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Es ist die Geschichte von Yasmin, der besonderen Elfe mit den drei Flügeln, die tapfer ihren Weg geht und nicht aufgibt – auch wenn es schwierig wird. Im Kapitel "Die Elfe und die Schlange" hilft Yasmin ihrem Freund, seine durch den Drachen Theobald zerstörte Heimat wieder aufzubauen. Bei ihrer Reise durch das Gnomenland trifft die Elfe neue und alte Freunde und setzt sich für diese ein. Mit Mut, Vertrauen in die eigene Stärke, Humor und ihrer großen Liebe zur Natur meistert Yasmin die jeweiligen Herausforderungen. Die Geschichte handelt von Freundschaft, Vertrauen, Toleranz und Hilfsbereitschaft – Werte, die immer und überall Gültigkeit haben – sowie von der Liebe zur Natur und dem Bemühen, diese auch für nachfolgende Generationen zu bewahren.
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Seitenzahl: 195
Veröffentlichungsjahr: 2025
Impressum
Vorwort von Tobias Beck
Die Elfe mit den drei Flügeln
Die Elfe und die Schlange
Die Elfe Yasmin im Land der großen Hitze
Bunte Hügel
Der Schutzkreis
Kurt, der Freund aus den Tiefen des Meeres
Diamanten
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Cover
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.
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© 2025 novum publishing gmbh
Rathausgasse 73, A-7311 Neckenmarkt
ISBN Printausgabe: 978-3-99146-899-8
ISBN e-book: 978-3-99146-900-1
Lektorat: Isabella Busch
Umschlag- & Innenabbildungen: Ines Gramlich
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
www.novumverlag.com
Stell dir vor, du bist eine Elfe – aber nicht irgendeine.
Du hast nicht zwei, sondern drei Flügel. Was manche für wie ein Fehler aussieht, ist in Wahrheit deine größte Stärke.
Genau darum geht es in diesem Buch von Ines Gramlich. Sie erzählt uns die Geschichte von Yasmin, die zeigt , dass Anderssein nicht nur erlaubt ist, sondern der Schlüssel zu Mut, Freundschaft und Liebe zur Natur ist.
Und warum berührt mich das so? Weil wir alle dieses Gefühl kennen, „irgendwie anders“ zu sein. Vielleicht träumst du größeres als die anderen. Vielleicht spürst du Dinge, die sonst niemand wahrnimmt. Genau das ist keine Schwäche, sondern deine Superkraft.
Yasmin erinnert uns daran, dass wir Vertrauen in uns selbst haben dürfen. Dass Freundschaft und Hilfsbereitschaft stärker sind als jeder Drache. Und dass wir unsere Natur beschützen müssen, weil sie unser Zuhause ist.
Dieses Buch ist mehr als eine Geschichte. Es ist eine Einladung, unsere eigenen Flügel zu entdecken – so viele, wie das Leben uns schenkt – und mutig den eigenen Weg zu gehen.
Danke, liebe Ines, dass du uns mit Yasmin daran erinnerst: Die größten Abenteuer beginnen dort, wo wir den Mut haben, wir selbst zu sein.
Mit Liebe,
dein Tobias Beck
#1Spiegel Bestseller Autor
In einem wunderschönen Land, in welchem nur sehr gut aussehende Elfen lebten, wohnte eine besonders schöne Elfe. Sie war sehr schlank, sehr klein, hatte ein schmales feines Gesicht und vier wunderschöne hauchdünne Flügel, wie Elfen sie eben haben. Noch dazu schillerten ihre Flügel in den Farben des Regenbogens. Diese vier Flügel waren ein absolutes Muss, um im Elfenland als schön gelten zu können. Wer nur zwei Flügel hatte, galt dagegen als hässlich. Solche Elfen fand man selten im Elfenland. Aber nur drei Flügel zu haben, das war das Schlimmste. Es galt als krank, denn mit vier oder auch mit zwei Flügeln kann man gleichmäßig fliegen und im Sinkflug graziös dahingleiten. Auch der Anflug sieht perfekt aus. Perfektion und Schönheit waren ungeschriebene Gesetze im Elfenland.
Unsere besonders hübsche Elfe hieß Yasmin. Sie wohnte mit ihren Eltern in einem Schloss. Alle Elfen in diesem Land lebten in herrlichen Schlössern. Es gab keine Hütten. Als besonderes Ereignis gab es jedes Jahr im Elfenland einen Schönheitswettbewerb für kleine Elfenmädchen. Es war ein Fest für alle Einwohner des Landes. Jedes Elfenmädchen sollte daran teilnehmen. Es war Pflicht. Wer sich weigerte, wurde von allen Bewohnern später gemieden. Elfen, denen diese äußerliche, blasskalte und spröde Schönheit nicht gefiel, wanderten freiwillig in ein anderes Land aus. Es waren jedoch nur wenige, die entweder den Mut hatten, zu gehen oder trotz ihres nicht perfekten Aussehens weiterhin im Elfenland zu leben.
Yasmin war sehr hübsch und musste mit ihren zwölf Jahren auch an dem Wettbewerb der Schönheit teilnehmen. Ihre Chancen waren sehr gut, da sie schön rosa, durchsichtig und klein war. Vor allem für ihre wunderschönen, regenbogenfarbenen vier Flügel würde sie eine Menge Schönheitspunkte erhalten. Leider war im Elfenland der Neid ein weitverbreiteter Charakterzug. Besonders beim Schönheitswettbewerb galt es, die Konkurrenz mit allen Mitteln auszuschalten. In den Blicken der Elfen spiegelte sich oft der blanke Neid. Alle Elfen begegneten einander mit eingebildeten und hochnäsig abschätzenden Blicken.
Trotz dieses für alle Elfen typischen Blickes war Yasmin dennoch nicht eingebildet. Bei der Begegnung auf Straßen und Plätzen nicht beachtet, gegrüßt oder angesprochen, also komplett ignoriert zu werden, war das Schlimmste, was Elfen passieren konnte. Wer seine Schönheit verlor, der wurde nicht mehr gegrüßt. Und wer nicht gegrüßt wurde, gehörte nicht mehr in das wunderschöne, perfekte Elfenland. Er hatte von heute auf morgen keine Freunde mehr.
Yasmin grüßte alle Elfen. Sie war aber auch über das Grüßen hinaus freundlich und nett zu allen. Wenn sie mit dem Bus fuhr und dieser überfüllt war, bot sie alten Elfen ihren Sitzplatz an. Ihre Freundinnen lachten über sie, gewöhnten sich aber an Yasmins Eigenart und sahen schließlich darüber hinweg. Ein solch zuvorkommendes Verhalten war im Land der Elfen nicht üblich.
Ihre Eltern machten sich bereits Gedanken, ob Yasmin ernsthaft krank sei. Sie gingen mit ihr zum Arzt und dieser meinte: „Ja, Yasmin ist krank!“ Die Eltern erschraken, denn im Elfenland ist es verpönt, krank zu sein. Sie waren ratlos. Keiner der Freunde und Verwandten durfte erfahren, dass Yasmin so krank war. Auf jeden Fall aber sollte sie an dem Wettbewerb teilnehmen. Ihre Chancen waren sehr gut, denn es gab keine weitere Elfe mit regenbogenfarbenen Flügeln. Das große Ereignis sollte an einem Tag im Sommer stattfinden. Schon eine Woche vorher herrschte enorme Aufregung im ganzen Land.
Am Tag der Entscheidung trafen sich alle Kandidatinnen in der Festhalle und machten sich in den Kabinen zurecht. Die Elfenmädchen schminkten sich und richteten ihre Flügel, bis sie vor dem großen Auftritt in einen Raum hinter der Bühne geführt wurden. Es gab ein großes Gedränge, Geschubse und Gekreische. Eine Elfe mit lilafarbenen Flügeln sah in Yasmin sofort Konkurrenz. Am Ende des Raumes drängte sie sich eiligst vor zu Yasmin und riss ihr mit aller Gewalt einen Flügel aus. Yasmin taumelte vor Schmerz und fiel zu Boden. Alle Anwärterinnen des Wettbewerbes gingen an ihr vorbei und ließen sie unbeachtet liegen. Kein anderes Elfenmädchen half ihr auf. Yasmin erhob sich mühevoll, richtete ihr Kleid und sah ihren Flügel auf dem Boden liegen. Ein heißer Schmerz durchdrang ihren Körper erst körperlich und dann auch seelisch, denn sie wusste, der ausgerissene Flügel würde nicht mehr nachwachsen. So kann ich nicht auf die Bühne, dachte sie. Was soll ich nun tun? Es gilt doch hier als Krankheit, nur drei Flügel zu haben. Yasmin hatte Angst vor der Ausgrenzung durch die anderen. Sie war schon froh gewesen, dass die Mädchen sich an ihre Eigenart, ihre Hilfsbereitschaft, gewöhnt hatten – und nun das! Da werden die Elfen mit ihrer Aufgeschlossenheit überfordert sein.
Furchtlos entschlossen und mit erhobenem Kopf, die drei Flügel zärtlich glatt gestrichen, auf die Verletzung ein buntes Pflaster mit einem Sonnengesicht geklebt, beschloss sie, in ein ihr unbekanntes Land zu gehen. Sie versuchte zu fliegen, aber es gelang ihr nur ein taumelndes Flattern und nicht das elegante Gleiten durch die Luft. Als die Elfen ihren Taumelflug sahen, lachten sie schadenfroh. Aber das machte Yasmin nicht viel aus.
Mit dieser Demütigung und dem Schmerz traf sie bei ihren Eltern ein und teilte ihnen ihren Entschluss mit, das Land zu verlassen. Das stimmte die Eltern sehr nachdenklich. Im Schloss packte Yasmin dann nur die nötigsten Dinge in ihren Rucksack: einen Kamm, Spiegel, zwei Kleider, Schlafanzug, Zahnbürste, und das Wichtigste – ihren Tablett-PC. Auch wenn ein kleiner Rollkoffer mehr Platz für ihre Sachen geboten hätte, entschied sie sich dennoch für den Rucksack. Den konnte sie besser auf ihre drei Flügel schnallen. Zwar konnte sie nicht mehr so gut fliegen, über kleine Strecken ging es noch. In ihrer Gürteltasche fanden noch Nähzeug, Schere, Nägel und ein Hammer Platz.
Abwechselnd zu fliegen und zu gehen erwies sich als vorteilhaft. So konnten mal die Füße und dann wieder die Flügel ausruhen. Natürlich musste ihr Tablett-PC mit. Damit konnte sie nämlich Schach spielen. Eigentlich ist Schach ein Spiel mit Brett und Figuren aus Holz. Das Brettspiel war nur leider zu schwer und musste zu Hause bleiben, da es im Rucksack auch zu viel Platz eingenommen hätte. Schachspielen war Yasmins Hobby. Und wenn sie mal ein Problem hatte und nicht weiter wusste, lenkte das Spiel sie ab. Danach waren ihre Gedanken wieder geordnet.
Der Schmerz des ausgerissenen Flügels war so stark, dass es für sie kaum auszuhalten war. Elfen spüren Schmerzen nur in sehr geringem Maße, aber wenn er unerträglich wird, altern sie schlagartig um einige Jahre. Dieser heftige Schmerz ließ Yasmin plötzlich erwachsen werden. Aus den kleinen Elfenschuhen war Yasmin nun herausgewachsen. Zum Glück konnte sie es soweit aushalten, dass sie nur sechs Jahre älter wurde. Somit war Yasmin nun achtzehn Jahre alt. Im selben Moment, in dem die Wandlung geschah, gingen ihr viele Erinnerungen durch den Kopf, an die Zeiten, in denen sie klein und im Elfenkindergarten war oder mit ihren Eltern spielte. Sie dachte an die tollen Geburtstagspartys und die langen Wanderungen, die sie gemeinsam unternahmen. Die Eltern sahen Yasmin die Wandlung und ihre Gedanken dabei an.
Yasmin liebte ihre Eltern und würde sie vermissen. Sie bedankte sich für die liebevolle Betreuung in ihrer Kindheit und sagte zu ihnen: „Lebt wohl und macht euch keine Sorgen!“ Die Eltern waren zwar traurig, doch sie vertrauten darauf, dass Yasmin ihren Weg schon gehen würde. Sie würde eine Möglichkeit finden, sie zu besuchen, auch wenn bis dahin einige Zeit vergehen werde. Noch bevor die Sonne aufging, verließ Yasmin mit den guten Wünschen ihrer Eltern das schöne Elfenland mit seinen Schlössern und Parks.
Sie wanderte sieben Tage und sieben Nächte. Am Morgen des achten Tages durchquerte sie eine ihr völlig fremde Gegend. Die Landschaft war sehr schön. Auf saftig grünen Wiesen flogen Schmetterlinge, so groß wie Schulhefte, um sie herum. In der frischen Luft glitzerten die kristallklaren Seen in der Sonne wie funkelnde Diamanten. Der Schnee auf den fernen hohen Berggipfeln gleißte im Sonnenschein, dass es sie blendete. Die Berge waren so hoch, dass Yasmin dachte, sie würden bestimmt den Himmel kitzeln. Wo war sie hier nur hingeraten? Noch konnte sie nicht wissen, dass sie das Land der Gnome betreten hatte.
Yasmin konnte mit ihren nur drei Flügeln schlecht fliegen. Es kostete sie viel Kraft. Um die erschöpften Flügel auszuruhen, ging sie nun barfuß. Ihre feinen aus Seide hergestellten Schuhe waren auf ihrem langen Weg über Steine und durch Schnee längst zerrissen. Sie wanderte über Wiesen und Felder, erklomm Berge mit Schnee, und als der Weg plötzlich endete, schlug sie sich durch noch nie betretene Wälder. Dann stapfte sie wieder durch Schnee und schlitterte über Eisflächen. Ihre Füße waren nun schon wund vom vielen Wandern. Um Ihren Durst zu stillen, aß sie Schnee. Allmählich ließen ihre Kräfte nach und sie musste sich eine geschützte Stelle zum Ausruhen suchen. Es sollte ein Platz sein, von dem sie sagen konnte:
Hier bleibe ich. Dieser Flecken Erde wird nun mein Zuause. Während sie sich noch mühsam weiterschleppte, dachte sie plötzlich: Ja, hier bleibe ich jetzt. Das ist der Platz. In diesem Moment spürte sie nur noch, dass alles um sie herum dunkel wurde und sie in Ohnmacht fiel. Klitzekleine Sterne sprangen in ihrem Kopf umher. Sie fühlte nur noch eine große Kälte. Und plötzlich war ihr, als würde sie schweben. Doch dann versank alles in Stille und Dunkelheit.
Nach wer weiß wie langer Zeit erwachte Yasmin in einem kariert bezogenen Bett in einer Hütte. Es roch nach frisch gekochtem Kräutertee und gebackenem Brot. Wo war sie? Niemand war da. Sie erhob sich. Vor dem Bett standen Stiefel – sehr hässliche, wie sie fand. Da ihre eigenen Schuhe schmutzig und zerschlissen waren, beschloss sie, die Stiefel anzuprobieren. Sie passten sogar halbwegs. Yasmin behielt die hässlichen Dinger an und empfand dabei große Dankbarkeit gegenüber demjenigen, der seine Schuhe für sie bereitgestellt hatte. Sie fragte sich, wer sie wohl vor dem Erfrieren gerettet hatte, und rief laut: „Hallo!“ Doch niemand antwortete ihr. Die kleine Elfe schaute sich in dem Haus um und wartete. Niemand kam.
Als sie aus der Hütte trat, erblickte sie eine Wiese, die fast bis zum Horizont über und über mit Blumen bedeckt war, und dahinter herrliche Berge. Die Kälte hatte sich verzogen und ein warmer Wind wehte den frischen Duft der Wiese herüber. Nach langem Warten beschloss Yasmin, sich endlich eine eigene geschützte Bleibe zu suchen. Nun wusste sie, dass sie besser nicht mehr so lange wandern sollte, denn in dieser Gegend fühlte sie sich sehr wohl. In der kleinen gemütlichen Hütte suchte sie nach Papier und Stift. Beides fand sie in der Schublade des Küchentisches. Sie schrieb nun einen Brief an den oder die unbekannten Retter. In diesem bedankte Yasmin sich für die Stiefel, die sie aber, sobald sie für sich eine Unterkunft gefunden habe, zurückbringen wolle.
Danach schnürte sie ihren Rucksack, schloss die Tür hinter sich und marschierte los. Schneller als sie dachte, wanderte sie über die Wiese bis zum Beginn der Bergkette. Hier fand sie ihre Bleibe in Gestalt einer kleinen Höhle. Ja, das ist es, dachte sie, hier ist mein neues Zuhause. Die Höhle ist praktisch, da brauche ich mir schon mal keine Hütte zu bauen. Yasmin sammelte herumliegende Äste, um sich vor dem Höhleneingang eine kleine Tür zu bauen, damit sie vor wilden Tieren geschützt war und es warm hatte.
Als sie ihre Tür fertig hatte, beschloss sie, eine Pause einzulegen und Schach zu spielen, um sich geistig zu fordern und für neue Ideen bereit zu sein. Die Elfe Yasmin spielte auch, wenn sie allein war und keinen Gegner hatte. Sie spielte dann einfach gegen sich selbst. Überhaupt wusste sie immer aus jeder Situation, mochte diese noch so schlimm sein, das Beste zu machen und sich selbst zu helfen. Yasmin beließ es bei einer Partie, da noch viel Arbeit auf sie wartete. In der Höhle lagen viel zu viel Laub und trockenes Holz. Aus dem Laub richtete sie sich erst einmal provisorisch ein Nachtlager her, und aus losen Steinen baute sie eine Feuerstelle, in der sie später das Brennholz entfachen wollte. Jetzt konnte sie sich etwas kochen. Allerdings musste sie ihre Wohnhöhle nun noch weiter herrichten. Für ihre Schlafstelle wollte sie sich zusätzlich noch etwas Heu besorgen, das sie auf den umliegenden Wiesen einsammelte. Auf ihrem nun weich gepolsterten Nachtlager schlief Yasmin sofort ein. Ihr letzter Gedanke stimmte sie froh, endlich angekommen zu sein. Sie schlief fest und traumlos.
Am Morgen wachte sie erholt auf und begab sich sogleich auf die Suche nach etwas Essbarem. Auf der Wiese vor ihrer Höhle entdeckte sie einen kleinen Bach und hatte somit auch Wasser zum Trinken und Kochen. Sie durchstreifte ein Wäldchen und aß unterwegs einige Waldbeeren. Plötzlich entdeckte Yasmin eine Siedlung mit hübschen kleinen Holzhütten. Sie beobachtete Frauen und Männer, die etwas sonderbar aussahen und keine Flügel hatten, und Kinder, die auf der Straße spielten. Von ihrem Land kannte sie es anders. Da spielten die Kinder immer in den Schlössern oder auf umzäunten Plätzen. Sie ging durch den kleinen Ort. Dabei fühlte sie sich etwas seltsam und unsicher. Sie grüßte die Bewohner und wunderte sich sehr, dass ihr Gruß trotz ihrer drei Flügel freundlich erwidert wurde. Sie registrierte dies als sehr angenehm. Die Sprache der Leute klang zwar etwas anders als die ihre, aber die Verständigung gelang trotzdem.
Wieder in ihrer Wohnhöhle angekommen, dachte sie: Ich möchte die Einheimischen bald näher kennenlernen. Bei diesem Gedanken vermisste sie plötzlich ihre Eltern, ihre Freundinnen und die gewohnte Umgebung, einfach alles Vertraute. Bei lieben Eltern und mit Freunden in der Nähe wird manches Problem einfach kleiner, dachte sie wehmütig. Doch Yasmin vertraute ihrer inneren Kraft für die unbekannte Zukunft und nahm sich vor, am nächsten Tag nochmals in das kleine Dorf zu gehen.
Jetzt entdeckte sie in den Straßen einen kleinen Dorfladen, wo sie etwas kaufen konnte. Sie schaute sich die gefüllten Regale und Auslagen länger als notwendig an und kam mit der Besitzerin des Ladens über dies und jenes ins Gespräch. Die Inhaberin, Frau Glücklich, gab ihr einen Tipp, wo Yasmin neue Bekanntschaften machen könne. Sie solle mal an die große Linde am See gehen, wo sich viele Mütter und Väter mit ihren Kindern aufhielten. Und so ging sie auch gleich dorthin. Die Linde war ein sehr großer, kräftiger, alter Baum. Ein fröhliches Stimmengewirr und Lachen umringten ihn. Yasmin wunderte sich über die Gesichter mit den strahlenden Augen. Aber alle hatten kleine Fältchen um die Augen, was in ihrem Land als absolut hässlich galt. Sobald jemand im Elfenland Falten bekam, ließ er sie sich entfernen. Yasmin aber gefielen diese Gesichter mit den Fältchen.
Der See war in der Nähe. Einige größere Kinder ließen ihre Füße ins Wasser baumeln. Frauen saßen auf Decken und strickten oder häkelten etwas oder spielten mit den Kindern. Die kleine Elfe ging hin und sprach zwei Frauen an, die gerade ihre Babys fütterten. Sie unterhielten sich nett mit ihr. Aber irgendwie hatte Yasmin das Gefühl, dass sie ihr gegenüber etwas misstrauisch waren. Sie wollte jedoch nicht aufgeben. Also beschloss sie, gleich am nächsten Tag noch einmal dorthin zu gehen. Vielleicht sind sie ja morgen nicht mehr so misstrauisch, dachte sie. Sobald sie am späten Nachmittag wieder zu Hause in ihrer Höhle war, buk sie kleine Teigfladen auf offenem Feuer mit dem Mehl, das sie im Dorfladen gekauft hatte. Sie freute sich schon auf den nächsten Tag und schlief am Abend wieder schnell ein.
Am Morgen darauf schien die Sonne. Es sollte wieder ein schöner Tag werden. Schnell packte Yasmin die Fladen in ihr Tuch und ging zur großen Linde. Zu dieser Zeit mussten die Frauen schon da sein – und so war es auch. Sie bot ihre kleinen selbst gebackenen Fladen den Frauen und Kindern an. Diese freuten sich zwar, waren aber noch immer merklich zurückhaltend. Das verstand die kleine Elfe nicht. In ihrem Land waren die Leute stets gleichbleibend freundlich und luden einander zum Tee ein. Yasmin erinnerte sich allerdings daran, dass sie von niemandem besucht wurde, als sie krank war. Damit blieb sie ganz allein. Krankheit und Hässlichkeit waren in ihrem Land verpönt. Sie befürchtete, dass es hier im Gnomenland vielleicht noch schlimmer sein könnte als in ihrer alten Heimat. Dieser Gedanke stimmte sie traurig. Trotzdem wollte sie nicht aufgeben. Leicht betrübt ging sie heim. So ging sie fortan jeden Tag zu der alten Linde am See. Doch so richtig kam sie mit den Leuten immer noch nicht ins Gespräch. Allmählich aber gewöhnte sich Yasmin an die wortkargen Einheimischen. Woran liegt das nur fragte sie sich.
Eines Tages war sie bei sehr schönem Wetter wieder am See. Alle Kinder spielten dort. Die größeren Geschwister beaufsichtigten ihre kleineren Geschwisterchen. Plötzlich zog ein Gewitter auf. Es begann sehr stark zu regnen, sintflutartig, als würden Eimer voller Wasser ohne Pause vom Himmel gegossen werden. Die Kinder bekamen Panik. Yasmin erinnerte sich an die Bemerkung der Ladenbesitzerin Frau Glücklich, dass in dieser Gegend das Wetter oft und schnell wechsle.
Die großen Kinder sprangen hektisch auf, die Kleinen schrien, weil sie durch den lauten, heftigen Donner des heranziehenden Gewitters erschraken. Plötzlich rutschte ein kleines Kind in den See. Die großen Kinder versuchten es herauszuziehen, aber die Strömung war zu stark und der See zu tief, denn schwimmen konnten sie nicht. Yasmin erschrak und rannte sofort zum Unglücksort. Sie sprang ins Wasser, tauchte nach dem Kleinen und versuchte, ihn zu fassen. Aber er entglitt ihr immer wieder. Mit letzter Kraft bekam sie ihn schließlich doch noch zu packen. Obwohl sie selbst kaum noch Luft bekam, zog sie ihn hoch.
In der Zwischenzeit waren auch die Frauen in Panik an den See gerannt. Sie liefen zu Yasmin und nahmen ihr den Kleinen vom Arm. Ihre Augen leuchteten vor Erleichterung und Dankbarkeit. Zwei Frauen brachten Decken, um Yasmin und den kleinen Jungen, dessen Name Olli war, zu trocknen. Die Elfe zitterte am ganzen Körper vor Kälte und Erschöpfung. Denn der Fluss, der in den Bergen entsprang und den See immer mit
frischem Wasser speiste, war eiskalt. Yasmin dagegen kam aus einem Land, wo es sehr warm war und somit auch das Wasser. Ihr durchsichtiger Körper färbte sich von der Kälte schon leicht bläulich. Das ist für eine Elfe lebensbedrohlich! Die Mutter des kleinen geretteten Jungen Olli hieß Gloria Putz. Sie nahm Yasmin zu sich in ihr Haus, damit sie sich aufwärmen konnte. Frau Putz gab ihr Kleidung von sich, die Yasmin leider zu groß war. Aber die kleine Elfe machte einfach Knoten hinein, sodass die Kleider hielten.
Dann kochte Ollis Mutter eine warme Suppe, damit sie wieder zu Kräften kam, und bot ihr an, bei ihr und ihrer Familie zu übernachten. Das nahm die Elfe gerne an. Der kleine Junge rannte zu ihr und umarmte sie. Dann wurde er von seiner Mutter ins Bettchen gebracht. Frau Putz unterhielt sich noch lange mit Yasmin, bis sie bemerkte, dass der Elfe öfter die Augen zufielen. Also bereitete sie ihr jetzt noch schnell das Bett auf dem Dachboden. Als Yasmin unterm Dach warm eingepackt in dem Bett lag, hörte sie schwere Schritte und eine tiefe Stimme. Das war der Vater des kleinen Olli. Er hieß Alfred Putz und unterhielt sich mit seiner Frau Gloria. Die Elfe hörte noch den Satz: „Der Drache Theobald ist wieder unterwegs.“ Dann schlief sie ein.
Der Geruch von warmer Milch und Kaffee weckte die kleine Elfe am nächsten Morgen. Sie stieg die Leiter vom Dachboden hinab und sah einen liebevoll, reichlich gedeckten Tisch. Die Sonne schien, als hätte es am Abend davor dieses Unwetter nie gegeben. Olli saß schon in seinem Hochstuhl und plapperte vor Freude,
