Wyatt Earp 106 – Western - William Mark - E-Book

Wyatt Earp 106 – Western E-Book

William Mark

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Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! Es war gegen halb neun, als sie die Stadt verließen. Sie ritten nach Nordwesten dem Lue Lon River entgegen. Jeder war mit seinen Gedanken beschäftigt. Würden sie am Fluß den Mann treffen, den die Banditen dort erwartet hatten? Und wer war der Mann? War es der große Boß der Galgenmänner? Wyatt Earp wagte nicht, daran zu glauben. Aber die Banditen hatten einen wichtigen Mann von der Grenze her erwartet. Und der mußte abgefangen werden. Wortlos ritt Doc Holliday neben dem Missourier Earp her. Da Wyatt die Wegrichtung kannte, kamen sie sehr schnell vorwärts.

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Wyatt Earp –106–

Die Flanangans

Roman von William Mark

Es war gegen halb neun, als sie die Stadt verließen.

Sie ritten nach Nordwesten dem Lue Lon River entgegen. Jeder war mit seinen Gedanken beschäftigt. Würden sie am Fluß den Mann treffen, den die Banditen dort erwartet hatten? Und wer war der Mann? War es der große Boß der Galgenmänner?

Wyatt Earp wagte nicht, daran zu glauben. Aber die Banditen hatten einen wichtigen Mann von der Grenze her erwartet. Und der mußte abgefangen werden.

Wortlos ritt Doc Holliday neben dem Missourier Earp her.

Da Wyatt die Wegrichtung kannte, kamen sie sehr schnell vorwärts. Kurz vor halb elf erreichten sie den Fluß. Es war nicht nötig, daß sie ihn ganz hinaufritten bis zu jener Stelle, an der Wyatt mit den Banditen am Nachmittag zusammengeraten war.

Wenn der Reiter überhaupt kam, dann nahm er den Weg am linken Flußufer entlang und würde auch hier unten an dem Knick vorbeikommen, wo der Lue Lon River scharf nach Westen abbog und der Weg nach Martini geradeaus nach Süden führte.

Sie brachten die Pferde an das hier etwas tiefer gelegene Ufer und ließen sie abseits hinter Büschen stehen. Sie selbst blieben oben auf der Böschung, wo sie nach Norden sehen konnten.

Es war eine mondhelle Nacht. Zwar nahm der Mond schon ab, aber er warf doch noch ein bleiches, fahles Licht auf die Savanne.

Es war Anfang November, und die Nächte begannen auch in diesen Breiten schon empfindlich kühl zu werden.

Geduldig harrten die beiden Männer auf ihrem Posten aus.

Und ihre Geduld wurde nicht einmal auf eine allzulange Probe gestellt, denn plötzlich hob der Missourier den Kopf und lauschte angespannt.

»Ein Reiter«, sagte er.

Der Spieler nickte. »Ja.« Auch er hatte den Hufschlag jetzt gehört.

Sie gingen ein Stück am Ufer entlang und verbargen sich hinter einem Gebüsch, das ihnen den Blick nach vorn auf den Pfad freigab.

Es dauerte noch eine ganze Weile, bis der Reiter herangekommen war. Hufschlag hört man in der Nacht ja besonders gut und auch sehr weit.

Wer mochte es sein? Kannten sie ihn? War es einer der Banditen aus Nogales oder ein Mann aus Tombstone?

War es nur irgendein Bote? Oder war es wirklich ein Anführer – oder gar der Anführer der Graugesichter?

In gespannter Erwartung kauerten die beiden Dodger hinter dem Gebüsch und harrten des Reiters.

Dann kam er. Er saß auf einem schwarzen Pferd und schoß im scharfen Trab den Pfad hinunter am Ufer entlang.

Die beiden hatten ihn sofort erkannt. Wyatt wandte den Kopf zur Seite und sah in das kantige Gesicht des Spielers.

Fassungslosigkeit stand darin.

Dann war der Reiter heran. Er saß nach Indianerart im Sattel: ein wenig zurückgelehnt und beide Zügelleinen in der Linken. Die Rechte hing herunter. Jetzt, als er an dem Gebüsch vorüberschoß, zeichnete sich seine Silhouette scharf gegen den hellen Nachthimmel ab.

Die beiden rührten sich nicht.

Der Reiter war vorüber.

Noch Sekunden hockten die beiden hinter dem Gebüsch und starrten ihm nach.

Endlich richtete sich der Marshal auf. Seine Lippen waren fest zusammengepreßt und seine Augen jetzt sehr schmal geworden. Immer noch folgten ihre Blicke dem Mann, der jetzt schnell kleiner und kleiner wurde.

Auch der Georgier hatte sich erhoben.

Seine Lippen sprangen auseinander, und er spuckte die beiden Worte geradezu hervor: »Ike Clanton!«

Wyatt hatte die Hände in die Taschen geschoben.

»Ja, Ike Clanton.«

Es war still. Das Geräusch des Hufschlags drang nur noch aus weiter Ferne an die Ohren der beiden Männer.

Er war also gekommen. Isaac Joseph Clanton aus dem Cochise County, der Rancher aus dem Tombstoner Land; der größte Bandenführer, den Amerika bis zu diesem Tage gekannt hatte.

Fassungslos standen die beiden Männer da. Sie hatten jeden erwartet, nur ihn nicht.

Er war also der Mann, der von den Galgenmännern erwartet wurde? Wyatt wollte es nicht fassen, daß der Reiter, den sie da erwartet hatten, Ike Clanton gewesen war.

War er also der große Boß?

Der Marshal hatte die Hände zu Fäusten geballt und stieß heiser hervor: »Ich hätte es mir doch denken können! Gab es denn je einen Zweifel, daß er es sein mußte?«

Immer noch standen sie auf dem Pfad und starrten in die Savanne hinaus.

»Und jetzt?« fragte Doc Holliday endlich.

Wyatt antwortete nicht sofort.

»Wir werden ihm folgen.«

»Der reitet todsicher nach Martini.«

»Ja, das glaube ich auch.«

Sie gingen zu ihren Pferden, zogen sich in die Sättel und folgten dem Reiter in so großem Abstand, daß er die beiden Verfolger nicht bemerken konnte.

Es war schon spät, als Ike Clanton die Stadt erreichte. Er stieg vor der Cantina ab, warf die Zügelleinen seines schwarzen Hengstes um die Halfterstange und blickte zu den Fenstern hinüber, aus denen noch immer der Lärm einiger Zecher, wenig melodiös unterstützt von dem Geklimper einer Gitarre und dem krächzenden Gesang einer girrenden Frauenstimme, ins Freie drang.

Der Mann ging auf den ebenerdigen Eingang der Schenke zu, und als er den Perlschnurvorhang auseinanderteilte, erstarb plötzlich jeder Laut.

Die Menschen in der Cantina del Sole starrten entsetzt auf den Mann, der da im Eingang stand. Es gab niemanden hier, der ihn nicht gekannt hätte. Obgleich es Jahre her war, seitdem er zuletzt in der Stadt gewesen war.

Dem Mann hinter der Theke stand der Mund offen. Die Frau, die vorn auf dem Podium stand, hatte die Augen weit aufgerissen und starrte wie alle anderen zur Tür.

Des Gitarrenspielers Hand schien mitten im Griff erstarrt zu sein. Und die Zecher, die sich eben noch lallend und grölend unterhalten hatten, schwiegen und saßen wie angewachsen an ihren Tischen.

Ike machte einen Schritt nach vorn, und klirrend schlugen die Glasperlenschnüre ineinander.

Hochaufgerichtet stand er an der Tür und blickte forschend über den verhältnismäßig großen Schankraum.

Jeder einzelne glaubte den Blick Ike Clantons bis ins Mark zu spüren.

Hatte man doch schon früher nie recht gewußt, wen er meinte, wenn er den Blick über die Runde wandern ließ.

Und immer noch war sie da, die große Furcht vor diesem Mann.

Mit schweren Schritten trat er an die Theke und legte seine beharrten Fäuste auf das blankgeputzte durchlöcherte Blech.

Wyatt Earp und Doc Holliday waren ihm am Ende des Rittes dicht gefolgt und hielten jetzt in der Nähe der Cantina.

Der Marshal meinte: »Ich reite hinüber zum Jail und sehe dort nach den anderen, Doc.«

Der Spieler nickte: »In Ordnung, ich werde Ike im Auge behalten.«

Holliday stand schon an der Halfterstange, als Ike durch den Schnurvorhang auf die Theke zuging.

Wyatt ritt hinüber zum Alkaldenhaus, neben dem das Gefängnis lag. Die Tür zur Straße stand offen.

Der Marshal zog einen Revolver, stieß sie weiter auf und riß dann ein Zündholz an.

Er sah es sofort: Sämtliche Gittertüren standen offen. Die Gefangenen waren entkommen.

Phin Clanton, den er am Abend nach dem Gefecht mit den Galgenmännern festgenommen hatte, war entflohen!

Und jetzt stand sein Bruder drüben in der Schenke und würde erfahren, was geschehen war.

Wyatt machte sofort kehrt. Als er vor der Schenke ankam, sah er nur die weiße Hemdbrust Doc Hollidays aus dem Dunkel des Vordaches herausschimmern. Dann nahm er die beiden Pferde am Zügel und führte sie um das Haus herum.

Als er zurückkam, stand der Spieler immer noch neben dem Eingang.

»Bis jetzt hat sich nicht viel getan«, erklärte er, »er steht noch drüben an der Theke.«

»Und, hat er nichts gesagt?«

»Nein.«

»Kein Wort.«

Der Keeper hatte ein Glas Whisky vor Ike hingestellt.

Der hob es an, trank einen Schluck und setzte es dann wieder ab.

»Wo ist Phin?« Diese Worte kamen wie zischende Geschosse über seine Lippen.

Der Keeper, ein Mann in den Fünfzigern, wich zurück und starrte ihn ängstlich an.

»Ich weiß es nicht, Mr. Clanton.«

»So, du weißt es nicht! Aber du weißt, daß ihm diese Schenke gehört?«

»Ja, das weiß ich.«

»Das habe ich nicht einmal gewußt. Ich habe es heute erst erfahren, oben in Nogales.«

Schweigen.

Dann wandte sich Ike um und lehnte sich mit dem rechten Ellbogen auf das Thekenblech. Während er seinen Blick wieder durch den Schankraum schweifen ließ, fragte er noch einmal…

»Wo ist Phin?«

Da stand einer der Männer auf und machte drei Schritte auf ihn zu. Es war ein kleiner Mann mit langem, hagerem, kränklichem Gesicht und tief in den Höhlen liegenden Augen.

»Wyatt Earp war hier, Mr. Clanton!«

»Das wollte ich nicht wissen, Mann. Ich habe gefragt, wo Phin ist.«

Der gnomenhafte Mann druckste herum: »Der Marshal suchte hier irgendeinen Mann, und dann hatten sie draußen einen schweren Gunfight. Mehrere Leute sind verletzt worden. Und dann ging Phin hinaus.«

»Und?« schleuderte ihm der Desperado entgegen.

»Er ging auf die Straße und sprach mit dem Marshal. Vielleicht hatte er es sich zu leicht gedacht. Jedenfalls stand plötzlich Doc Holliday hinter ihm.«

»Holliday!« entfuhr es Ike.

Es war totenstill im Schankraum.

Ike stieß sich von der Theke ab und ging mit dröhnenden Schritten auf den kleinen Mann zu. Dicht vor ihm blieb er stehen: »Rede weiter, Mann!«

»Si, Señor. Wyatt Earp nahm sie alle fest und brachte sie ins Jail.«

»Und dann?«

»Dann ritt er weg – mit Doc Holliday.«

»Willst du mir erzählen, daß Phin jetzt noch im Jail steckt?«

»Nein, Señor. Natürlich nicht mehr.«

»Was heißt natürlich? Wer hat ihn herausgelassen?«

»Ich!« kam es da heiser hinter Ikes Rücken von der Theke her.

Ike blickte sich um und sah den Keeper mit verstörtem Gesicht an der Theke lehnen.

»Du hast ihn rausgelassen?«

»Ja.«

»Wie kommst du dazu?«

Der Mann schluckte.

»Er ist ein Freund von uns.«

»Ein Freund?« Ike maß ihn verächtlich. »Ja, ganz sicher.« Dann sah er sich im Kreise um. »Ihr seid seine Freunde, hahahaha!«

Er machte kehrt und ging auf den Ausgang zu.

Wyatt Earp und Doc Holliday standen im tiefen Dunkel des Vordaches.

Ike Clanton kam aus der Schenke heraus, zog sich in den Sattel und ritt aus der Stadt.

Die beiden warteten eine Weile und folgten ihm dann.

Es war jetzt nicht so wichtig, daß Phin aus dem Jail von Martini entflohen war. Wichtig war jetzt nur Ike.

Wo ritt er hin? Sein Auftritt in der Cantina war wieder sehr zwielichtig gewesen.

Schon hatte der Missourier den Verdacht, daß der Rancher ihn und Doc Holliday bemerkt haben könnte. Denn die Art, in der er in der Schenke aufgetreten war, ließ kaum darauf schließen, daß man ihn hier in Martini erwartet hatte.

Aber das wollte nicht viel bedeuten, denn die Männer, die ihn erwartet hatten, nämlich Enrique und die anderen Graugesichter, waren ja zusammen mit Phin aus dem Jail entkommen. Vielleicht wußte Ike, wohin sie geritten waren und folgte ihnen jetzt.

Wyatt hätte Ike festnehmen können. Aber damit war nichts erreicht. Wie überhaupt bisher nichts mit der Festnahme dieses Mannes gewonnen worden wäre. Immer, wenn der Marshal ihn traf, war die Situation so, daß eine Festnahme Ikes nichts erbracht hätte. Auch heute war es nicht anders. Vielleicht hatte er die beiden Männer in seinem Rücken bemerkt und sich darum so verhalten. Jedenfalls hätte es nichts genützt, wenn Wyatt ihm entgegengetreten wäre. So aber konnte der Marshal hoffen, daß Ike ihn – ohne es zu wollen – zum geheimen Camp der Verbrecher bringen würde.

*

Tombstone hatte einen neuen Sheriff. Luke Short!

Wyatt Earp und John Clum hatten dafür gesorgt, aber auch die Mehrheit der Stadtväter war für seine Wahl gewesen.

Nur widerwillig und erst nach gutem Zureden des Marshals hatte der riesige Texaner die Wahl angenommen.

Und einen Tag nachdem Wyatt Earp die Stadt verlassen hatte, war John Clum mit überzeugender Mehrheit in Tombstone wieder zum neuen Bürgermeister gewählt worden. So hatte die Stadt also am gleichen Tag einen neuen Sheriff und einen neuen Bürgermeister bekommen, gewiß kein Freudentag für manche Leute.

Solange der laue McIntosh Mayor in Tombstone gewesen war und drüben, im jetzt verlassenen Sheriffs Office, der papierne Jonny Behan gesessen hatte, war man mehr »unter sich« gewesen und hatte tun und lassen können, was einem beliebte. Das sah jetzt anders aus. Man war nicht mehr so laut auf der Straße, und in den Schenken ging es längst nicht mehr so wild und rüde her wie zuvor. Und was die Wirte am meisten verstimmte: es war sehr früh Feierabend.

Niemand hatte die Absicht, sich in eine Rauferei oder gar in eine Schießerei verwickeln zu lassen, die dem herkulischen Sheriff Grund zum Eingreifen gegeben hätte.

Schon am Mittag des nächsten Tages aber ereigneten sich Dinge, mit denen Luke Short nicht gerechnet hatte. Er hatte vor allem deshalb das Amt des Sheriffs angenommen, um die vier wichtigen Gefangenen bewachen zu können, die der Marshal ins Jail gebracht hatte. Nämlich die Brüder Hal und Edward Flanagan, den Raubrancher Oswald Shibell und den Kreolen Jimmy King. Jetzt, gegen elf Uhr, kurz nach der Verkündung der Wahl des Mayors, trat ein struppiger alter Mann ins Office und schob sich den zerfransten Hut aus der Stirn.

»Mein Name ist Callhaun, Sheriff.« Er reichte dem Texaner die Hand. »Ich habe eine Farm draußen, sechs Meilen vor der Stadt. Heute nacht sind mir zwei Pferde gestohlen worden, Sheriff.«

Luke stieß einen leisen Pfiff durch die Zähne. Auch das noch! Jetzt kamen sie mit tausend Bitten. Und er mußte doch das Jail bewachen!

»Vielleicht könnten Sie einmal herauskommen im Laufe des Tages, Sheriff.«

Luke nickte. »Ja, entweder komme ich, oder ein Vertreter von mir.«

»Ist gut, Mr. Short.« An der Tür blieb der alte Farmer stehen und wandte sich noch einmal um: »Es wäre mir natürlich sehr lieb, wenn Sie selbst kämen.«

»Ja, ja, Mr. Callhaun.«

Als der Mann gegangen war, stand Luke auf, schloß das Office hinter sich ab, und genau in dem Augenblick preschte ein Reiter die Straße hinunter und hielt in einer Staubwolke vor dem Vorbau des Marshals Bureaus.

»Sheriff! Sheriff!« rief er schon von weitem.

»Was gibt es denn?« Luke blieb ahnungsvoll stehen.

»Sie müssen sofort mitkommen. Unten in der Sägerei…«

»Was gibt es da?«

»Eine fürchterliche Prügelei.«

»Der Teufel soll es holen! Ihr werdet eure Prügeleien doch alleine austragen können.«

»Sheriff, der Boß schickt mich!«

»Herrgott noch mal.« Luke sah sich noch nach dem Office um und nickte dann. »Well, ich komme.«

»Sie können mein Pferd nehmen, Sheriff.«

»Ja, ja, schon gut«, der Texaner schwang sich auf den braunen Wallach des Sägewerkarbeiters und ritt davon.

In der Sägemühle war tatsächlich eine fürchterliche Prügelei im Gange, die der Riese jedoch bald beendet hatte.

»Sie müssen mir den Gaul noch einmal leihen, Mister«, rief er dem Arbeiter zu. »Sie können ihn sich am Office abholen.«

In gestrecktem Galopp preschte Luke durch die Allenstreet, schwang sich vorm Office aus dem Sattel und öffnete die Tür. Obgleich die schwere Bohlentür zum Zellengang noch versperrt war, stieß er hastig den Schlüssel hinein und öffnete sie. Erst als er die vier Galgenvogelgesichter noch in ihren Käfigen sah, war er beruhigt. Er hätte ihnen ohne weiteres zugetraut, daß sie durch das winzige Fenster entkommen sein könnten. Es wäre ja nicht das erstemal gewesen, daß hier Banditen am hellichten Tag aus dem Gefängnis geholt worden wären.

Er verließ das Office, um nicht noch weiteren Besuchern Zugeständnisse machen zu müssen. Vor allem aber suchte er jetzt einen Mann, der als Helfer bei ihm arbeiten würde. Das aber stieß auf große Schwierigkeiten. Jeder in der Stadt war fest davon überzeugt, daß Luke Short hier nicht sehr lange Sheriff bleiben würde, und wer dann als Deputy bei ihm gearbeitet hatte, mußte damit rechnen, später eine Menge Feinde gegen sich zu haben. Daher fand der Hüne niemanden, der als Helfer bei ihm hätte arbeiten wollen.

Mißmutig kehrte er gegen zwölf Uhr ins Office zurück.

Er hatte Pech.

Es standen schon wieder drei Männer vor der Tür, die auf ihn warteten.

Einer von ihnen, ein großer, breitschultriger Bursche mit braunem, zerfurchtem Gesicht, sprach ihn sofort an: »Sheriff, Sie müssen mal heraus auf unsere Ranch kommen. Mir ist eine ganze Menge Vieh gestohlen worden.«

»Wann?« fragte Luke mürrisch.

»In einer der letzten Nächte.«

»So«, entgegnete Luke, »und warum sind Sie nicht vorgestern gekommen oder gestern, da war euer Freund Jonny Behan doch noch da!«

Der Viehzüchter winkte ab.

»Ha, Jonny Behan«, sagte er verächtlich, »zu dem wäre ich nie gekommen. Was hätte das für einen Sinn gehabt!«

»Ja, ja. Ich weiß. Ist gut. Wo ist die Ranch?«

»Es ist die Scott Ranch, Sheriff.«

»Draußen vor den Hills?«

»Ja, Sie sehen die Ranch schon vom Silver Creek aus.«

»Gut, ich komme.«

»Wann?«

»Das kann ich noch nicht genau sagen, irgendwann im Laufe des Tages.«

»All right.«

Die drei Männer gingen zu ihren Pferden, stiegen auf und ritten aus der Stadt.

Ärgerlich betrat Luke das Office und sah sofort wieder nach seinen Gefangenen. Sie waren noch da.

Hal Flanagan stand vorn am Gitter.

»He, Short. Wie lange wollen Sie uns hier noch festhalten?« knurrte er.

»Halt die Klappe, Junge, sonst hole ich dich raus. Dann sage ich dir, wie lange du noch hier bleibst.«

Da sprang sein Bruder Ed wie eine Pantherkatze gegen das Gitter und fauchte:

»Ihr werdet das büßen!«

Aber da fiel oben schon die schwere Bohlentür zum Office zu.

Luke suchte den Mayor auf. Der stand inmitten seiner Zeitungsdruckerei und redigierte einen Artikel.

»Hallo, Sheriff!« rief er dem Riesen freundlich entgegen.

Luke winkte ab. »Hat sich was mit Sheriff! Der Teufel soll den Job holen!«

»Nanu, schon Ärger gehabt?«

»Ich brauche einen Deputy, Mr. Clum.«

»Aber natürlich, es wird sich doch ein Hilfssheriff für einen Mann wie Sie finden lassen.«

»Das bezweifle ich sehr. Die Leute hüten sich alle, später meinen Stern übernehmen zu müssen.«

»Haben Sie denn nicht die Absicht, zu bleiben?«

»Haben Sie im Ernst angenommen, daß ich hierbleiben würde?«