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XXL-LESEPROBE: Kelley - Ein anderer Takt E-Book

William Melvin Kelley

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Beschreibung

"Der vergessene Gigant der amerikanischen Literatur" The New Yorker Die kleine Stadt Sutton im Nirgendwo der Südstaaten. An einem Nachmittag im Juni 1957 streut der schwarze Farmer Tucker Caliban Salz auf seine Felder, tötet sein Vieh, brennt sein Haus nieder und macht sich auf den Weg in Richtung Norden. Ihm folgt die gesamte schwarze Bevölkerung des Ortes. William Melvin Kelleys wiederentdecktes Meisterwerk Ein anderer Takt ist eines der scharfsinnigsten Zeugnisse des bis heute andauernden Kampfs der Afroamerikaner für Gleichheit und Gerechtigkeit. Fassungslos verfolgen die weißen Bewohner den Exodus. Was bringt Caliban dazu, Sutton von einem Tag auf den anderen zu verlassen? Wer wird jetzt die Felder bestellen? Wie sollen die Weißen reagieren? Aus ihrer Perspektive beschreibt Kelley die Auswirkungen des kollektiven Auszugs. Liberale Stimmen treffen auf rassistische Traditionalisten. Es scheint eine Frage der Zeit, bis sich das toxische Gemisch aus Wut, Verzweiflung und Hilflosigkeit entlädt. Mal mit beißendem Sarkasmus, mal mit überraschendem Mitgefühl erzählt hier ein schwarzer Autor vom weißen Amerika. Ein Roman von beunruhigender Aktualität.

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William Melvin Kelley

Ein anderer Takt

XXL-Leseprobe

Aus dem amerikanischen Englisch von Dirk van Gunsteren

Mit einem Nachwort von Kathryn Schulz

Hoffmann und Campe

Den größeren Teil von dem, was meine Mitbürger gut nennen, halte ich innerlich für schlecht, und wenn ich irgendetwas bereue, so ist es höchstwahrscheinlich mein gutes Betragen. Von welchem Dämon war ich besessen, dass ich mich so gut benahm?

***

Wenn jemand mit seinen Gefährten nicht Schritt hält, so tut er es vielleicht deshalb nicht, weil er einen anderen Trommler hört. Lasst ihn zu der Musik marschieren, die er hört, wie immer ihr Takt und wie fern sie selbst auch sei.

Henry David Thoreau

Der Staat

Auszug aus dem Thumb-Nail Almanach, 1961, Seite 643:

… ein Bundesstaat im tiefen Süden, im Norden begrenzt durch Tennessee, im Osten durch Alabama, im Süden durch den Golf von Mexiko, im Westen durch Mississippi.

HAUPTSTADT: Willson City; FLÄCHE: 129921 km2; BEVÖLKERUNG (vorläufig, laut Zensus 1960): 1802268; MOTTO: Wir wagen es, mit Ehre und Waffen für unser Recht einzustehen; EINTRITT IN DIE UNION: 1818

DIE ANFÄNGE – DEWEY WILLSON

Obwohl der Staat auf eine vielfältige und wechselhafte Geschichte zurückblickt, kennt man ihn hauptsächlich als Heimat des Generals der konföderierten Armee Dewey Willson, der 1825 in Sutton geboren wurde, einer Kleinstadt vierzig Kilometer nördlich der Hafenstadt New Marsails. Willson absolvierte 1842 die Militärakademie in West Point und stieg vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs bis zum Rang eines Obersten auf. Nach dem Austritt seines Heimatstaates aus der Union im Jahr 1861 gab er sein Offizierspatent zurück und wurde zum General der konföderierten Armee ernannt. Hauptsächlich ihm sind die beiden berühmten Siege der Konföderierten in den Schlachten bei Bull’s Horn Creek und Harmon’s Draw zu verdanken; die letztere wurde keine fünf Kilometer von seinem Geburtsort entfernt geschlagen. Willsons Sieg bei Harmon’s Draw vereitelte den Versuch der Unionstruppen, auf New Marsails zu marschieren und es einzunehmen.

Nach dem Wiedereintritt des Staates in die Union im Jahr 1870 wurde Willson Gouverneur. Wenig später bestimmte er den Ort, zeichnete, zu großen Teilen jedenfalls, den Plan und veranlasste den Bau der neuen Hauptstadt, die heute seinen Namen trägt. 1878 zog er sich aus dem öffentlichen Leben zurück und ließ sich in seiner Heimatstadt Sutton nieder. Am 5. April 1889 erlitt er nach der Einweihung einer drei Meter hohen Bronzestatue seiner selbst, die die Bürger von Sutton ihm zu Ehren hatten errichten lassen, einen Schlaganfall und verstarb. Er wird von den meisten Historikern als der nach Robert E. Lee bedeutendste General der Südstaaten angesehen.

JÜNGSTE ENTWICKLUNGEN

Im Juni 1957 verließen aus noch ungeklärten Gründen sämtliche Neger den Staat. Heute ist er der einzige Bundesstaat, unter dessen Einwohnern sich kein einziger Neger befindet.

Der Afrikaner

Jetzt war es vorbei. Die meisten Männer, die auf der Veranda von Thomasons Lebensmittelgeschäft saßen oder standen, aufrecht oder angelehnt, waren am Donnerstag, als das alles angefangen hatte, draußen auf Tucker Calibans Farm gewesen, auch wenn keiner von ihnen, mit Ausnahme von Mister Harper vielleicht, gewusst hatte, dass es der Anfang von etwas gewesen war. Den ganzen Freitag und den größten Teil des Samstags hatten sie den Negern von Sutton zugesehen, die, mit oder ohne Koffer, am Ende der Veranda auf den stündlich verkehrenden Bus gewartet hatten, der sie über die Hügel im Osten und vorbei an Harmon’s Draw zum Bahnhof von New Marsails bringen würde. Aus dem Radio und den Zeitungen hatten sie erfahren, dass Sutton nicht der einzige Ort war, wo das passierte. In allen großen und kleinen Städten bis hin zum letzten Kaff benutzten die Neger alle verfügbaren Transportmittel, einschließlich ihrer eigenen Beine, um sich über die Staatsgrenze nach Mississippi, Alabama oder Tennessee zu begeben, wo manche (allerdings nur die wenigsten) sich sofort nach einem Dach über dem Kopf und Arbeit umsahen. Die Männer wussten auch, dass die meisten nicht gleich hinter der Grenze bleiben, sondern weiterziehen würden, bis sie irgendeinen Ort erreicht hatten, wo sie leben oder wenigstens in Würde sterben konnten, denn in der Zeitung hatten sie Bilder vom Bahnhof gesehen, wo alles voller Neger war, und die lange Karawane der mit Negern und ihrem Zeug vollgestopften Wagen auf der Landstraße zwischen Willson City und New Marsails hatte sie in der Überzeugung bestärkt, dass diese Leute das nicht auf sich nahmen, um nach bloß hundert Kilometern gleich wieder anzuhalten. Und sie hatten die Erklärung des Gouverneurs gelesen: »Es gibt keinen Grund zur Sorge. Wir haben sie nie gewollt, wir haben sie nie gebraucht, und wir werden sehr gut ohne sie zurechtkommen; der Süden wird sehr gut ohne sie zurechtkommen. Auch wenn unsere Bevölkerungszahl um ein Drittel verringert ist, werden wir prima zurechtkommen. Es sind noch immer genug gute Männer da.«

Das wollten alle glauben. Sie hatten noch nicht lange genug in einer Welt ohne schwarze Gesichter gelebt, um irgendeine Gewissheit zu haben, doch sie hofften, dass alles gut gehen würde, und versuchten sich einzureden, es sei jetzt wirklich vorbei, ahnten aber, dass es für sie jetzt gerade erst anfing.

Zwar hatte das Ganze hier seinen Anfang genommen, doch inzwischen war ihnen der Rest des Staates weit voraus: Sie hatten in sich noch nicht die Wut und Verbitterung gespürt, über die sie in der Zeitung gelesen hatten, sie hatten nicht versucht, die Neger aufzuhalten, wie es andere weiße Männer in anderen Städten getan hatten, die es als ihr Recht ansahen, schwarzen Händen die Koffer zu entreißen und Faustschläge zu verteilen. Ihnen war die entmutigende Feststellung erspart geblieben, dass solche