Wyatt Earp 4 – Western - William Mark - E-Book

Wyatt Earp 4 – Western E-Book

William Mark

0,0

Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! Er hatte aschblondes Haar und schiefergraue Augen. Sein Gesicht war tiefbraun und eckig. Die blaue Uniformjacke war an den Ellbogen zerrissen und stand am Hals weit offen. Der schwarze Hut war staubbedeckt, ebenso die enganliegende schwarze Reiterhose und die hohen Stiefel. Das Bild eines Mannes, der fünf Jahre nach dem Krieg den Krieg doch nicht hatte abstreifen können. Der Blick seiner glanzlosen Augen schweifte über das hügelige Land nach Westen, senkte sich dann aber auf die struppige Mähne seines müde dahintrottenden Pferdes. Jim Borett saß schon lange im Sattel. Nicht etwa erst seit heute morgen oder gestern oder seit der vergangenen Woche; nein, er saß seit fünf Jahren im Sattel. Seit der große Krieg zu Ende war. Er hatte nicht heimfinden können, weil der Krieg zu lange gedauert hatte. Und weil die Welt so groß und weit war. Gestern war er bei Graystone von Missouri her nach Kansas hineingeritten. Weizengelb zogen sich die hohen Büffelgräser über die Hügelkuppen nach Westen hin. Der Tag neigte sich seinem Ende zu. Es war ein schöner sanfter Herbsttag gewesen. Der Reiter hatte eben eine kleine Anhöhe verlassen und hielt auf eine große Sagebuschgruppe zu, die den Boden der Senke bedeckte. Jim folgte schon seit dem frühen Morgen den oft kaum sichtbaren Zwillingsspuren eines Wagengleises. Hier in dieser einsamen Südostecke von Kansas fuhr nur selten ein Gefährt. Die sechsspännige Overland rollte viel weiter nördlich von Fort Scott hinüber nach Wichita. Die hohen Büsche traten jetzt näher an die »Straße«

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 149

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Wyatt Earp – 4 –

Das Grab am Arkansas

William Mark

Er hatte aschblondes Haar und schiefergraue Augen. Sein Gesicht war tiefbraun und eckig. Die blaue Uniformjacke war an den Ellbogen zerrissen und stand am Hals weit offen. Der schwarze Hut war staubbedeckt, ebenso die enganliegende schwarze Reiterhose und die hohen Stiefel. Das Bild eines Mannes, der fünf Jahre nach dem Krieg den Krieg doch nicht hatte abstreifen können.

Der Blick seiner glanzlosen Augen schweifte über das hügelige Land nach Westen, senkte sich dann aber auf die struppige Mähne seines müde dahintrottenden Pferdes.

Jim Borett saß schon lange im Sattel. Nicht etwa erst seit heute morgen oder gestern oder seit der vergangenen Woche; nein, er saß seit fünf Jahren im Sattel. Seit der große Krieg zu Ende war. Er hatte nicht heimfinden können, weil der Krieg zu lange gedauert hatte. Und weil die Welt so groß und weit war.

Gestern war er bei Graystone von Missouri her nach Kansas hineingeritten.

Weizengelb zogen sich die hohen Büffelgräser über die Hügelkuppen nach Westen hin.

Der Tag neigte sich seinem Ende zu.

Es war ein schöner sanfter Herbsttag gewesen.

Der Reiter hatte eben eine kleine Anhöhe verlassen und hielt auf eine große Sagebuschgruppe zu, die den Boden der Senke bedeckte.

Jim folgte schon seit dem frühen Morgen den oft kaum sichtbaren Zwillingsspuren eines Wagengleises. Hier in dieser einsamen Südostecke von Kansas fuhr nur selten ein Gefährt. Die sechsspännige Overland rollte viel weiter nördlich von Fort Scott hinüber nach Wichita.

Die hohen Büsche traten jetzt näher an die »Straße« heran.

Der Braune, der den Kopf schon seit Stunden hatte hängen lassen, nahm plötzlich die Nüstern hoch und schnaufte heftig.

Der Reiter schreckte aus seinem Dösen auf. Vor ihm zu beiden Seiten aus den Büschen kamen vier Männer. Zerlumpte, staubige Gestalten. Sie hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, Gesichtstücher umzubinden. Und nur zwei von ihnen hatten den Colt in der Hand.

Ein ellenlanger, spindeldürrer Bursche, dem der Wind durch die Rippen pfiff, hakte einen Daumen in den Waffengurt und ließ den Kopf ins Genick rutschen. In seinem stoppelbärtigen Gesicht regte sich kein Zug. Die Augen waren zu engen Spalten zusammengedrückt. Der Mund schien ein einziger Strich zu sein. Strähnig und mißfarben blickte das Haar unter dem breiten Hutrand hervor.

Er trug einen uralten, abgeschabten Waffengurt, dessen Halfter tief über dem linken Oberschenkel hing. Der Griff des schweren Revolvers blickte aus dem Halfterboden.

Graublau wie sein Hemd war auch seine enge Hose, die ein Paar ewig langer Beine umschlotterte und in ein Stiefel-Duo auslief, aus denen man recht gut zwei Hundekörbe hätte machen können.

»He!« Während er diesen Ruf ausstieß, schob er das Kinn vor und auch die Gegend, wo sich bei normalen Menschen der Leib befindet.

Borett hatte die Zügel hochgenommen.

Der Braune stand; er war höchstwahrscheinlich froh, daß er einmal stehen bleiben durfte.

Der Hagere winkelte die Ellbogen ab und machte wieder »He!«

Der Reiter blickte das wenig vertrauenerweckende Quartett nicht allzu besorgt an und machte auch: »He!«

Der Lange zog die Brauen hoch, und da sie über der Nase zusammengewachsen waren, sah es aus, als klaffte plötzlich ein Riß auf seiner Stirn. Dann wandte er den Kopf und blickte die beiden Männer an, die anderthalb Yards seitlich hinter ihm mit den Colts standen. Drauf schickte er einen Blick zu dem vierten Mann hinüber, der seinen zerfledderten Hut tief im Nacken sitzen hatte, sich geruhsam vor einen Busch setzte und einen langen gelben Grashalm zwischen den Zähnen wippte.

Der Lange nahm den Kopf wieder herum und stieß dann das Kinn erneut vor.

»Steig ab, Brother. Mach keine Umstände. Es kommen so wenig Leute durch unser Gebiet, daß wir uns keinen unnötigen Ärger machen wollen, wenn endlich mal einer kommt. Siehst du, Ed braucht ein Paar Stiefel, Mac eine Hose, ich eine Jacke und Franky einen Hut. Dein Geld teilen wir, und der Gaul wird in Buffalo versilbert.

Er hatte es ganz sanft und leise gesagt, so, als ob es sich um die selbstverständlichste Sache der Welt handelte.

»Und was geschieht mit mir?« fragte der Reiter.

Der Hagere hatte plötzlich ein dünnes Lächeln um den schmalen Mund.

»Was mit dir geschehen soll, Fellow? Mehr als eine Kugel kannst du schwerlich verlangen.«

Jim kniff das linke Auge ein.

»Ich will dir was sagen, Freund, ich bin sogar bereit, auch auf diese eine Kugel zu verzichten.«

Da kroch ein galliges Feixen über das rissige Gesicht des Banditen.

»Du machst mir Spaß, Brother. Steig endlich ab. Es ist so unschön, einen Toten aus dem Sattel zerren zu müssen.«

Jim fühlte ein unbehagliches Kribbeln unter dem Hut. Trotzdem sagte er.

»Das verlangt doch niemand von dir.«

Der Lange warf wieder einen Blick über die Gesichter seiner Kumpane. Dann meinte er rostig:

»Brother, du siehst es nicht richtig. Du hast unser Gebiet aufgesucht…«

»Und das soll nun mein Unglück sein?« unterbrach Jim.

Wieder kroch das gallige Lächeln über das pergamentfarbene Gesicht des Banditen.

»Wer spricht von Unglück, Brother? Ist es nicht völlig einerlei, wann und wo du deine Reise beendest? Du mußt uns sogar dankbar sein, daß wir dir eine Reihe von Jahren voller Ärger ersparen…«

»Aber ich denke gar nicht daran, mich zu ärgern«, versetzte Jim hartnäckig.

»Du wirst dich ärgern. Sieh mal, Franky drüben ist sechzig.«

»He! Er sieht wie vierzig aus!« rief Borett ehrlich verblüfft.

»Laß den Honig«, wehrte der Lange ab. »Wir waren zu fünft, Andy schnappte bei einem Besuch eine Kugel auf.« Der Lange wischte sich mit einer trägen Bewegung über den Mund. »Wir beneiden ihn alle darum. Er hat es nicht mehr nötig, hinter den Büschen zu hocken und auf Besuch zu warten.«

Einen ganz winzigen Augenblick dachte der Reiter, daß das so wenig Glück bringende Vierblattklee fast zum Lachen war. Aber Jim war zu lange unterwegs, als daß er in den Gesichtern dieser Männer nicht hätte lesen können. Es war diesen sanften Verbrechern toternst. Unter ihrer zerlumpten Äußerlichkeit und lässigen Trägheit waren sie weiter nichts als Mörder. Ihr düsteres Gewerbe bestand darin, auf »Besuch« zu warten.

Jim hatte derartige Burschen allenthalben auf seinem weiten Ritt getroffen. Aber diese Gesellschaft hier war jedoch irgendwie einmalig.

Der Dürre hatte einen Augenblick geschwiegen. Jetzt stieß er den spitzen Unterkiefer vor und schnarrte:

»Yeah – so ist das, Brother. Sei froh, wenn du bei Andy bist, und grüß ihn von uns…«

Der Alte am Wegrand hatte den Kopf plötzlich gehoben.

»Und vergiß nicht, ihm zu sagen, daß wir zu feige sind, ihm freiwillig nachzukommen!«

Mit einem Ruck ließ der Mann seinen Kopf wieder sinken. Seine Stimme hatte hohl geklungen, so, als käme sie aus einem Gewölbe heraus.

Nur den Bruchteil einer Sekunde hatte Jim Frankys Gesicht gesehen. Hart spannte sich die ausgelaugte Haut über die Knochen. Wind und Wetter, Hitze und Kälte, Entbehrungen und Krankheiten hatten dieses Gesicht gezeichnet.

Noch einmal hob Franky den Kopf.

»Mach Schluß, Lewt!« röhrte er den Langen an.

Lewt nahm seinen rechten Daumen aus dem Waffengurt und wies auf den Mann, der vor den Büschen kauerte.

»Er ist unser ältester Bruder. Ihm dauert schon alles zu lange.«

Brüder! zuckte es durch den Kopf des Reiters, und fast hätte er trotz seiner bedrohlichen Lage laut aufgelacht. Ja, jetzt sah er es: das war es also gewesen, was die Gruppe da vor ihm so sonderbar machte.

Kein einziger der Tramps rührte ein Glied.

Bis Lewt leise und ohne jede Erregung sagte: »Ed, hol ihn vom Pferd.«

Der untersetzte aber ebenfalls knochendürre Ed stieß den Colt hoch, spannte den Hahn – und starrte verblüfft auf den Revolver in der Faust des Reiters.

»Phi«, stieß Lewt durch die Zähne, »der will nicht. Harter Besuch.«

Jetzt erst hob der alte Franky den Kopf. »Mac«, zischte er heiser, »schläfst du?«

Als der Angesprochene den Revolver hochnehmen wollte, brüllte der Colt des Reiters auf.

Ed hatte eine Kugel im rechten Oberarm.

Jims Revolvermündung zeigte auf Mac.

»Ed muß noch hierbleiben, mit einer Kugel im Arm. Aber wenn du den Hahn berührst, Mac, bist du bei Andy.«

Lewt hatte seine Daumen im Waffengurt.

»Hey!« machte er. »Der Boy paßt sich uns an.«

Der Alte an den Büschen erhob sich mit hölzernen Bewegungen. Aus starren metallfarbenen Augen blickte er Lewt an.

»Ihr werdet von Tag zu Tag unbrauchbarer! Ihr wißt, daß nur ein Schuß fällt, wenn Besuch kommt. Und dieser Schuß kommt von uns!«

Die Linke des Hageren zuckte zum Colt.

Noch ehe Jim die Waffe herumnehmen konnte, sah er in das kreisrunde Mündungsloch, das ihm aus der knochigen Faust Lewts wie ein drohendes Auge entgegenblickte.

»Yeah, Brother, für diesen Fall haben wir diese Antwort bereit.« Der Lange grinste.

Jim mühte sich, seine Verblüffung zu verbergen.

»Dann stehen die Chancen jetzt gleich auf gleich.«

»Nicht ganz, Brother. Ich schieße schneller.«

Der Alte an den Büschen machte ein saures Gesicht.

»Schluß jetzt, Lewt! Wir verlieren unnötig Zeit!«

Der Lange zog die Augenbrauen wieder in die Stirnmitte hoch.

»Weißt du, im allgemeinen machen wir es kürzer. Aber mit Blaujacken überhasten wir nichts. Wir alle haben schließlich diesen Frack getragen.«

»Kaum zu glauben«, sagte Jim.

»Deshalb schießen wir grundsätzlich keinen Soldaten aus dem Sattel. Du steigst jetzt ab und läufst ganz gemütlich ein paar Schritte zu den Büschen hinüber und…«

»… und dann bin ich bei Andy«, unterbrach ihn Jim grinsend.

Über das Gesicht des Hageren kroch wieder das Indianerlachen. »Du sagst es, Brother.« Und plötzlich stand ein kaltes Glimmen in den Augen des Wegelagerers.

Der sonst so leichtsinnige Jim hatte längst gespürt, daß diese so sanft redenden Männer eiskalte Banditen waren. Wenn er jetzt nicht sofort handelte, lag er zweifellos in der nächsten Minute mit einem Loch im Rücken drüben in den Büschen.

Den Colt in der vorgestreckten Rechten rutschte er vom Pferd, er ließ Lewt nicht aus den Augen.

Und dann lag er plötzlich am Boden und schoß.

Auch der Lange hatte geschossen.

Und auch der Alte drüben an den Büschen. Kein Mensch hatte ihm zugetraut, daß er seine alte Parkerpistole so schnell hätte ziehen können.

Lewt stand einen Augenblick reglos da, dann schwankte er zu Seite und brach links in die Knie.

Jim schoß wieder.

Er hatte auf den Alten gezielt.

Der hatte sich ganz zur Seite gerollt.

Jim federte hoch und verschanzte sich hinter der Hinterhand seines Pferdes. Zwei Kugeln zischten dicht an seinem Schädel vorbei.

»Gib’s auf, Brother! Wir machen dich doch fertig!« rief der ausgetrocknete Franky.

Jim zuckte hoch, stieß den Colt vor und schickte eine Kugel zu dem Banden-Boß hinüber. Sie fehlte ihr Ziel.

Da er den Alten, der neben Lewt zweifellos der gefährlichste war, im Auge behalten mußte, bemerkte er nicht, daß Ed sich blitzschnell gebückt und mit der unverletzten Linken seinen Colt aufgehoben hatte.

Im Augenblick warf sich Mac herum und hechtete links auf die nahen Büsche zu.

Das hatte Borett bemerkt. Er schickte dem Tramp eine Kugel nach, die jedoch auch ihr Ziel verfehlte.

Es war ganz klar: Die Wegelagerer wollten ihn einkreisen. Dann hatte er keine Deckung mehr, und es war nur noch eine Sache von Sekunden, bis ihn eine Kugel von den Beinen riß.

Damned! schoß es durch sein Hirn. Er war aus hundert brenzligen Situationen entkommen, hatte sich im Krieg seinen Graben selber ausgesucht, war länger als ein halbes Jahrzehnt durch die dark and bloody grounds gezogen und vielerlei Gefahren entronnen, und jetzt sollte er hier unter den Kugeln dieser vier Wegelagerer sein Dasein beschließen müssen?

Damned! So hatte er es sich wirklich nicht gedacht. Schließlich war er auf dem Ritt heimwärts gewesen. Er hatte noch eine Menge vorgehabt. Und fünfunddreißig war schließlich auch noch kein Alter, um zu gehen.

Der Mann fühlte, daß ihm der kalte Schweiß auf die Stirn trat.

Mac war durch die Büsche entkommen. Er würde sich jetzt von der Seite heranschleichen und hatte es nicht einmal nötig, sich sehen zu lassen. Ein einziger Schuß genügte schließlich, auch den stärksten Mann umzuwerfen.

Franky hatte sich drüben längst hinter einem großen Stein in Sicherheit gebracht.

Lewt kniete am Boden und preßte beide Hände oben auf die Brust. Sein pergamentfarbenes Gesicht war aschgrau geworden.

Nur Ed stand noch da. Neun Yards entfernt. Aus seinem rechten Ärmel tropfte Blut. Die Linke hatte er auf dem Rücken verborgen; die Hand mit dem Colt.

Es war tatsächlich nur noch eine Frage von Sekunden.

Da krächzte der schwergetroffene Lewt: »Gib’s auf, Blaurock, du hast keine Chance mehr. Die Frage ist nur, ob Franky oder Mac dich ausbläst.«

Da sprang Ed zur Seite, riß den Colt hoch und schoß.

Seine Kugel fegte Jim den alten Hut vom Kopf.

Jim duckte sich, und dann brüllte der Colt in seiner Faust auf. Das war seine letzte Aktion in diesem Gefecht.

Ed stürzte vor den Büschen hintenüber ins Gras.

Der Blaurock hatte nun wirklich keine Chance mehr.

Der Revolverkugel, die rechts aus den Büschen kam, konnte er noch so weit ausweichen, daß sie nur seine Jacke über dem Rücken zerriß.

Aber als der alte Franky dann drüben aufsprang, der heimtückische Mac seitlich hinter ihm durch das Gehölz brach und sich der schwer verletzte Lewt vor ihm auf seinen Colt gestürzt hatte und ihn hochriß, schien das Schicksal des ehemaligen Lieutenants Jimmy Borett besiegelt zu sein.

Genau in dieser Sekunde heulte der Schuß einer schweren Winchester über die Halde.

Frankys Colt flog hoch und wirbelte mitten auf den Weg.

Der gleich darauffolgende Schuß stieß Mac das Schießeisen aus der Hand.

Lewt hatte sich hochgerissen, torkelte drei Schritte zur Seite und schoß auf Jim. Aber seine Hand zitterte, die Kugel ging einen halben Yard vorbei.

Jim, der bei dem Aufheulen des Gewehrs den Kopf eingezogen hatte, wandte sich für einen Augenblick um. Oben über die Halde sprengte jetzt ein Reiter auf einem pfeilschnellen Falben heran.

Die Winchester hatte er längst im Scabbard, seine Linke hatte einen langläufigen 45er Colt schußbereit im Anschlag.

Lewt warf sich herum und richtete den Revolver auf den Reiter.

Aber bevor der Bandit die Waffe hoch genug hatte, brüllte der Colt in der Hand des Reiters auf.

Wie ein Stockschlag traf die Kugel den hageren Mann in die linke Schulter.

Lewt fiel vornüber aufs Gesicht mitten in die Wagenspur hinein.

Da war der Reiter heran.

Er glitt aus dem Sattel und ließ seinen Blick schnell zwischen Mac und Franky hin und her gleiten.

»Hallo, Boys!«

Der hartgesottene Familienboß Franky schnellte vorwärts, um seinen Colt zu erreichen.

Aber ehe seine Hand ihn erreichte, sprang die Waffe von einer Kugel des Fremden getroffen noch zwei Yards zur Seite.

Franky lag flach am Boden und warf dem Reiter einen giftigen Blick zu.

»Laß die Scherze, Alter!« herrschte ihn der Fremde an. »Sei froh, daß ich so schlecht treffe, sonst müßten deine Freunde dich jetzt begraben.«

Jim Borett hatte sich aufgerichtet und blickte den Fremden forschend an.

Es war ein hochgewachsener Mann. Noch einen halben Kopf größer als Jim selbst. Er hatte ein tiefdunkles wetterbraunes Gesicht, aus dem zwei große langbewimperte blaue Augen mit einem seltsam eindringlichen Blick hervorsahen. Seine Nase war schmal und gerade, der Mund gutgeschnitten und energisch. Es war ein hartes, kantiges Gesicht.

Unter dem vorn tief in die Stirn gezogenen Hut blickte dunkles Haar hervor. Der Mann trug ein weißes Hemd mit einer Samtschleife, eine kurze schwarze Weste und enge schwarze Texashosen, die unten über die hochhackigen Stiefel liefen.

Mit einem geradezu artistischen Handsalto ließ er den Colt ins Halfter gleiten. Jim sah, daß auch über dem rechten Oberschenkel des Fremden ein 45er Colt im Halfter steckte.

Der Mann verschränkte seine Arme und blickte Jim prüfend an.

»Na, Mister, kleine Abendunterhaltung gehabt?«

Jim wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn und grinste. Dann zog er es doch vor, die vier Revolver der Banditen einzusammeln. Als er sie vorn über seinem Hemd im Gurt stecken hatte, lachte ihn der Fremde an.

»Jetzt sehen Sie aus wie ein Pirat.«

Borett sah an seiner abgerissenen Uniform herunter.

»Yeah«, meinte er gepreßt, »so ungefähr.«

Das Lächeln war aus dem Gesicht des Fremden gewichen. Er spannte seine sehnigen braunen Fäuste um seine Oberarme und wies mit dem Kopf auf die Tramps.

»Freunde von Ihnen?«

Jim grinste. »Yeah, ganz sicher, wir kennen uns gut zehn Minuten, und wenn Sie nicht dazu gekommen wären, wäre es bestimmt meine letzte Bekanntschaft gewesen.«

Borett nahm mit der Linken seinen Hut ab und wischte mit dem rechten Ellbogen über das Schweißband. Er blinzelte ein wenig in die untergehende Sonne und meinte:

»Ich bin Jim Borett.«

Der Fremde blickte ihn unverwandt an.

»Mein Name ist Earp.«

Borett warf den Kopf herum.

»Earp? He, ich habe von einem Sheriff Earp gehört! Er hat oben in Ellsworth, und ich glaube auch anderwärts, eine ganze Menge gezaubert.«

Earp ging auf den stöhnenden Lewt zu, drehte ihn auf den Rücken und blickte ihm ins Gesicht.

Da giftete Franky: »Laß ihn liegen, Mann! Er will zu Andy.«

Da löste sich bei Borett die Verkrampfung; er lachte hart auf.

Earp blickte ihn an.

Da meinte Borett: »Es sind Brüder. Die trockensten Banditen, die mir bis heute begegnet sind. Einer von ihnen muß bei einem Überfall abgeknallt worden sein.«

Earp erhob sich und blickte den Alten an.

»Steh auf, Mann«, sagte er hart, »und verbinde den Burschen hier.«

»Das würde er mir verdammt übelnehmen«, knirschte der Alte. Er hatte sich mit unbewegtem Gesicht erhoben.

»Reiß ein Stück von deinem Hemd und verbinde ihn!«

Es klang rauh und metallen und zwang den alten Banditen, dem Befehl nachzukommen.

Borett hatte inzwischen Mac und Ed mit zwei Lederriemen die Hände auf den Rücken gefesselt.

»Sie kommen aus Missouri?« fragte er seinen Retter.

»Yeah.«

»Geschäftlich unterwegs?«

»No.«

»Suchen Sie einen Job auf einer Ranch?«

Da blickte der alte Tramp, der gerade einen Streifen aus Lewts Hemd gerissen hatte, auf und zischte:

»Wir hätten dich doch aus dem Sattel schießen sollen. Du bist dümmer, als es der Präsident erlaubt. Wenn du nicht weißt, daß er Wyatt Earp ist, hast du hier in diesem Land keine Chance.«

Jim warf den Kopf herum und blickte den Missourier verblüfft an. Dann stieß er einen leisen Pfiff durch die Zähne.

»He, ich hab’s doch gewußt, daß ich Sie kenne! Sie sind wirklich Wyatt Earp?«