürte ich Erleichterung. Iiih, er wird geküsst, obwohl er es gar nicht will, sagte meine Schwester. Das ist ja ekliger als verfaulter Maulwurf.

In diesem Moment begann James zu sprechen. »Sehr originelle Verhörmethode. Wann haben Sie sich eigentlich zuletzt die Zähne geputzt, Miss Youngblood? Haben Sie eine Minzallergie?«

Rebecca Youngblood fauchte ihn an. »Ich hätte nicht erst jetzt, sondern schon viel früher anfangen sollen, Sie zu verhören. Sagen Sie mir, an wen Sie das Buch in Afrika geschickt haben!«

»Habe ich leider vergessen«, behauptete mein bärtiger Lieblingslehrer.

Mit ihrer teilverwandelten Löwenzunge schleckte ihm die Youngblood über das Gesicht. »Na, fällt es Ihnen jetzt wieder ein?«

»Was soll mir wieder einfallen?«, fragte James Bridger.

Wir greifen ein – jetzt, knurrte Bill Brighteye. Aber erst müssen wir an den Wachen vorbei. Wir nehmen sie mit zwei Teams in die Zange.

Ich lenke sie ab, dann könnt ihr sie euch schnappen, sagte Jack Clearwater. Seid vorsichtig, die haben Gewehre und Pistolen! Bitte auch du, Alisha. Denk dran, du bist nicht kugelsicher …

Tatsächlich? Wieso hat mir das nie jemand gesagt? Liebevoll lächelte Alisha White zu ihm hoch.

Während Mia und ich uns von hinten anschlichen und hofften, dass die fremden Woodwalker uns möglichst spät witterten, flog Jack Clearwater lautlos ebenfalls von hinten auf die Wachen zu. Die widmeten sich gerade genüsslich ihren belegten Broten und kippten ein Bierchen dazu. Sie durften nicht dazu kommen, Alarm zu schlagen, sonst war James in Gefahr!

Mondauge, dein Einsatz, flüsterte unser Kampflehrer. Mutig schritt unsere neue Erstjahresschülerin aus unserem Versteck hervor, schnüffelte herum und warf den Wachen einen scheuen Blick zu. Kurz, sie benahm sich wie die wilde Wölfin, die sie immer noch war.

»Schaut mal, Leute«, sagte Sergej – der Luchs-Wandler –, stand auf und nahm sein Gewehr, das neben ihm lag. »Das ist keiner von dieser verdammten Schule, oder?«

Damit war er in genau der richtigen Position. Bevor er anlegen konnte, streckte Jack Clearwater die Krallen aus und rammte seinen Kopf mit voller Kraft von hinten – das war sein Spezialtrick.

Das Gewehr segelte in den Schnee und Sergej tanzten wahrscheinlich Sterne vor den Augen. Bevor er sichs versah, hatte er schon Mondauges Fangzähne an der Kehle. Kein Wort oder du stirbst, knurrte sie in seine Gedanken und er verstummte.

Blieben nur seine zwei Kumpane – die rissen schon den Mund auf, wahrscheinlich um loszubrüllen. Doch da waren meine Schwester und ich schon mit aller Kraft abgesprungen; ich spürte, wie kalte Luft durch mein Fell strich.

Es war ein gewaltiger Sprung und er trug uns fast fünf Menschenlängen weit bis zu unseren Feinden. Mia landete auf den Schultern von Thor, dem starken Bären-Wandler, und Schnee stob auf, als sie ihn zu Boden rang. Schnauze halten, sonst war’s das mit dir und deinem Freund, fauchte ich unsere Gegner an. Es funktionierte, Thor würgte nur ein »Dreckskatze« hervor. Sein Schinkenbrot hatte in der Zwischenzeit neue Freunde gefunden, Cliff hatte nicht widerstehen können.

Ich hatte mir den Mann vorgenommen, der nach Rind roch – ah, das war der verdammte Stier, den kannte ich schon! Leider kam ich ein bisschen schief auf und er konnte mich von sich runterkegeln. Zum Glück hatte er gerade keine Hörner, auf die er mich nehmen konnte. Wenn du Alarm schlägst, bist du tot, versicherte ich ihm und verpasste ihm einen Prankenschlag, der seiner Jacke einen lustigen Fransenlook gab.

Während wir kämpften, waren Bill Brighteye, Alisha White (mit Nell in der Tasche) und Joe Bridger an uns vorbeigestürmt. Sie mussten James befreien, bevor Rebecca Youngblood und ihre Helfer begriffen, was hier draußen vorging! »Wenn ihr Goldklumpen seht – lasst sie liegen, wir haben’s zu eilig«, hörte ich Miss White noch sagen. Dann verschwanden alle vier in der Dunkelheit des Tunneleingangs.

Der Stiermann, mit dem ich kämpfte, versuchte trotz meiner Drohung loszubrüllen, doch schon war Jeffrey zur Stelle – mit einem dicken Aststück im Maul. Vergiss es, Mann, sagte er zu dem Typen, teilverwandelte seine Hände und zog ihm mit dem Holzknüppel eins über. Ohnmächtig sackte der Stier-Wandler zur Seite.

»Holla … und ich dachte schon, du wolltest nur Stöckchen spielen«, sagte ich zu ihm.

Jeffrey schnaubte und warf Mia einen Blick zu. Klar, und du hast mit deiner Schwester Weithüpfen geübt, was?

Unsere Wölfe hielten mit Mias Unterstützung erfolgreich unsere Gefangenen in Schach, deshalb sagte ich hastig: Ich geh unten helfen!, und sprintete los.

Ich spürte, dass Tikaani gerne mitgekommen wäre, aber sie hatte gerade buchstäblich das Maul voll – sie war dabei, die Waffen unserer Gegner wegzuschleppen und wahrscheinlich in die nächstbeste Schlucht zu werfen. Also schickte ich ihr nur ein paar warme Gefühle und zurück kam ein liebevolles Viel Glück.

Berglöwen sind nicht allzu gerne unter der Erde und es war ein unheimliches Gefühl, in diese Mine hineinzuschleichen. Der Eingang war eine Öffnung, die etwa doppelt so groß war wie meine Zimmertür in der Schule. Ich schlich ins düstere Innere, einen Tunnel mit Steinwänden und Schotterboden. Es roch nach feuchtem Stein und modrigem Holz hier drinnen. Gold sah ich keins, die Wände glänzten zwar, aber nur vor Feuchtigkeit, die sich in Eis verwandelt hatte. Hier und da zogen sich graue Adern durchs Gestein.

Wahrscheinlich hatten sie alles Wertvolle schon vor langer Zeit aus der Erde geholt, sonst hätten sie diese Mine und die vielen anderen in den Rocky Mountains bestimmt nicht aufgegeben. Ich war nicht ganz sicher, warum Menschen Gold so liebten. Es sah zwar ganz nett aus, aber ich fand jede Drehkiefer hübscher.

Der Tunnel verzweigte sich ein paarmal und einmal nahm ich eine falsche Abzweigung wie anscheinend meine Freunde vor mir, doch ich folgte ihrer Witterung immer weiter. Schließlich hörte ich Stimmen und wusste, dass ich auf dem richtigen Weg war. Bill und Alisha waren ein fast unschlagbares Team, bestimmt hatten sie James inzwischen schon freibekommen und wir konnten unbeschwert Weihnachten feiern!

Ganz schön naiv von mir.

Silber, Gold und Kaugummi

Die Stimmen kamen aus einem Seitenschacht. Vorsichtig pirschte ich mich durch den Stollen näher und riskierte einen Blick in die Kammer. Es war ein staubiger, kahler Raum, in dem nur ein paar Stühle, ein Tisch und ein Holzregal standen (auf dem jetzt Bierflaschen und andere Vorräte gelagert waren). Vielleicht hatten die Bergleute hier früher Werkzeuge aufbewahrt.

Eine Glühbirne an einem Draht hing an der Decke und beleuchtete einen Anblick, über den ich mich tierisch freute. Bill Brighteye hatte sich zurückverwandelt und trug einen pinken Schal um die Hüften, den ich vor Kurzem an Miss Youngblood gesehen hatte. Er hielt unsere Feindin mit ihrer eigenen silbernen Pistole in Schach. Während Joe dabei war, James’ Fesseln durchzubeißen, hielt Miss White die mit Milling verbündete Bären-Wandlerin im festen Griff: »Sie können gerne mit dem Zappeln aufhören, ich bin in zweiter Gestalt acht Meter lang und ein kleines bisschen stärker als Sie.«

Auch Paolo hatte sich zurückverwandelt in einen muskulösen dunkelhaarigen Jungen mit haarigen Waden, er hatte sich irgendeinen Lappen umgebunden, betrachtete interessiert, was geschah, und begann, den Raum zu durchstöbern.

»Könnte bitte noch jemand mithelfen, James loszubinden?«, sagte Bill Brighteye, ohne die finster blickende Youngblood aus den Augen zu lassen. »Danach verschwinden wir von hier.«

Schnurrend lief ich nach drinnen und schmiegte mich an James Bridger, um ihn zu begrüßen. Doch ich hatte vergessen, dass in meinem Fell noch reichlich Schnee hing. Mein Lieblingslehrer umarmte seinen Sohn und mich lachend. »Danke fürs Anfeuchten, Carag. Echt nett, dass ihr mich befreit, Leute. Es wurde gerade ein wenig unangenehm hier.«

Er fröstelte in einem eisigen Luftzug. Der kam von oben, durch einen Luftschacht – ah, das war das zweite, kleinere Loch im Boden! Anscheinend konnte man den Schacht von außen abdecken, denn es sah nicht so aus, als hätte es in letzter Zeit reingeschneit.

»Andrew wird euch strafen für euren Verrat, wenn er erst einmal frei ist«, verkündete die kräftig gebaute Bärenfrau und funkelte uns an.

»Ach ja? Ich fürchte, bis dahin werdet ihr ihm erst mal in Sunny Meadows Gesellschaft leisten«, erwiderte Miss White und kaute seelenruhig ihren Kaugummi weiter. »Aber natürlich in einer anderen Zelle, in seiner ist kein Platz für euch alle.«

Rebecca Youngblood schien sie nicht zu hören; sie hatte die Arme verschränkt. »Was habt ihr eigentlich mit meinen Wachen gemacht, ihr ach so tapferen Befreier?«

Die sind alle drei außer Gefecht, teilte ich ihr mit … und ahnte Böses, als ich ihr Lächeln sah. Eulendreck, hatte sie mehr als drei Leute da draußen? Hatte Cliff nicht gesagt, er hätte auch Löwen gewittert? Wieso hatte ich Idiot das ignoriert? Vielleicht waren ihre Löwen-Wandler-Kumpanen gerade auf Patrouille und würden jeden Moment zurückkommen!

Wir müssen hier weg, schnell, drängte ich und sandte den stärksten Fernruf, den ich hinbekam, in Richtung von Tikaani und meiner Schwester. Passt auf, es könnten noch mehr Feinde kommen!

Zurück kam von Tikaani nur ein atemloses Sie sind schon hier, es sind zwei Löwen und …!, dann brach der Gedanke ab.

Wie von selbst fuhren meine Krallen aus, kratzten über den Steinboden. Doch bevor ich herumwirbeln und losrennen konnte, kam Paolo mit einem dreckigen Handtuch zurück, das er in einer Ecke der Kammer gefunden hatte. Was wollte er mit dem Ding?

Das bekamen wir gleich darauf mit. Er warf das Handtuch von hinten Bill Brighteye über den Kopf und wand ihm dann die silberne Pistole aus der Hand. Eulendreck! Was war denn hier los?

Mr Brighteye stieß einen Fluch aus und Alisha White warf sich nach vorne, um dem durchgedrehten Ersti die Waffe abzunehmen. Dröhnend löste sich ein Schuss und wie alle anderen duckte ich mich, presste mich an den Boden. Die Kugel bohrte sich in eins der Regale, Splitter flogen herum.

»Na, das ist aber eine Überraschung«, sagte Rebecca Youngblood zu Paolo und zeigte in einem Filmstarlächeln ihre Zähne. »Bist du etwa ein Fan von mir? Das hätte ich mir natürlich denken können, dass meine Bewunderer überall sind!«

»Ich bin auch ein Löwe – ein Ameisenlöwe«, verkündete Paolo stolz. »Darf ich mich Ihnen anschließen? Seit ich von Ihrem Rudel gehört habe, träume ich davon!«