Wovon wir lebten - Silke Scheuermann - E-Book

Wovon wir lebten E-Book

Silke Scheuermann

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Beschreibung

Große Erwartungen an das Leben hat Marten nicht. Er stammt aus einem problematischen Elternhaus und wächst in einem Umfeld auf, das von illegalen Geschäften, Schlägereien und Sex beherrscht wird. Beim Drogenentzug trifft er Peter, einen ehemaligen Restaurant- und Clubbesitzer. Peter entdeckt Martens Talent zum Kochen. Als die beiden gemeinsam das Edellokal Happy Rabbit eröffnen, kommt es zu einem Wiedersehen mit Martens Jugendliebe Stella, die ihre Bilder in der Galerie des Restaurants ausstellen soll. Von einer reichen Tante großgezogen, scheint sie ihm unerreichbar. Jetzt aber drehen sich die Vorzeichen um: Während Stella um Anerkennung für ihre Kunst kämpfen muss, avanciert Marten zum angesagten Fernsehkoch - bis das kriminelle Milieu ihn wieder einzuholen droht. Eindringlich und authentisch erzählt Silke Scheuermann von fragilen Lebensträumen. Ihr packender Entwicklungsroman führt unerschrocken in menschliche Abgründe. Doch Wovon wir lebten ist auch eine Liebesgeschichte, in der sich am Ende unerwartete Zusammenhänge aufdecken.

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Seitenzahl: 696

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Inhalt

[Cover]

Titel

Haus aus Glas

Auf der Ameisenstraße

Wolf ohne Rudel

Happy Rabbit

Wintersterne

Dank

Autorenporträt

Über das Buch

Impressum

[Leseprobe – Saint Mazie]

Haus aus Glas

1

»Glaubst du, das ist eine tote Nutte?«

Ich drehe mich um. Ein Stück über mir an der Böschung steht ein Junge, den ich hier noch nie gesehen habe.

Von seinem Geschrei sind die Blesshühner, Enten und Nilgänse aufgeschreckt worden, die sich am Ufer versteckt halten; sie flattern wild durcheinander. Es ist sehr früher Morgen, ich kann die Nacht noch in der Luft riechen; Nebelreste qualmen über dem Flusswasser.

»Nein, ganz bestimmt nicht!«, gebe ich ärgerlich zurück.

»Es könnte ja sein, Mann. Die liegt da so!« Er zuckt mit den Achseln.

Seine blonden Haare glänzen in der Sonne, die direkt hinter ihm aufgegangen ist und ihn beleuchtet wie einen Filmhelden. Gerade habe ich beschlossen, ihn einfach nicht mehr zu beachten, da fängt er an, zu mir herunterzusteigen. Das Gras ist nass vom Tau und rutschig; vielleicht fällt er hin. Aber nein. Knackend zerbricht Gehölz unter seinen Schritten, und er steht neben mir.

Er ist etwa so groß wie ich und sehr kräftig. Obwohl es noch ziemlich kühl ist, trägt er nur ein T-Shirt zu den Jeans.

»Hast du sie angefasst? Atmet sie noch?« Um warm zu bleiben, tritt er auf der Stelle. Ich sehe die Gänsehaut auf seinen Armen.

»Reg dich ab. Natürlich atmet sie noch. Wenn du mal die Klappe hältst, hörst du sogar, wie sie schnarcht. Das ist übrigens meine Mutter. Und sie schläft nur.«

»Echt? Oh, sorry.«

Es macht ihm absolut nichts aus, das sehe ich. Um Mutter genauer zu inspizieren, geht er in die Knie. Ihre Haut ist noch blass vom Winter, ihre Haare sind rot. Alle anderen in der Familie haben braune Haare. Vater sagt, sie will etwas Besonderes sein. Sie hat den Kopf auf die Arme gelegt und umgebogene Zweige als Kissen benutzt, schläft gemütlich weiter. Ein Spuckefaden läuft ihr am Kinn hinunter.

»Das ist deine Mutter? Was macht sie hier?«

Ich lasse mich nicht zu einer Antwort herab. Er hätte sie nie entdeckt, wenn ich nicht vor ihr gestanden hätte wie eine blöde Hinweistafel. Hier, wo der Fluss sich zu biegen beginnt und die Strömung schneller wird, stehen die Ufer voller Schilf, das alles verdeckt. Deshalb setzt Mutter sich abends mit ihrem Bier oder der Schnapsflasche gerne hierhin. Ich würde es wahrscheinlich genauso machen, gerade jetzt, an den ersten schönen Tagen. Bisher hatten wir dieses Jahr nur schlechtes Wetter, sogar unser Erdkundelehrer, der unwitzigste Typ überhaupt, hat angefangen, über den Unterschied von nasser Kälte und kalter Nässe zu scherzen.

»Aufwachen!« Ich tippe ihr auf die Schulter. Halte die Hand ins Flusswasser und bespritze ihr Gesicht.

Der Junge findet das total spannend, das merke ich. So schnell werde ich den nicht mehr los, also sage ich: »Hilf mir mal, wenn du schon da bist.«

Das muss man ihm nicht zweimal sagen. Er stürzt sich auf Mutter und zieht so heftig an ihrem Arm, dass er ihr fast die Schulter auskugelt. Aus ihrem Mund kommt ein Grunzen, sie blinzelt endlich. Zusammen gelingt es uns, sie hochzuziehen. Sie nuschelt etwas.

»Er hilft uns kurz«, erkläre ich.

»Warte«, sagt der Junge, »ich halte sie an der anderen Seite.«

Sie steht inzwischen, auf unsere Schultern gestützt, mühsam arbeiten wir uns die Anhöhe hoch. Auf dem Weg wird es leichter, und prompt schließen sich ihre Augen wieder halb, während sie wie ein Automat weiter Fuß vor Fuß setzt.

»Was sollte das mit der toten Nutte?«, frage ich.

»Tut mir leid. Ich wusste doch nicht, dass sie deine Mutter ist!«

Ich versuche es anders: »Ich meine, wie bist du darauf gekommen? Hast du schon einmal eine tote Nutte gesehen?«

»Klar. Zweimal. In Frankfurt.«

»Wow.«

»Na ja, nur vom Fenster aus, sie rannte aus einem Haus. Jemand hat auf sie geschossen. Dauernd war da was los auf der Straße, Polizeirazzien, Messerstechereien und so. Wir haben im Bahnhofsviertel gewohnt, das ist eine gefährliche Gegend.« Er klingt stolz.

»Hm.« Hier in der Stadt gibt es auch jede Menge fiese Ecken, aber da bin ich natürlich nachts nicht.

»Ich habe ein Fernglas«, sagt der Junge.

»Ein Fernglas?« Ich stelle ihn mir damit am Fenster vor und muss grinsen.

Er grinst zurück: »Ja. Genau wie ein Spanner.«

Ich merke, dass er gern eine Pause machen würde, um sich zu unterhalten, aber den Gefallen kann ich ihm nicht tun. Wir gehen weiter. An der Seite wird das Ufer schnurgerade, und nur niedriges Grün wächst am Rand.

»Frankfurt ist sicher nicht schlecht, oder?«, frage ich. Eigentlich nur, weil man das eben so sagt, denn ich vermisse hier nichts.

»Na ja. Jetzt sind wir hier. Wir sind am Wochenende eingezogen. Da!« Er dreht sich um, soweit das mit Mutter an der Seite geht, und deutet zu den Blocks an der Mainstraße.

»Wir müssen da vorne hin.« Ich zeige in die entgegengesetzte Richtung und setze mich wieder in Bewegung. Es ist nicht mehr weit. Wir stoppen vor dem fleischfarben gestrichenen Mehrfamilienhaus. Meine Eltern nennen es Altrosé, wenn sie jemandem den Weg beschreiben.

»Soll ich mit hochkommen?«

Ich schüttele den Kopf.

»Gut, dann nicht. Ich bin übrigens Micha.« Er streckt mir die Hand hin.

»Marten.« Ich schlage ein, was soll ich sonst tun?

»Man sieht sich!« Er rennt weg.

Unsere Wohnung ist im ersten Stock. Gleich links, wenn man reinkommt, liegt mein Zimmer, gegenüber Mutters. Sie sind etwa gleich klein, aber nur ihres besitzt noch eine Tür. Die zu meinem hat Vater abmontiert, damit ich besser mitbekomme, wenn Mutter nachts mal wieder betrunken abhauen will, anstatt ihren Rausch auszuschlafen. Das funktioniert gut, weil sie dann das Licht im Flur anknipsen muss, und ich wache von Licht immer auf. Vor Kurzem bin ich darauf gekommen, mir eine Unterhose als Schlafbrille über den Kopf zu ziehen. Mal sehen, wann Vater es merkt.

»Da ist ja das Dreamteam!«, ruft er aus der Küche. »Kommt herein und lasst euch ansehen!«

Wir schieben uns in die Küche.

Er sitzt mit Nicole auf dem Schoß am Tisch, und sie teilen sich das Essen auf seinem Teller. Nicole ist erst fünf. Ihr Gesicht ist mit Marmelade beschmiert, und sie strahlt, als sie uns sieht.

»Hey, Süße«, sage ich, aber als sie zu mir hüpfen will, hält mein Vater sie fest. Mit der anderen Hand klatscht er auf den Tisch. »Mein Gott, wie die wieder aussieht!«

So spricht er gerne mit Mutter: als ob sie nicht da wäre. Wenn man das immer wieder hört, dann fühlt man sich wahrscheinlich auch nicht mehr richtig anwesend.

Wir warten, ob noch etwas kommt, aber das ist anscheinend alles gewesen. Vater steckt eine Scheibe Brot in den Toaster. Ich überlege kurz, ob es sich lohnt, wegen einem Apfel oder einer Banane an ihm vorbei zum Obstkorb zu gehen. Aber wer weiß, was ihm dann wieder einfällt, und ich bin sowieso spät dran.

»Viel Spaß in der Schule!« Mutter streicht mir über den Kopf.

»Geh du erst mal duschen, bevor du die Kinder anfasst«, sagt Vater.

Der Scheißkerl. Wenn ich abends nicht einschlafen kann, zähle ich Schimpfwörter für ihn auf, Wörter, für die er mich totprügeln würde, wenn er auch nur eines davon hörte: Scheißkerl, Drecksack, Flachwichser, Miesmacher, Angeber, Arschloch, Arschgeige, Arschgesicht – überhaupt alles mit Arsch. »Arschvater« habe ich neulich erfunden.

Ich schnappe meinen Ranzen und renne raus, die Straße entlang. Zum Glück kommt gerade ein Bus in die richtige Richtung. Ich fahre die zwei Stationen zur Schule mit. Sehe mich nach Micha um, aber der ist nicht da.

2

Es ist Vaters großer Abend. Weil die Familie allein nicht so viel hermacht, hat er sämtliche Nachbarn eingeladen, und wer nicht spontan eine gute Ausrede parat hatte, quetscht sich jetzt bei uns auf die Couchgarnitur: Familie Krauss, die unter uns wohnt, die Wohllebens aus dem Haus links von uns, und das Hausmeisterehepaar aus dem Dachgeschoss. Der Hausmeister hat sein steifes Bein auf einen Hocker gelegt. Wie der Mann überhaupt noch Reparaturen ausführen kann mitdem Bein und ob sie das nicht die doppelte Menge an Stundensätzen kostet, darüber unterhalten sich meine Eltern oft mit den Nachbarn. Heute ist das Nebensache. Alles ist heute Nebensache, denn Vater kommt im Fernsehen.

Ich rücke mit meinem Küchenstuhl so dicht wie möglich an den Berg belegter Brötchen, den zu machen mich den halben Nachmittag gekostet hat. Mutter hat unterdessen geduscht und etwa eine Handvoll Aspirin mit zwei Litern Kaffee hinuntergespült. Nun nimmt sie, fast wieder nüchtern und von einer Sicherheits-Parfümwolke umgeben, lächelnd das Lob der Gäste entgegen, sogar Vater ist zufrieden. Ich gönne es Mutter: Ihr Dankeschön an mich steckt längst in meinem Portemonnaie – im Fach für Scheine, wo sonst nicht viel los ist. Es ist halt ein wahnsinnswichtiger Tag. Da muss auch ein Stapel Brötchen »kalte Platte« heißen.

Als die Sendung beginnt, wagt keiner mehr, sich zu regen. Alle starren auf die Moderatorin von »Unser schönes Hessen«, als ob die uns verraten würde, welche Außerirdischen bald unseren Planeten angreifen. Dabei hat Mutters Freundin Judith vorhin zu ihr gesagt, von dieser Sendung habe sie noch nie was gehört.

Der erste Beitrag über eine Ausstellung im Ledermuseum zieht sich. Ich beschäftige mich damit, möglichst geräuschlos möglichst viele Brötchenhälften nacheinander zu essen. Vater seufzt bei jedem Schnitt, der wieder nur eine neue Museumsinnensicht zeigt. Der nächste Beitrag beginnt mit Bildern des breiten, begrünten Mainufers. »Die Hunderennbahn nennen Insider diesen Abschnitt«, begeistert sich die Stimme aus dem Off, »weil die Vierpföter hier freie Bahn haben!«

Ich freue mich auch: Hunden im Sprint könnte ich stundenlang zusehen. Vater, der nicht damit gerechnet hat, dass ihm Dobermänner und Dackel die Sendezeit stehlen, knirscht wütend mit den Zähnen.

Dann, endlich, ist es so weit. »Jetzt aber«, presst er hervor. Im Wohnzimmer bewegt sich keiner, selbst Nicole sitzt wie festgefroren da. Ich höre auf zu kauen.

»Da!«, stößt Frau Krauss hervor: »Da biste, Schorsch!«

Ihr Gestöhne klingt fast wie das der Frauen in den Sexfilmen, die die Jungs aus der achten Klasse sich gegenseitig ausleihen. Nicht so mein Ding, sage ich dazu nur. Aber Frau Krauss hat den Bann gebrochen, Nicole stößt einen begeisterten Quietscher aus, und Judith klatscht in die Hände.

Man sieht Vater, wie er über den Mathildenplatz läuft und dabei redet.

»Ruhe«, donnert er jetzt live und deutet dabei auf sein Alter Ego in der Glotze. »Man versteht ja sein eigenes Wort nicht!«

Wow, so witzig kenne ich ihn gar nicht! Als Mutters alarmierter Blick mich trifft, lasse ich mein Lachen in ein Husten übergehen.

Es folgen ein paar öde Minuten zum Thema »Sanierung des Mathildenplatzes«, es spricht der »Bauamtsleiter Georg Wolf«. Früher ein Schandfleck im Stadtbild – in Vaters Worten: »von Obdachlosen belagert und jugendlichen Rauschgiftsüchtigen als Treffpunkt missbraucht« –, ist der Platz gegenüber der katholischen Kirche jetzt wieder zum »veritablen Schmuckstück« aufgewertet worden. Gekostet hat das Schmuckstück 2,3 Millionen D-Mark. Das finde ich nun ziemlich viel, denn es besteht eigentlich nur aus einer »modernen« Brunnenanlage in der Mitte, bei der das Wasser von allen Seiten aus einer Art schwärzlichem Riesenklumpen kommt, der aber nicht so genannt wird, sondern »organische Form«. Das Organ hat den ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen – wieso bloß? Losentscheid? Blindenjury? Schmiergeld? Oder gab es nur eine einzige Einsendung?

Abgesehen von dem wässernden Klumpen definiert sich der Platz eigentlich nur über das, was es nicht mehr gibt: die Bäume, die Currywurstbude, das Grünstück zur Kirche hin, auf dem der Mathildenplatzpenner seinen Schlafsack liegen hatte. Halt, doch: Ein neues Schickimicki-Café, das Latte macchiato, hat aufgemacht.

»Achtung! Jetzt!«, sagt Vater. »Oder nein, doch nicht.«

Der Bürgermeister sitzt hinter seinem billardtischgroßen Schreibtisch und lobt seine Mitarbeiter und die vereinten Kräfte seines Amtes, also sich selbst.

»Jetzt aber. Achtung«, sagt Vater wieder, und nun sieht man ihn tatsächlich noch einmal. Er hat sich in das neue Café gesetzt, wo er etwas verloren aussieht, weil es so leer ist. Der Kellner kommt sofort angerannt und ist superfreundlich.

»Namentlich!«, sagt Vater live, wobei er nun selbst seine eigenen Worte im Fernsehen übertönt. »Namentlich hat mich der gegrüßt. Da haben die vom Fernsehen vielleicht geguckt! Das ist der Kontakt zu den Bürgern, von dem alle immer reden.«

»Horst, wieso kommst du nie im Fernsehen?«, fragt Frau Wohlleben, und alle lachen, außer Horst.

»Wir haben selbstverständlich niemanden verdrängt«, tönt Vater aus dem Apparat. »Es ging bei dem neuen Konzept darum, den Platz für die Normalbevölkerung nutzbar zu machen.«

Normalbevölkerung? Ich denke an Rainer und seine Jungs vom Boxclub, die coolsten Typen überhaupt. Sie haben den Platz immer zärtlich »die Mathilde« genannt und sich zum Herumhängen und Kiffen dort verabredet. Und jetzt? Wo sollen sie hin, wenn sich die »Normalbevölkerung« auf der Mathilde breitmacht? Ich verpasse den Schluss, weil ich meinen Gedanken nachhänge.

»Schon fertig?«, schleimt die Wohlleben. »Das ist aber schade!«

Vater steht auf, um zu kontrollieren, ob das Videogerät die Sendung aufgezeichnet hat.

»Lass noch mal durchlaufen«, sagt Judith und zwinkert Mutter zu.

»Wirklich?« Er ist geschmeichelt.

»Ja, mach doch, Georg«, sagt Mutter. »Ich hole den Nachtisch.«

Ich verlasse die Party.

3

In den nächsten Tagen sehe ich Micha nicht, auch nicht an dem Morgen, als ich noch einmal Mutter am Fluss suchen gehe. Ich glaube schon, dass er Blödsinn erzählt hat und gar nicht wirklich hierher gezogen ist, da steht er in der großen Pause mitten auf dem Hof, umringt von ein paar Jungs aus der 6b. Als er mich sieht, kommt er sofort angerannt: »Marten! Mann, schade, dass ich nicht in deine Klasse gekommen bin!«

Ich freue mich. Wir reden ein bisschen über die Lehrer und Mitschüler, und Micha schlägt vor, dass wir uns für den Nachmittag verabreden: »Bei uns ist noch nichts eingeräumt. Ich komme zu dir«, kündigt er an.

»Ähm, ja. Klar«, sage ich.

Zu Hause hat Mutter Nicole vom Kindergarten abgeholt und sich dann zum Ausruhen auf das Sofa gelegt.

»Hallo, mein Schatz«, sagt sie. »Es ist leider nicht mehr viel im Kühlschrank. Wäre nicht schlecht, wenn du einkaufen gingest. Der Zettel liegt neben dem Geldbeutel … Nur ein paar Sachen.«

»Bin schon weg.«

Auf dem Papier steht: »Tomatenmark, Salat, Reis, 1 Schweinelende ganz, W.« Der letzte Buchstabe ist am wichtigsten: Wodka. Nicht zu verwechseln mit WW für Weißwein oder RW, wobei sie selten Rotwein trinkt, weil der Flecken macht. Die Verschlüsselung ist eine Vorsichtsmaßnahme. W. könnte für Wasser stehen, für Würzmittel, Wellnesspflegespülung oder Wasweißichsonstnochalles, und falls jemand anderes als ich die Liste in die Hand bekommt – schließlich benutzt Mutter immer alte Briefumschläge als Einkaufslisten, und da steht vorne unsere Adresse drauf –, liegt kein Beweis gegen sie vor. Insofern kann man sagen, dass sie unseren Haushalt mit großer Umsicht führt.

»Marten, bist du noch da?«

»Jaha.«

»Danke, mein Großer. Ich weiß manchmal nicht, was ich ohne dich täte.«

Das ist mir nicht neu, aber ich höre es immer wieder gerne.

Zum Supermarkt ist es nicht weit, ich weiß, wo alles steht, und mein Korb ist in wenigen Minuten gefüllt. An der Kasse sitzt wieder die neue Angestellte, die mit den langen, strassbesetzten Fingernägeln. Sie hat sich vor ein paar Tagen geweigert, mir Alkohol zu verkaufen. Weil irgendein Gesetz den Verkauf an Minderjährige angeblich verbietet.

Ein Gesetz? Ich lachte sie aus, denn ich war nun wirklich nicht zum ersten Mal für Mutter unterwegs, aber sie blieb stur. Zum Glück stand die Frau des Zahnarztes in der länger werdenden Schlange und sagte, sie kenne die Familie, das sei schon in Ordnung. Trotzdem ist mir die Szene immer noch so peinlich, dass ich allein beim Gedanken daran in den nächsten Gully versinken möchte.

Heute ist es nicht so voll, dennoch bin ich nervös, als ich mit meinem Korb zum Bezahlen antrete. Umsonst, die Kassiererin lächelt sehr süß und zwitschert: »Ach, du bist es, hallo.«

Wahrscheinlich hat sie mit ihren Kolleginnen gesprochen und weiß jetzt auch Bescheid.

Auf dem Rückweg mache ich einen Umweg am Boxclub vorbei, wo mittags noch nicht viel los ist und Rainer oft rauchend und telefonierend auf dem Hof steht.

Rainer heißt mit vollem Namen Rainer März und ist Anfang der achtziger Jahre Juniorchampion im Leichtgewicht gewesen, bevor er sich am Knie verletzte und vom Profisport Abschied nehmen musste; jetzt ist er Trainer. Er ist schon ziemlich alt, mindestens dreißig; trotzdem sind wir befreundet, seit mir einmal vor dem Bahnhof die Kette vom Rad abgesprungen ist und er mir beim Reparieren geholfen hat. Das heißt, genau genommen hat er einen seiner Jungs herbeordert, und der hat den Schaden behoben. Die Boxübungen, die er mir gezeigt hat, mache ich regelmäßig.

Der Hof ist leer, aber das hat erst einmal nichts zu bedeuten. Ich bleibe in der Einfahrt stehen, um zu verschnaufen, und da geht auch schon die Tür auf. Rainer kommt allerdings nicht allein heraus. Ein Typ im Trainingsanzug, den ich vom Sehen kenne, und zwei Frauen sind bei ihm. Die eine – blondierte Wallemähne, hohe Schuhe, Neontop – ist Jackie, Rainers große Liebe, schon seit Ewigkeiten. Keiner widerspricht Rainer, wenn der sagt, es ist eine komplizierte Beziehung, denn das ist es wohl. So kompliziert sogar, dass Jackie eigentlich in Darmstadt bei einem anderen Mann wohnt. Auch von einem Kind, das Rainer und Jackie haben, wird oft geredet. Mal heißt es, es lebe bei Jackies Mutter, dann wieder, dass sie es ganz weggegeben haben, ein andermal, dass Rainer es nicht sehen darf; er war nämlich schon im Gefängnis. Was davon nun stimmt und was nicht, weiß ich nicht, keiner tut das, ich glaube, nicht einmal Rainer selbst. Meiner Meinung nach gibt es das Kind gar nicht, sonst hätte ich es irgendwann einmal gesehen. Schließlich taucht Jackie in unregelmäßigen Abständen hier auf – manchmal schaut sie ganz kurz vorbei, manchmal sogar für eine Woche –, aber ein Kind hatte sie nie dabei.

Während er sich mit den anderen unterhält, schiebt Rainer eine Hand in die Gesäßtasche von Jackies Jeans. Sicher gar nicht einfach bei der knallengen Hose.

Ob ich wirklich hingehen soll? Ich wäre lieber allein mit Rainer gewesen. Aber zu spät, er hat mich gesehen und winkt. Sowieso löst sich die Gruppe gerade auf, der andere Mann geht zurück ins Studio, während die beiden Frauen über den gepflasterten Hof in meine Richtung staksen. Die Mädels in der Clique brezeln sich immer total auf, und keine besitzt auch nur ein Paar flache Schuhe.

»Na du? Keine Schule?« Das ist Rainers Standardfrage, die stellt er immer, auch abends um zehn.

Ich schüttele den Kopf. Setze die pralle Einkaufstüte ab, die er anscheinend übersehen hat.

»Hast du meine Jackie gesehen? Sie hat was mit den Haaren gemacht, sieht echt geil aus, was?« Sein Blick wandert Richtung Hofeinfahrt.

»Auf jeden Fall«, bestätige ich, obwohl Jackie für mich ausgesehen hat wie immer.

Er lacht auf einmal los. »Und weißt du was – im Bett ist die der Hammer. So’n bisschen kennst du dich mit Sex schon aus, hm? Na klar.« Er zwinkert mir zu.

»Hm«, mache ich vage. Zu blöde, dass er jetzt wieder mit dem Thema kommt, viel lieber hätte ich mich über Krafttraining unterhalten, zu Sex habe ich nichts zu sagen. Was man mir anscheinend ansieht, denn Rainer fragt jetzt: »Obwohl – wie alt bist du, zehn, elf, zwölf?«

Ich warte, aber höher zählt er nicht mehr: »Genau«, sage ich dann.

»Dann haste alles noch vor dir, freu dich!« Und halblaut fügt er hinzu, als sei es nicht mehr wirklich zum Hören gedacht: »Nur schade, dass sie so eine Schlampe ist …«

Puh, denke ich, jetzt kommt wieder was mit Sex. Besser, ich verschwinde.

»Was ist, willst du schon weg, Kleiner? Ach so, die Einkäufe … Die lassen dich ganz schön schuften, was? Aber pass auf, das ist gut so, auch wenn dir das jetzt nicht so vorkommt. Aus dir wird mal ein echter Kerl.«

Ich werde rot vor Freude und Verlegenheit.

Mutter macht sich gerade eine Tasse Tee, als ich zurückkomme.

»Ein Junge ist für dich da gewesen«, sagt sie. »Micha. Sah nett aus. Ich hab ihm gesagt, du bist nicht da.«

Mist. Ich hätte nicht gedacht, dass er sofort nach der Schule kommt.

»Klingelt er später noch mal? Hat er was gesagt?«

»Oh. Nein.« Sie packt die Einkaufstüte aus. »Vielleicht hätte ich ihn fragen sollen.«

»Ja«, sage ich ärgerlich und gehe in mein Zimmer.

Hinter mir höre ich ein Gluckern. W. ist im Einsatz.

4

Vater, Nicole und ich besuchen die Tierhandlung Kutter. Ich habe Mutter überreden wollen mitzukommen, weil ich ihr endlich einmal die Terrarien zeigen will, aber keine Chance, sie ist viel zu froh, am Wochenende mal ihre Ruhe vor Vater zu haben, selbst wenn es nur ein, zwei Stunden sind.

Na ja, wenn es die Kragenechsen nicht gäbe, würde ich das auch vorziehen.

Herr Kutter bedient uns mit Lächeln und Elan. Holt ein Kaninchen nach dem anderen aus den Ställen hervor, damit Nicole sie streicheln kann. Wow. Ich erkenne den alten Kotzbrocken kaum wieder. Aber vermutlich hasst er Kinder in seinem Laden nur, wenn sie allein kommen, denn dann wollen sie in der Regel nichts kaufen, sondern bloß gucken und ihn mit Fragen löchern.

Nicole begutachtet den ersten Kandidaten, ist sich nicht sicher, will den zweiten und dritten ansehen, dann erneut das Kaninchen von vorhin haben, nein, nicht das, das erste bitte – mir ist völlig schleierhaft, wie sie die Tiere auseinanderhält. Alle sind »süß«, weiß oder braun und haben idiotisch hängende Ohren, Ohren, die Nicole nicht müde wird aufzurichten, nur damit sie wieder herunterfallen. Herr Kutters Lächeln wirkt langsam etwas bemüht.

Ich drehe eine Runde durch den Laden. In der großen Voliere sitzen etwa ein Dutzend Sittiche, ganz verschiedene Arten. Hellgelbgraue Nymphensittiche mit Punkerfrisuren. Zwei Unzertrennliche, deren grelles Grün jeden Neonmarker neidisch machen kann, schmusen miteinander. »Unzertrennliche« heißen sie, weil sie sich ihr Leben lang treu bleiben; wenn einer stirbt, ist der andere auch so gut wie tot. Die Rosellas sind die buntesten: als habe jemand an ihrem Gefieder zeigen wollen, wie perfekte Farben aussehen sollten. Das blauste Blau, das man sich vorstellen kann, ein Rot wie eine Explosion, und bei dem Gelb denkt man, ein Stück des Vogels sei in die Sonne gefallen. Wenn ich dagegen an die Menschen denke mit ihrer gelblichweißen, graubräunlichen Haut und ihren stumpfen Haarfarben – die Krone der Schöpfung, also na ja.

An der Wand mit den Aquarien bleibe ich nur kurz stehen, obwohl die Farben der Fische kaum weniger prächtig sind. Nur ein dünnes Stück Glas, und dahinter ist diese vollkommen fremde, unheimliche Welt. Man sagt ja immer, Fische beruhigten, aber mich machen sie zappelig, zumindest wenn sie in Glaskästen untergebracht sind wie hier. Immer nur dieses winzige Stück Wasser abschwimmen, das muss furchtbar sein. Wenn man einen Papagei zu Hause hat, kann man ihn wenigstens mal im Wohnzimmer rumfliegen lassen, aber einen Fisch? Nichts zu machen. Ob sie von Seen oder vom Ozean träumen? Albträume vom Ersticken haben? Auf solche unangenehmen Gedanken bringen sie mich, die angeblich beruhigenden Fische.

Im Hinterzimmer stehen die Terrarien: In einem sind Geckos untergebracht, in dem daneben Warane. Im größten, fast zwei Meter lang, wohnen drei Kragenechsen. Auf den ersten Blick entdeckt man sie nicht und denkt, der Kasten sei leer. Man muss wirklich genau hinschauen. Wegen ihrer Tarnfarbe verschmelzen sie mit der Erde und den Wurzeln, die eine Art Wüstenlandschaft bilden. Da ich ihre Lieblingsplätze inzwischen kenne, sehe ich den bräunlichgrauen Otto und den etwas dunkleren Oscar sofort. Die dritte Echse, die kleinste, ist noch nicht sehr lange da. Sie muss sich im umgekippten Blumentopf versteckt haben. Ihr habe ich noch keinen Namen gegeben, aber ich denke an Olaf. Orlando passt irgendwie nicht.

»Hallo, Otto!«, grüße ich leise. Bevor ich gegen die Scheibe klopfe, um ihn ein wenig zu erschrecken, drehe ich mich unauffällig um – Kutter schaut gerade zu mir rüber. Hat wohl Angst, dass ich hier irgendwelchen Blödsinn mache.

»Ihr Junge interessiert sich ja sehr für die Reptilien!«, sagt er zu meinem Vater.

Mein Vater gibt etwas Ähnliches wie »Hmmpf« von sich.

»Seit diesem Jurassic-Park-Film ist die Nachfrage enorm gestiegen, gerade unter Jugendlichen. Es ist ja auch eine fantastische Art, eine Spezies zu beobachten, wenn …«

»Der Junge kriegt keine Echse. Das hätte mir gerade noch gefehlt«, schnauzt mein Vater. »Sich so ein Monster zu halten! Und die Kosten: Strom, Licht … nein, nichts da.«

Tja. Wenn das ein Test gewesen ist und Kutter herausfinden wollte, ob Herr Wolf eventuell auch bei seinem Sohn so großzügig ist, dann weiß er jetzt Bescheid.

Monster! Eine längst vergangene Welt hat einige Saurier im Miniaturformat überleben lassen. Chlamydosauren ist ihr lateinischer Name, ich weiß das aus einem Buch in unserer Schulbibliothek. Die Seiten über die Kragenechse habe ich so oft gelesen, dass ich sie fast auswendig kann.

Er hat keine Ahnung, was diese Tiere können. Wenn sie sich nämlich bedroht fühlen oder erschrecken, stellen sie sich auf die Hinterbeine, öffnen den Mund und klappen ihre großen, leuchtend orangefarbenen Kragen auf. Sie rennen auch so, aufrecht, den Kragen gut sichtbar, sind sie auf diese Weise größer – wobei man bedenken muss, sie werden bis zu einem Meter lang! Einfach irre.

Ich klopfe leicht gegen die Scheibe. Schade, weder Otto noch Oscar erschrecken. Aber ich will ihnen keinen Stress machen, lauter pochen möchte ich nicht. Otto ist dicht an der Scheibe, wachsam.

Wenn ich so ein Terrarium besäße, denke ich, würde ich meine Echsen die Wände hochklettern lassen, sie könnten in der Badewanne schwimmen, und ich würde so viele Heuschrecken fangen, wie sie essen können, natürlich lebend. Und ich würde ihnen eine wunderbare Höhle basteln. Wir wären bald richtige Kumpels.

Gleichwertige, denn vor allem aber gefällt mir, dass sie ihren Besitzern nicht wehrlos ausgeliefert sind; viele haben sogar Angst vor ihren spitzen Krallen.

Wenn ich mir das Gegenteil eines Kaninchens denken soll, dann ist das eine Kragenechse.

»Natürlich kannst du den Hasi nennen«, schwadroniert Herr Kutter unterdessen. »Kaninchen gehören zur Familie der Hasenartigen. Der Unterschied ist, dass Kaninchen gerne in Rudeln leben, Hasen aber Einzelgänger sind. Und Hasen haben natürlich stärkere Hinterläufe und mehr Gewicht …« Als ob das eine Fünfjährige kapieren würde.

Plötzlich werde ich traurig. Ich werde nie einen Otto haben. Ein Witz meines Vaters fällt mir ein: Schließ mal die Augen und leg die Hände davor, Junge. Ja, gut so. Nun mach sie wieder auf: Was du jetzt siehst, gehört dir.

»Kommst du endlich«, tönt es auch schon vom vorderen Teil des Ladens. Vater hat eines der weißen Kaninchen im Arm; es versucht panisch, sich unter seine Achseln und in die Ärmel der Wildlederjacke zu wühlen. »Nimm das, ich gehe zahlen.«

Das Tier zittert in meinen Armen wie verrückt. Die Augen von Kaninchen blicken immer fürchterlich erschrocken drein – als erwarteten sie das Schlimmste. Ich frage mich, wie es sein muss, jeden Augenblick in Angst zu leben, das muss ein unglückliches Leben sein.

Ein Kaninchen kostet dreißig Mark, mein Vater kauft Nicole drei. Die beiden anderen hat Herr Kutter schon in den Käfig gepackt, den Nicole natürlich auch braucht.

Während Kutter meinem Vater noch an der Kasse Zusatzfutter, Vitamine, Spielzeug und andere Extras aufzuschwatzen versucht, streichele ich das Kaninchen in meinem Arm, und beim Streicheln drücke ich am Hals ein wenig zu, erst ohne Absicht, nur um zu spüren, ob man durch das dicke Fell an die Kehle kommt, oder ob es quiekt.

Dann, als ich merke, dass es sich nur ein wenig in meinen Armen versteift, drücke ich fester.

Und noch fester.

Das Kaninchen zappelt überhaupt nicht. Es strampelt nicht und kickt auch kein bisschen mit den Hinterläufen wie im Zeichentrickfilm. Auf einmal ist es tot, und keiner hat es gemerkt. Es ist ganz still, tot und still, aber sehr friedlich und hübsch.

Mir kommt der Gedanke, dass ich jetzt ein Problem habe.

Ich handele sofort, denn sonst hätte ich keine Chance gehabt. Überhaupt keine.

Während sich auf meiner Stirn Schweißtropfen bilden, setze ich das Tier zu den beiden anderen in den Käfig. Nicole steht inzwischen bei den Hundeleinen, sie möchte mit den Häschen spazieren gehen, sagt sie. Die Männer lachen, weil sie so goldige Ideen hat. Mir wird schlecht. Nicht nur, dass ich eben nichts Goldiges getan habe, das tue ich eigentlich nie. Aber ein Kaninchenmord? Das hat eine andere Dimension. Ein Kaninchenmord könnte eine schwerere Strafe nach sich ziehen, als ich sie je zuvor bekommen habe.

Meine Brust schmerzt vor Aufregung bei jedem Atemzug. Wenn mich jetzt jemand anspricht, kippe ich um.

Wie durch ein Wunder tut das keiner. Vater nimmt Nicole an der Hand und spaziert mit ihr hinaus, während ich ohne zu protestieren den Käfig und den Sack mit Streu hinter ihnen hertrage. So überladen zu sein hat den Vorteil, dass ich mein Gesicht verstecken kann.

Niemand merkt etwas auf dem Weg zum Auto. Das weiße Kaninchen Nummer zwei und das braune purzeln übereinander, das tote fällt absolut nicht auf. Nicole sieht ab und an zu mir rüber und in den Käfig: nichts.

Die ganze Zeit pocht mein Herz so laut, als wollte es für das tote kleine Tier mitschlagen.

Zu Hause verschwinden mein Vater und meine Schwester sofort in Nicoles Zimmer. Mutter hängt auf dem Balkon Wäsche auf und winkt, sie komme gleich. Ich atme ruhiger. Fühle mich seltsam leicht, aus der Welt gehoben: Jetzt kann mir nichts mehr passieren. Zwar bin ich die ganze Zeit darauf gefasst, dass Nicole loskreischt, aber nichts passiert.

Vorerst. Etwas muss ja geschehen.

Ich sitze in meinem Zimmer und warte.

Kurz darauf kommt Vater mit verärgerter Miene in den Flur, ein kleines Fellbündel an der Brust. Er vergewissert sich, dass die Tür hinter ihm geschlossen ist, und lässt das tote Kaninchen auf den Telefontisch im Flur plumpsen.

»Kaum zu glauben«, zischt er, »guck mal, der ist schon hin!«

»Oh«, mache ich.

»Pst!« Er legt den Finger an den Mund. »Pass auf, wir machen das jetzt so: Du gehst noch mal zurück und tauschst das um. Ich habe deiner Schwester gesagt, bei diesem fehlt die Impfung.« Er ist sichtlich stolz auf seinen Einfallsreichtum.

»Oh«, wiederhole ich. Mehr fällt mir im Augenblick wirklich nicht ein, diese Wendung der Dinge kommt allzu unerwartet.

»Tja, unglaublich, was? Hat wohl beim Transport einen Herzkasper bekommen.«

»Oh, natürlich …«

»Oh? Bist du jetzt vollends verblödet? Stell dich nicht so an. Sag Kutter, er soll dir ein Robusteres geben, das darf ja wohl nicht sein! Hast du verstanden?«

Ich schrecke auf. »Ja, klar.«

Er gibt mir sogar Geld für den Bus, so wichtig ist ihm die Sache.

Zuerst ist es ein befremdliches Gefühl, mit dem toten Hasen in einer Umhängetasche zwischen den anderen Fahrgästen im Bus zu sitzen, doch als ich aussteige und den Weg zurück ins Geschäft einschlage, werde ich vor lauter Erleichterung jede Minute vergnügter, und zuletzt stehe ich richtig fröhlich vor Kutter.

Ich triumphiere innerlich.

Zum ersten Mal habe ich meinen Vater ausgetrickst.

Zum ersten Mal habe ich gewonnen.

5

Es klingelt an der Tür. Nicole plärrt: »Besuuch!«, während Mutter etwas aus dem Badezimmer ruft, das ich nicht verstehe. Ich nehme gerade auf dem Balkon ein Sonnenbad, aber jetzt beeile ich mich, in meine Espadrilles zu schlüpfen und aufzumachen.

Diesmal hat Micha genau gesagt, wann er kommt, damit ich ihn nicht verpasse.

»Wo ist denn die Tür?«, fragt er sofort, als wir in mein Zimmer gehen. Komisch, er ist der Erste, dem das auffällt.

»Im Keller. Kaputt.«

»Kann man die nicht reparieren? Oder eine neue einbauen? Dafür hat man doch ein eigenes Zimmer – damit man die Tür hinter sich zumachen kann.« Micha sieht mich verständnislos an.

Ich zucke die Achseln. »Bin nicht oft hier.«

Er hat ins Schwarze getroffen: Ich bin genau deshalb selten in meinem Zimmer. Es gibt dort keine Verstecke für mich; ich könnte genauso gut auf dem Flur stehen.

Die einzige Möglichkeit ist, sich im Bett zu verkriechen. Doch wer will das schon.

»Mein Vater kann euch das in zwei Minuten machen.« Micha streicht mit der Hand über das Holz des Türrahmens.

»Ist der Schreiner, oder was?«

»Genau.«

»Danke, aber muss nicht sein.«

Nicole tapst herein.

»Geh weg, Nicole«, sage ich.

Sie beachtet mich nicht, sondern strahlt Micha an. »Willst du meine Kaninchen sehn?«

»Gern«, sagt Micha.

»Die sind in meinem Zimmer.«

Nicoles Zimmer ist größer als meines, aber dermaßen mit Spielzeug vollgestellt – sie stellt alles, was sie hat, immer ordentlich in mehreren Reihen auf dem Boden auf –, dass es kaum einen Unterschied macht. Es bleibt nur ein schmaler Durchgang frei, der zum Käfig führt. Meine Schwester, völlig überwältigt von dem Besuch in ihrem Zimmer, lässt sich auf ihr Bett fallen, während Micha die Tiere begutachtet.

»Das sind Widder«, sagt er.

Nicole kichert und sagt zu mir: »Der ist doof.«

»Widder heißt die Rasse mit den hängenden Ohren«, erklärt Micha. »Die sind extra so gezüchtet.«

»Das sind Kaninchen«, widerspricht Nicole, während ich so tue, als sei mir das geläufig. Hätte Kutter ja auch mal erwähnen können.

»Klar sind das Kaninchen«, sagt Micha. Er ist so schlau, nicht weiter auf dem Thema herumzureiten: »Hast du ihnen Namen gegeben?«

»Tick, Trick und Track«, nuschelt meine Schwester.

»Trick und Track sind die weißen. Schwer auseinanderzuhalten«, erläutere ich.

Micha öffnet die Käfigtür und greift hinein.

»Nein! Tu die Hand wieder raus. Das sind meine«, quengelt meine Schwester, aber Micha lässt sich nicht stören. Er angelt nach einem Widder und betastet das zitternde Tier.

»Tja, Nicole. Bald hast du mehr als drei«, bemerkt er fachmännisch.

»Was?«, frage ich, »meinst du etwa …«

»Gib her«, sagt Nicole, und ihre Augen füllen sich mit Tränen: »Marti, sag dem da, er soll Tick wieder reintun!«

»Ja, die ist schwanger.«

Micha setzt meiner Schwester das Kaninchen vorsichtig auf den Schoß.

»Sicher?«, frage ich. Noch mehr Kaninchen … Eine vage Idee formt sich in meinem Kopf.

»Ich glaub schon. Nicole, bald brauchst du einen größeren …«

Ich lege den Finger auf meinen Mund, Micha nickt. Ich weiß auch nicht, warum, aber ich will nicht, dass Nicole es weiß und überall herausposaunt.

Wir spielen eine Weile mit den Tieren, lassen sie herumhoppeln und versperren ihnen ab und zu den Weg. Nicole quietscht vor Begeisterung und wird auch nicht müde, das umgerannte Spielzeug immer wieder ordentlich in Reih und Glied zu stellen.

»Die müssen im Sommer in den Garten, das ist doch nicht schön, wenn sie nur in deinem Zimmer sein können. Du brauchst einen richtigen Stall für die. Wenn du willst, frage ich meinen Vater, ob er dir einen baut«, sagt Micha. »Okay?«

Nicole bringt keinen Ton heraus vor Glück. Als wir gehen wollen, liegt sie auf einmal bäuchlings auf dem Teppich und hält Michas Fußgelenke umklammert.

»Ich weiß gar nicht, was du hast, deine Schwester ist doch supersüß«, sagt er später, als wir wegen des Windes aufgegeben haben, Federball zu spielen, und nun nebeneinander auf dem Rasen sitzen und zum Fluss runterschauen.

»Sie ist ganz okay«, sage ich großspurig. Er hat natürlich recht, meine Schwester ist das niedlichste kleine Mädchen, das man sich vorstellen kann. Wenn man mit ihr einkaufen geht oder sie zum Kindergarten bringt, bleibt sie an jeder Ecke stehen, um eine Blume zu pflücken. Wenn wir zusammen einen Film ansehen, legt sie immer ihre winzigen, nackten Füße auf meinen Schoß, obwohl sie weiß, dass ich sie gerne kitzele. Wenn sie dabei einschläft und träumt, stößt sie manchmal kleine Kiekslaute aus und strampelt mit den Armen und Beinen, als wolle man sie gefangen nehmen. Und an manchen Tagen, wenn sie schwierig ist und nichts essen will, kann nur ich sie dazu bringen. Ich habe nämlich das Hungrige-Schweinchen-Spiel für sie erfunden, bei dem man laut grunzt und sich tief über die Teller beugt, um die Mahlzeit, ohne Messer und Gabel, direkt vom Teller zu schlürfen. Ihre Haare bekommen dann Soße ab, aber sehr schnell ist sie wieder so vergnügt, dass sie alle paar Bissen um den Tisch flitzt, wie es Schweinchen ihrer Ansicht nach tun. Es dauert eine Ewigkeit, bis ihr Teller halbwegs leer ist. Man könnte Nicole immerzu knuddeln, so ein Mädchen ist sie.

Trotzdem finde ich, sie muss nicht überall dabei sein.

»Du kannst froh sein, dass du Geschwister hast. Ich hätte gerne welche.« Micha bohrt mit dem Finger im Gras herum.

»Na ja, alle mögen Nicole, manchmal bin ich ein bisschen eifersüchtig. Wenn Vater mit ihr spielt – also, dann erkennt man ihn gar nicht wieder.«

»Wieso? Wie ist er dann?«

»Nett. Man könnte meinen, er hat ein Herz, sagt Mutter immer.«

»Puh. So schlimm?«

Ich nicke nur.

Micha sagt nachdenklich: »Er muss kein Herz haben. Du bist sicher, weil du sein Nachwuchs bist. Und noch nicht ausgewachsen. Ich meine, es kann auch bloß Instinkt sein, weißt du? Bei Hunden nennt man das Welpenschutz.«

Ich starre ihn an: Er versteht mich. Und er sagt wirklich interessante Sachen. Ich will wissen, wie seine Eltern sind, und er erzählt, seine Stiefmutter sei Thailänderin und heiße Bai Lin. Dann steht er auf und klopft sich Gras von der Hose: »Komm einfach vorbei. Ich muss jetzt nämlich heim.«

6

Das ist Bai Lin – Kramer? Ich blinzele überrascht. Die Frau, die mir die Tür geöffnet hat, ist klein und pummelig. Sie sieht kein bisschen aus wie die zwei schönen jungen Schwestern, die im Chinarestaurant bedienen, abgesehen von den schrägen Augen. Und selbst die sind anders, liegen so tief über den runden Wangen, dass ich nicht einmal ihre Farbe erkennen kann.

»Du willst zu Micha.« Ihr hoher Singsang erinnert mich an das Miauen einer Katze. »Komm herein.«

Sie hat keine Schuhe an. Ich folge ihren winzigen braunen Füßen ins Wohnzimmer, das mit bunten Vorhängen, Blumengestecken und goldenen Buddhas ausstaffiert ist wie ein Palast. Couchgarnitur und Fernseher verschwinden hinter Kissen, Wandteppichen, hübschen Schalen und Tellern. In der Luft hängt ein süßlicher, würziger Geruch, der teilweise von Räucherstäbchen in einer Art Schrein stammt, aber es scheint auch gerade gekocht worden zu sein. Ich staune nur so. Es kommt mir vor, als hätte ich ein fremdes Land betreten. Während ich auf Micha warte, sehe ich die Fotos über der merkwürdig niedrigen Couchgarnitur an. Da steht Michas Stiefmutter, dünner und in ein Blumenkleid gewickelt, am Strand. Neben ihr der Mann mit gelbbraunen Zähnen und dem Ziegenbart muss Michas Vater sein. Die zwei lachen fröhlich in die Kamera. Auf anderen Bildern wieder stehen sie vor Sehenswürdigkeiten oder sitzen an der Bar. Einmal trägt Michas Vater ein Hawaiihemd, das mit Palmen bedruckt ist, ein andermal eines mit lauter kleinen Regenbogen darauf.

Ich lasse mich auf einem der glänzenden Kissen nieder. Michas Stiefmutter kommt zurück, stellt einen Teller mit Obst vor mich und legt eine Serviette mit einer Gabel dazu. Klein geschnittene Wassermelone, Ananas und Stücke einer hellgelben Frucht, die ich nicht kenne. Es sieht gut aus. Ich spieße ein Stück Ananas auf. Die thailändische Gastfreundschaft gefällt mir.

»Sorry, ich war am Computer!« Micha ist da. »Spielst du auch gerne?«

Ich schüttele den Kopf. Esse noch mehr Ananas, und als sie alle ist, fange ich mit der Melone an.

»Sag mal, Bai Lin, gibt’s auch was Richtiges?«, ruft Micha. »Lass doch mal den Nachtisch stehen, Marten.«

Den Nachtisch?

Da kommt auch schon Bai Lin herein, mit zwei Schalen voll dampfendem Essen. Fleischstreifen, Reis und Gemüse.

»Nein, danke!«, sage ich. Ich denke an all die Gerichte beim Chinesen, die ich wegen der schleimigen süßsauren oder scharfen Soße nicht mag. Abgesehen davon ist es jetzt nicht mehr ganz so peinlich, schon den Nachtisch gegessen zu haben, finde ich.

»Probier wenigstens«, drängt Micha. »Zwei Bissen.«

Vorsichtig ziehe ich mit der Gabel ein Stück Fleisch aus der Sauce, die milchig und rötlich ist, und nehme es in den Mund. Es schmeckt unglaublich.

»Das ist ein Curry«, sagt Micha.

Ich esse zwei Currys. Hinterher zeigt Micha mir seine Videosammlung, zu der ich nur »wow« sagen kann, das trifft es am besten, zumal man eine ganze Menge eigentlich erst ab achtzehn ansehen darf. Ich darf aussuchen und wähle Jurassic Park 2, denn den kenne ich noch nicht; er lief vor zwei Jahren im Kino, und ich fand es furchtbar, dass ich ihn verpasste. Den Grund weiß ich schon gar nicht mehr, vielleicht hatte ich Hausarrest oder kein Geld oder musste mich um Nicole kümmern. Am wahrscheinlichsten alles hintereinander, und dann waren die Vorführwochen auch schon vorbei.

Kaum ist ein Dilophosaurus zu sehen, trumpfe ich mit Fachwissen auf: »Der kommt ja auch im ersten Teil vor, erinnerst du dich? Aber in Wirklichkeit war er dreimal so groß und hatte auch nicht so einen Kragen. Das haben Forscher herausgefunden. Weißt du, wo Spielberg diese Idee herhatte?«

Micha schaltet sofort den Film auf Standbild: »Sag schon!«

Ich erzähle ihm alles, was ich über diese Art noch weiß, und selbstverständlich auch von Otto, Oscar und Olaf. Wir diskutieren noch eine Weile und sind uns dann einig, dass die Filmhandlung aber trotzdem logisch ist, weil für den Saurierpark, das wird extra gesagt, die DNA von lebenden Amphibien benutzt wird, um die fehlenden Stränge aus der fossilen zu ergänzen. Die Zeit vergeht dabei rasend schnell, schon ist es fünf, und ich muss dringend nach Hause.

»Ich begleite dich ein Stück«, sagt Micha.

Wir wollen gerade zur Wohnungstür raus, da wird die aufgeschlossen, und der dürre Mann mit Ziegenbart, den ich von den Fotos kenne, kommt herein.

»Hallihallo«, ruft er, und als er mich sieht: »Ei, der Micha hat ja Besuch!«

Er sagt noch, ich könne ihn Rudi nennen, wie Micha, und da muss ich auch schon los, gerade als Bai Lin nun Rudi ein Bier und eine Schüssel Curry serviert; anscheinend isst hier jeder einfach, wann es ihm passt. Micha sagt, dass er mich ein Stück begleitet wird, und Rudi nickt mit vollem Mund.

Langsam gehen wir den Fluss entlang.

»Dein Vater ist echt nett«, sage ich. Ich bin ein bisschen neidisch, weil ich sofort gemerkt habe, dass Micha und er sich gut verstehen. Er ist der erste Junge, den ich kenne, der seine Eltern beim Vornamen nennt, als wären sie seine Freunde. Abgesehen davon, dass er mitten am Tag Videos ansehen darf, sogar welche, für die er eigentlich zu jung ist.

»Stört es ihn nicht, dass du ihn Rudi nennst?«

»Nö, ich glaub nicht. Hat sich so ergeben.«

Zu Hause wartet mein Vater schon, um mich ins Kreuzverhör zu nehmen: Wer ist dieser neue Junge? Was ist das für eine Familie? Wo kommen die her?

Ich antworte so knapp es geht.

Er runzelt die Stirn, er sieht müde aus. »Sein Vater ist Schreiner, sagst du? Eigener Betrieb?«

»Ja, doch«, sage ich und hoffe, dass er mein Zögern nicht bemerkt hat.

Aber Vater sagt nur: »Na, dann werden wir mal sehen, ob du diesen Micha lange als Freund halten kannst«, und geht weg.

Nicole hört in ihrem Zimmer eine Kinderkassette, Mutter kann ich nirgends finden. Vermutlich schickt er mich nachher los, um sie im Gemütlichen Eck abzuholen.

Das Gemütliche Eck ist ihr Stammlokal. Für Vater ist es kaum zu glauben, dass sie ausgerechnet diese Kneipe regelmäßig besucht; er würde nie einen Fuß hineinsetzen, sagt er, er habe einmal durchs Fenster gesehen, das reiche ihm. Mutter gefällt es im Eck natürlich genau deshalb. Für die Normalbevölkerung ist der Laden einfach nicht vornehm genug. Viel zu beschäftigt damit, generelles Hundeverbot im Büsingpark durchzusetzen und die Tempo-30-Zonen vor Kitas zu erweitern, liegt er praktisch außerhalb ihrer Wahrnehmung.

Außerdem muss Mutter im Gemütlichen Eck nicht befürchten, hinausgeworfen zu werden, denn das ist noch nie passiert. Auch dann nicht, wenn der Rausch sie ein gutes Stück über die Schamgrenze geschoben hat und sie anfängt, Reden zu schwingen über Gott und die Welt, Leid und Trost zum Beispiel und was Hass und Misstrauen damit zu tun haben. Einmal, es ging um Liebe und Besessenheit, habe ich sie mitten in so einem Vortrag abgeholt, und der Eck-Wirt hat behauptet, dass sie zu sehr interessanten Ergebnissen kommt, wenn sie nicht gerade mittendrin den Faden verliert. Er ist wirklich nett. Ein andermal habe ich gesehen, wie er ihr, als sie an der Theke einschlief, ein besticktes Kissen unter den Kopf geschoben hat. SÜSSERTRAUM stand darauf.

7

Die Kramer’sche Schreinerei befindet sich zu meiner Überraschung in dem Gebäude, in dem früher ein Bestattungsinstitut gewesen ist – aber eines, das man auf den ersten Blick überhaupt nicht als solches erkannte, denn die Besitzer dekorierten das Schaufenster immer neu und aufwändig um. Als wollten sie zeigen, dass der Tod genauso abwechslungsreich wie das Leben sein kann.

Mal saßen Gipsengelchen mit dicken Gesichtern, wo immer Platz war, und Lichterketten rankten sich quer über das Fenster. Dann wieder sah man eine Überfülle an Stoffblumengestecken oder Kerzen. Plakate mit Sonnenblumen oder Bäumen und meistens einer Spruchweisheit darauf klebten am Fensterglas: »Lerne an die Hoffnung zu glauben«, las ich einmal, und ich weiß noch, dass ich es gemein fand, den unglücklichen Hinterbliebenen auch noch so komplizierte Aufgaben zu stellen. Hallo Leute, da ist gerade einer aus der Familie gestorben, aber bitte, beschäftigt euch erst mal damit, »glauben« überhaupt zu »lernen« – also nicht mal das gibt’s umsonst.

Jedenfalls musste man zweimal hingucken, bis man die Särge dazwischen bemerkte. Aber es lohnte sich: Manche aufgeklappte, gepolsterte sahen geradezu bequem aus, wie für Graf Dracula gebaut. Man bekam Lust, sich hineinzulegen. Dann wieder waren rosa Kisten angesagt, schlicht und zugeklappt ähnelten sie gigantischen Pralinenschachteln. Oder es gab helles Kiefernholz, das mit Schnitzereien verziert war.

Anfangs machte mich die heitere Atmosphäre, die so erzwungen werden sollte, erst recht beklommen. Ich fühlte ein unheimliches Kribbeln, wenn ich wieder einmal vor dem Schaufenster stand, war verwirrt von der Ratlosigkeit, mit der diese angeblichen Profis mit dem Tod umgingen. All der Firlefanz. Als ob es einen Unterschied machte, in welcher Kiste man unter der Erde vermodert.

Zuletzt gab es für mich nur einen logischen Grund: Die Ladenbesitzer mussten Vampire sein und die Särge für ihresgleichen machen. Nur so ergab der Aufwand einen Sinn.

Mir fällt das letzte Plakat ein, kurz bevor jemand ein »Zu vermieten«-Schild mit Telefonnummer am Haus anbrachte: »Fürchte dich nicht vor der Veränderung, nur vor dem Stillstand« hatte darauf gestanden.

»Weißt du, was hier vorher drin gewesen ist?«, frage ich Micha.

»Na klar!«

»Und? Findest du das nicht gruselig?«

»Nee, ich muss hier ja nicht übernachten.«

Das Schaufenster wirkt nun viel ernsthafter als damals beim Bestattungsinstitut. Ein Regal aus dunklem Holz, das aus mehreren Teilen auf Rollen bestand, eine Kinderwiege, die vorne in einem hölzernen Löwenkopf endet, mehrere Tische in ovalen Formen, die an Einzeller unter dem Mikroskop erinnern. Ich blinzele. Meine Nasenspitze berührt das Glas. Weiter hinten stehen noch mehr Sachen, doch ich kann nur Umrisse erkennen.

»Rudi fertigt nur Einzelstücke an, direkt auf Kundenwunsch«, erklärt Micha. Er klingelt noch einmal, und als sich immer noch nichts tut, lässt er den Finger auf dem Knopf. »Eigentlich könnte er sich Designer nennen, sagt er, so schweineteuer wie er seine Sachen verkauft. Aber er hat herausgefunden, dass die Leute es lieber mögen, wenn sie denken, sie hätten einen Geheimtipp gefunden, so ’nen Handwerker alter Schule; ich versteh’s auch nicht ganz.«

Ich kann meinen Blick nicht vom Schaufenster losreißen. Wer wohl ein Regal haben will, dessen Teile man immer neu gruppieren kann? Jemand, der häufig umzieht? Ich zucke zurück, als sich etwas bewegt. Doch der Umriss im Dunkeln entpuppt sich lediglich als eine graue, strapaziert aussehende Katze, die mit vorsichtigen Schritten auf mich zukommt und dann direkt vor der Scheibe stehen bleibt, um mich anzugähnen.

»Das ist Momo«, erklärt Micha, »die hat den Beerdigungsleuten gehört. Mann, wann macht der endlich auf?«

Den Beerdigungsleuten? Aber die sind vor einem halben Jahr ausgezogen, mindestens. Wieso lebte die noch und war nicht verhungert?

Anscheinend habe ich das laut hervorgestoßen, Micha antwortet jedenfalls mit einer Gegenfrage. »Weil die vielleicht durch ein Schlupfloch raus ist zum Mäusefangen? Ah, endlich!«

Rudi öffnet uns in einer fleckigen Latzhose. An vielen Stellen sind Farbe oder Leim daraufgekommen, und große Teile des Stoffs schmiegen sich nicht mehr an seinen Körper, sondern wölben sich um ihn wie eine Rüstung fest. Fast wirkt die Hose auf mich wie ein Möbelstück aus seinem Sortiment der Sonderanfertigungen.

Er habe uns nicht gleich gehört, weil er Bretter zurechtschneiden musste, erklärt er, und Micha sagt: »Ist schon okay, keine Sache.«

Ich muss mich langsam daran gewöhnen, dass die zwei miteinander reden wie Kumpel.

Die Werkstatt ist im Hof und geht hinten in eine Garage über, die Rudi als Lager nutzt. Dort lehnen Tischplatten und Bretter an den Wänden, einige davon mit so feiner Maserung, als wären die Striche mit einem superdünnen Stift nachgezogen worden. Kästchen mit Nägeln, Schrauben und Muttern sind in rollbaren Körben untergebracht, vier Säcke prallvoll mit Holzresten stehen säuberlich aneinandergereiht wie Wachsoldaten daneben. An der Wand hängen Sägeblätter, Feilen und eine Menge Geräte, die ich nicht kenne. Obwohl das Tor sperrangelweit offen steht und alles gut durchlüftet, riecht es nach Holz und Lack.

»Wow«, sage ich, »von der Straße aus hätte ich nicht gedacht, dass hier so viel Platz ist.«

»Was man halt so braucht«, erwidert Rudi bescheiden. »Ich mach dann mal weiter.«

Er steuert auf den Tisch zu, der im Freien aufgebaut ist und um den verstreut allerhand Werkzeug liegt. Darunter stehen eine halb volle Bierflasche und ein Aschenbecher, in dem eine Zigarette qualmt.

»Teakholz, riech mal daran, Marten«, sagt er und streicht mit den Händen über die Platte, »das ist eine Maßanfertigung für die Dachgeschosswohnung eines Architekten.«

Ich schnuppere. »Riecht gut, ja.«

»Ei, wie eben Teakholz so riecht«, bemerkt Michas Vater und sieht mich an, als warte er auf etwas.

Micha wispert: »Frag ihn, ob er die Holzsorten am Geruch unterscheiden kann!«

»Können Sie die Holzsorten etwa am Geruch unterscheiden?«

»Aber klar doch!«, sagt Rudi. »Wenn’s sein muss, auch nur mit einem Nasenloch.«

»Wieso gehen wir dann nicht einmal zu Wetten, dass …?«, quengelt Micha. »Einen Holzsortengeruchsbestimmer hat es mit Sicherheit noch nicht gegeben!« Er wendet sich zu mir: »Das habe ich ihm schon so oft vorgeschlagen!«

Aber sein Vater schüttelt den Kopf: »Nee, nee, lass mal. Ins Fernsehen, das ist nix für mich. Ich würde mich da nur zum Affen machen.« Er greift zu einer Feile und sagt: »Ihr könnt euch im Laden Fanta aus dem Kühlschrank holen.«

»Hier kann man’s aushalten, was?«, sagt Micha, als wir mit der Limonade im schattigen und kühlen Laden sitzen.

Ich nicke, das finde ich auch. Der Laden ist noch interessanter als die Werkstatt. Ich kann mich gar nicht sattsehen an den vielen kleineren Dingen aus Holz; Kinderspielzeug wie Schachspiele, Autos oder Puppenbetten, die man vom Fenster aus gar nicht sieht, machen ihn zu einer richtigen Schatzhöhle.

Micha sieht sich zufrieden um: »Ich werde auch mal Schreiner. Manchmal helfe ich jetzt schon aus.«

»Ich würde das hier auf jeden Fall ins Schaufenster hängen«, sage ich und deute auf ein Mobile aus Holztieren. »Und das da auch.«

»Das Schaukelpferd? Hm, das habe ich auch schon gesagt, aber Rudi sagt, er will, dass die Leute wegen großer Aufträge herkommen. Das mit dem Spielzeug ist eher so ein Hobby von ihm. Ich finde es gut, dass wenigstens die Kinder von den Kunden was Normales kriegen.«

Als die Fanta-Dosen leer sind, gehen wir zurück in die Werkstatt und schauen Rudi bei der Arbeit zu. Man merkt ihm an, dass er sich darüber freut, denn er erklärt die ganze Zeit, was er gerade tut und für wen die Sachen bestimmt sind.

»Eine Architektenfamilie«, erzählt er, auf den Knien sitzend und an der Längsseite des Tischs herumfeilend, »völlig überkandidelte Vorstellungen. Das Haus wird vollgestopft ohne Ende, aber denen gefällt’s. Das da«, er deutet auf eine Bücherwand, die an einer Seite schräg ist, sodass sie wie ein halbes Geodreieck aussieht, »ist noch das vernünftigste Ding hier, ist für unters Dach. Obwohl ich auch nicht weiß, wieso der so viele Bücher braucht, die kann doch kein Mensch lesen.«

»Hier, guck mal, der ist fertig«, ruft Micha von irgendwo hinter den Brettern und zeigt mir ein zierliches kleines Möbelstück. Ich sehe mir den zierlichen Schreibtisch mit den Schubladen, der nach vorne ausziehbaren Tischplatte und den stilisierten Rosen links und rechts genau an. Nicole würde durchdrehen vor Freude, wenn sie so einen hätte.

Aber am besten gefällt mir das riesige flache Bett auf Rollen. Wenn man darauf einschläft, kann man sich vorstellen, es entwickle ein Eigenleben und transportiere einen über Nacht an einen anderen, schöneren Ort.

Rudi setzt die Feile ab und trinkt einen Schluck Bier: »Was ich schon für einen Blödsinn zusammenbauen musste, das glaubst du gar nicht! Anfangs hab ich bei der Gestaltung noch meinen eigenen Senf dazugegeben. Das lass ich inzwischen bleiben. Die haben was im Kopf, und dann muss es so aussehen. Ob das nun praktisch ist oder nicht, ist ihnen völlig egal.«

»Ist das schwierig zu machen?«, frage ich und deute auf die Verzierungen des Miniaturschreibtischs.

»Nein, kinderleicht.«

Weil ich nicht weiß, ob er es ernst meint, sage ich nichts mehr.

Nach meiner Erfahrung unterhalten sich Erwachsene, und ganz besonders Väter, nur mit anderen Erwachsenen. Einem Kind, egal ob dem eigenen oder einem fremden, werfen sie höchstens mal eine Frage hin. Antwortet man schnell und in normaler Lautstärke, gilt man als frech, sagt man gar nichts oder nuschelt, heißt es, der oder die kriegt wohl den Mund nicht auf, womit sie eigentlich meinen, der ist »bisschen zurückgeblieben«. Ist die Antwort schlau und gut begründet, schimpfen sie einen neunmalklug. So funktioniert das. Dass sich ein Vater mit einem Kind zum Vergnügen unterhält oder sich mit ihm einen Spaß macht, der nicht zur Erniedrigung gedacht ist, das ist mir neu.

Micha scheint es völlig normal zu finden. Er hat seine Fanta ausgetrunken und spielt mit einer Säge herum.

»Das ist Abfallholz, da in der Kiste, zum Basteln. Micha kann dir bisschen was zeigen, außer Laubsägearbeiten hast du sicher noch nichts gemacht«, sagt Rudi, ohne von seiner Arbeit am Teakholztisch aufzuschauen.

8

»Eigentlich ist es komisch«, sagt Micha.

»Was ist eigentlich komisch?«

Wir liegen bäuchlings in seinem Zimmer auf dem Fußboden, um uns herum verstreut seine Sammlung von Comicheften, und zeigen uns gegenseitig, welche Stellen wir am besten finden. Es ist der erste Tag der Sommerferien, und wir haben noch nicht entschieden, was wir mit ihm anstellen wollen.

»Na ja, dass du noch keinen besten Freund hattest – ich meine, bis ich gekommen bin!«

»Das stimmt«, sage ich zögernd. Auf der Seite vor mir klebt Spiderman kopfunter an einer Hochhauswand.

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