Wunderschöne Patricia - Karin Bucha - E-Book

Wunderschöne Patricia E-Book

Karin Bucha

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Beschreibung

Karin Bucha ist eine der erfolgreichsten Volksschriftstellerinnen und hat sich mit ihren ergreifenden Schicksalsromanen in die Herzen von Millionen LeserInnen geschrieben. Dabei stand für diese großartige Schriftstellerin die Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach Fürsorge, Kinderglück und Mutterliebe stets im Mittelpunkt. Karin Bucha Classic ist eine spannende, einfühlsame geschilderte Liebesromanserie, die in dieser Art ihresgleichen sucht. Fasching! Tolles, ausgelassenes Treiben, übersprudelnde Lebensfreude! Gesang, Musik erfüllen die Straßen. Die Menschen sind wie umgewandelt. Alles haben sie vergessen oder wollen sie vergessen, Kummer und Sorgen, Schmerz und Herzeleid – für ein paar armselige Tage, für drei tolle Tage. Patricia Hellberg läßt den Strom der singenden Menschen in ihren bunten, teilweise verwegenen Kostümen vorbeitreiben. Ganz fest preßt sie sich an die Hauswand. Verloren kommt sie sich inmitten der tobenden Menge vor. Längst ist das Tuch von ihrem nachtschwarzen seidigen Haar auf die Schultern geglitten. Es ist ein kostbares Tuch mit Goldfransen. Der weite Ausschnitt ihres Zigeunerkostüms läßt einen blendend weißen, schönen Hals frei. Fröstelnd zieht sie das Tuch enger um sich. Das bunte, immer wechselnde Bild versinkt vor ihren Augen. Sie sieht sich in Gedanken wieder in der Wohnung, die sie eben erst verlassen hat. Vom Fenster her hört sie nur schwach die Musik, das Lachen und Scherzen. »Patricia!« Sie zuckt zusammen und eilt an das Bett der kranken Mutter. Große fieberglänzende Augen sind voll Güte auf sie gerichtet. »Mutti, hast du einen Wunsch?« Patricia kniet vor dem Bett nieder und nimmt die schmale heiße Hand der Kranken in ihre Hände.

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Leseprobe: Eine Bucht in Florida

Tessa will ein paar ruhige Tage im Florida-Urlaub verbringen. Der gut aussehende Typ, der sie in der Hotelbar anspricht, wird ihr schnell sympathisch, sie verliebt sich in ihn. Es handelt sich um Hollywoodschauspieler Johnny, der während Dreharbeiten vor Ort ist. Tessa erkennt ihn zunächst nicht und flüchtet sofort zurück nach München, als sie herausfindet, wer er ist. Sie geht davon aus, dass sie für ihn nur eine nette Abwechslung bei der Arbeit war. Und schließlich wartet da ja auch noch Bernd, ihr Verlobter. Vergessen kann sie Johnny trotzdem nicht ...

Karin Bucha Classic – 11 –

Wunderschöne Patricia

Karin Bucha

Fasching!

Tolles, ausgelassenes Treiben, übersprudelnde Lebensfreude! Gesang, Musik erfüllen die Straßen. Die Menschen sind wie umgewandelt. Alles haben sie vergessen oder wollen sie vergessen, Kummer und Sorgen, Schmerz und Herzeleid – für ein paar armselige Tage, für drei tolle Tage.

Patricia Hellberg läßt den Strom der singenden Menschen in ihren bunten, teilweise verwegenen Kostümen vorbeitreiben. Ganz fest preßt sie sich an die Hauswand. Verloren kommt sie sich inmitten der tobenden Menge vor. Längst ist das Tuch von ihrem nachtschwarzen seidigen Haar auf die Schultern geglitten. Es ist ein kostbares Tuch mit Goldfransen. Der weite Ausschnitt ihres Zigeunerkostüms läßt einen blendend weißen, schönen Hals frei. Fröstelnd zieht sie das Tuch enger um sich.

Das bunte, immer wechselnde Bild versinkt vor ihren Augen. Sie sieht sich in Gedanken wieder in der Wohnung, die sie eben erst verlassen hat. Sie sieht alles wieder deutlich vor sich:

Vom Fenster her hört sie nur schwach die Musik, das Lachen und Scherzen.

»Patricia!«

Sie zuckt zusammen und eilt an das Bett der kranken Mutter. Große fieberglänzende Augen sind voll Güte auf sie gerichtet.

»Mutti, hast du einen Wunsch?«

Patricia kniet vor dem Bett nieder und nimmt die schmale heiße Hand der Kranken in ihre Hände.

»Ja, Kind, ich habe einen Wunsch. Du solltest heute mit den anderen fröhlich sein.«

»Aber Mutti!«

»Sei still!« Eine kleine abwehrende Handbewegung läßt Patricia verstummen. Aufmerksam lauscht sie den Worten ihrer Mutter, die sie mit aller Liebe und Hingabe gepflegt hat. Sie zittert um deren Leben. Es ist der einzige Mensch, der zu ihr gehört und den sie nicht verlieren will.

»Dort in der Truhe, Kind«, Anna Hellberg weist auf die dunkeleichene Truhe, die an der Wand steht, »dort findest du ein Kostüm. Bitte, Kind, probiere es an, und dann geh für ein paar Stunden unter fröhliche Menschen.«

»Ich soll dich allein lassen? Und du, Mutti?«

Die Kranke lächelt leicht. Ihre Züge, von jahrelanger Krankheit zerstört, weisen immer noch Spuren einstiger Schönheit auf.

»Ich schlafe, Pat. Du brauchst dich nicht um mich zu sorgen, wirklich nicht. Mir geht es heute sehr gut. So wohl habe ich mich lange nicht gefühlt. Nur schlafen möchte ich.«

»Aber das geht doch nicht, Mutti! Ich kann dich doch nicht, Mutti –«

»Doch – doch«, beharrt die Kranke. »Du kannst mich allein lassen. Es geht mir gut. Ich habe keinen Wunsch, außer zu schlafen.«

Nur zögernd öffnet Pat, wie sie zärtlich von der Mutter genannt wird, die Truhe. Noch nie hat die Mutter ihr erlaubt, sie zu öffnen. Sie findet gleich obenauf ein Zigeunerkostüm. Es sieht neu aus und ist aus kostbarem Stoff angefertigt. Pats Hände tasten darüber hin. Ja, es ist ein zauberhaftes Kleid, und es sitzt wie angegossen auf ihrem schlanken Körper.

Immer noch ist die Sorge um die Kranke größer als die Versuchung, damit wegzulaufen.

»Behalt es an, Pat, bitte, ich will dich in diesem Kleid glücklich sehen.«

Wortlos dreht Pat sich dem Spiegel zu. Das soll sie sein? Dieses wunderschöne Mädchen in dem fremdländischen Kostüm, mit übergroßen samtdunklen Augen, in denen Staunen liegt?

»Leg auch den Schmuck an, Kind«, hört sie hinter sich die Mutter sagen.

Sie legt eine goldene Kette um den Hals und steckt zwei eigenartig geformte Ringe in die Ohren, die bei jeder Bewegung ihres Kopfes ein feines klingendes Geräusch von sich geben.

»Schön, Pat, komm näher.«

Wieder kniet Pat vor dem Bett. Zärtlich streicheln der Kranken Hände über den Stoff und liebkosen Pats Wangen. »Schön bist du, mein Kind.«

»Das Kleid ist sehr kostbar, Mutti.«

Die Kranke nickt und schiebt Pat von sich. »Nun geh, Pat. Sieh dir den Rosenmontagszug an. Ich bitte dich darum.«

Pat umschlingt die Mutter zärtlich.

»Du schickst mich einfach fort, Mutti, und ich habe Angst vor dem Trubel. Viel lieber möchte ich bei dir bleiben.«

»Nein, Kind, geh!« Die Stimme der Kranken klingt fest und entschieden. »Du bist so jung, bist ewig in den vier Wänden meines Krankenzimmers eingeschlossen. Einmal sollst auch du von Herzen fröhlich sein.«

Schweren Herzens hat Pat die Wohnung verlassen und sich unter die fröhliche Menge gemischt. Sie hat sich schieben und treiben lassen, gleichgültig wohin, bis sie endlich. Vor der johlenden und kreischenden Menge geflohen ist und Schutz an der Hausmauer suchte.

Pat fährt sich über die Augen. Verwirrt sieht sie sich um. Es besteht kaum eine Möglichkeit, hier herauszukommen. Und sie will heim! Sie zittert, da ein kühler Wind durch die Straßen fegt. Ein Mann im Clownkostüm mit einer riesenhaften komischen Pappnase versucht sie mit sich zu ziehen. Verzweifelt wehrt sie sich. Gellend schreit sie auf.

»Hilfe!«

Gelächter ist die Antwort. Aber dann kommt die Rettung. Ein hochgewachsener Mann steht plötzlich schützend vor Pat und verscheucht den Betrunkenen. Wie eine Mauer steht er vor ihr. Sie sieht nur seinen breiten Rücken und hat das Gefühl, in diesem Durcheinander beschützt zu sein.

Endlich dreht der Fremde sich um.

»Verzeihen Sie, schönes Kind. Mir scheint, Sie gehören nicht hierher. Außerdem frieren Sie. Darf ich Sie zu einem warmen Trunk einladen? Mir dürfen Sie sich anvertrauen.«

Fassungslos starrt Pat den Fremden an. Seine dunkle wohltönende Stimme und der zwingende Blick der grauen Augen faszinieren sie.

Sie nickt nur, und der Fremde zieht ihren Arm durch den seinen, und bald sitzt sie in einem der vornehmen Lokale, wo es auch lustig zugeht, doch viel gedämpfter und gemäßigter als draußen auf der Straße.

Mit großen Augen sieht Patricia sich um und bemerkt so nicht die forschenden Blicke des Fremden. Er glaubt noch nie ein so schönes Menschenkind gesehen zu haben. Dazu das wirklich kostbar zu nennende Kostüm, wovon er einiges versteht. Auch der Schmuck ist echt. Aber das schöne Geschöpf macht einen bescheidenen, bedrückten Eindruck.

Er neigt sich etwas vor. »Hunger?« fragt er kurz.

Pats dunkle Augen blicken zu ihm auf. Sie schüttelt den Kopf.

»Also doch«, bemerkt er gelassen, nimmt die Speisekarte zur Hand und beginnt mit Hilfe des herbeigerufenen Kellners ein auserlesenes Menü zusammenzustellen. Der Kellner eilt davon, und der Fremde schaut Pat mit einem amüsierten Lächeln an. »Hoffentlich schreien Sie nicht abermals um Hilfe?«

Langsam färben sich Pats Wangen rot. Sie schiebt die Unterlippe etwas vor. »Bis jetzt haben Sie sich sehr gütig zu mir benommen. Weshalb sollte ich wohl um Hilfe schreien?«

Sein Lächeln vertieft sich. »Ich wollte nur hören, ob Ihr Wortschatz aus dem einzigen Wort Hilfe besteht. Weiter haben Sie bisher noch nichts gesagt.«

»Verzeihen Sie«, flüstert sie und weicht den forschenden grauen Augen hilflos aus. »Die vielen Menschen verwirren mich.«

»Und warum haben Sie sich in den Karnevalstrubel gestürzt?«

Voll Verlegenheit hebt sie abermals die Augen zu ihm auf.

»Meine – meine Mutter wollte es so. Viel lieber wäre ich bei ihr geblieben. Sie ist krank, schon sehr lange krank. Ich kann mich nicht freuen über die Ausgelassenheit. Immer muß ich an daheim denken.«

Sehr ernst blickt er auf den schöngeformten Mund, der nur zögernd seine Frage beantwortet hat.

»Und nun möchten Sie am liebsten sofort heim?«

Sie nickt heftig. »Eigentlich – ja!«

»Und uneigentlich?«

Sie sieht an ihm vorbei, bewundert die Schönheit des weiten Raumes mit seiner intimen Beleuchtung und den farbenfrohen Läufern. Sie spürt die Wärme angenehm durch den Körper ziehen. Leicht legt sie die immer noch kalten Hände um das heiße Glas Punsch.

»Nun?« drängt er.

Gedankenverloren blickt sie vor sich hin. »Meiner Mutter wäre es nicht erwünscht, käme ich jetzt schon wieder zurück. Ich sollte einmal fröhlich sein, meinte sie.«

»Sind Sie immer eine so gehorsame Tochter?«

Ihre schweren dunklen Wimpern heben sich. Etwas wie Entsetzen liest er in ihren Augen. »Ist das nicht selbstverständlich?« Kühl klingt ihre Stimme. Es ist, als würde sie sich ein Stock von ihm entfernen. »Mein Vater ist tot. Ich habe so gut wie keine Erinnerung an ihn. Meine Mutter hat nur für mich gelebt. Ist es nicht meine Pflicht als gute Tochter, ihr jeden Wunsch zu erfüllen?«

»Verzeihen Sie«, sagt er beschämt und drückt seine Lippen auf ihre Hand, die sie ihm sogleich heftig und erschreckt entzieht. »Ich war eben taktlos. Also habe ich Ihrer Frau Mutter ebenfalls dankbar zu sein, denn ihr verdanke ich Ihre angenehme Gesellschaft.«

Sie fällt von einer Verwirrung in die andere. Nimmt er sie nun ernst oder nicht? Sein spöttisch wirkendes Lächeln hat er verloren. Aufmerksam betrachtet sie ihn. Er paßt in diese vornehme Umgebung. Der Frack kleidet ihn ausgezeichnet. Seine Bewegungen sind beherrscht, seine Sprache ist gewählt. Das Gesicht trägt einen kühn zu nennenden Zug.

»Eine angenehme Gesellschafterin bin ich bestimmt nicht.« Wieder gleitet ihr Blick über sein gepflegtes Äußeres. »Sicher haben Sie etwas Besseres vorgehabt.«

Er schweigt sekundenlang und denkt mit einigem Unbehagen, daß er wegen dieser schönen Unbekannten Mary mit ihrer Mutter, Lady Kingston, im Ring-Hotel hat sitzenlassen. Mary, die kühle Blondine, die man allgemein für seine Braut hält.

Aber nur Sekunden bringt er in Gedanken bei Mary zu. Das schöne liebreizende Menschenkind vor ihm nimmt ihn wieder völlig gefangen.

»Es stimmt«, gibt er zu. »Ich habe eine Verabredung. Aber viel lieber möchte ich meine Zeit mit Ihnen verbringen. Wenn Sie gestatten, werde ich einmal telefonieren.«

»Aber ich muß doch –«

»– heim«, vollendet er ihren Satz. »Auch ich muß einmal heim. Doch vorher wollen wir zusammen fröhlich sein. Einverstanden?«

Sie kann nur nicken. Eigentlich ist sie kaum gewohnt zu widersprechen. Das Zusammenleben mit ihrer kranken Mutter hat sie fügsam gemacht. Bei diesem Fremden kommt noch das Imponierende seiner Erscheinung dazu. Ihr Herz schlägt rascher als gewöhnlich.

Sie sieht hinter ihm her, wie er sich von dem Kellner den Weg zur Telefonzelle zeigen läßt.

Tief in Gedanken versunken ist sie, als er wieder vor ihr auftaucht. Sie glaubt etwas wie Verdruß in seinen Zügen zu lesen. Doch dieser Ausdruck verflüchtigt sich sofort wieder, als ihr Blick in den seinen taucht.

»Erledigt, kleines Fräulein«, sagt er, und schon beginnt man, ihnen zu servieren. Er überwacht alles mit kritischen Augen und nickt zufrieden, als die Bedienung sich zurückzieht.

Zunächst schenkt er ihr das Glas voll und schiebt es ihr zu.

»Und nun wollen wir erst einmal anstoßen. Auf unsere Bekanntschaft und den Zufall, der Sie mir in den Weg geführt hat!«

Hell klingen die Gläser aneinander. Pat nippt und stellt das Glas wieder ab.

»Schmeckt der Wein Ihnen nicht?« erkundigt er sich besorgt.

Sie errötet. »Doch – doch«, stammelt sie. »Nur – ich bin Wein gar nicht gewohnt.«

»Dann wollen wir gleich noch einmal anstoßen«, schlägt er gutgelaunt vor. Und auch diesmal gibt sie ihm Bescheid.

Allmählich verliert sich ihre Scheu. Ihre Augen beginnen zu glänzen und die Wangen zu glühen.

Er muß sich zwingen, sie nicht immerfort anzusehen. Er möchte ihr die Befangenheit nehmen und empfindet mit steigender Freude, wie sie nach und nach aus sich herausgeht und ih-re Unterhaltung immer lebhafter wird.

Wann hat er einmal ein so reizvolles, liebenswertes Menschenkind getroffen, das sich dazu noch nicht einmal seiner Schönheit bewußt ist…

»Und nun wollen wir tanzen«, schlägt er vor, als man ihnen den Mokka serviert hat.

»Tanzen?« Bestürzt sieht sie ihn an. »Ich – ich kann nicht tanzen.«

Er lacht hellauf. »Sie mit Ihrer elfenhaften Gestalt wollen nicht tanzen können? Kommen Sie, versuchen wir es einmal.«

Er zieht sie halb aus dem Sessel. »Übrigens, ich weiß noch nicht einmal Ihren Namen.«

Sie sieht ihn ernsthaft an. »Ich kenne Ihren Namen doch auch nicht!«

»Richtig, meine kleine Dame. Heute ist Narrenfreiheit, heute sind Namen nicht so wichtig. Nennen Sie mich Donald.«

»Ich heiße Patricia«, antwortet sie, und sie muß über den Ausdruck seines Gesichtes leise auflachen.

»Patricia, wunderschöne Patricia«, wiederholt er fast andächtig. »Einen besseren Namen kann ich mir für Sie nicht vorstellen.«

Verwirrt senkt Pat die Augen und folgt ihm widerstrebend auf die Tanzfläche.

»Ich werde Sie blamieren«, flüstert sie ihm zu. Er schüttelt nur lachend den Kopf, legt den Arm um ihre zarte Gestalt und wirbelt mit ihr davon.

Pat folgt ihm nunmehr willig. Fester schmiegt sie sich in seinen Arm, der sie sicher führt. Sie meint auf einer rosaroten Wolke zu schweben, hinter der sogar ihre Umgebung verschwindet. Nur allzu deutlich schält sich das schmale, kühne Gesicht des Fremden heraus. Sie sieht schrankenlose Bewunderung in seinen grauen Augen, und schnell legen sich die Lider mit den dichten, seidig glänzenden Wimpern über ihre geheimnisvoll leuchtenden Augen.

So wird dieser erste Tanz mit dem Fremden für Pat zu einem beseligenden Erlebnis.

Wie aus einem wunderschönen Traum erwacht sie, als die Musik verstummt ist und die Gäste um eine Fortsetzung des Tanzes klatschen.

»Nun?« fragt Donald und neigt sich über das schöne Gesicht Pats. »Haben Sie mich blamiert?«

»Ich – ich weiß nicht«, stammelt sie, dabei packt sie seinen Arm. »Bitte, wollen wir nicht lieber an unseren Tisch zurückkehren? Ich bin durstig.«

»Ich auch«, stimmt er frohgelaunt zu, nicht weniger glücklich als Pat, und legt seinen Arm leicht um ihre Schulter, um sie aus dem Kreis der Tanzenden herauszuführen.

Die Stunden rinnen dahin. Die Stimmung steigt mehr und mehr. Pat und Donald genießen ihr Zusammensein aus vollem Herzen. Pat hat alle Scheu vor dem Fremden verloren. Sein Name fließt ihr ungehemmt über die Lippen. Beide vermeiden sie, wie in stiller Übereinkunft, jedes Gespräch über persönliche Dinge.

»Ich bin müde«, sagt Pat, nachdem sie ihr Glas leergetrunken. »Würden Sie mich wohl heimbringen?«

»Noch eine Stunde«, bettelt er. Weiß er denn, ob er das liebreizende Geschöpf je wiedersehen wird?

»Schön, noch eine Stunde«, gibt sie schließlich nach. Und dann lauscht sie in sich hinein. Wünscht sie nicht ebenfalls, das Zusammensein etwas hinauszuzögern?

Sie tanzen noch mehrmals zusammen, und immer mehr findet Pat daran Gefallen. Sie kommt sich wie ein ganz anderer Mensch vor, losgelöst von allem, was ihr junges Leben bedrückt. Mutti – denkt sie – von heißer Dankbarkeit erfüllt, dir allein verdanke ich die schönen Stunden, die mir unvergeßlich sein werden.

Pünktlich nach einer Stunde erhebt Donald sich.

»Jetzt ist es soweit, Patricia«, sagt er, sein gegebenes Versprechen einhaltend. Im Hinausgehen streift eine Blumenverkäuferin das auffallend schöne Paar.

»Rosen, schöne dunkelrote Rosen, mein Herr!« preist sie ihre Ware an.

Donald bleibt stehen, greift ohne Besinnen in den Korb und legt der erschrockenen Patricia die ganze süßduftende Pracht in den Arm.

»Ach, wie schön«, flüstert sie, »das ist viel zu schön für mich.«

Nichts ist zu schön für dich, möchte Donald am liebsten sagen, doch er unterläßt es.

Vor dem Eingang schlägt ihnen kühle Luft entgegen, und Pat schauert zusammen.

»Taxi!« ruft Donald. Mit aller Fürsorge hilft er ihr in den Wagen. »Und wohin soll ich Sie bringen? Ihre Adresse!«

Wieder erschrickt Pat. Nein! Sie wird ihm ihre Adresse nicht nennen. Es ist ein einmaliges Erlebnis, und das soll es auch bleiben. So nennt sie ein Haus, eine Ecke von ihrer Wohnung entfernt.

Als der Wagen anrollt, spürt sie eine Hand, die sich zu ihr hintastet und sich auf ihre verschlungenen Hände legt. Ein Arm zieht sie zur Seite, und Patricia lehnt still an der Seite Donalds. Wortlos fahren sie durch die Nacht. Es herrscht ein beseligendes Schweigen zwischen ihnen, und dennoch stehen sie beide unter dem Druck der bevorstehenden Trennung.

»Hier!« unterbricht Patricia die Stille. Donald hilft ihr beim Aussteigen und bringt sie ein paar Schritte über den Gehweg. Er sieht an dem Mietshaus empor, das einen guten Eindruck macht.

»Hier wohnen Sie?«

Sie nickt nur und verbirgt ihr Erröten hinter den duftenden Rosen. Dankbar streckt sie die Hand aus, die aber nicht von ihm ergriffen wird.

Im nächsten Augenblick fühlt sie sich umfaßt und liegt an seinem Herzen. Ein heißes Lippenpaar preßt sich auf ihren Mund. So blitzschnell hat er sie an sich gerissen, daß sie wie gelähmt ist und sich willig diesem Kuß hingibt. Sekundenlang läßt sie seine leidenschaftlichen Küsse über sich ergehen, dann befreit sie sich zitternd von ihm.

Schwer atmend stehen sie sich gegenüber.

»Verzeihen Sie, Patricia«, sagt er mit einem tiefen Aufleuchten in den Augen. »Ich liebe Sie. – Morgen hole ich Sie pünktlich um zwanzig Uhr hier ab. Gute Nacht!«

»Gute Nacht!« flüstert sie und sieht hinter ihm her, wie er einsteigt, wie er durch das Fenster zurückwinkt und wie der Wagen langsam entschwindet.

Dann hastet sie weiter, der Wohnung ihrer Mutter zu. Die Rosen preßt sie fest an ihr Herz.

Wenig später sitzt Patricia am Bett der friedlich schlummernden Mutter. Alles ist in Aufruhr in ihr. Ist das das große Glück? Die große Liebe?

Sie fröstelt, aber das Erlebte läßt sie nicht los, selbst als sie später ins Bett kriecht, kann sie vor Glück kein Auge schließen.

Donald – denkt sie – und sie sieht das gutgeschnittene Gesicht des Mannes, an dessen Seite sie einen Schritt in die große Welt getan hat, fast greifbar vor sich. Mitten heraus aus dem Krankenzimmer, aus der dampfen Atmosphäre, hat er sie in so viel Licht gestellt, daß es ihr schier das kleine Herz abgedrückt hat.

Er hat sie geküßt! Es waren die ersten Küsse ihres Lebens, die sie mit einem Mann gewechselt hat. Noch nachträglich erfüllt das wonnige Gefühl sie und läßt sie erschauern. Nicht nur den eigenen Herzschlag vermeint sie zu vernehmen, nein, auch den des Mannes, dessen Arm sie besitzergreifend an sich gepreßt hielt.

Morgen sehe ich ihn wieder! Herrgott! Sie betet aus tiefstem Herzen. Laß es der Mutter gutgehen, damit ich wieder weggehen kann.

Morgen sehe ich ihn wieder. Mit diesem letzten Gedanken fallen ihr endlich die müden Lider zu.

*

Als Donald Johnson, der seit ein paar Jahren regelmäßig zum Kölner Fasching seine deutschen Verwandten aufsucht, die Halle des Ring-Hotels betritt, erlebt er eine unliebsame Überraschung.

Aus einem Kreis lärmender Gäste tritt Mary Kingston ihm entgegen.

Sie trägt eine kostbare Abendrobe und auf dem blonden Haar verwegen ein lächerlich kleines Hütchen, das bei jedem Schritt wippt.

Nichts ist ihm unerwünschter als dieses späte Zusammentreffen. Er hat nur den Wunsch, seinem Glück in der Stille seines Appartements nachzuhängen. Er zwingt sich zu einem Lächeln und begrüßt Mary höflich.

Sie überfällt ihn mit einem Schwall von Worten, die er kaum richtig erfaßt.

»Endlich, Donald! Ich finde überhaupt keine Worte! Mich und Mama so lange warten zu lassen! Konntest du deine Verwandten nicht mitbringen? Ein Telefongespräch, wie lächerlich! Habe ich mich so auf den Abend gefreut, damit du ihn mir zerstörst? Komm mit zu Mama. Sie hat so lange ausgehalten. Jetzt ist sie müde. Aber ich möchte noch tanzen.« Sie sieht ihn groß an. Ihr Ton ist befehlend. »Du wirst mich doch hoffentlich nicht allein lassen?«

Sein Blick sucht den Kreis, den Mary soeben verlassen hat, und sein Mund verzieht sich zu einem spöttischen Lächeln.

»Allein warst du nicht gerade, Mary. Selbst wenn ich mich zurückziehen wollte –«

»Nein, Donald, das wirst du nicht tun. Ich verlange als Entschädigung, daß du mit zu meinen Bekannten kommst.«

Schon hat er eine heftige Erwiderung auf der Zunge, als sein Blick auf Lady Kingston fällt. Sie nickt ihm freundlich lächelnd zu. Sie ist ganz anders als ihre Tochter. Sie strahlt mütterliche Wärme und Güte aus. Nie hat er ihr vergessen können, daß sie den elternlosen Knaben an ihr mütterliches Herz genommen hat. Als Nachbarin glaubte sie dazu verpflichtet zu sein, denn sie hatten stets gute Freundschaft gehalten, die Johnsons und die Kingstons. Zudem liebte sie den lebhaften Knaben mit den offenen grauen Augen und seiner Anhänglichkeit.

Er zuckt mit den Schultern, als er sich wieder Mary zuwendet.

»Wenn du es wünschst. Zuvor gestatte mir, deine Mutter bis zu ihrem Zimmer zu geleiten.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, geht er mit großen Schritten an den Tisch und neigt sich über Lady Kingston.

»Verzeih, Tante Helen, ich wurde aufgehalten. Du bist sicherlich müde. Ich bringe dich hinauf«, sagt er in gänzlich verändertem Ton. Marys wütendes Gesicht kann er nicht sehen, auch nicht, daß sie die Faust ballt.

»Unverständlich!« murmelt sie, wirft den Kopf in den Nacken und kehrt zu ihren Bekannten zurück. Bald tanzt sie mit einem der Herren davon.

»Du brauchst nicht bis oben mitzugehen, Donald«, sagt Lady Kingston zu Donald. »Begleite mich bis zum Fahrstuhl. Das genügt. Und dann ver-gnüge dich noch ein wenig.«

Bittend sieht sie ihn an. »Mary hat so sehr auf dich gewartet.«

Er verneigt sich respektvoll. »Selbstverständlich, Tante Helen.«

Als er vom Fahrstuhl zurückkehrt, nimmt Mary ihn völlig in Beschlag. Sie fühlt, daß Donald anders ist als gewöhnlich. Er tanzt wenig, fast gar nicht. Auch das läßt sie verdrießlich werden. Er trinkt langsam sein Glas leer und raucht gedankenvoll seine Zigarette dazu.

Manchmal streift ein Seitenblick seine Begleiterin, dann verschwimmt alles vor seinen Augen, und ein anderes Antlitz taucht auf. Ein schmales Antlitz mit märchenhaften Augen, süßem Mund und kindlichem Blick. Er sieht die ganze zarte Erscheinung, die in ihm das Gefühl des Beschützers erweckt hat.

Morgen wird er sie wiedersehen! Nichts kann er mehr denken. Er gibt zerstreute Antworten und muß sich ein paarmal bei Mary entschuldigen, weil er überhaupt nicht zugehört hat.

»Du bist unausstehlich«, raunt sie ihm zu und zerknüllt das feine Spitzentuch in ihren Händen. »So langweilig habe ich dich noch nie gesehen und erlebt.«

»Ich glaube, du gehst etwas zu weit«, sagt er mit eisiger Miene. »Du suchst ein Ventil für deinen aufgespeicherten Ärger. Dazu bin ich mir zu schade. Bitte, beherrsche dich.«

»Wie sprichst du eigentlich mit mir?«

Ihre kühlen grauen Augen blitzen ihn feindselig. an. »Du bist anders, völlig verändert. So habe ich mir meinen zukünftigen Mann nicht vorgestellt «

Mit erschreckender Klarheit erkennt er: Niemals kann er Mary zu seiner Frau machen. Niemals! Er sieht ein süßes wunderschönes Antlitz vor sich das ihm alle Vernunft raubt.

»Soweit sind wir noch lange nicht«, sagt er mit schroffer Offenheit, ihr blasses Gesicht mit einem kühlen Blick streifend.

Sie lehnt sich ein wenig zu ihm: »Was willst du damit sagen, Donald? Willst du alle enttäuschen, die den berechtigten Glauben haben, in uns ein Brautpaar zu sehen?«

Fast beleidigt blickt er sie an. »Du sprichst von Menschen, denen unser persönliches Glück sehr gleichgültig ist. Ihnen geht es nur um ein glänzendes gesellschaftliches Ereignis.«

Aus weit aufgerissenen Augen sieht sie ihn an. So sehr kann sich ein Mensch verändern? War er nicht immer der höfliche, nachgiebige Mann gewesen, in dem sie, solange sie denken kann, den zukünftigen Gatten sah?

»Du – du hast es dir doch nicht etwa anders überlegt?« stößt sie erregt hervor.

Er sieht abermals das wunderschöne anschmiegsame Geschöpf vor sich und nennt sich selbst einen Feigling. Wäre jetzt nicht der gegebene Augenblick, ihr zu sagen, daß sich seine Gefühle völlig verändert haben? Aber

als er den angstvollen Blick sieht, entschließt er sich, nicht über seine wahren Gedanken zu sprechen. Was weiß er denn, was aus seiner plötzlich erwachten Liebe werden wird?

Er versucht, einen überzeugenden Klang in seine Stimme zu legen. »Du bist erregt, Mary. Wir wollen dieses Gespräch abbrechen. Es ergibt sich noch Gelegenheit genug, darüber zu sprechen.«

»Aber ich habe dein Wort«, beharrt sie eigenwillig, getrieben von der Angst, vor der Gesellschaft lächerlich gemacht zu werden.

»Natürlich hast du mein Wort, Mary«, beruhigt er sie, und sie atmet tief und schwer.

»Ich möchte schlafen gehen, Donald. Bitte, bring mich hinauf.«