Wyatt Earp 100 – Western - William Mark - E-Book

Wyatt Earp 100 – Western E-Book

William Mark

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Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! Der Tag, an dem es geschah, war der 4. Oktober 1883… Über der kleinen Ranch, sieben Meilen vor der Arizonastadt Kom Vo, lag greller Mittagssonnenschein. Die drei Pferde im Corral hatten Schutz gegen die sengende Glut des orangefarbenen Feuerballs unter den verwitterten Resten eines Überdaches gesucht. Müde trottete ein zottiger Hund über den Hofplatz der Scheune zu.

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Wyatt Earp –100–

Die Galgenmänner

Roman von William Mark

Der Tag, an dem es geschah, war der 4. Oktober 1883…

Über der kleinen Ranch, sieben Meilen vor der Arizonastadt Kom Vo, lag greller Mittagssonnenschein. Die drei Pferde im Corral hatten Schutz gegen die sengende Glut des orangefarbenen Feuerballs unter den verwitterten Resten eines Überdaches gesucht. Müde trottete ein zottiger Hund über den Hofplatz der Scheune zu.

Mike Sherwood arbeitete neben dem Geräteschuppen an einem neuen Stiel für ein Feldgerät. Der Farmer war dreiundvierzig Jahre alt, hatte schon graues Haar und ein faltenübersätes Gesicht. Die zwanzig Jahre, die der emigrierte Engländer hier im Westen verbracht hatte, waren eine bittere Zeit gewesen für ihn und seine Frau Mabel. Damals, als sie gekommen waren, hatten sie sich alles Glück der Welt von diesem Fleckchen Erde erhofft, das sie gekauft hatten. Aber kaum standen die drei Bauten der kleinen Sherwood Farm, da fegte ein Brand sie in einer Dezembernacht völlig hinweg. Die beiden Menschen waren froh, daß sie ihr nacktes Leben retten konnten. Wie das Feuer entstanden war, wußten sie nicht. Erst sehr viel später kam ihnen die Vermutung, daß ein neunzehn Meilen entfernt lebender Nachbar es gelegt haben könnte, der sie um die hübsche kleine Farm beneidete, der sieben Kinder hatte und vor Hunger nicht wußte, wie er in den Schlaf kommen sollte. Dann nach sieben Jahren, kamen die Apachen, die verlangten, daß sie das Land verlassen sollten. Die Sheerwoods mußten wegziehen, da ihnen ihr Leben lieb war; aber sie kamen nach einem Jahr wieder. Alles war halbverfallen und verwahrlost. Sie bauten unverdrossen neu auf.

Dreimal fiel das Feuer die Sherwood Farm an, dreimal baute Mike neu auf. Dann kamen die Belmonts, zwei Banditen, die ihnen drei Pferde und neunzehn Rinder stahlen. Nach ihnen suchten die Lombard Brothers die Farm heim; diese vierköpfige Bande machte allerdings gründliche Arbeit: sie ließ nicht einen Stein auf dem anderen, nicht eine Planke neben der zweiten. Sie stahl alles, riß dann alle drei Bauten nieder; nur ein Feuer scheuten sie offenbar, da man es in der klaren Sommernacht von weither hätte sehen können. Geknebelt und gefesselt hatten sie Mike und seine Frau in den Trümmern ihrer Bleibe liegengelassen.

Danach war es viele Jahre gutgegangen; jedenfalls was das Feuer anbetraf und weitere Überfälle. Aber die Not war bei den Sherwoods geblieben. Der dürre Boden gab nur karge Frucht her, und die Rinderzahl konnte man ohne Geld nicht vergrößern.

Vor neun Jahren war dann der kleine Mike auf die Welt gekommen, der Stolz des Farmers und die Freude seiner Mutter.

Auf dem Hof hatte sich nichts geändert. Es waren mit Mühe und Not immer noch drei Pferde und kaum mehr als zwanzig Rinder.

Und der Farmer schuftete wie ein Berserker; seine Frau und sein kleiner Sohn halfen ihm nach Kräften bei der schweren Arbeit.

Alles aber, was über die kleine Farm des Engländers in diesen zwei Jahrzehnten hereingebrochen war, sollte ein Nichts, ein Schatten gegen das sein, was ihr dieser heiße Oktobertag bringen würde…

Es war kurz vor zwölf Uhr.

Der kleine weizenblonde Junge hatte gerade in der Küche auf die Uhr gesehen und ging dann in die Scheune, um nach den kleinen Kätzchen zu sehen, die seit ein paar Tagen dort oben versteckt in einem Heunest lagen. Er hatte dem Vater bis jetzt geholfen, in der Küche noch einen Schluck Milch getrunken und der Mutter gesagt: Ich komme gleich zurück.

Er stieg gleich durch das Rückfenster der Scheune ein und kletterte die steile Tennenleiter hinauf.

Als er oben vor den trockenen, knisternden Heubergen stand, hörte er bereits das leise Mauzen der kleinen Kätzchen.

Er zog sich zu ihnen hinauf und sah ihnen zu.

Eines davon, ein besonders hübsches schwarzes Kerlchen mit weißer Schwanzspitze und weißen Pfötchen, nahm er aus dem Nest heraus und brachte es an die Rückwand der Scheune, um es durch eine Bretterlücke einen Blick in die Welt hinaus tun zu lassen.

Da sah der kleine Mike plötzlich drei Reiter auf die Rückfront der Farm zukommen. Er kannte die Männer nicht. Und im allgemeinen kannte man die wenigen Leute, die hier vorbeiritten.

Diese drei Männer hatte Mike nie vorher gesehen. Das heißt, er beurteilte sie ohnehin, wie es jeder Mensch dieses Landes tat, zunächst nur nach ihren Pferden. Die kannte er nicht. Nicht den Braunen, nicht den Rotfuchs und nicht den Tupfschimmel. Und als er den Blick von den Pferden zu den Gesichtern der Reiter hob, erschrak er bis ins Mark.

Die drei Männer trugen graue Tücher vor den Gesichtern.

Noch gebannt vor Schreck folgte er ihnen mit den Augen, bis sie unten die Flanke der Scheune erreicht hatten und – dann krachte ein Schuß.

Mike preßte die kleine Katze fest an sich und spürte, wie sein Herz gegen den linken Unterarm hämmerte.

Dann gellte der Schrei einer Frau über den Hof.

Die Stimme der Mutter!

Ein zweiter Schuß fiel.

Mike ließ die Katze los und rutschte vom Heu hinunter an eine Lattenlücke, die einen Blick auf den Hof freigab.

Der Anblick, der sich ihm bot, sollte ein Leben lang unauslöschlich in seiner Seele haften bleiben.

Drüben neben dem Geräteschuppen lag der Vater.

Und rechts, drei oder vier Schritt vor der Tür des kleinen Wohnhauses lag die Mutter.

Beide regten sich nicht mehr.

Mike hatte seine kleinen Hände gegen das Scheunenholz gepreßt, spürte nicht die scharfen Splitter, die sich unter seine Haut bohrten, sondern starrte mit angstgeweiteten ungläubigen Augen hinunter in den Hof.

Direkt neben der Scheunenecke hielten die drei Reiter.

Jeder von ihnen hatte ein Sharpsgewehr in der Rechten.

Der Mann, der auf dem Rotfuchs saß, gab den beiden anderen einen Wink, beobachtete noch, wie der Mann, der den Braunen ritt, auf das Stallhaus zuhielt, sah dem anderen Mann nach, dem Tupfschimmelreiter, der sich dem Scheunentor zuwandte, und ritt dann an der leblos daliegenden Mabel Sherwood vorbei auf den Eingang des Wohnhauses zu. Hier stieg er ab und betrat mit angehobenem Gewehr das Haus.

Mike sah ihm zu.

Er beobachtete, wie er nach Minuten wieder herauskam. Vaters schwarzen Sonntagsrock auf dem Arm, den kleinen Beutel mit den Silberdollars in der Linken, an dem die Eltern seit Jahren gespart hatten.

Achtlos ging er an der Frau vorbei, stieg auf sein Pferd und wartete auf die beiden anderen.

Der Mann, der den Braunen ritt, war drüben neben dem Vater aus dem Sattel gestiegen und hatte das Gerätehaus durchsucht, den Stall und den kleinen Wagenschuppen. Als er zurückkam, beugte er sich über den Farmer, tastete ihm die Taschen ab und kam zurück.

Aber da schreckte Mike von seinem Beobachtungsposten zurück.

Der Mann, der unten durch die drei Scheunenkammern gegangen war, machte sich an der Leiter zu schaffen, die dicht neben dem Jungen in das Tennengeschoß ragte.

Von tödlicher Angst getrieben schob sich Mike ins Heu und zog es über sich zusammen.

Keinen Augenblick zu früh!

Der Mann hatte das Tennengeschoß erreicht und sah sich nach allen Seiten um.

Plötzlich reckte er den Kopf hoch, in dem Moment, in dem Mike schon geglaubt hatte, er würde die Leiter wieder hinuntersteigen.

Er schwang sich auf den Tennenboden und zog einen großen Revolver aus dem Halfter.

Der Junge konnte ihn aus seinem Heuhaufen heraus durch die Lage Heu, die er über sein Gesicht gedeckt hatte, genau beobachten.

Als der Mann die Waffe zog, schien das Blut in den Adern des Kindes gefrieren zu wollen.

Aber der Mann hatte Mike nicht bemerkt. Es war eines der Kätzchen, das ihn offensichtlich erschreckt hatte.

Mike sah das Tierchen jetzt.

Es hatte sich an einem Balken hochgezogen und blickte zu dem Banditen hinunter.

Der stieß den Colt hoch und gab zwei rasch aufeinanderfolgende Schüsse ab, wütend, weil ihn das Tier erschreckt hatte.

»Fahr zur Hölle, schwarzes Luder!« keuchte der Bandit, der in der eigenen Pulverwolke stand und nach Luft schnappte.

Da er sich unbeobachtet glaubte, nahm er das graue Tuch einen Moment ab – und Mike sah sein Gesicht. Ein hartes, kantiges, hageres Gesicht, von zwei scharfen Falten, die fast von den Augen herunter zum Kinn verliefen, durchschnitten; mit kurzer, breiter Nase und weit auseinanderstehenden, grauen, hervorquellenden Augen.

Der kleine Mike Sherwood hatte das Gesicht des Mörders seiner Eltern gesehen und würde es nie vergessen, wie er diese furchtbare Stunde nie vergessen würde.

Da griff der Mann nach der Leiter, um wieder hinunterzusteigen.

Aber noch konnte der Junge es nicht wagen, aufzuatmen, denn der Bandit kam noch einmal auf den Tennenboden zurück, lud die verschossenen Patronen nach und kletterte dann erst hinunter.

Bis zuletzt sah Mike seine haarige, weißliche Hand an dem rissigen Holz der letzten Leitersprosse.

Nach den beiden Schüssen auf die Katze war kaum eine Minute vergangen. Und schon wurde unten das Scheunentor aufgestoßen.

»Hal!« brüllte eine heisere Stimme.

Der Mann auf der Leiter krächzte:

»Alles in Ordnung! War eine Ratte!«

Eine Ratte! dachte Mike in ohnmächtiger Verzweiflung. Erst haben sie den Vater und die Mutter niedergeschossen, und dann knallt dieser Mensch auch noch das harmlose Tier ab.

Während Mike versuchte, seine Gedanken zu ordnen, sah er plötzlich oben auf dem Balken einen kleinen Schatten.

Die »Ratte« lebte noch! Ganz munter huschte sie nach vorn, bis sie durch das Lukenloch der Leiter hinuntersehen konnte.

Wenn der Mann jetzt noch einmal hinaufblickte, müßte er sie sehen.

Schwupp! Die kleine Katze war ins Heu gesprungen und krabbelte auf Mike zu.

Als sie ganz nah vor seinem Gesicht war, hielt sie inne und bewegte die rosa-rote Nasenspitze witternd auf und ab.

Der Junge war halb ohnmächtig vor Angst; dennoch wagte er es, eine Hand nach dem Tierchen auszustrecken, und als er das Kätzchen betastet hatte, wußte er, daß es völlig unverletzt war.

Da hörte er zu seinem jähen Schrecken die Stimme des Mannes, der diesen Hal vorhin gerufen hatte:

»Es muß noch ein Kind da sein!«

»Ein Kind?« kam Hals Stimme zurück. »Wieso denn?«

»Weil drinnen im Haus Kinderhemden und Schuhe sind…«

Mike zuckte zusammen.

Da sagte der andere auch schon:

»Los! Es muß alles noch einmal genau durchsucht werden!«

Diesmal kroch Mike ganz tief ins Heu hinein, bis an die Holzwand heran, von wo aus er durch eine andere Ritze atmen und wieder in den Hof sehen konnte.

Die Männer suchten noch eine Viertelstunde, und der Junge stand Todesängste aus. Vor allem, als jetzt zwei der Männer wieder ins Scheunenhaus kamen. Sie stöberten auch oben im Heu herum – aber sie fanden den kleinen Mike Sherwood nicht.

Mike beobachtete noch ganz steif vor Angst und mit brennenden Augen, wie sie wieder auf ihre Pferde stiegen und davonritten.

Sie hatten ihre Masken nicht abgenommen.

Obgleich er ihren sich entfernenden Hufschlag gehört hatte, wagte sich der Junge nicht aus seinem Versteck. Es war ihm, als hörte er in der Ferne harte, klingende Axt- und Hammerschläge.

Zusammengekauert blieb er an der Bretterritze liegen und starrte auf den Hof, wo er die regungslosen Körper der beiden Menschen liegen sah, die er so sehr geliebt hatte, die ihm alles auf dieser Welt bedeutet hatten.

Die Stunden krochen im Schneckentempo dahin; es wollte nicht Abend werden.

Dann, als die ersten Schatten der Dunkelheit über den Hof krochen, verließ Mike sein Versteck, turnte die Leiter hinunter, stieg hinten aus dem Scheunenfenster und kam durch das Flurfenster ins Haus. Auf dem gleichen Weg, auf dem er es vor Stunden verlassen hatte.

Im Schlafraum sah es fürchterlich aus.

Die drei Banditen hatten gehaust wie eine Horde Comanchen. Alles lag drüber und drunter. Die Vorhänge waren heruntergerissen und hingen über den Bettstellen; Kleidungsstücke lagen durch alle drei Räume verstreut; zertrümmerte Teller und Tassen, umgekippte Töpfe und Tiegel: ein Bild des Grauens!

Als Mike auf die Haustür zuging, sah er den Körper der Mutter auf dem hellen Sand des Hofes liegen.

Plötzlich schrak er zusammen.

Vor dem Haus war ein Geräusch gewesen.

Der Junge flog herum, stürzte ins Schlafzimmer und riß die erste Dose neben dem Schrank vom Boden los.

Da lag Vaters altes Kentucky-Gewehr. Vor Jahren schon hatte der Farmer Mike den Platz gezeigt. Die beiden anderen Waffen, die er noch besessen hatte, waren längst unten in der Stadt verkauft worden. Im Flur hing noch eine Pistole, die aber nur ein Kind erschrecken konnte; sie war aus dem Jahre 1702. Aber dieses Kentucky-Gewehr schoß noch. Der Vater hatte es von Zeit zu Zeit gereinigt und geölt.

Mike zog es aus der Lederhülle und prüfte die kleine Kassette mit der Munition. Vorsichtig tat er all das, was der Vater ihm einmal für den Fall der Not gezeigt hatte. Er zog das Schloß auf und schob eine der großen kalten Patronen vor den Lauf. Dann drückte er das Schloß zu und nahm die schwere Waffe unter den rechten Arm.

Sie war damals gar nicht einmal so schwer gewesen, als ihm der Vater gezeigt hatte, wie man damit umging. Aber heute schien sie Bleigewicht zu haben. Fest preßte der Junge den Arm um die Waffe, hob den Lauf mit der Linken an und ging in den Flur zurück.

Behutsam näherte er sich der halboffen stehenden Hoftür.

Da war das Geräusch wieder. Diesmal weiter weg, drüben beim Geräteschuppen, wo der Vater lag.

Mike hatte jetzt die Türöffnung erreicht.

Wirklich, da hob sich ein Schatten vor dem hellen Boden zwischen Geräteschuppen und Stall ab.

Mit hartem Geräusch spannte der Junge das Gewehr.

Der Schatten drüben bewegte sich.

Da ging Mike mit kalter Entschlossenheit vorwärts. Neben der toten Mutter stockte sein Fuß.

Nur nicht hinuntersehen! mußte er sich selbst zurufen.

Überhaupt brauchst du mit dem Gewehr nicht so nah ans Ziel heranzugehen. Es ist ja kein Revolver, der nur auf kurze Distanz sicher trifft, sondern ein Gewehr, das ja leicht über den ganzen Hof schießt.

Aber er konnte neben dem leblosen Körper am Boden nicht stehenbleiben.

Drei Schritte machte er noch.

Dann hob er die Waffe höher.

»Uim, uim!« machte es da drüben am Stallhaus.

Mike ließ sofort die Büchse sinken.

»Billy!« keuchte er atemlos.

Da löste sich der Schatten von der Stallwand, und winselnd kam der große zottige Hund heran.

Der Junge legte das Gewehr nieder und streichelte das Tier. Ja, er drückte es plötzlich sogar in einer Aufwallung schmerzlichster Gefühle an sich.

»Oh, Billy, wo warst du nur! Hast du gesehen, was hier geschehen ist? Sie haben den Vater und die Mutter umgebracht!«

Ein wilder Weinkrampf schüttelte den schmächtigen Körper des Kindes. Jetzt brach all das aus Mike heraus, was er von der fürchterlichen Mittagsstunde an bis jetzt heruntergewürgt hatte. All die Angst, die er ausgestanden hatte, den tödlichen Schrecken, als er den Vater niederstürzen sah, den gellenden Schrei der Mutter, ehe auch sie von der Mörderkugel getroffen wurde! Und die Stunden, die er wie gelähmt in dem Heuhaufen an der Scheunenwand gesteckt hatte! Alles brach in einem Strom von Tränen unter lautem Schluchzen aus dem unglücklichen Jungen heraus.

»Oh, Billy! Was tun wir jetzt? Ich habe gar nicht gewußt, wie armselig und klein ich noch bin, und wie sehr ich den Vater doch für alles brauche und die liebe Mutter…«

Der kleine Mike Sherwood schluchzte jetzt hemmungslos und preßte das Tier an sich.

»Billy, wo warst du nur! Damals hast du die beiden Tramps verjagt, die die Mutter belästigten, als Vater auf dem Feld war. Und heute, wo warst du heute? Bill, oh, Billy!«

Es schien, als ob der große zottige Hund den Schmerz des Kindes mitfühlte; er jaulte leise und blickte traurig auf den toten Farmer.

Der kleine Mike Sherwood hob eine Grube hinter dem Wohnhaus aus und bettete seine toten Eltern in die Erde.

Es war die schwerste und furchtbarste Arbeit, die er in seinem ganzen Leben tun sollte.

Da er sich im Wohnhaus nicht sicher fühlte, ging er zum Schlafen wieder hinüber in die Scheune. Er hatte das Gewehr mitgenommen, und der Hund wachte neben ihm.

So müde und zerschlagen er auch war, der Schlaf wollte und wollte nicht zu ihm kommen.

Als der Morgen im Osten graute, verließ der Junge sein Lager im Heu und stieg hinunter in den Hof. Immer noch hatte er das schwere Gewehr im Arm.

Der Hund trottete hinter ihm her.

Mike ging um das Wohnhaus herum und blickte mit großen, brennenden Augen auf den Erdhügel, den er gestern abend für seine toten Eltern geschaufelt hatte. Würgend stieg es in seine Kehle, und der Schmerz umspannte seine Brust wie ein eiserner Ring.

Er wandte sich um, überquerte den Hof, und als er um die linke Ecke des Scheunenhauses bog, blieb er wie angewurzelt stehen. Etwa fünfzehn Yard von dem Bau entfernt stand ein Galgen…

*

Der Weg nach Kom Vo war weit für einen kleinen Jungen, der kein Pferd hatte.

Er erreichte die Stadt erst bei Einbruch der Dunkelheit.

Kom Vo lag in einer öden Landschaft, umgeben von der trostlosen Savanne, in der es nur struppiges Mesquitegestrüpp gab, Sandhügel, Kakteen und Geier.

Und Banditen!

Düster blickten ihm die grauschwarzen Häuser entgegen. Die Türlöcher sahen aus wie gähnende Mäuler, und die dunklen Fenster schienen weitaufgerissene Augenhöhlen zu sein.

Dieses Kom Vo war die traurigste Stadt des weiten Westens.

Eine Stadt ohne Saloon war ja auch keine Stadt. Wenngleich sie auch dreizehn Häuser hatte…

Rechts, an der Ecke der einzigen Querstraße, in dem kleinen, windschiefen Bau, befand sich das Sheriffs Office; Mike wußte es, denn er war ein paarmal mit dem Vater in Kom Vo gewesen.

Die Mainstreet schien unendlich lang zu sein, und da aus keinem der Häuser ein Lichtstrahl fiel, wirkte sie noch länger und düsterer.

In Kom Vo wohnten die ärmsten Leute der Welt; Vater hatte es immer gesagt.

Mike hielt sich genau in der Straßenmitte, da ihm vor den finsteren Vorbauten graute. Er ging jetzt nur noch langsam Schritt für Schritt weiter. Selbst der Hund war von dem weiten Marsch so müde geworden, daß er mehrere Schritte mit gesenktem Kopf hinter dem Jungen hertrottete.

Da! Ein quietschendes Geräusch ließ die beiden zusammenfahren.

Es war nur das Knarren einer im Wind hin und her schlagenden Fensterlade.

Und jetzt sah Mike links in einem Hause auch ein Licht! Und rechts oben aus einem der Fenster fiel auch Licht! Überhaupt brannten in einigen Häusern die Lampen. Nur war der Lichtschein so schwach, daß er in der Dämmerung kaum zu sehen war.

Der Junge hatte die Gassenmündung erreicht. Er sah auch, daß im Sheriffs Office eine Lampe brannte.

Rasch eilte er auf das kleine Haus zu, stieg die drei Vorbaustufen hinauf und stand vor der Tür, auf deren ungehobelte Bretter mit weißer Farbe das Wort Sheriff geschrieben worden war.

Mike klopfte an.

Er erhielt keine Antwort.

Er klopfte noch einnmal und öffnete dann vorsichtig die Tür.