Wyatt Earp 3 – Western - William Mark - E-Book

Wyatt Earp 3 – Western E-Book

William Mark

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Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! Die Flasche prallte mitten in den schweren Thekenspiegel und riß ihn klirrend in tausend Scherben. Silk Cassedy reckte seine Gestalt und verzog den breiten Mund zu einem spöttischen Lachen. »He, Wirt, alte Schleiereule, komm raus! Ich habe mit dir zu sprechen!« Als der kahlköpfige Butch Keaton hinter der Theke hervorkam und mit ängstlichen Augen um sich blickte, grölten die Männer um Silk Cassedy los. »Seht euch bloß diese Nebelkrähe an!« brüllte Cassedy. »Steh auf, alter Halunke! Unsere Flaschen sind leer!« »Sofort«, brummte der Wirt und langte mehrere Flaschen unter der Theke hervor. »Das sind nur fünf!« stellte Cassedy fest und schob sich den breitrandigen Hut ins Genick. »Du kannst wohl nicht zählen, alter Giftmischer. Wir sind sieben Männer!« »Männer?« fragte der Wirt, wobei er einen galligen Blick auf seinen zertrümmerten Spiegel warf. Mit einem Satz war Cassedy an der Theke, griff hinüber und riß den kleinen Mann zu sich heran. »Was hast du da eben gesagt, he? Paßt dir irgend etwas nicht, Freund?«

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Wyatt Earp – 3 –

Duell am Teufelsturm

William Mark

Die Flasche prallte mitten in den schweren Thekenspiegel und riß ihn klirrend in tausend Scherben.

Silk Cassedy reckte seine Gestalt und verzog den breiten Mund zu einem spöttischen Lachen. »He, Wirt, alte Schleiereule, komm raus! Ich habe mit dir zu sprechen!«

Als der kahlköpfige Butch Keaton hinter der Theke hervorkam und mit ängstlichen Augen um sich blickte, grölten die Männer um Silk Cassedy los.

»Seht euch bloß diese Nebelkrähe an!« brüllte Cassedy. »Steh auf, alter Halunke! Unsere Flaschen sind leer!«

»Sofort«, brummte der Wirt und langte mehrere Flaschen unter der Theke hervor.

»Das sind nur fünf!« stellte Cassedy fest und schob sich den breitrandigen Hut ins Genick. »Du kannst wohl nicht zählen, alter Giftmischer. Wir sind sieben Männer!«

»Männer?« fragte der Wirt, wobei er einen galligen Blick auf seinen zertrümmerten Spiegel warf.

Mit einem Satz war Cassedy an der Theke, griff hinüber und riß den kleinen Mann zu sich heran. »Was hast du da eben gesagt, he? Paßt dir irgend etwas nicht, Freund?«

»Nein!« zeterte das schmächtige Männchen mutig. »Ihr habt den Saloon voller Flaschenscherben geschlagen. Ihr habt meine Stühle zertrümmert und meinen großen Spiegel zersplittert…«

»Na und?« Der Riese stieß ihn zurück gegen das Flaschenbord. Mehrere Flaschen fielen hinunter und zerschellten auf dem Boden.

Mit zusammengebissenen Lippen starrte der Wirt auf den Whisky, der durch die Scherben auf die Dielen rann. »Verdammtes Pack!« zischte er.

Silk hatte es gehört. Sofort sprang er über die Theke und versetzte dem kleinen Mann einen Faustschlag ins Gesicht.

Butch Keaton torkelte zurück und sank am anderen Thekenende lautlos in sich zusammen.

Silks Leute feierten diese »Heldentat« ihres Anführers mit johlendem Geheul.

Die anderen Gäste hatten sich längst aus dem Saloon »Zum toten Sioux« verzogen. Wenn Cassedy mit seiner Bande in der Stadt war, hatte niemand was zu lachen.

*

Drüben im Sheriff-Office saß ein alter grauhaariger Mann. Auf seiner zerfurchten Stirn perlten schwere Schweißtropfen.

Vor ihm stand ein junger Bursche von vielleicht siebzehn Jahren. Er strich sich eine blonde Haarsträhne aus der Stirn und stürzte sich auf die Tischkante. »Geben Sie mir einen Stern, Sheriff, dann gehe ich rüber!«

Der Alte schüttelte den Kopf. »Nein, Joe – es hat keinen Zweck. Sie schlagen dich zusammen.«

Der Bursche knirschte mit den Zähnen und blickte durch die große Scheibe hinüber zum »Toten Sioux«.

Aus der Schenke flog eben eine volle Flasche durchs Fenster auf die Stepwalks.

Lautes Geschrei drang auf die Straße.

Im nächsten Augenblick kam die Bande heraus. Allen voran der baumlange Cassedy. Er deutete auf den Drugstore von Fred Calligan. »Los, Boys, kleidet euch ein!«

Die Horde stürmte hinüber.

Lad Bryan trat die Tür ein und brüllte dem Händler entgegen: »Kundschaft kommt, old fellow! Wir brauchen Stiefel und Hemden! Aber schnell!«

In weniger als fünf Minuten sah es in dem Store aus wie nach einem Indianerangriff.

Der alte Calligan lag mit eingeschlagener Nase in einer Ecke unter seinen durcheinandergeworfenen Stoffballen.

Die Banditen waren schon weitergezogen. Sie standen vor dem »Grand Hotel«.

»So, da wollen wir zu Mittag essen, Boys!« keifte Jimmy Loon, ein kleiner, schlitzäugiger Kerl mit sichelkrummen Beinen.

Niemand trat ihnen entgegen. Der Hotelier und der größte Teil seines Personals waren geflohen. Mister Gennan, der Geschäftsführer, stand drüben hinter dem Fenster in der Saddlery von Tom Brown. Er hatte die Hände im Waffengurt stecken und sog nervös an seiner Zigarette.

»Damned! Sie hausen wie die Wilden, und niemand unternimmt etwas gegen sie! Wo bloß Lester bleibt?«

Der Sattler wischte seine mit Lederstaub bedeckten Hände an der grünen Schürze ab und lugte über seine goldgeränderte Brille. »Der Sheriff ist ein alter Mann, Mr. Gennan. Was sollte er gegen die Banditen unternehmen? Wenn er herauskommt, knüpfen sie ihn auf. Das ist doch klar. Cassedy wartet nur darauf, daß Lester sich ihm in den Weg stellt. Es würde dem Alten nicht anders ergehen als seinem Vorgänger Pal Owens.«

Jimmy Gennan ließ seine Zigarette fallen und zertrat sie. »Geben Sie mir Ihr Gewehr, Brown. Ich schieße Cassedy nieder!«

Der Sattler stand auf und schüttelte den Kopf. »Von hier? Aus dem Hinterhalt? No, Mr. Gennan. Cassedys Leute würden meinen Laden zertrümmern und mich erschlagen. Das wäre das Verrückteste, was wir anstellen könnten.«

»Lester!« knurrte Gennan. »Er muß herauskommen!«

Der Sattler setzte sich wieder an seine Arbeit.

Inzwischen war Cassedy mit seinen Leuten drüben in die Hotelhalle eingedrungen. Da sie niemanden vorfanden, stürmten sie die Rezeption, schleuderten die Gästebücher durch die Halle und liefen in die Küche.

Der schrille Schrei einer Mädchenstimme drang bis auf die Straße.

Da nahm der alte Howard Lester den silbernden Fünfzack, den er schon auf den Tisch gelegt hatte, heftete ihn wieder an seine Brust, zog den Colt aus dem Halfter, lud ihn durch, ließ die Trommel routieren und ging festen Schrittes auf die Straße.

Vor dem Hoteleingang blieb er stehen und feuerte einen Schuß ab.

Drinnen verstummte augenblicklich der Lärm.

»Cassedy, komm heraus!« rief der Sheriff mit unsicherer Stimme.

Der Riese war sofort an der Tür. Seine Leute schoben sich neben ihn. Breitbeinig stand er da, hatte die Hände in die Hüften gestemmt und warf einen höhnischen Blick auf den Sheriff.

»He, Boys, was will der Opa von uns?«

Die Banditen lachten schallend.

Lester wurde blutrot im Gesicht. Seine Hände zitterten.

»Los, Tub, mach’ ihn fertig!« befahl Silk einem vierschrötigen Kerl, über dessen Nasenbein sich eine breite Narbe zog.

Tub Crooner stakste vorwärts und blieb einen Yard vor dem Sheriff stehen. »Alter, mach’ keinen Ärger, gib deine Kanone her!« rief er heiser.

Der Sheriff blickte an ihm vorbei auf Cassedy. »Ich ersuche Sie, die Stadt augenblicklich zu verlassen, Cassedy! Ich habe telegraphisch Hilfe aus Dodge City angefordert. Howell ist nur fünfzehn Meilen von der Stadt entfernt…«

Cassedy kam langsam die Treppe herunter. Mit der Linken schob er Crooner zur Seite, kniff das rechte Auge ein und sagte mit schnarrender Stimme: »Was hast du?«

»Ich habe Hilfe angefordert«, versetzte der Sheriff heiser.

Im nächsten Augenblick saß ihm die Faust des Riesen im Gesicht.

Lester stürzte in den Straßenstaub und stand langsam wieder auf. Ein dünner Blutfaden zog sich aus seiner Nase. Mit einer fahrigen Bewegung griff er nach dem Colt.

Da schlug der Bandit wieder zu.

Aus dem Sheriff-Office sprang in diesem Augenblick ein Mann auf die Straße. Er war noch jung, höchstens siebzehn. Er hatte eine Winchester in der Hand.

»Hände hoch!« brüllte er.

Silk Cassedy reagierte blitzschnell. Sein Colt bellte auf – und drüben vor dem Sheriff-Office brach der flachsblonde Joe White in die Knie.

»So sieht das aus, Leute!« rief Cassedy. »Ich werde euch zeigen, wer der Herr von Howell ist. Und so geht es jedem, der sich mir in den Weg stellt! Tub, Bill, Jonny, packt den Sheriff! Er wird gehängt!«

Jimmy Gennan, der Geschäftsführer des »Grand Hotels« riß drüben in der Saddlery eine schwere Parkerbüchse von der Wand, lud sie durch und stürmte auf die Straße.

Aber er kam nur zwei Schritt vorwärts. Noch auf dem Stepwalk riß ihn die Kugel Cassedys von den Beinen.

Die Menschen hinter den Fenstern zuckten zusammen. Aber es gab niemanden mehr in der Stadt, der noch hätte Widerstand leisten mögen.

Mit johlendem Geschrei schleppten die Banditen den Sheriff zum Markt, wo ein alter, verdorrter Baum seine kahlen Äste in den bleigrauen Himmel streckte.

Cassedy schickte Bill, Ronny und Tub in die Häuser, um Zeugen für die »rechtmäßige Verurteilung« des Sheriffs zu holen.

Der alte Bäcker Hollister, der Schreiner Lupkins und der Schmiedegeselle Bloom wurden herangeschleppt, um der Urteilsvollstreckung beizuwohnen.

Lester wurde an Händen und Füßen gebunden und dann auf einen Karren gestellt.

Cassedy persönlich warf seinen Lasso um einen der Äste. Das untere Ende wurde dem unglücklichen Alten um den Hals gelegt.

Wie überall bei solchen Gelegenheiten, hatten sich auch hier eine Menge Neugieriger eingefunden.

Cassedy war in seinem Element. Er sprang auf den Karren und rief: »Hat jemand etwas einzuwenden?«

»Ja!« ertönte da eine metallene Stimme.

Alle wandten sich um und sahen drüben vor der City Hall einen Mann stehen. Er war groß, sehr schlank, breitschultrig, trug einen schwarzen, umgekniffenen Hut und eine saubere schwarze Jacke. Aus seinem ernsten, wettergebräunten Gesicht blickten tiefblaue Augen. Er stand vor seinem Pferd, einen hellen Falben, hatte den Zügel noch in der Hand und schlang ihn jetzt um einen Querholm.

Silk Cassedy starrte den Fremden an, als habe er es mit einem Kranken zu tun. In die urplötzlich eingetretene Stille rief er: »Du hast also etwas dagegen, Brother?«

Der Fremde nickte ernst.

»Und was hast du dagegen?« fragte Cassedy höhnisch. »Willst du uns etwa daran hindern, diese unnütze Qualle hier aufzuknüpfen?«

»Das habe ich nicht gesagt; aber da du mich fragst: ja!«

Der merkwürdige Mann begann den Bandenboß zu amüsieren. »Und wie wolltest du das anfangen?«

»Das mußt du mir überlassen, Cassedy«, erwiderte der Fremde gelassen.

»Ho, er kennt mich!« grölte der Riese. »Um so besser. Und mit wem haben wir denn die Ehre, he? Sicher mit dem Schulmeister, was?«

Der Fremde verschränkte die Arme und blickte ruhig auf die Szene. Kein Muskel in seinem ernsten, kantigen Gesicht regte sich.

»Hör zu, Freund!« sagte Cassedy, der plötzlich keine Lust mehr verspürte, sich weiter von seinem Vorhaben abhalten zu lassen. »Sieh zu, daß du weiterkommst, sonst bist du gleich nach dem Alten an der Reihe!«

»Das halte ich für ausgeschlossen.«

Cassedy wurde feuerrot im Gesicht. »Tub, mach Kleinholz aus ihm!«

Der vierschrötige Tub Crooner marschierte auf den Fremden zu, rannte plötzlich los und holte zu einem schweren Faustschlag aus.

Wie es dann geschah, daß der bullige Tub plötzlich vor dem Fremden auf der Straße lag, hatte niemand genau sehen können. Jedenfalls kam Tub nicht wieder hoch. Er lag da mit ausgestreckten Armen und dem Gesicht im Staub.

Reglos verharrte der Fremde bei ihm; so als sei nichts geschehen. Er hatte die Arme längst wieder verschränkt. Sein kühler Blick flog hinauf zu Cassedy.

Mit ungläubigen Augen blickte Silk Cassedy auf den Mann am Boden und dann auf den »Schulmeister«. Schließlich brüllte er: »Ronny! Den Rest besorgst du!«

Ronny Vaugham setzte sich in Bewegung. Alles an ihm erinnerte an einen gereizten Stier. Er war zweifellos ein bärenstarker Bursche, und wie er da so auf den schlanken Fremden zuging, schmolzen auch die letzten Hoffnungen derer, die sich von dem ebenso unerwarteten wie mutigen Eingreifen des Fremden eine Wendung erhofft hatten.

Ted Lupkins, der Schreiber, hatte den Fremden genau beobachtet. »Er ist ein Schießer«, flüsterte er tonlos vor sich hin. »Er hat die kalten Augen eines Revolvermannes! Ich weiß es genau…«

Jonny Bloom, der Schmied, stieß ihn an. »Halt doch das Maul«, knurrte er. »Cassedy vergreift sich sonst auch noch an uns!«

»Er ist ein Schießer…, ich weiß es genau. Seine Augen…«

Ronny kam dem Fremden immer näher.

Da brüllte Lupkins los: »Schieß doch, Mann! Schieß!«

Der Schrei trug ihm einen Stoß Jimmy Loons ein. »Verrückt geworden, Amigo?«

In diesem Augenblick stand Ronny Vaugham vor seinem Gegner. Viel schneller als man es ihm zugetraut hätte, duckte er sich und holte mit der geballten Rechten zum Schlag aus.

Aber noch schneller zuckte ein pfeifender Handkantenschlag unter Ronnys Arm hindurch, traf den schweren Mann am Hals, warf ihn zurück und zwang ihn in die Knie.

Ronny stieß einen gurgelnden Schrei aus, raffte sich wieder auf, stolperte vorwärts. Beidhändig schlagend drang er auf den Fremden ein.

Der parierte einen Schlag, unterlief den nächsten und riß die linke Faust unter das Kinn des Banditen.

Ronny Vaugham knickte wie eine Gliederpuppe in sich zusammen. Still legte er sich neben Tub Crooner in den Straßenstaub.

Da sprang Cassedy von dem Karren und stürmte vorwärts. Mitten im Lauf hielt er inne und starrte in die Mündung des schweren Buntline Colts, den der Fremde plötzlich in der linken Faust hielt.

In Cassedys Gesicht kämpften Wut und Erschrecken miteinander. Er stemmte die Hände in die Hüften, zog die buschigen Brauen in die Höhe und öffnete langsam die Lippen zu einem breiten Lachen. »Was hast du vor, Brother?«

»Das wirst du sofort erfahren«, versetzte der Fremde in seiner bedächtigen Art. Im nächsten Augenblick blitzte sein Colt auf.

Zwei Yards über dem Kopf des Sheriffs riß der Strick auseinander.

Aus einem Dutzend Kehlen kam ein einstimmiger Ruf der Verwunderung.

In die nachfolgende Stille hinein sagte Jimmy Loon: »Goddam, er hat nicht mal gezielt…«

»Eben!« brüllte Lad Bryan. »Es war purer Zufall!«

»Klar!« rief Cassedy. »Laßt euch nicht bluffen, Männer! Das war ein Sonntagsschuß!«

»Natürlich«, entgegnete der Fremde. Dann jonglierte er den Colt in die rechte Hand, griff mit der Linken in die Westentasche, nahm einen Silberdollar heraus und schleuderte ihn hoch über den Galgenbaum. Als der Dollar seinen höchsten Flugpunkt erreicht hatte und für einen Augenblick in der Luft zu stehen schien, riß der Mann den Colt mit der Rechten in Brusthöhe und schoß.

Die große Münze sauste in den grauen Himmel und sah so winzig aus wie ein Centstück.

Weit hinter dem Baum fiel sie auf den Boden.

Bill Kennedy rannte los und brachte den Dollar zurück. Er reichte ihn seinem Boß.

Silk Cassedy warf nur einen Blick darauf, dann warf er ihn dem Fremden zu, der ihn geschickt mit der Linken auffing und in seine Weste gleiten ließ.

Auf dem Marktplatz herrschte betretene Stille.

Mit belegter Stimme fragte Silk den Fremden: »Wer… wer sind Sie?«

Der Mann nahm eine dünne schwarze Zigarre aus der linken oberen Westentasche, brannte sie an und ließ sie von einem Mundwinkel in den anderen wandern. »Das geht dich eigentlich herzlich wenig an; ich will es dir trotzdem sagen: Ich heiße Wyatt Earp.«

Cassedy legte den Kopf zur Seite. »Wyatt Earp?«

»Yeah.«

»He, Boß!« rief Lad Bryan. »Den kenne ich! Er ist Constabler in Lamar!«

Silk rieb seine klobigen Hände ineinander. »Hm, ich weiß. Ich kenne ihn jetzt auch.«

»Laß ihn in Ruhe!« rief Bill hastig dazwischen. »Der Kerl ist gefährlicher als eine Horde Sioux!«

Silk lachte plötzlich dröhnend auf. Es war eine unangenehm harte Lache, die nicht enden wollte.

»Wyatt Earp ist er? Dieser dünne Kerl will Wyatt Earp sein!«

Plötzlich wurde das Gesicht des Banditen starr. »Männer, er hat Tub und Ronny niedergeschlagen. Pustet ihn aus!«

Jimmy und Jonny Tucker griffen nach ihren Revolvern.

»Stop, Gents!« Wyatt Earp hatte den Colt wieder in der Linken. »Der Spaß ist zu Ende!«

»Er hat nur noch drei Schuß!« bellte Silk.

Wyatt warf ihm einen eisigen Blick zu. »Drei Schuß, die drei von euch umwerfen werden. Ich verspreche dir, Cassedy, daß du dabei sein wirst!«

Der Riese hatte die Hände steif über seinen Hüften hängen, nur drei Inches von den schweren Pistolen entfernt, die an beiden Seiten seines Waffengurtes hingen.

Es war eine knisternde halbe Minute, die da über den Marktplatz kroch.

Sieben Rowdies standen einem einzigen Mann gegenüber. Tub und Ronny hatten sich nach dem Dollarschuß auch hochgerappelt.

Während Silk feuerrot vor ohnmächtigem Zorn wurde, blieb das Gesicht des Constablers ruhig. Kalt hielten seine Augen den Banditen in Schach.

Da warf Cassedy den Kopf zu den anderen herum. »Er hat doch keine Chance, Boys! Wir haben sieben Schießeisen!«

»Und drei von euch sterben…«, gab der Constabler zu bedenken.

Er stand etwa sieben Yards vor der City Hall.

Tub und Ronny hielten kaum drei Yards vor ihm.

Drei weitere Yards zurück stand Silk.

Neben ihm Lad.

Dahinter hielten Jimmy Loon, Jonny Tucker und Bill Kennedy bei den drei herbeigeschleppten Zeugen.

Der Sheriff stand noch mit gefesselten Gliedern auf dem Karren. Dahinter standen ein paar Neugierige.

Hinter den Vorhängen der Fenster lugten nun zahlreiche Augenpaare auf den Platz.

Und da unten stand Wyatt Earp allein. Aber die Eiseskälte, die der Mann ausstrahlte, hielt Cassedy und seine Crew noch hin.

Wie lange noch?

Neben der City Hall war das Haus des Brunnenbauers Sutherland. Direkt neben der Tür war eine Schießscharte. Unbemerkt von allen schob sich jetzt der Lauf einer Winchester nach draußen.

Einer hatte es doch gemerkt: Wyatt Earp. Mit einem raschen Seitenblick hatte er die Hilfe erfaßt.

»Drei Schuß und zwei saubere Kugeln aus einer neuen Winchester, Cassedy!« sagte er, indem er mit einer Ellbogenbewegung auf das Gewehr deutete.

Cassedy sah es jetzt auch. Er erbleichte. Eine volle Minute verrann. Eine von jenen, wie sie im Leben Wyatt Earps noch hundertmal wiederkommen sollten.

Da endlich drehte der lange Cassedy sich um und winkte seinen Leuten.

Langsam schlenderten die Banditen auf die Mainstreet zu.

»Cassedy!« rief Wyatt hinter dem Vagabunden her. »Du verläßt mit deiner Bande sofort die Stadt! Und wenn ich dich noch einmal treffe, ist es an deinem letzten Tag!«

Der Bandit hielt im Gehen inne und wandte sich langsam um. »All right, Earp! An einem oder an deinem; kommt ganz darauf an, wer die Sonne im Rücken hat!«

»Du irrst dich, Cassedy. Ich glaube nicht, daß an deinem letzten Tag die Sonnen scheinen wird!«

Silk Cassedy und seine Leute verließen tatsächlich die Stadt. Sie holten ihre Pferde aus Harpers Mietstall und trollten sich davon.

Auf dem Marktplatz herrschte lauter Jubel.

Der alte Lester wurde vom Wagen gehoben und seiner Fesseln entledigt.

Die Leute drängten sich dicht um den Constabler aus Lamar; der zündete sich eine Zigarre an, zwängte sich durch die Herandrängenden und ging dann langsam auf das Haus des Brunnenmachers Sutherland zu.

Als er die Tür öffnete, blieb er verdutzt stehen.

Gleich neben dem Eingang lehnte ein blondes, etwa neunzehnjähriges Mädchen an der Wand. Es hatte die Winchester noch in der Hand.

»Was denn? Das waren Sie?« fragte Wyatt.

Über das blasse Gesicht des Mädchens schoß ein glühendes Rot. »Ja«, sagte es mit einer hellen, warmen Stimme. »Irgendeiner mußte doch was tun. Das war ja schrecklich…«

Plötzlich ließ die junge Dame den Kopf auf die Brust sinken und fing leise an zu weinen. Erst jetzt kam ihr zum Bewußtsein, was geschehen war und was alles hätte geschehen können.

Wyatt nahm ihre Hand. »Vielen Dank, Miß…«

Der alte Sheriff war Wyatt gefolgt. Er stand hinter ihm in der Tür. »Das ist Miß Willa Sutherland, Mr. Earp.«

Wyatt drehte sich und nahm auch Lesters Hand.

»Vielen Dank, Mr. Earp. Ich glaubte nicht, daß ich noch eine Chance gehabt hätte, wenn Sie nicht dazugekommen wären.«

»Hatten Sie tatsächlich Hilfe angefordert?«

»Ja, Joel McCoy sitzt unten im Post-Office. Ich hatte vor einer Stunde einen Burschen zu ihm geschickt. Den kleinen Joe White. Cassedy hat ihn ja drüben vor dem Sheriff-Office niedergeschossen. Auch auf Jimmy Gennan hat er geschossen. Wenn ich ein Mittel wüßte, wie ich Cassedy einsperren könnte, würde ich ihn dem Distriktsrichter übergeben.«

Wyatt nickte. »Ich glaube, dieses Mittel wird Ihnen Cassedy heute nacht selbst in die Hand geben.«

»Um Himmels willen! Glauben Sie etwa, daß er wiederkommt?«

»Todsicher. Er wird sich für die erlittene Schlappe rächen wollen.«

Der Alte nahm seinen Hut vom Kopf und wischte sich über die Stirn. »Reiten Sie heute noch weiter?«

»Ich muß nach Villary hinauf. Bin hinter einem Rinderdieb her, der unten bei uns Vieh gestohlen hat.«

»Vielleicht kann Mr. Earp heute nacht noch in der Stadt bleiben«, warf Willa Sutherland ein.

»Der Mann, dem ich folge, hat ohnehin anderthalb Tage Vorsprung, Miß!« Wyatt sog an seiner Zigarre und blies eine feine tiefblaue Rauchwolke gegen die Decke.

Die junge Frau betrachtete ihn. Das war also Wyatt Earp, der Mann, von dem Vater oft erzählt hatte. Der Hilfs-Sheriff aus Lamar.

Wie alt mochte er sein? Willas Augen suchten in seinem Gesicht. Es war ein hartes, eckiges tiefbraunes Männergesicht. Um die Augen zog sich ein Kranz winziger Fältchen, die man bei all jenen Männern beobachten konnte, die viel in Wind, Wetter und sengender Sonne unterwegs waren. Sein schwarzes Haar hatte an den Schläfen einige blinkende Silberfäden. Wie alt mochte er sein, dieser Wyatt Earp, von dem Papa, Onkel Joe und auch die anderen in der abendlichen Kartenrunde oft gesprochen hatten? Natürlich hatte auch Silk Cassedy ihn gekannt. Er war nur geschickt genug gewesen, sein Erschrecken zu verbergen. Es gab wohl kaum einen Mann, vor dem der brutale Bandit aus Wichita so sang- und klanglos das Feld geräumt hätte. Keinen anderen als diesen seltsamen Wyatt Earp.

Willa wunderte sich selbst, als sie ihre Hand auf seinem Unterarm sah und sich sagen hörte: »Bitte, Mr. Earp, bleiben Sie doch heute nacht. Sie wissen genau, daß Cassedy zurückkommt. Er ist imstande, aus Rache die Stadt anzuzünden.«

Der Constabler wandte sich an den Sheriff. »Sie müssen eben eine Bürgerwehr bilden, Mr. Lester. Der arme Bursche, der drüben vor Ihrem Office liegt, und der Mann mit der Parkerbüchse werden doch nicht die einzigen mutigen Männer in ganz Howell sein.«