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Dieses Buch ist im Grunde eine persönliche Hit-Parade. Der Autor beschreibt seine Welt, seine Musikwelt, anhand von einzelnen Liedern, die er im Laufe seines Lebens zu hören bekam. Die Reise beginnt mit seiner Geburt: von den Operetten der 1940er Jahre, über die Schlager und den Rock n Roll der Fünfziger, bis zum ausführlichsten und wichtigsten Teil des Buches, der 1960er Jahre, die ihn und seine Generation beeinflusst haben. Es war eine regelrechte Musikrevolution, die 1963 von den Beatles und den Rolling Stones eingeläutet wurde - aber ebenso von zahlreichen anderen britischen Beat-, Rock- und R&B-Bands wie den Searchers, Kinks, Pink Floyd, Small Faces usw. Chris beschreibt detailliert einzelne Bands und Songs, die ihn begeistert, ja geprägt haben. Ein kleines Stück Musikgeschichte mit zahlreichen farbigen Fotos, Zeichnungen und Postern, vor allem auch aus der St. Galler Szene der 1960er Jahre, mit ihrem Höhepunkt 1968 - persönlich erlebt und hippiebunt beschrieben.
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Seitenzahl: 160
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Eine Liebeserklärung an die Musik ganz allgemein - und speziell an jene der 1960er Jahre.
für
Walter «Cral»
Hazi
Marlen
(in der Reihenfolge ihres Erscheinens in meinem Leben)
«Musik machen ist schöpferisch.
Aber auch Musik hören kann ein kreativer Akt sein.»
(frei nach Ian Anderson, Bandmitglied von Jethro Tull)
Einführung: You Really Got Me!
Gedanken zum 70sten Geburtstag
Die ersten zehn Jahre: 1947-1957
Von Operetten, Schlagern und Rock‘n’Roll
1947 Geburt unter heidnischen Vorzeichen
1952 Da wo der Aar noch haust
1953 Vilja, das Waldmägdelein
1955 Rock Around The Clock, Bill Haley & his Comets
1956 Musikbox-Fan und Ober-Auto-Späher
Die 1960er Jahre in St. Gallen: 1958-1970
Hallo Teenager und die bunten 68er
1958 Hallo Teenager mit Duane Eddy
1959 Lonely Boy und meine drei Cousinen
Regen Regen
1960 Apache – Indianerfaszination
1961 American Love Songs
Johnny Hallyday – la France arrive!
1963 Beat-Time: Mersey-Beat, Beatles, Yeah-Yeah!
The 4 Flippers: St. Gallens erste Beat-Band
1964 Stones, Kinks und Searchers: die Beat-Szene explodiert
Musik aus der Juke-Box: Goliath-Stübli, Iris und City
Linsebühl: Walfisch im Nebel
You Really Got Me! The Kinks
1965 Mitte der Sechziger Jahre in der Ostschweiz
The Baracudas, Sevens, Slavesund andere regionale Bands
Les Sauterelles in St. Gallen:
Die Eröffnung des Musikclubs Africana
1966 Wild Thing, Dylan et Dutronc
The Sun Ain’t Gonna Shine Anymore
Der französische Sänger Antoine und Walter «Cral»
1967 Der Summer of Love und Flower Power
Les Saintes Marie-Madeleine von Stes Maries-de-la-Mer
Väterchen Franz/Franz Josef Degenhardt:
Mit Gitarre und Poesie gegen das Spiessertum
The Shiver, St. Galler Rockband (1964-1969)
Der Musik-Club Africana und seine legendären Konzerte
Pink Floyd in Abtwil (1968)
Unser «Disc-Club» im Turm an der Mülenenschlucht
Treffpunkt Spanische Weinhalle
1968 Mai 68 – Jugend im Aufbruch
Proteste in St. Gallen gegen den Vietnam-Krieg
Das Monsterkonzert im Hallenstadion Zürich (Mai 68), Jimi Hendrix etc.
Procol Harum, Shine On Brightly: Hohe Kunst des Progressive Rock
Boutique Yestermorn: Swinging London in St. Gallen
1969 Meine Zeit in London:
Schule, Gandalfs Garden und Schottland
Atlantis: von Donovan
und vom Schlafenden Propheten Edgar Cayce
Get Back von den Beatles live in London
Gratis-Konzert der Rolling Stones im Hyde Park am 5. Juli
Rückkehr nach St. Gallen - die Hippiezeit
In the Year 2525 und George Orwells 1984
Deaf - St. Galler Rock-Band
Umma Gumma – Klänge der Pink Floyd für einen Trip
Erlebnis an der Sitter: die Musik der Natur
Jean Ferrat, Sänger von politischen und Liebesliedern
1970 Sitter-In in St. Gallen
Roter Gallus, linke St. Galler Untergrundzeitschrift
Teestübli – Ein neues Lokal im «Kreis»
Südfrankreich: 2-CV, Les Baux und Gauloises
Danksagung
Bildnachweis
Weitere Publikationen des Autors
Über den Autor
Yeah – You really got me! You Bands and Singers, you Beatles and Stones, Yardbirds and Kinks mit eurer Musik von Rebellion, Gefühl und Aufbruchstimmung!
Dieses Buch ist so etwas wie eine persönliche Hit-Parade. Ich versuche, meine Musikwelt anhand von einzelnen Liedern zu beschreiben, die ich im Lauf meines Lebens hörte. Es beginnt mit meiner Geburt im April 1947, führt über die Operetten der 1940er Jahre, die Schlager und den Rock ‘n Roll der Fünfziger, bis zum ausführlichsten und wichtigsten Teil des Werkes: der 1960er Jahre, die mich und meine Generation geprägt haben. Das war damals eine regelrechte Musikrevolution, die 1963 von den Beatles und den Rolling Stones ausgelöst wurde, und ebenso von zahlreichen anderen britischen Beat- und R&B-Bands wie den Searchers, Kinks, Pink Floyd, Small Faces usw. Ich beschreibe die einzelnen Stücke und auch die Bands, die mich damals begeistert haben.
Diese Arbeit war ursprünglich lediglich für meine Familie und ein paar Freunde gedacht, als «Aufhänger» zu meinem 70sten Geburtstag im April 2017. Aber irgendwie, fast unmerklich, ist dieses Werklein nun angewachsen zu einem kleinen Stück Musikgeschichte mit vielen Bildern, Zeichnungen, Posters und persönlichen Erlebnissen, vor allem auch aus der St. Galler Szene der 1960er Jahre.
Übrigens:
Ich hatte lange keinen geeigneten Titel für dieses Buch gefunden. Bruder Walter schlug dann You Really Got Me vor – so hiess ein Stück der Kinks aus dem Jahr 1964. Das passte!
Liebe Leser, Freunde, Weggefährten - meine liebe Familie!
Als ich merkte, dass ich bald an meinem Siebzigsten landen würde, habe ich mir überlegt: was machen? Eine Rückschau? Oder nichts machen? Da Musik mich von meinem ersten Atemzug an begleitet hat, habe ich mir vorgenommen, meine Biographie anhand von Musik zu erschliessen. Dazu habe ich Anfang 2017 begonnen, meine persönlichen Schallplatten und Lieder, die mich geprägt haben, auf CDs aufzunehmen, und zwar chronologisch: angefangen mit dem Sechseläuten-Marsch, der gespielt wurde, als ich zur Welt kam, am 17. April 1947 in Zürich. An einem heidnischen Fest - wo der böse Geist des Winters, der Böögg, verbrannt wird.
Anhand dieses Musik-Gerüsts habe ich dann meine Erinnerungen angefügt. Vor allem die Sechziger Jahre haben ein rechtes Volumen angenommen. Das war auch eine reiche und bunte Zeit gewesen. Da Musik immer eine wichtige Rolle spielte in meinem Leben, ist mein Kopf voll von Liedern, die sich immer wieder einmal melden, auch ungefragt. Das ist übrigens nicht immer nur schön: so ein Lied kann sich dann Stunden, ja Tage immer wieder hervordrängen. Es nützt auch nichts, wenn ich sage: Geh weg! Dann bleibt es eh da, denn es ist ja inzwischen zu einem Teil von mir geworden…
Mehr und mehr kamen im Laufe der Zeit auch die Bücher ins Spiel, da ich einen grossen Teil meines Arbeitslebens als Buchhändler gearbeitet habe. So ist daraus etwas entstanden, was keine Biographie im üblichen Sinne ist. Am ehesten vielleicht ein ausführlicher Lebenslauf mit dem Schwerpunkt Musik. Man könnte es auch ein Zeitdokument nennen - ein sehr persönliches zwar – oder so etwas wie eine Chronik. Sie umfasst zunächst einmal rund die Hälfte unseres vergangenen Jahrhunderts: die Zeit seit dem Jahre 1947. Ich bin ein Kind der Nachkriegsgeneration. Das sind die, von denen ein Gutteil die sogenannten 68er geworden sind, politisiert die einen, Hippies die anderen. Als wir zwanzig waren, haben wir keine Sekunde an Pensionierung und Rente gedacht. Es war die Zeit des «Hier und Jetzt» und zwar sofort. Die 60er und 70er waren auch die Zeit der Hochkonjunktur, Vollbeschäftigung, niedriger Arbeitslosenquoten etc. Aber all dies wandelte sich, so wie alles immer sich wandelt… Dann kamen die 80er und mit ihnen unsere Töchter, was uns eine ganz andere, aber wunderbare Art von Leben bescherte! Danach - parbleu! - folgten die 90er, und schon bald ging es auf das Ende eines Jahrtausends zu. Was wird da alles passieren? fragten wir uns. Zeitenwende, Millenniums-Ängste, der Maya Kalender, Computerprobleme und was noch alles. Aber wir passierten die «Grenze», und schon schrieb man 2001. Nun befinden wir uns schon seit 17 Jahren in diesem neuen 3. Jahrtausend seit Christi Geburt. Alles ok? Nun ja…
Love & Peace
Chris
P.S.
Ein paar Freunde haben Interesse bekundet an meinen Erinnerungen im Spiegel der Musik (So habe ich die Broschüre anfänglich genannt). Aus diesem Grund habe ich mich entschlossen, die Chronik der ersten 23 Jahre, von 1947 bis 1970 als kleines Buch herauszugeben, vervollständigt mit vielen Fotos aus meinem persönlichen Fundus. Beim Einen oder Anderen werden sicher beim Blättern und Betrachten der Fotos eigene Erinnerungen wieder lebendig werden.
Die weiteren (fast fünfzig) Jahre bis 2017 sind auch schon geschrieben, doch sehe ich aus persönlichen Gründen zurzeit von einer Veröffentlichung ab.
Der brennende Böögg, Sechseläuten in Zürich (17. April 1947/15. April 2013)
Zürich, Altdorf, Glarus, Netstal
Die frischgebackene Mutter liegt im Balgrist-Spital, durch das offene Fenster hört sie die Kirchenglocken von Zürich läuten. «Welch ein Empfang, aber natürlich angemessen», denkt da der Säugling. Später dann Marschmusik, der Sechseläutenmarsch, und das Verbrennen des Böögg. Sechseläuten, ein heidnisches Spektakel. «Auch dies passt», wie der noch namenlose Baby-Bub denkt. Eigentlich wollte ihn sein Mami Thomas taufen, doch dieser Name sei schon vergeben, habe es geheissen in der Schmid-Familie. «Dann halt Christian. Christian-Marc», sagt die Mama.
«Hoppla, kein heidnischer Name. Passt aber auch zu meiner Vergangenheit», antwortet der nun nicht mehr namenlose Kleine.
Es ist Fasnacht, Schnee auf den Strassen, kalt. Da, jetzt kommen sie! Lärm, Krach! D’ Chatzemusig.
«De Papi trummlet!» Leuchtende Augen vom kleinen Christi. Heischon wieder ein Heiden-Spektakel.
Scheidung der Eltern - Altdorf und Papi in einem schwarzen Loch verschwunden. Umzug in eine Wohnung am Landsgemeindeplatz in Glarus. Mami bügelt, Christi schaukelt auf seinem Holzpferd. Aus dem Radio tönt Musik:
Heinerle, Heinerle, hab kein Geld…«Heinerle, komischer Name. Und wie der redet und was der alles will: Kasperl laufen, Ringelspiel…» Das Lied gefiel dem Christi nicht, es war halt einfach da. «Hab kein Geld» traf allerdings auf unsere Verhältnisse, auf meine nun alleinerziehende Mutter absolut zu.
Im Kindergarten, bei Fral’n Nelly, sangen wir vor dem Znüni jeweils ein Lied. Da lernte der Bub, dass es einen Spiis-Gott und einen Trank-Gott gab:
«Spiis-Gott, Trank-Gott, all’ne arme Chind, wo uf Erde sind. Amen.»
Öfters spielte das Radio auch ein seltsam schönes Lied:
Sei gepriesen, du lauschiiege Nacht, hast zwei Herzen so glücklich gemacht
Die Melodie, der Text rührten ans Herz, prägten sich ein im Buben, zusammen mit dem Schaukeln und dem Duft der frisch gebügelten Wäsche. Fragen aber blieben: wer hat zwei Herzen so glücklich gemacht? Die lauschige Nacht? Und was meint:
Zwei mal 25 Jahre
Und der Lenz grüsst am Altare?
Diese Melodien, diese Momente waren auf eine unbestimmte Art stets auch unterlegt von einem Gefühl von Traurigkeit und Schmerz. Im Rückblick verständlich…
Lippen schweigen, ‘s flüstern Geigen, hab mich lieb. All die Schritte, sagen: Bitte, hab mich lieb
Auch dies ein Lied, das er oft hörte, aus einer Operette von Franz Lehàr. Diesen Text verstand er sehr gut, nur das mit den schweigenden Lippen - was mochte das bedeuten…?
Hoch am Dachstein, da, wo der Aar noch haust
Dachstein, Aar und haust – diese drei magischen Worte regten Christis Fantasie mächtig an.
Um Klarheit zu erhalten, hat er seine Mutter (wohl so oder ähnlich) gefragt:
Mami, was ist ein Aar?
Das ist ein Adler.
Der grosse Vogel?
Ja.
Und der haust da oben? Auf dem Berg?
Ja.
Auch das Wort hausen hörte er da erstmals. Ein wunderliches Wort: der Vogel haust, er muss da wohl sein Haus haben. Sein Nest, in dem er wohnt.
Später im Jahr hat er das Lied dann umgesetzt: Zu Mamis Geburtstag am 3. Dezember 1952 hat er ein Bild gemalt: Darauf ist ein mächtiger Adler zu sehen, rechts oben am Berg ein Haus und in der Ferne zwei schneebedeckte Berge. - Alles drauf auf der Zeichnung: Dachstein, Aar und haust.
Das Lied ist übrigens die Steirer Landeshymne. Der richtige Text lautet:
Hoch vom Dachstein an, wo der Aar noch haust.
Der Kinderverstand hörte aber das für ihn stimmigere:
Hoch am Dachstein, da, wo der Aar noch haust.
«Da wo der Aar noch haust», Kinderzeichnung 5 ½ Jahre (1952)
Wir zogen in den Grosszaun, da wohnten auch Omi und Opa. Da gab’s Strauss-Walzer, Märsche und Silberfäden von Vico Torriani. Das gefiel mir nicht, aber ein Lied verzauberte mich vom ersten Ton an: Das Vilja Lied, auch von Franz Lehàr.
Vilja, oh Vilja, du Waldmägdelein… Das entzündete meine Fantasie: ein Mädchen, das im Walde wohnt. Wie seltsam, was mag das für ein Mädchen sein? Eine Fee? Das war ja wie in den Märchenbüchern. Also gab es sie, die Zwerge, Feen und Wichtel! Auch heute noch, wenn ich dieses Lied höre, entfalten sich in mir die gleichen Gefühle wie beim ersten Mal.
The Four Lads
Istanbul (not Constantinople)
Das war eine grosse 78er Schellack-Platte in einem braunen Umschlag, wie Packpapier. Und darauf ein kleiner Kleber von Musik-Heiz Glarus. Für mich der absolute Hammer. Die Männer sangen auf Englisch, und die Musik tönte ganz anders als alles, was ich bisher gehört hatte. Zudem erklangen auch neuartige (es waren orientalische) Elemente, sehr aufregend. Mutter hatte damals einen Englischkurs auf Schallplatten von der Migros-Klubschule gekauft, den sie sich ständig anhörte. («Sambadi nox äze door», sagte Walti, «i cha ez au Englisch.») Das war, glaube ich, der Grund, weshalb sie nun begann, auch englische Schallplatten zu kaufen. «Take me back to Constantinople, now it’s Istanbul, not Constantinople» sangen die Männer. Sonst verstand ich nicht viel vom Text, aber er wies ein paar ganz heisse Stellen auf, z.B. «New York and Amsterdam», und Unverständlicheres wie: Peace attack and berber twin. Dieser magische Satz wurde vom Bass-Sänger immer wieder mit tiefer Stimme geraunt. Erst in YouTube Zeiten konnte ich das Geheimnis lüften. Es hiess: People just liked it better that way… (Und es war die Antwort auf folgende Frage: Even Old New York was once New Amsterdam. Why they changed it, I can’t say. People just liked it better that way.)
Mäcki war ein Seemann
«Mäcki Mäcki Mäcki Mäcki - ooooh!» sang meine Cousine Uschi (die mittlere von Tante Ilses Töchtern), als sie, die in St. Gallen wohnte, nach Netstal in die Ferien kam. Von Uschi hörte ich erstmals den St. Galler Dialekt mit seinen hellen Vokalen, vor allem dem aa. «Maximaal!» sagte sie anstatt tschent oder huärä schü. und «Jo, meerssi denn! Do hesch denn ‘s Gscheengg.» Dass ich wenige Jahre später diesen Dialekt annehmen würde, da wir in eben diesen Kanton zügelten, ahnte ich damals noch nicht.
Christi 1. Klasse Netstal (1954)
Diesen Messinganhänger von Jazz-Trompeter Louis Armstrong brachte Mutter zusammen mit einer 78 Touren-Schellack-Schallplatte nach Hause. Der Verkäufer vom Musikhaus Heiz in Glarus hatte ihn ihr geschenkt (Heute denke ich, Louis Armstrong war ein Ladenhüter gewesen…)
Luis Mariano
Mexico
«Mexico, Mexihiiico, du Land der ew’gen Sohonnee. Wer deine Frau’n gesehn, wird mich genau verstehn, du bist so schön.» Mutter hatte die Platte (damals gab’s nur Singles) gekauft. Es war die deutsche Version, ebenfalls von Luis Mariano gesungen (das französische Original stammt aus dem Jahr 1951). Zu weiteren Geografie-Kenntnissen verhalf sie mir auch: «Ich kannte die Pariser Damen, von ihrer Schönheit ganz betört, und jene die aus Spanien kamen… doch mein Ideal, das sind die Frau’n von Mexico…» So eine Platte hörte ich ungezählte Male, weil wir nur wenige besassen. Und die kannte ich dann auswendig, die Umschläge ebenfalls: ich sehe ihn noch vor mir, den Luis Mariano. So ein schicker Mann mit dunklen Augen und schwarzglänzenden Haaren. Wäre der was für meine Mutter? Na, vielleicht doch eher nicht.
René Carol
Jede Nacht erklingt in Abbazia
Dieser Schlager, eigentlich nur der Refrain, rief seltsame, fast wehmütige Gefühle in mir wach, als ich ihn damals, 1954, das erste Mal im Radio hörte; ich ging in die erste Klasse. Es war das Wort Abbazia, das mich so faszinierte, das Wort Abbazia im Einklang mit der Melodie. Dieser fremde Name rief Ahnungen in mir wach. Ich sah ein weitläufiges, dunkles, flaches Gebäude auf einer heissen Hochebene. Dazu stellte ich mir einen schattigen Innenhof mit Büschen, Bäumen und Blumen vor. Schon damals als Bub war ich mir sicher, dass ich Abbazia kannte – irgendwie.
Ich habe dieses Lied nicht oft gehört, aber den Refrain habe ich behalten und ihn auch immer wieder gesungen. Im Laufe der Zeit war ich mir fast sicher, dass Abbazia irgendwo im Inneren von Spanien liegen musste. Warum, wusste ich nicht. Nun, im Zeitalter von Wikipedia, erfahre ich, dass Abbazia um die Jahrhundertwende von 1900 ein mondänes Seebad der Donaumonarchie war… (in Kroatien)
Bücher:
Hans Wundersam(Ernst Kutzer/Adolf Holst). Ein Wintermärchen. Hans Wundersam hat einem frierenden Englein geholfen, dafür durfte er sich Himmel und Hölle anschauen. Und sich im Himmel eine Gefährtin aussuchen. Dieses Bilderbuch mit Versen hat mir gezeigt, dass es auf innere Werte ankommt, auch auf Bescheidenheit. Neben der Hölle mit des Teufels Grossmutter hat sich mir auch das Schlussbild eingeprägt, wie Hans und seine Frau vor ihrem Häuschen sitzen, inmitten von Wiesen, Apfelbäumen und Vöglein. Und ein kleiner Engel kommt angeflogen mit einem Kindchen in den Armen… «und hat – wie ihr euch gleich gedacht – auch stets was Schönes mitgebracht.»
Heinz Rühmann und Oliver Grimm
La-le-Lu
Wir durften nach Glarus ins Kino, da lief der Film «Wenn der Vater mit dem Sohne», mit Heinz Rühmann und Oliver Grimm. Die Geschichte eines Vaters, der keine Frau mehr hat, und seinem kleinen Sohn. Am Abend sang Papa dem Buben dieses Einschlaflied. In Oliver waren wir wie verliebt gewesen nach dem Film, Walti und ich. Wir hatten keinen Vater, Klein-Oliver keine Mutter… (ihm ging es also ähnlich wie uns)
Bill Haley & his Comets
Rock Around the Clock
Eines Tages brachte Mutter eine kleine Platte in hellbraunem Umschlag mit, die aber vier Musikstücke enthielt statt nur zweien. Als sie sie abspielte, blieb mir fast der Atem stehen: so etwas hatte ich noch nie vorher gehört! Unglaublich - so ein Sound! Was war das? Er kam aus Amerika und nannte sich Rock’n’Roll. Am Radio hörte man nie so etwas - und nun hatten wir diese Platte im Haus. Mutter war sie bald verleidet, das merkte ich. «Darf ich sie haben, Mami?» - Ich besitze sie noch heute. Tausend Mal gespielt. Bill Haley war der Chef, und er hatte noch fünf Männer in der Band. Die schaute ich mir immer an, während die Platte lief. Ob da wohl einer für Mutter in Frage käme? Dann müsste sie nicht mehr arbeiten… mir müsste er natürlich auch gefallen, das war klar. Da blieb nur einer: der in der Mitte, der hübscheste. - Wo eigentlich lag Amerika? Im Laufe der Zeit dämmerte mir, dass der Gedanke vielleicht etwas unrealistisch war, auf diese Weise für Mutter einen neuen Mann zu suchen… Blieb also noch der blonde Lastwagenfahrer, der meinen Freund Hansi und mich oft mitnahm im grünen Henschel mit dem schönen runden Kühlergrill. Doch wie ihn fragen? Nachts studierte ich mir Sätze aus…und wartete anderntags an der Baustelle, bis der Henschel kam. «Stiiged ii», sagte der Blonde. Ich war glücklich, brachte aber keinen von den Sätzen heraus, die mir nachts in den Sinn gekommen waren. Mutter blieb ohne Mann, wir ohne Vater. Aber ich liebe noch heute Laster, Autobusse und Dieselgeruch.
Es waren vor allem zwei Stücke, die es mir angetan hatten auf der EP (Extended Play - weder Single noch LP):
Rock around the Clock und Shake Rattle and Roll.
Letzteres Stück hatte geheimnisvolle Stellen, die ich nicht wirklich verstand, eine lautete so:
«Pajupajoo – pajupajoo -
Hanaiken Honay cat
People in de seafood store»
Hiess das vielleicht: Komm, Honig-Katze, treffen wir uns im Fischladen…?
Auch hier wieder, die Lösung erst nach Jahrzehnten:
«I’m like a one eyed cat
Peeping in the seafood store.»
Aha… - Seither sehe ich jetzt diese einäugige Katze vor mir, die in den Fischladen hineinlinst. Einmaliger Text!
Eine Stelle jedoch war klar:
«you look so warm,
but your heart is cold as ice.»
ebenso wie:
«…’cause I’m a hungry man –
I said shake, rattle and roll,
I said shake, rattle and roll!»