Wyatt Earp 7 – Western - William Mark - E-Book

Wyatt Earp 7 – Western E-Book

William Mark

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Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! Am Südwestrand der Stadt Wichita lag der Drythroat-Saloon, die Schenke zur trockenen Kehle. Ida May, die Inhaberin, war eine Frau, die etwas von der Wucht und der Breite eines Bisons an sich hatte. Ihr Mundwerk war in der ganzen Stadt gefürchtet. Eben jetzt stand sie mit hochgekrempelten Ärmeln auf der obersten Treppenstufe nahe der Hoftür und blickte herrisch über die Männer, die in der ersten starken Märzsonne um einen großen Tisch saßen und laut diskutierten. Die Frau zog die Brauen zusammen und kreischte. »Mr. Pierce! Mein Laden heißt wohl ›Zur trockenen Kehle‹ – das will aber nicht besagen, daß die Kehle trocken bleiben soll!« Ein großer schwerer Mann mit verlebtem Gesicht und grünen Augen richtete sich auf, steckte die Daumen unter die Ausschnitte einer giftgrünen Weste und grinste zu der Saloonerin hinüber. »Yeah, Madam, Sie haben es erfaßt! Schicken Sie den Keeper mit fünf Flaschen heraus!« »Fünf?« keifte die Wirtin. »Ihr seid doch sieben Männer!« Ein grölendes Lachen schlug ihr entgegen. Die Frau wischte sich übers Gesicht und ging zurück ins Haus. Abel Pierce, in ganz Texas und halb Kansas als »Shanghai-Pierce« bekannt, ließ seine schwere behaarte Faust auf die Tischplatte fallen. Dann zupfte er mit der Linken seinen Schnauzbart und fletschte seine gelben Zähne. »Eine ulkige Zwiebel, die Alte!

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Wyatt Earp – 7 –

Hölle in Wichita

William Mark

Am Südwestrand der Stadt Wichita lag der Drythroat-Saloon, die Schenke zur trockenen Kehle. Ida May, die Inhaberin, war eine Frau, die etwas von der Wucht und der Breite eines Bisons an sich hatte. Ihr Mundwerk war in der ganzen Stadt gefürchtet.

Eben jetzt stand sie mit hochgekrempelten Ärmeln auf der obersten Treppenstufe nahe der Hoftür und blickte herrisch über die Männer, die in der ersten starken Märzsonne um einen großen Tisch saßen und laut diskutierten.

Die Frau zog die Brauen zusammen und kreischte. »Mr. Pierce! Mein Laden heißt wohl ›Zur trockenen Kehle‹ – das will aber nicht besagen, daß die Kehle trocken bleiben soll!«

Ein großer schwerer Mann mit verlebtem Gesicht und grünen Augen richtete sich auf, steckte die Daumen unter die Ausschnitte einer giftgrünen Weste und grinste zu der Saloonerin hinüber. »Yeah, Madam, Sie haben es erfaßt! Schicken Sie den Keeper mit fünf Flaschen heraus!«

»Fünf?« keifte die Wirtin. »Ihr seid doch sieben Männer!«

Ein grölendes Lachen schlug ihr entgegen.

Die Frau wischte sich übers Gesicht und ging zurück ins Haus.

Abel Pierce, in ganz Texas und halb Kansas als »Shanghai-Pierce« bekannt, ließ seine schwere behaarte Faust auf die Tischplatte fallen. Dann zupfte er mit der Linken seinen Schnauzbart und fletschte seine gelben Zähne. »Eine ulkige Zwiebel, die Alte! – So, Gents, und nun weiter im Handel!« Er schob seine Daumen wieder hinter die Westenausschnitte und musterte einen älteren Mann, der ganz in abgetragenes Leder gekleidet war und ihm. direkt gegenübersaß. »He, Graham, wie sieht’s nun aus? Sie haben also fast drei­tausend Stück auf dem Trail hergebracht?«

Thomas Graham öffnete die Lippen. »Yeah, Mr. Pierce. Es waren genau drei­tausend. Aber die verdammte Dürre, die ausgetrockneten Wasserläufe, der weite Weg und schließlich die Comanchen haben an der Herde genagt. Es sind jetzt: noch 2750 Stück.«

»Good!« rief Pierce polternd, wobei er die fünf anderen Männer mit einem raschen Blick streifte. »Wollen wir die Sache zu Ende bringen. Was haben Sie erwartet?«

Graham hatte die Hände ruhig zusammenliegen. »Zwanzig Dollar pro Stück!«

Pierce stieß den Kopf vor und schob sich den Hut aus der Stirn. Dann nahm er den Kopf nach rechts und hielt lauschend die Linke hinters Ohr. »Wie war das, Graham?«

»Zwanzig Dollar pro Stück«, versetzte der alte Cowboy ruhig, nahm seinen Hut ab und fuhr sich durch sein kurzes, stoppeliges Grauhaar.

Pierce lachte schnell und leise, dann brach er übergangslos in eine dröhnende Lache aus, die nicht enden wollte.

Unverdrossen blickte ihn der Cowboy an.

Da prustete Pierce los: »Zwanzig Dollar? Wenn Sie die einbringen wollen, dann müssen Sie noch zweitausend Meilen weitertrailen – nach Montana hinauf. Vielleicht gibt’s da im Schnee einen Rancher, der verlegen um ein Texasrind ist. Hier gibt’s einen anderen Preis.«

»Wieviel geben Sie?« fragte der Cowboy starr.

»Was ich gebe, Graham – ist nicht das, was es hier gibt. Ich gebe einen Dollar mehr.«

»Und wieviel wäre das?«

Pierce hob die rechte Hand und spreizte seine fünf Finger.

Graham wollte aufstehen.

Sein Nachbar, ebenfalls ein älterer Mann, hielt ihn zurück. »Warte, Tom, Mr. Pierce ist der größte Viehaufkäufer hier.«

»Fünf Dollar?« Der Cowboy zog die Brauen zusammen. »Im nördlichen Texas kosten sie vier Dollar. Soll ich den Trail um einen Dollar gemacht haben, Lynner?«

Pierce grinste. »Es wird Ihnen nicht viel anderes übrigbleiben, Graham. Die Leute geben hier vier und einen halben Dollar. Ich gebe fünf.«

Ein flachsblonder Bursche brachte den Whisky. Er stellte vor jeden Mann eine Flasche hin.

Pierce trank, nachdem er den Korken aus dem Flaschenhals gezogen hatte, einen mächtigen Schluck. Rülpsend meinte er dann: »Sie brauchen natürlich nicht an mich zu verkaufen, Graham. Sie können zu jedem anderen gehen, aber niemand wird Ihnen mehr als viereinhalb geben.«

Graham blickte die anderen Männer an. Sie beantworteten seinen Blick betreten.

In diesem Augenblick wurde das Hoftor geöffnet. Ein mittelgroßer Mann mit breiten Schultern und schmalen Hüften kam heran. Er hatte ein fahlgelbes Gesicht, starke Backenknochen, unstete dunkle Augen und schwere, eckige Kinnladen. Oberlippe und Kinnspitze waren von einem schwarzen störrischen Bart bedeckt. Seine Nase war gerade und hart, die Unterlippe breit und vorgeschoben. Unter seinem breitrandigen Cowboyhut sah tiefschwarzes strähniges Haar hervor.

Seine Cowboytracht war neu und sah ziemlich teuer aus. An jeder Hüfte trug er einen 45er Colt, in der rechten Hand hielt er eine kurzläufige Parker-Flinte.

Dieser Mann sollte auf eine so negative Weise in die Geschichte des Wilden Westens eingehen, wie kaum ein anderer. Es war Mannen Clements, der ältere der vier Clements-Brüder aus Texas. Sie begleiteten seit Jahren als Viehtreiber die Herden vom Süden herauf nach Kansas.

Clements setzte seine leicht gebogenen Reiterbeine voreinander und kam an den Tisch. Die Männer blickten ihm neugierig entgegen.

Der Cowboy stützte sich auf den Lauf seines Gewehres und wandte sich an Pierce: »Sind Sie Shanghai-Pierce?«

»Yeah! Was gibt’s, Mister?«

Clements musterte ihn scharf. »Sie geben fünf?«

Pierce nickte. »Yeah! Haben Sie eine Herde heraufgebracht?«

Der Treiber bejahte.

»Wieviel Tiere?«

»Zweitausend.«

»Woher?«

»Aus Silverlake.«

»Welche Ranch?«

»Die Cloover-Ranch.«

Abel Pierce erhob sich. »Ah, Donald Cloover? Ich kenne ihn. Er hat nur gutes Vieh. Good, das Geschäft können wir machen, Mister –?«

»Ich bin Mannen Clements.«

Pierce erhob sich, warf zwei Geldscheine auf den Tisch und rief dem Keeper zu, der oben an der Tür stand: »Hier, Sonny, für den Whisky! – So, Clements, dann wollen wir uns gleich mal Ihre Herde ansehen.«

Der Treiber rief so laut, daß die anderen es hören mußten: »Billy Corgeeter und Butch Stevensen kommen hinter mir mit ihren Herden an. Sie haben zusammen über fünftausend Rinder.«

»Good!« rief Pierce mit zufriedener Miene. »Damit wäre mein Bedarf erst mal gedeckt.« Er hob grüßend zu den Männern am Tisch die Hand und tat, als wolle er gehen.

Da stand Graham auf. »Pierce!« Der Viehhändler wandte sich kurz vor dem Tor um. »Ja, was ist noch?«

Der Cowboy preßte die Lippen aufeinander, dann stieß er die Luft durch die Nase. »Sie könnten wenigstens zehn geben!«

Pierce lachte. »Sie sind ein Spaßvogel, Graham. Schluß jetzt, ich habe keine Zeit.«

Graham kam langsam auf ihn zu. Als er zwei Yards vor ihm stand, sagte er: »Ich bin mit 3000 Rindern ganz vom Süden heraufgekommen. Fast zweitausend Meilen weit. Mit zwölf Männern.«

»Tut mir leid, Graham.«

»Geben Sie zehn!«

»Aber ich müßte doch verrückt sein! Hier, der Mann hat sich in der Stadt erkundigt, und er ist zufrieden mit dem, was ich gebe.«

Graham nickte. »Es ist gut. Ich verkaufe…«

Der Trailboß Thomas Graham verkaufte 2750 Stück bester texanischer Rinder für den Schandpreis von fünf Dollar an den Wucherer Abel Pierce.

Das heißt, Shanghai-Pierce war nicht nur ein Wucherer, er war auch ein Betrüger.

Mannen Clements hatte keine Herde zu verkaufen. Er war ein einfacher Treiber, der mit seinen Brüdern und anderen Cowboys weit draußen am Arkansas eine angetriebene Herde zu bewachen hatte. In Ida Mays Saloon hatte er vor ein paar Tagen Pierce getroffen. Der Händler war selbst mit einer großen Herde aus Texas heraufgekommen, unterwegs am gelben Creek aber gewaltig mit den Racuror-Comanchen zusammengeraten. Er hatte fast tausend Rinder eingebüßt und suchte den Riesenverlust jetzt durch irgendeine schamlose Spekulation zu ersetzen.

Graham, Lynner und Higho, drei Trailbosse, die gestern angekommen waren, schienen ihm die richtigen Dummköpfe zu sein, um das entstandene Loch zu füllen.

Und Mannen Clements, den Pierce schon seit Jahren kannte, war genau der richtige Mann, bei diesem unsauberen Handel zu helfen.

Daß Graham und die beiden anderen, die nun auch verkauft hatten, später in der Stadt hundertfach Gelegenheit hatten, zu erfahren, wie schandbar der Viehhändler sie betrogen hatte, interessierte Pierce herzlich wenig.

Nach Schluß des großen Geschäftes stand er mit Mannen Clements vorn im Saloon und warf eine Lassorunde. Das bedeutete eine große Runde für alle, die im Saloon anwesend waren.

»Ein gutes Geschäft«, meinte Pierce.

Mannen nickte. »Und wenn Graham und die beiden anderen Hohlköpfe Theater machen, blase ich sie aus!«

»Vorsicht, Mannen!« mahnte der Viehhändler. »Nach Möglichkeit keine Schießereien. Der Marshal hier ist ein Höllenhund. Ich meine weniger er, als sein erster Deputy.«

»Wyatt Earp?« fragte Clements.

»Yeah – kennst du ihn?«

»No, hab’ von ihm gehört. Er soll ziemlich schnell sein.«

»Verteufelt schnell. Ich habe noch keinen Mann gesehen, der den Colt schneller aus dem Halfter hatte.«

Clements’ fahles Gesicht bekam Farbe. Er war nicht nur unter seinen Gefährten, sondern fast in ganz Texas als gefährlicher Revolverschütze bekannt. Was ihn aber aus der Gruppe all der anderen Revolverleute heraushob, das war die Tatsache, daß er immer und überall ein Gewehr mit sich herumschleppte. Er wurde oft deswegen verspottet und befragt, aber er machte sich nichts daraus und behielt die Büchse ständig bei sich.

Gyp, sein zweitältester Bruder, hatte einmal behauptet, Mannen habe mit dem Gewehr schon mehrmals sein Leben retten können. Andere Leute wieder behaupteten, in dem Gewehrkolben sei ein gewaltiges Stück Gold verborgen, und eine dritte Gruppe schließlich wollte wissen, daß Mannen Clements ohne Gewehr eben nicht Mannen Clements wäre. Eine sonderbare, einmalige Type im alten Westen war er jedenfalls, darüber konnte es keinen Zweifel geben.

Und Mannen hatte gerade wieder einmal ein gutes, wenn auch schmutziges Geschäft. Pierce hatte ihm ein dickes Bündel mit Dollarscheinen zugeschoben. »Und nun kommt der zweite Teil, Mannen, passen Sie genau auf. Eben ist Tom Graham hinten durch die Tür gekommen. Ich sehe ihn im Spiegel. Er ist stehengeblieben und starrte zu uns herüber. Vielleicht wird er schießen…«

Clements umklammerte seine Büchse. Eiskalt blickte er den Händler an. »Das hatten Sie einkalkuliert?«

»No, Cowboy, nicht unbedingt…«

Da sagte Mannen Clements die Worte, die der Hufschmied Kid Conally hörte und die später der Geschichteschreiber Stuart Norman einmal in seinem Buch über die großen Revolvermänner aufschreiben sollte:

»Für dreihundert Dollar mache ich mit meiner Flinte aus jedem Menschen zwei Teile!«

Selbst der abgebrühte Abel Pierce hatte bei diesen Worten ein verdammt unbehagliches Gefühl in der Magengegend.

Clements wandte sich langsam um. Das Gewehr hatte er in der rechten Armbeuge. Niemand wäre auf den Gedanken gekommen, daß dieser Mann jetzt einen anderen Menschen töten würde, ja, daß er so überhaupt schießen konnte. Er hatte die Rechte um das schmale Schloß gespannt und den Zeigefinger am Drücker. Unbemerkt schob er mit dem Daumen den Hahn zurück. Der Lauf der Büchse zeigte nach unten.

Pierce starrte in den Spiegel. Er sah nur Grahams Gesicht. Ein verzerrtes, verzweifeltes, blindwütiges Gesicht.

»Los, tun Sie was!« zischte Pierce dem Treiber zu, ohne sich umzuwenden.

Der lachte kalt und zischte zurück: »Dreihundert Bucks, Shanghai-Pierce!«

Der Händler beobachtete unausgesetzt den Spiegel.

Das Gesicht des Trailbosses war geradezu furchterregend. Seine Rechte hing über dem alten Colt.

»Wie war das mit dem zweiten Teil des Geschäftes?« zischelte Clements seinem Partner zu.

»Er schießt gleich, Mann, sehen Sie das nicht? Er hat die Hand überm Kolben!«

»Na und? Auf mich wird der kaum zuerst schießen. Und was sollte ich auch tun? Sie wollen ja keine Schießerei aus Angst vor dem scharfen Marshal!«

Auf der Stirn des Händlers standen dicke Schweißperlen.

Die Wirtin sah ihn an. Mit einem durch viele bittere Erfahrungen geschärften Auge sah sie ihn an. »Blüht was, Pierce?«

»Halt’s Maul, Ida!« stieß der Mann rauh hervor.

Da hörte er neben sich die laute, aufreizende, etwas schleppende Stimme des Treibers: »Hallo, da ist ja auch der alte Graham!«

Pierce starrte gebannt in den Spiegel.

Das verwitterte Gesicht des Trailbosses war grau geworden.

Clements sagte höhnisch: »Gute Geschäfte gemacht, Tom? Sieht fast nicht so aus.« Clements lachte. »Dreihundert?« fragte er seinen Nachbarn leise.

»Yeah.«

Der Alte kniff die Lippen zusammen. »Ihr verdammten Hunde!« Seine Rechte fuhr zum Colt.

Da aber krachte von der Theke her der Schuß.

Mit geradezu furioser Geschwindigkeit hatte der Treiber den Lauf seiner kurzen Flinte hochgerissen.

Graham war nicht einmal zum Schuß gekommen. Seine Hand umspannte den Knauf des Colts, der noch im Halfter steckte. Er war ein alter, auf der Weide ergrauter Weidereiter gewesen, der graue Tom Graham, aber kein Schütze. Tödlich getroffen brach er zusammen.

Pierce fuhr herum und brüllte in die Stille: »Es war ein fairer Kampf! Ganz klar. Es war Notwehr!«

Die Menschen in der Schenke schwiegen.

Ein großer, hagerer Mann ging zur Tür.

»Wohin, Brother?« schlug ihm die scharfe Stimme des Treibers nach.

Der Mann wandte sich um. »Ich hole den Marshal.«

Clements, der in die Stille hinein mit hartem Geräusch sein Gewehr wieder geladen hatte, hob den Lauf. »Der auch?« zischte er dem Händler zu.

Pierce ballte die Fäuste. »Warte!« Dann stieß er sich von der Theke ab und ging auf den Hageren zu. »Was wollen Sie, Mann?«

»Den Marshal holen!«

»Wozu?«

Der Mann wies auf den Niedergeschossenen. »Hier ist einer getötet worden.«

»Na und? Was soll der Marshal daran ändern?«

»Ändern? Er muß es wissen.«

Da kam Clements’ harte Stimme von der Theke: »Pierce, gehen Sie mir aus der Schußlinie!«

Der Viehhändler fuhr herum. »Halt, warte!«

Da kam der Treiber von der Theke zur Tür und blieb vor dem Menschen stehen. »Was soll’s, Brother?«

Der Mann sah ihn unbeirrt an. Es war der Schlosser Leo Warrens. »Sie haben diesen Mann da niedergeschossen. Wir leben hier nicht bei den Wilden, Mister. Wir haben hier unsere Ordnung, das Gesetz!«

Weiter kam Warrens nicht.

Der Treiber hatte das Gewehr herumgerissen: krachend schlug der schwere Kolben seitlich gegen den Schädel des Schlossers.

Der Mann fiel sofort wie tot um.

Keuchend kam die dicke Wirtin hinzu. Sie warf einen Blick auf Warrens. »Ist er auch tot?«

Clements schickte der derben Frau einen zynischen Blick zu. »No, Madam – noch nicht.« Dann wandte er sich zu Pierce um und hielt die Hand auf.

Der Händler sah sich im Saloon um.

»He, bringt den Toten endlich raus!« rief er drei Burschen zu, die mit verstörten Gesichtern an einem der nächsten Tische saßen.

Die drei erhoben sich und schleppten den toten Trailboß Tom Graham hinaus.

Leo Warrens lag leblos am Boden.

Um ihn kümmerte sich niemand.

Die wenigen Männer, die noch an den übrigen Tischen saßen, hatten nicht den Mut, etwas zu sagen, geschweige denn, etwas zu unternehmen.

Clements stieß Pierce mit dem Gewehrlauf gegen die Stiefel. Dann hielt er wieder mit unmißverständlicher Gebärde die Hand auf.

Der Viehhändler wandte sich um, damit niemand sehen sollte, daß er Geld aus der Tasche nahm.

Er zählte dreihundert Dollar ab und reichte sie dem Treiber mit einer schnellen Bewegung hin.

Der aber nahm es ohne Hast, mühte sich nicht, es zu verbergen und zählte, so daß jeder es sehen konnte, seinen Mordlohn nach. Dann sah er auf und knurrte bösartig: »He, Shanghai, da fehlt einer!«

Pierce sah ihn giftig an. Dann griff er in die Tasche und nahm einen weiteren Geldschein heraus.

Clements nahm ihn und steckte ihn ein. Dann grinste er breit und ging zur Tür.

*

Ein Cowboy hatte spät am Abend die Nachricht vom Tod des Trailbosses Thomas Graham hinaus ins Camp getragen.

Fünfzehn Meilen vor der Stadt stand die erste Herde. Joe Henderson, einer der sechs Männer, die am Vormittag mit Graham in Ida Mays Saloon-Hof gewesen waren, horchte auf, als die Nachricht im Weidelager eintraf.

Tom Graham war also tot!

Henderson rieb sich den Schädel. Damned! Waren sie denn alle verrückt gewesen? Wie hatten sie auf den verrosteten Dreh dieses verdammten Pierce nur hereinfallen können! Sie hätten an seinem Camp vorüberreiten können, das eine halbe Meile vom Stadteingang aufgeschlagen war. Aber das große Schild: Ich kaufe jedes Rind zum besten Preis! hatte sie angelockt. Und als dann sechs Trailbosse beieinander waren, hatte ­Pierce sie zum Dry-throat-Saloon geführt; es war die erste Schenke stadteinwärts. Daß niemand auf den Gedanken gekommen war, weiterzureiten, tiefer in die Stadt hinein, andere Viehaufkäufer zu befragen! Henderson begriff es selbst nicht. Und gerade Graham war sonst immer ein mißtrauischer Bursche gewesen. Aber er hatte einen harten Trail hinter sich gehabt und war wohl nur deshalb auf Pierces Leim gegangen.

Graham, Pat Lynner und Jim Higho. Zusammen fast 7000 Stück Vieh für fünf Dollar…

Henderson teilte die Wachen ein, bestieg sein Pferd und ritt sieben Meilen ostwärts, wo die Herde von John Griffith stand.

Der Trailboß kam ihm verwundert entgegen. »He, Henderson! – Was gibt’s?«

Henderson sah einen Mann hinter Griffith herkommen: Jim Donovan. Er war auch Trailboß; seine Herde stand neuneinhalb Meilen von hier im Nord­osten. Er war der sechste Mann, der am Vormittag im Saloonhof dabei gewesen war.

Henderson erzählte ihnen die Neuigkeit.

Sie hatten den alten Graham gut gekannt. Auf vielen Trecks waren sie ihm begegnet. Er war immer ein sehr harter, aber offener und hilfsbereiter Mann gewesen.

Und während er, Pat Lynner und der Junge Jim Higho an Shanghai-Pierce verkauft hatten, waren die drei anderen mißvergnügt zurückgeritten. Niemand aber war auf den Gedanken gekommen, einen anderen Viehaufkäufer zu besuchen.

Doch, einer.

Graham.

Aber erst nach dem Verkauf.

Er war in die Stadt geritten und hatte in der South-Street bei Ric Tennessee Halt gemacht.

»Was ich zahle?« hatte der dicke Ten­nessee quirlend gemeint. »Nun ja, Alter, wenn Ihre Tiere gut sind, zahle ich achtzehn Dollar…«

Und Jeff Carlinger, oben am Markt, hätte das gleiche gegeben.

Überflüssigerweise hatte der Alte noch Hanc Croft besucht; einen Händler, dem er vor Jahren mal seine Herde verkauft hatte, mit dem er aber im Streit auseinandergegangen war.

»Was ich zahle, Graham? Siebzehn. Wenn es Klassetiere sind, dann sogar achtzehn und vielleicht auch einen Dollar mehr.«

Da war der Alte gegangen. Mit hölzernen Bewegungen hatte er sich in den Sattel gezogen und war zum Dry-throat-Saloon geritten.

Mit dem kältesten Nerv, den man sich denken konnte, hatten Shanghai-Pierce und Mannen Clements an der Theke gestanden. Zweifellos feierten sie bereits ihr schmutziges Geschäft.

So war es gekommen.

Lewt Wardy, ein Higho Cowboy, war nach dem Verkauf gleich in die Stadt geritten, noch ehe die anderen kamen. Er hatte vor dem Dry-throat-Saloon noch einen Augenblick mit dem zornerfüllten Graham gesprochen.

So war durch einen Zufall die Botschaft hinaus auf die Weide gekommen.

Obgleich die Herden einen gewaltigen Platz einnahmen und zur Vermeidung des Durcheinanderlaufens weit auseinandergezogen standen, schickten Henderson, Griffith ihre Leute rund.

Im Morgengrauen wußten es alle.

Graham, Lynner und Jim Higho waren Shanghai-Pierce auf den Leim gegangen.

Da war nichts zu machen.

Geschäft ist Geschäft.

Aber Tom Graham war erschossen worden.

Von Mannen Clements.

Goddam – den Halunken kannte man doch? Bei welcher Herde lag er eigentlich?

Mannen Clements lag bei der Herde, die der Viehhändler Shanghai-Pierce selbst aus Texas hergeführt hatte. Clements gehörte, wie seine drei Brüder Gyp, Joe und Jim zu Pierces Crew.

Damned! War das ein hartes Stück.

Mannen Clements! Wer wollte mit ihm abrechnen? Er war der schlimmste Revolverschwinger von Texas. Der Mann, der obendrein immer ein Gewehr bei sich hatte.

Sein Gewehr, zwei schwere Colts und drei kaum weniger gefährliche Brüder.

Wer wollte mit ihm abrechnen?

*

Nat Everson war zweiundzwanzig.

Vielleicht wäre er älter geworden, wenn er auf seinen früheren Trailboß Jim Higho gehört hätte. Nat war Grahams Stellvertreter in der Graham-Crew. Er war ein blondhaariger frischer Bursche mit eckigem Gesicht, breiten Schultern und hellen Augen. Er war ein hervorragender Schütze und ein großartiger Treiber.

Nat war ein Prachtbursche.

Und sicher wäre er später selbst einmal ein tüchtiger Trailboß geworden, wenn er nicht so hirnverbrannt gewesen wäre, ausgerechnet gegen den schärfsten texanischen Gunfighter anzutreten.

Nat Everson hatte es nicht sehr schwer gehabt, den Aufenthalt des Schießers zu erforschen.

Kurz nach halb zehn stieg er vor Rorys neuem Saloon in der River-Street von seinem Braunen, schlang die Zügelleine um den Querholm, an dem nur noch ein einzelner Gaul stand, und betrat den Vorbau.

Durch die mit buntem Papierglas beklebte Tür konnte er nichts sehen, deshalb ging Nat an eines der Fenster, das nur bis zur Hälfte beklebt war.

Nat war ein großer Bursche, er konnte über das Buntpapier hinweg in den stark belebten Saloon sehen.

Und er erkannte ihn sofort.

Yeah, da war Mannen Clements, der da drinnen an der Theke lehnte und an einer gewaltigen blonden Zigarre kaute.

Nat stieß die Tür auf und trat in den Raum.

Er fiel sofort auf. Schließlich trug er einen Anzug, der in Rorys Saloon ebenso auffallen mußte, wie der Anzug Mannen Clements.

Augenblicklich herrschte Stille.