Zeit für Sauberkeit - Gerald Grosz - E-Book

Zeit für Sauberkeit E-Book

Gerald Grosz

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Beschreibung

Die Korruption, die Verhaberung, die Freunderlwirtschaft, die gegenseitigen Abhängigkeiten sind ständige Begleiter des politischen und wirtschaftlichen Geschehens der Gegenwart. Dringen Details über die Machenschaften und das pervertierte Moralverständnis scheinheiliger Opportunisten in Amt und Würden an die Öffentlichkeit, ist die Erschütterung beim Bürger groß. Und die Politikverdrossenheit steigt: "Es sind ja eh alle gleich", so lautet der resignierte Kommentar im Volk. Doch wie lange kann ein politisches System ohne Vertrauen stabil bleiben? Das Jahr 2021 bot nicht nur eine Fortsetzung des Corona-Wahnsinns, sondern auch bestürzende Enthüllungen über die Umtriebe der politischen Klasse im deutschsprachigen Raum. Am Ende stand für Österreich gar ein Dreikanzlerjahr. Für Gerald Grosz ist klar: Der allgegenwärtige Sumpf der Korruption muss endlich ausgetrocknet werden! Ein von Grund auf politischer Mensch bekennt sich hier zu Anstand und Moral im Hohen Haus – und seine beißende Kritik trifft alle, die das Vertrauen der Bürger zu ihrem eigenen Vorteil missbrauchen.

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Gerald Grosz

ZEIT FÜR SAUBERKEIT

Für meine Großmutter,die mir lebenslang Vorbild bleibt.

Gerald Grosz

Zeit für Sauberkeit

Ein Plädoyer gegen Korruption,für Moral und Anstand

Umschlaggestaltung: DSR Werbeagentur Rypka GmbH, 8143 Dobl/Graz, www.rypka.at

Umschlagabb. Vorderseite: Lex Karelly Photography, Schmiedgasse 21, 8010 Graz

Wir haben uns bemüht, bei den hier verwendeten Bildern die Rechteinhaber ausfindig zu machen. Falls es dessen ungeachtet Bildrechte geben sollte, die wir nicht recherchieren konnten, bitten wir um Nachricht an den Verlag. Berechtigte Ansprüche werden im Rahmen der üblichen Vereinbarungen abgegolten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter https://www.dnb.de abrufbar.

Erklärung des Verlages

Gerald Grosz publiziert in Zeitungen und Zeitschriften wie „Österreich“ und „Deutschland Kurier“ und tritt regelmäßig in der Sendung „Fellner LIVE!“ auf OE24.tv auf. Teile einiger im vorliegenden Buch abgedruckter Texte sind zuvor bereits in Kolumnen und Gastkommentaren veröffentlicht worden.

Hinweis: Dieses Buch wurde auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die zum Schutz vor Verschmutzung verwendete Einschweißfolie ist aus Polyethylen chlor- und schwefelfrei hergestellt. Diese umweltfreundliche Folie verhält sich grundwasserneutral, ist voll recyclingfähig und verbrennt in Müllverbrennungsanlagen völlig ungiftig.

Auf Wunsch senden wir Ihnen gerne kostenlos unser Verlagsverzeichnis zu:

Ares Verlag GmbH

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Fax: +43 (0)316/83 56 12

E-Mail: [email protected]

www.ares-verlag.com

ISBN 978-3-99081-098-9

eISBN 978-3-99081-099-6

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, auszugsweisen Nachdruck oder Einspeicherung und Rückgewinnung in Datenverarbeitungsanlagen aller Art, sind vorbehalten.

© Copyright by Ares Verlag, Graz 2022

Layout: Ecotext-Verlag Mag. G. Schneeweiß-Arnoldstein

Inhalt

Vorwort

Zeit für Sauberkeit

Und führe dich nicht in Versuchung

Am Anfang war die Gefälligkeit

Neigungsgruppe Korruptionisten

Korruption, die DNA des politischen Systems

Die Republik der Abhängigen

Es ist Zeit für Sauberkeit

COVID, Korruption, Dreikanzlerjahr

Vorwort

„Du kannst auch manchmal zu spät kommen, wenn es am Vorabend zu lang wurde. Ich bitte dich nur um eines: Greif niemals zu!“, so die eindringlichen, sehr emotional vorgetragenen und mahnenden Worte meines ehemaligen Chefs und väterlichen Freundes Herbert Haupt, als ich im Jahr 2000 sein Pressesprecher im Sozialministerium wurde. 23 Jahre war ich alt, der Jüngste und wahrscheinlich auch Unerfahrenste in der Riege der erlauchten Ministersekretäre der Regierung. Und obwohl dieser einem absoluten Befehl gleichkommende Appell, quasi nicht bestechlich und korrupt zu werden, aus dem Wendejahr 2000 dann doch schon mehr als zwei Jahrzehnte zurückliegt, sind mir diese Worte über all die Zeit immer gegenwärtig, ja wie ein mir aufgetragenes elftes Gebot aktuell geblieben.

Ein berufspolitisches Leben in der ökonomischen Abhängigkeit einer hauptamtlichen Funktion, eines Amtes oder eines Mandates bedingt, dass man aus den in Legislaturperioden gedachten Existenzängsten regelrecht zum Zugreifen verleitet wird, man die gesamte Zeit über der ständigen Versuchung ausgesetzt ist oder vielmehr wird. Dass man sein Amt missbraucht, sein Ideal und das Volk und damit das in einen gesetzte Vertrauen verrät, um sich die eigene Existenz und die Taschen für eine magere Zukunft zu füllen. Dass man um des eigenen oder des Vorteils der eigenen Partei willen schlicht käuflich, korrupt und damit kriminell wird. Und ich habe in diesen Jahren zwischen dem Beginn meines politischen Engagements im März 1993 und dem Ende meiner berufspolitischen Karriere im März 2015 viele sogenannte Verantwortungsträger kommen und gehen gesehen, die dann ihren Platz auf der Abgeordneten- oder Regierungsbank mit der harten Anklagebank tauschen mussten und zu Recht wegen Betruges, Untreue, Amtsmissbrauch, Bestechung und Bestechlichkeit verurteilt wurden, also den bekannten Klassikern des Strafrechtes für die gefallenen Engel der Politik. Die Superstars der politischen Arena, die ihren vor sich hergetragenen Idealismus und die darauf aufbauende Berufung eines Volksvertreters gegen ein paar Silberlinge großzügiger Unternehmen für die Sicherheit ihres großspurigen Lebens nach dem Amt getauscht haben. Die überheblich oder schlichtweg dumm genug waren, um zu glauben, dass man sie nicht ertappen werde.

Die Korruption ist der Mühlstein unserer Zeit, sie ist der ständige Begleiter des politischen und wirtschaftlichen Geschehens der Gegenwart, und ein Blick in die Vergangenheit der politischen Nachkriegssysteme Europas zeigt eindrücklich, dass sie immer da war. Die Korruption ist einer der großen Feinde der Demokratie, der Gerechtigkeit und damit der Freiheit. Von Zeit zu Zeit werden wir von dem Ergebnis dieses pervertierten Moralverständnisses scheinheiliger Opportunisten erschüttert, und das Krebsgeschwür der Korruption befällt den Staatskörper eines Landes. Und mit jedem dieser Skandale sinkt die Grenze des Anstandes, wird das einst Verpönte und Gemiedene salonfähig, werden die Kriminellen nicht lebenslang geächtet, sondern manchmal sogar bewundert, ihre Taten als Kavaliersdelikte abgetan. „Es sind ja eh alle gleich“, quittiert die Bevölkerung achselzuckend den Verfall von Moral und politischem Anstand. Die Korruption, die Verhaberung, die Freunderlwirtschaft, die gegenseitigen Abhängigkeiten haben die tragenden Säulen unserer politischen Systeme längst erfasst, sie geradezu inhaliert, sich an ihre Stelle gesetzt.

Dieses Buch ist ein Plädoyer für Sauberkeit in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Nicht die lässlichen Sünden unseres Alltages stehen am Pranger eines eifernden, puritanischen Verständnisses, sondern jene Korruption, die das Vertrauen der Menschen in die politischen Anführer tötet und somit ein besonders bedrohliches Gift für unser friedliches Zusammenleben und unsere Gesellschaft darstellt. Es ist nach all den uns ständig belästigenden Skandalen, den Verirrungen und Verwirrungen endlich Zeit für Sauberkeit – für eine neue Ära des Anstandes!

Mai 2022

Zeit für Sauberkeit

Und führe dich nicht in Versuchung

Es war einer dieser normalen Tage im Sozialministerium im Jahr 2001, an dessen Ende man angesichts des gebotenen Arbeitsaufwandes im Hamsterrad der Politik zwischen BSE, Maul- und Klauenseuche, Abfertigung Neu und Hauptverbandsreform nicht mehr wusste, ob man – volkstümlich gesagt – „Manderl oder Weiberl“ ist. Der Arbeitstag zog sich locker über 15 bis 16 Stunden hin, die Arbeitswoche füllte alle sieben Tage. Zudem lagen lange Monate der Verhandlungen um das Kinderbetreuungsgeld hinter uns. Der im Nationalratswahlkampf 1999 von Jörg Haider in Österreich beworbene Kinderscheck wurde als gesetzliche Anspruchsleistung für Familien mit Kindern nach zähen Verhandlungen beider Regierungsparteien ÖVP und FPÖ formell als Kinderbetreuungsgeld beschlossen. Heftig wurde diese Sozialleistung kritisiert, eine sozialdemokratische Frauenvertreterin verstieg sich in ihrer Wortwahl und bezeichnete dieses dann schlussendlich finalisierte Kindergeld als „Wurfprämie“. Man kann sich also vorstellen, wie die gesamte politische Debatte über Monate hinweg geführt worden ist.

Im Rahmen dieses Beschlusses forderte der Nationalrat das für diese familienpolitische Leistung zuständige Sozialministerium auf, eine landesweite Informationskampagne über die Möglichkeiten der Inanspruchnahme dieses neuen Kinderbetreuungsgeldes durchzuführen. Als Pressesprecher und damit Hauptverantwortlicher für die Öffentlichkeitsarbeit des mit der Durchführung beauftragten Regierungsmitgliedes, Sozial- und Familienminister Herbert Haupt, fiel mir die für mich neue Aufgabe zu, eine ordnungsgemäße Ausschreibung über diesen damals 20 Millionen Schilling schweren Werbeetat sicherzustellen. Wissend, dass dieser prall gefüllte Budgettopf auch einige charakterliche Schmeißfliegen der Werbeszene anziehen würde, gab mir Herbert Haupt den Ratschlag mit auf die Reise, vorsorglich gleich von Beginn des Ausschreibungsprozesses an die interne Revision des Ministeriums als eine Art „Kettenhund“ und Selbstschutz für mich einzubinden. „Du hast mit diesen Werbeanbietern kaum Erfahrung, und glaube mir, man wird versuchen, dich unter Druck zu setzen. Die interne Revision schaut darauf, dass du immer auf der sicheren Seite bist“, so Haupt. Und es war ein weiser Rat, wie sich später herausstellte.

Der erste Anruf nach europaweiter Anbotsveröffentlichung kam, wie nicht anders zu erwarten, von einem langjährigen Werber aus dem Umfeld der Partei, der wie selbstverständlich erwartete, den Auftrag zugesprochen zu bekommen. Und diese Zusage wollte er umgehend von mir, denn er habe so viel in seinem Leben geleistet und „höchste Entbehrungen erlitten“ dafür, dass wir nun dank ihm und wegen seines erfolgreichen Wirkens in der Regierung sitzen dürften. Daher erwarte er sich endlich Dankbarkeit und eine angemessene Gegenleistung, denn die Partei und ihre Minister seien ihm das schlichtweg schuldig. Meine Antwort, dass er sich mit seiner Agentur gern – wie jedes andere Unternehmen – an der offiziellen Ausschreibung beteiligen könne und, wenn er der Bestbieter sei, auch den Auftrag bekommen würde, stellte ihn nur wenig zufrieden, und er beendete das Telefonat mit dem Absingen hässlichster Schimpfwörter, die einer Art von Erpressung nicht unähnlich waren. Als damals doch noch sehr jungem, in die Abläufe eines Ministeriums, wie gesagt, noch nicht vollends eingeweihtem Menschen machten mir dieses Gespräch und die damit verbundenen Drohungen Angst, und ich informierte umgehend sowohl meinen Dienstgeber als auch die Mitglieder der eigens für diesen Kampagnenauftrag eingerichteten Vergabekommission. Mir zur Seite stand in diesem Gremium die Leiterin der ressortinternen Vergabeabteilung, eine langjährige, im Haus wegen ihrer Korrektheit regelrecht gefürchtete und unbestechliche Beamtin. Sofort kamen wir überein, diese Werbeagentur aus dem Vergabeverfahren auszuschließen. Denn dieser – wenngleich auch banale – Versuch, eine öffentliche Ausschreibung zu beeinflussen, war und ist ungesetzlich. Freunde machte ich mir mit dem Ausschluss des Werbeunternehmers zwar keine, aber wenigstens mein Gewissen war beruhigt. Die Sache war für mich nicht nur erledigt, sondern ich war auch etwas stolz darauf, dass ich diesem illegalen Versuch – natürlich mit Rückhalt meines Chefs – tapfer standgehalten hatte.

Wenige Tage darauf informierte mich das Terminsekretariat des Ministerbüros, dass ein gewisser Herr H. vor den Türen des Ministeriums stehe und um einen sofortigen Gesprächstermin mit mir bitte. Es sei dringlich und ein Aufschub nicht möglich. Selbstverständlich wurde er vorgelassen, handelte es sich bei diesem Herrn H. doch um einen sehr einflussreichen und äußerst bekannten Werbemanager aus der Wiener Szene. Wie das Licht die Motten zog ich in diesen Tagen und Wochen die Werbemanager des Landes an. Das Gespräch eröffnete er mit: „Ich habe mich im Rahmen des Vergabeverfahrens beworben, ich gehe davon aus, dass ich den Zuschlag erhalte. Es ist alles mit der Vizekanzlerin und dem Finanzminister ausverhandelt und vereinbart. Und für Sie, Herr Grosz, wird es sicher kein Nachteil sein.“ So machte mir dieser Herr, wenig verklausuliert, in Wahrheit direkt das unmoralische Angebot, mir für einen gesetzeswidrigen Zuschlag an den Vergaberichtlinien vorbei auch einen finanziellen oder beruflichen Vorteil erhoffen zu können. Regelrecht perplex über diese Szenerie erhob ich mich umgehend von meinem Sessel, beendete das Gespräch und ersuchte genannten Herrn, sofort mein Büro zu verlassen. Wiederum unter Absingen hässlichster Schimpfwörter und garniert mit der Drohung, dass dies für mich als „kleinen Sekretär“ Konsequenzen haben werde, ich meinen Job verlieren und er schon dafür sorgen werde, verließ der mittlerweile rechtskräftig verurteilte Cheflobbyist im Umfeld von Telekommunikationsunternehmen und Finanzministerium das Feld. Blass im Gesicht und zitternd ging ich umgehend an meinen Schreibtisch zurück, verfasste am Computer einen Aktenvermerk über das gerade Besprochene und informierte wiederum meinen Chef und die Mitglieder der Vergabekommission – mit von Sorgen beschwertem Gemüt, hatte mir doch Herr H. zu verstehen gegeben, dass er dieses schmutzige Arrangement sowohl mit der damaligen amtierenden Parteichefin und Vizekanzlerin als auch mit dem hinsichtlich seines Machteinflusses der Erstgenannten in nichts nachstehenden Finanzminister über den Kopf des Sozialministers und dessen Beamten hinweg vereinbart hätte. Und nachdem ich als 23-jähriger kleiner Ministersekretär nicht einfach die Vizekanzlerin und den Finanzminister am Handy mit diesem Umstand konfrontieren konnte, blieb mir nichts anderes übrig, als das Drohszenario des Werbers ernst zu nehmen. Man darf nicht vergessen: Ich war sehr jung, hatte durch die Bestellung zum Pressesprecher eines Bundesministeriums eine für mein Alter sehr verantwortungsvolle Aufgabe und wollte diese auch nicht verlieren. Ich war zwar bereits abhängig von meiner beruflichen Tätigkeit, aber zum Glück direkt von einem Menschen, nämlich meinem Chef, der als absolut integer, ehrlich und unbestechlich galt und gilt.

H.s Unternehmen wurde folgerichtig ausgeschieden, und er selbst bekam noch am selben Tag eine Mitteilung aus unserem Haus, dass wir diese Vorkommnisse bei weiteren Versuchen einer Intervention durch ihn auch der Justiz melden würden. Später am Abend desselben Tages bekam ich dann einen Anruf aus dem Vizekanzleramt, der dem Versuch einer regelrechten Nötigung glich. Die dortige Pressesprecherin ersuchte mich im vorgeblichen Auftrag ihrer Chefin, den zuvor genannten Unternehmer mit dem Werbeauftrag zu bedienen, ansonsten würde mir ihre Chefin „den Kopf abbeißen“. Kurz darauf folgte der wütende Protest aus dem Büro des Finanzministers mit einer für mich ähnlich bedrohlichen Botschaft. Beide versuchten unter Androhung des Jobverlustes, mich zu klar Ungesetzlichem zu drängen. Ich habe diese Gespräche als Nötigungen empfunden und informierte umgehend meinen Dienstherrn. Gottlob war Herbert Haupt für „Interventionen“ solcher Art nicht zugänglich und gab den beiden Regierungskollegen unmittelbar zu verstehen, dass man diesen „Streit“ zwischen den Ressorts auch gern am nächsten Tag vor dem Staatsanwalt austragen könne.

Der erstgenannte Werber ist später wegen Korruption in anderer Sache rechtskräftig zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Der zweitgenannte Werber und Lobbyist gehört auch zu den Stammgästen heimischer Strafvollzugsanstalten. Der laut Eigendefinition „zu schöne und zu reiche“ Finanzminister beschäftigt seit bald zwei Jahrzehnten die Justiz, ähnlich erfolgreich wie die beiden ersten. Die restlichen Involvierten der Geschichte waren offenbar geschickter oder ihre Handlungen rechtlich nicht relevant. An ihrer charakterlichen Eignung, ein Amt in dieser Republik ehrenhaft, unbestechlich und unabhängig auszuüben, darf aber leidenschaftlich gezweifelt werden. Dass sie nicht zu den Unberührbaren gezählt werden, liegt offenbar daran, dass sie sich mit dem System, das über gesellschaftlichen wie finanziellen Erfolg oder Misserfolg, also über Leben und Tod entscheidet, arrangiert haben. Für alle Genannten gilt natürlich in der jungfräulichen Republik der systematisierten Unschuld die Unschuldsvermutung, sie sind selbstverständlich hochanständig.

Der zweite Kontakt mit der landläufig bekannten Korruption fand nur zwei Jahre später statt. Im Frühjahr 2003 wurde Herbert Haupt, mittlerweile Parteichef, als Nachfolger von Susanne Riess-Passer selbst Vizekanzler und damit oberster Regierungskoordinator neben dem Bundeskanzler. Ich war nach wie vor sein Pressesprecher und persönlicher Sekretär, eine Art Mädchen für alles. Eines schönen Tages meldete sich am Amtssitz des Vizekanzlers im mondänen Wiener Palais Dietrichstein ein alter Bekannter. Kurt L., langjähriger Mitarbeiter in der Presseabteilung der Partei, mittlerweile im Sportmanagement tätig, ersuchte im Auftrag von Vertretern des Bieterkonsortiums für die skandalumwitterte Abfangjägerbeschaffung um einen Termin beim Vizekanzler. Es sollte für den Eurofighter von EADS interveniert werden. Auch mögliche Gegengeschäfte zugunsten der Republik würden Gegenstand des erwünschten Gespräches sein. Und wiederum fiel seitens Kurt L.s mir gegenüber der in diesem Zusammenhang immer wiederkehrende Zaubersatz: „Es soll nicht zu deinem Nachteil sein“, wenn ich diesen Termin ermöglichen würde. Dem Terminwunsch wurde natürlich nicht entsprochen, Herbert Haupt, ein grundanständiger und ehrlicher Mensch, hütete sich wie der Teufel vor dem Weihwasser davor, mit Vertretern des milliardenschweren internationalen Waffengeschäftes zusammenzutreffen. „Denn wer sich mit Hunden ins Bett legt, wacht mit Flöhen wieder auf“, lautet das in dieser Angelegenheit zutreffende Zitat.

Die Eurofighter-Beschaffung erschütterte die Republik später in den Grundfesten, sie ist bis heute nicht restlos geklärt, und die wahren Schuldigen wurden noch immer nicht ihrem gerechten Urteil zugeführt. War doch jedem Blinden im Lande klar, dass jene, die schlussendlich auf politische Weisung des Kanzlers und seiner damals noch amtierenden Vizekanzlerin den Zuschlag bekamen, nicht die Bestbieter waren. Innerhalb des Verteidigungsministeriums wurde durch die Beamten ein anderer Bestbieter erarbeitet und für den Beschluss durch den Ministerrat vorbereitet. Aber in Regierungskreisen geisterte die Legende, dass mit dem Eurofighter eben ÖVP und FPÖ „bedient“ würden und im Falle einer Saab-Gripen-Anschaffung die SPÖ das Rennen um die Provisionsmillionen mache. Denn der Saab Gripen gelte als Nachfolgegeschäft der Saab-Draken-Beschaffung, jener des Vorgängerflugzeuges des Eurofighters beim Bundesheer, und damit erhielten die in der grauen Vorzeit der 1980er-Jahre für die Regierung hauptverantwortlichen Sozialdemokraten möglicherweise eine illegale Vergünstigung. So hielt man die parteipolitisch Ehrgeizigen wie Skrupellosen bei der Stange, die natürlich glaubten, diesen Deal im Interesse des höheren Wohles ihrer jeweiligen Partei zu unterstützen. Der Eurofighter-Skandal füllt zig Bücher und wahrscheinlich Tonnen an Aktenmaterial bei der heimischen Justiz. Zumindest alle, die im Zuge dieser Bestellung als Intervenienten auffällig wurden, sind nach Beendigung ihrer aktiven politischen Zeit zivilberuflich wie von Zauberhand auf die Butterseite gefallen, in ein gut gefülltes Versorgungsnetz innerhalb jener Bereiche der Privatwirtschaft, die vom Eurofighter-Kauf profitiert haben.

Ich glaubte nie an Zufälle. Es liegt der Verdacht nahe, dass Schmiergelder größtenteils eben nicht sofort geflossen sind, sondern Bypasslösungen mit entsprechenden Versorgungsjobs für die Zeit nach der aktiven politischen Zeit gefunden wurden. Bemerkenswert ist aber, dass der gesamte politische Zirkus in der Bundeshauptstadt um die wechselseitigen Abhängigkeiten der Verantwortungsträger gegenüber vom Eurofighter-Deal profitierenden Unternehmern wusste, aber die Justiz über all die Jahre hinweg nicht willens oder in der Lage war, Kickback-Zahlungen in Form von postpolitischen Anstellungen, ausgestattet mit satten Managergehältern und überzahlten Boni, in Betracht zu ziehen. „Derschlogt’s des“, war dann nach sehr langen Jahren die entsprechende Weisung eines Justizbeamten, die zugleich lähmenden wie von wenig Erfolg gekrönten Ermittlungen einzustellen. Einige richten es sich halt geschickter, die Ehrlichen sind zwar ökonomisch die Dummen geblieben, können aber wenigstens heute noch in den Spiegel schauen. Jörg Haider hatte übrigens in den Jahren 2000 bis 2002 die damalige Regierungsspitze immer in Verdacht, ihre ursprüngliche unbestechliche Überzeugung, ihre dargestellte Unbestechlichkeit, die Arbeitshalle des kleinen Hacklers gegen die prall gefüllten Schüsseln an den Tischen der Reichen und Schönen und das VIP-Zelt eingetauscht zu haben. Und so sah auch tatsächlich deren Politik aus. Man sah die Führungsmannschaft der Partei des kleinen Mannes eher auf den unzähligen Seitenblicke-Events zwischen Kitzbühel, dem Wörthersee und Wien als im Gespräch mit dem einfachen Volk. Sie ließen sich eben von den Statussymbolen der Macht blenden und von jenen, die einem das ewige Leben ohne Existenzängste versprachen, schlichtweg verführen. Weil sie keine charakterliche Erdung hatten, weil sie zu rasch und ohne nennenswerten Widerstand aufgestiegen und damit abgehoben sind. Ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet die Vizekanzlerin und der Finanzminister später bei der ÖVP andockten, jener Partei, die der Kurz-Intimus Thomas Schmid in einem der Skandalchats selbst als „Hure der Reichen“ beschrieb. So schließt sich der Kreis.

Ich erinnere mich sehr gut an ein Gespräch, das ich im Frühjahr 2002, wenige Monate vor dem durch das Delegiertentreffen von Knittelfeld erzwungenen Ende der Regierungszusammenarbeit, im Büro des Landeshauptmannes von Kärnten in Klagenfurt mit Jörg Haider hatte. „Man kann der Vizekanzlerin und dem Finanzminister nicht vertrauen. Sie verkaufen die Seele der Partei für ihre Geschäfte“, waren die noch weniger klagbaren Vorwürfe, die der Übervater der FPÖ mir gegenüber an seine Nachfolger formulierte. „Eine abgehobene Bagage, die sich von Schüssel einkochen hat lassen“, ärgerte sich Jörg Haider über einstige Mitstreiter, die das Geld der Bürger lieber in der Abfangjägerbeschaffung als in einer Steuerreform sahen. Es kam, wie es kommen musste: zum Bruch und zum berühmten „Knittelfeld“. Die Basis rebellierte, verstand es nicht, dass die eigene Parteispitze all ihre Grundsätze mit dem Jahrhunderthochwasser in Österreich 2002 die Donau hinunterspülte. Verabschiedet in die wohldotierte Privatwirtschaft hat sich die Vizekanzlerin, die ins Versicherungsgeschäft eines SP-nahen Konzernes – und angesichts ihres Werdeganges überraschend gleich an der Spitze – einstieg. Den Finanzminister verschlug es in windige Investmentgeschäfte. Seiner ist die Justiz, wenngleich auch nicht rechtskräftig, schließlich habhaft geworden. Am Ende erweist sich, dass Jörg Haider mit seinen Thesen recht behalten hat und das als zerstörerisch gebrandmarkte Delegiertentreffen von Knittelfeld seine moralische Berechtigung hatte. Denn es ging um nicht weniger als darum, die sich im Glanz ihrer Ämter verselbstständigende Partei- und Regierungsspitze auf die eigentliche Sinnstiftung einer ehrlichen Volksvertretung zurückzuzwingen. Haider wurde in den Medien, deren inseratenspendable Stars die Illoyalen waren, als Spalter, als verrückter Egomane dargestellt, dessen Charakter es nicht zulasse, dass Mitstreiter wichtiger würden als er. So wurde eine Legende gezimmert, in der die in Wahrheit Gefallenen zu Helden mutierten und der eigentliche Aufdecker zum egoistischen Verrückten abgestempelt wurde.

Ich war übrigens nicht in Knittelfeld, sondern saß in meinem Büro in Wien und beobachtete das muntere Treiben der reinigenden Selbstzerstörung aus sicherer Distanz. Aber immer mehr reifte in mir mit dem Wissen um die handelnden Personen die Überzeugung, dass zumindest ein Großteil der Delegierten, die gegen die damalige Regierungs- und Parteiführung agitierten, aus einem hehren Motiv heraus handelten. Man kann Jörg Haider viel vorwerfen. Man kann ihm schlechte Menschenkenntnis attestieren. Man kann ihn dafür kritisieren, dass er seiner Umgebung zu viel Freiraum gab und das Risiko groß war, dass sich so junge und doch unterschiedliche Charaktere in eine grundfalsche Richtung entwickelten, da er als Autoritätsperson sein Umfeld nicht lenkte und erzog, wie es beispielsweise ein Herbert Haupt als moralische Instanz mit mir tat. Man kann aber Jörg Haider tatsächlich nicht vorwerfen, sich jemals persönlich an seiner politischen Tätigkeit bereichert zu haben. Er war Zeit seines Lebens sehr bescheiden, und die wenigen Luxusgegenstände seines Lebens finanzierte er sich selbst und nicht über die Politik. Jörg Haider und seine Ehefrau waren Besitzer des millionenschweren Bärentals in Kärnten, seine wenigen Luxusgegenstände ließen sich aus der Portokasse eines solchen großen Forstbetriebes zahlen. Die große Gefahr, die für das etablierte, in sich korrumpierte System von Jörg Haider ausging, war eben seine Unabhängigkeit und persönliche Unbestechlichkeit. War er es doch, der mich 1993 begeistert hatte, weil er der unbestechliche Hecht im Teich der korrupten Karpfen von SPÖ und ÖVP war.

Im Jahr 1993 war ich 15 Jahre alt und wurde recht rasch Jugendfunktionär des Ringes Freiheitlicher Jugend, der Vorfeldorganisation von Haiders FPÖ. Ansässig im weststeirischen Deutschlandsberg, wurde ich auch dort Zeuge ungestrafter und ungesühnter politischer Korruption. Wir kennen doch alle die Legenden von Kommunalpolitikern und ihren Mitarbeitern, die billige Grundstücke über Strohmänner einkaufen lassen, um sie dann selbst in teure Grundstücke umzuwidmen. Das sind keine Legenden; die sogenannten Fachmarktzentren an den Einfahrtstraßen mittelgroßer Städte, gebaut auf landwirtschaftlichen Gründen, die über Nacht zu Gewerbegebiet umgewidmet wurden, sind im gesamten Land sichtbar. Der Bürgermeister durfte das rote Band zur Eröffnung durchschneiden, sich über die Gewerbeansiedelung freuen, der Grundstücksbesitzer wurde über Nacht reich und jene Beamten und Kommunalpolitiker, die dies gewährleisteten, ebenso. Die Zentren der jeweiligen Innenstädte sterben naturgemäß aus und müssen mit bezahlten Förderungen des Steuerzahlers erhalten werden. Es ist diese gelebte und nachhaltig zerstörerische Korruption, die sich bis heute von der kleinsten Zelle des politischen Systems, der Gemeinde, über die Länder bis hinauf in die Bundesregierung und die Europäische Union nachverfolgen lässt. Die Art und Weise der Untat ändert sich nicht, nur der Preis wird eben höher. Sind es auf Gemeindeebene einige wenige Tausend Euro, die schon den Schlüssel zum Erfolg ausmachen, sind es auf Bundesebene oder in Brüssel eben Millionen, die bei so manchem Geschäft getauscht werden.

Die dritte Begegnung mit der Korruption hätte mich selbst, unwissend, fast den Kopf gekostet. 2005 war ich bereits Landesparteiobmann von Jörg Haiders zweiter Partei, dem BZÖ, und stand in meinem Heimatbundesland bei den Regionalwahlen als Spitzenkandidat in Hauptverantwortung. Die Kassen waren leer, wie in Parteien eben üblich, und der Wahlkampf mangels finanzieller Wettbewerbsfähigkeit kaum zu bestreiten. Eines Tages bekam ich einen Anruf eines Wiener Glücksspielunternehmers. Er bewundere mich, finde meine politische Arbeit großartig. Er würde mich gern unterstützen und biete mir an, in einer parteieigenen Publikation, welche an alle Haushalte des Bundeslandes ging, ein Inserat zu schalten. Und zwar im Wert von 60.000 Euro. Volkstümlich würde man dies als warmen Regen an finanziell kalten Tagen bezeichnen. Ich freute mich über das Angebot, dachte mir auch nichts Besonderes dabei, war angesichts dieser meiner Person entgegengebrachten Wertschätzung fast ein wenig stolz und meinem Naturell entsprechend auch nicht sonderlich misstrauisch. Als ich den Glückspielunternehmer zwei Wochen später telefonisch darum bat, mir das Sujet für das in Aussicht gestellte Inserat zu übermitteln, wurde mir beschieden, dass er anonym bleiben wolle und mir daher keine Inseratenvorlage übermitteln könne. Er wolle selbstverständlich zahlen, erwarte aber keine Gegenleistung dafür. Nun wurde ich tatsächlich misstrauisch, war aber ratlos und involvierte meine langjährige Anwältin in diese Sachlage und die Frage, was diesbezüglich zu tun sei. Sie meinte, der Unternehmer könne auch einen Druckkostenbeitrag leisten, wenn er schon so ein glühender Anhänger sei. Dieser müsse werthaltig sein, damit es einerseits kein steuerliches Problem gebe und man mir andererseits keine Beitragstat an einer möglichen Untreue dieses Mannes an seinem eigenen Unternehmen unterstellen könne. Mit dem Druckkostenbeitrag agierten wir rechtlich einwandfrei, die Steuern würden ordnungsgemäß abgeführt, der Betrag offiziell in der Buchhaltung vermerkt. So wurde es dann auch gemacht. Die Zeitung konnte herausgebracht werden, der Druckkostenbeitrag war angesichts der horrenden Kosten der Publikation angemessen, und alle waren glücklich.

Es vergingen die Jahre, bis ich 2016 aus heiterem Himmel einen Anruf eines Wiener Investigativjournalisten bekam, der mich um eine Stellungnahme zu der mir unbekannten Tatsache bat, dass offenbar ein internationaler Glücksspielkonzern hinter diesem Druckkostenbeitrag gestanden habe, der Wiener Glücksspielunternehmer nur ein Strohmann gewesen sei. Nun fiel ich aus allen Wolken. Der internationale Glücksspielmonopolist habe meinen Wahlkampf finanziert, in der Hoffnung, ich könnte ihm zukünftig behilflich sein. Dieser Konzern hat sich übrigens nie bei mir gemeldet; ich hätte mich natürlich schon allein aus Höflichkeitsgründen überschwänglich bedankt. Das Problem war auch nicht, dass dieses Unternehmen für diesen Druckkostenbeitrag stand, sondern dass eine Verschleierungskonstruktion hinter meinem Rücken gewählt wurde. Gottlob habe ich für dieses Unternehmen weder direkt noch indirekt geworben, mich aus dieser Glücksspielgesetzgebung immer peinlichst herausgehalten. Ganz im Gegenteil: In meiner Funktion als Gemeinderat von Graz habe ich noch gegen die Interessen solcher Konzerne gestimmt, gemeinsam mit der KPÖ. Ein Vorwurf der Käuflichkeit ginge somit ins Leere.

Die Wahrheit ist: Der Konzern unterstützte mich offenbar verdeckt, um mich im Falle eines Falles kompromittieren, wenigstens zu einer Gegenleistung zwingen zu können. Ein perfides Spiel, in dem mutmaßlich versucht wurde, mich käuflich erscheinen zu lassen. Ich habe ehrenamtliche Funktionen auf Gemeinde- und Bezirksebene ausgeübt, war fast 15 Jahre Berufspolitiker, entweder als hauptamtlicher Politmitarbeiter oder als Mandatar. Heute blicke ich auf eine lange und spannende Zeit zurück und möchte weder die Höhen noch die Tiefen missen, weder die Wahlerfolge noch die Niederlagen. Es waren lehrreiche Jahre, die daraus gewonnene Erfahrung ist unbezahlbar. Dass ich in diesen langen Jahren niemals vor Gericht stand, mit ruhigem Gewissen schlafe und mir täglich im Spiegel ins Gesicht schauen kann, liegt daran, dass ich stets die eingangs erwähnte Verpflichtung meines Chefs Herbert Haupt beherzige: „Greif niemals zu“, oder, anders ausgedrückt: „Und führe dich nicht in Versuchung!“

Am Anfang war die Gefälligkeit

Korruption führt in die absolute Abhängigkeit, wie manche Drogen eben ins endgültige Verderben. Es beginnt mit der kleinen Gefälligkeit, am Anfang ohne Forderung nach einer Gegenleistung, aus der ein grenzüberschreitendes, geradewegs intimes Verhältnis entsteht. Aus diesem Verhältnis wird rasch Verhaberung und ein noch vertrauensvollerer Raum, in dem man bereit ist, einen Schritt weiter zu gehen. Dieser weitere Schritt ist das Angebot oder die unverblümte Aufforderung, für eine berufliche, finanzielle oder gesellschaftliche Gegenleistung Illegales zu tun. Aus diesem Umstand entsteht weitere Abhängigkeit, und am Ende dieser tödlichen Abwärtsspirale unterscheidet man sich nicht mehr vom Heroinabhängigen, der seine tägliche Dosis zum Überleben braucht und dafür zu allem und jedem bereit ist.

Um ein solches Leben zu führen, muss man entweder sehr dumm, sehr undiszipliniert, sehr kriminell oder sehr überheblich sein. Meistens treffen alle vier Eigenschaften in einer Person zusammen, der Korrupte ist geboren. Dumm, sich auf einen solchen Pakt mit dem Teufel einzulassen, ohne zu merken, dass man nur mehr eine willfährige Marionette der Zahler ist. Kriminell, von solchen Methoden nicht angeekelt zu sein. Undiszipliniert, eben nicht zu widerstehen und Nein zu sagen. Überheblich, nicht daran zu glauben, jemals überführt zu werden. Tatsächlich, viele werden nicht überführt, die Strafe der Gerechtigkeit, auf die die Allgemeinheit hofft, trifft die wenigsten. Gottes Mühlen mahlen langsam, die der Gerichte noch langsamer. Denn diese verschwörerischen Absprachen und die darauf aufbauenden Geschäfte finden im diskreten Dunkel, unter vier Augen und mit viel Vorsicht statt. Am Anfang war die nett gemeinte, unschuldig vorgebrachte, möglicherweise auch von gewissen Kreisen eingeforderte Gefälligkeit, ausgesprochen von vermeintlich erfolgreichen und gesellschaftlich höherstehenden Persönlichkeiten, für die man zuvor noch unsichtbar war. Es ist die Eitelkeit, die hier angesprochen, bedient, ja befriedigt wird. Der politische Mandatar oder höhere Beamte aus einfachen Verhältnissen, der erstmals in seinem Leben von den Großen und Großspurigen der Gesellschaft wahrgenommen, dann umschmeichelt und am Ende eingekauft wird. Das „Ja-Wort“ zu dieser unheiligen Allianz ist schnell gesprochen, strebt doch jeder Mensch nach Höherem, nach dem Unerreichbaren, will dabei sein, einfach eine Rolle spielen. Letzteres ist weder ungewöhnlich noch ungesetzlich. Und man darf nicht vergessen, dass ein Großteil des politischen Personals über alle Parteigrenzen hinweg aus Personen besteht, die erstmals in ihrem Leben dank ihres Mandates oder ihrer Funktion ein Gehalt verdienen, von dem sie zuvor nur träumen konnten. Dazu kommt noch eine Teilfinanzierung des Lebensunterhaltes durch üppige Spesenregelungen.

Man passt sich ja schnell an und gleicht seine Lebensumstände recht rasch an die neue Einnahmequelle an. Was vor Jahren noch gut genug war, ist nun nicht mehr angemessen, entspricht nicht den neuen, erreichten und immer ersehnten Standards. Man wird eben dazu verleitet, über seine Verhältnisse zu leben. Und es ist doch angenehm, am VIP-Tisch mit jenen zu sitzen, die man zuvor nur vom Hörensagen oder von den Titelblättern kannte, Selfies zu schießen, sich anzufreunden, Netzwerke und hilfreiche Seilschaften zu bilden. Man wird verblendet und merkt nicht, dass einen diese Seilschaft eben nicht auf den Gipfel, sondern direkt in die Unterwelt der Eitelkeit führt. Und wer kennt sie nicht, die Parvenus, die plötzlich zu Ruhm und Ehre aufstiegen und deren Weg Stück für Stück mit den Steinen ihres eigenen moralischen Verfalls gepflastert war. Der Sohn des einfachen, aber dafür rechtschaffenen Autohändlers, der plötzlich zu Mandat, Ruhm und Ehre gelangt und bei den Schönen und Reichen sein Ende findet, anstatt dort ehrlich geblieben zu sein, wo die Welt zu Beginn der Karriere noch anständig und in Ordnung war. Der nun vor den Trümmern seiner Existenz steht, weil er den Hals nicht vollbekommen konnte. Oder der Maturant, der – geblendet durch eine im Vergleich zu seinem jungen Alter und der mangelnden Lebenserfahrung viel zu hohe Funktion – die Bodenhaftung binnen kürzester Zeit gänzlich verlor, innerlich selbstherrlich und nach außen gespielt demütig die Welt seines kleinen Landes erobern wollte, die Nation führte. Mit unlauteren Mitteln, die für ihn dank seiner mächtigen Freunde ein Stück neue Normalität wurden. Oder der Bauernbub aus einem Bundesland, der aus einer parteipolitischen Verlegenheit heraus Innenminister wurde, seinen Lebensstil in Sekundenschnelle den neuen, niemals zuvor genossenen Einnahmequellen anpasste und sich dann nach seinem Ausstieg aus der Bundespolitik als einfacher und geringer bezahlter EU-Mandatar am Basar der Brüsseler Korruption an den Bestbieter feilbot, nur um seine ökonomisch viel zu hoch geschraubten Begehrlichkeiten zu befriedigen. Oder der deutsche Minister aus altem, aber weniger gewichtigen Hause, schulisch unbegabt, der für seine Karriere seinen Lebenslauf frisierte, um an Macht zu gelangen, und seine gesamte Karriere auf den Sand einer gefälschten Dissertation baute. Es ist immer der gleiche Mechanismus! Aus dem unstillbaren Drang, besser zu sein, als man ist, höher zu fliegen, als man kann, oder machtvoller zu erscheinen, aus der Sucht, die eigene Eitelkeit ständig zu bedienen, biegt man in seinem Leben gänzlich falsch ab, baut statt auf Sein nur auf Schein und Lüge und scheitert fulminant. Weil man von der eigenen Vergangenheit eben irgendwann eingeholt wird, weil sich die Lüge nicht auf Dauer verdrängen lässt und wie der Unrat früher oder später aus dem Kanaldeckel an das Licht der Öffentlichkeit quillt. Und oft offenbart sich die wahre Bestimmung eines Politikers und der von ihm betriebenen Politik erst nach seinem Abgang vom glatten Parkett. Die Regierungschefs, die ihren postpolitischen Unterschlupf bestbezahlt bei den Atomlobbyisten oder im Dienste von Diktatoren finden. Zeige mir deinen neuen Job und ich sage dir, in welchen Diensten du zuvor gestanden hast. Man gewinnt den Eindruck, Politiker hätten keinerlei Berufsethos, besäßen keinerlei Anstand und Ehre. Am Anfang steht die Gefälligkeit, am Ende ein Skandal, der Rücktritt, ein sich in die Länge ziehendes Strafverfahren, die zerstörte Existenz und in manchen Fällen eine Haftstrafe. Schuld sind dann Journalisten, Richter, Staatsanwälte. Nur man selbst erkennt nicht seine großen Fehler, die in viel zu wenigen Fällen zum Karriereende und zum politischen Desaster führen.

Er ist mittlerweile politische Geschichte, hat den Rücktritt hinter sich, das Desaster der Aufarbeitung seiner Tätigkeit vor sich, aber beherrschte fast zehn Jahre lang die Schlagzeilen der kleinen Alpenrepublik Österreich. Sebastian Kurz, der Komet, der – wie es der Natur dieses Himmelskörpers entspricht – ebenso schnell verglühte, wie er vorbeigezogen war. Am Beginn der Geschichte und der damit einhergehenden großen Karriere stand eine kleine Runde eingeschworener Freunde, bestehend aus Sebastian Kurz selbst, seinen Weggefährten, dem ehemaligen Finanzminister Gernot Blümel und der Frau im Bunde, Elisabeth Köstinger. Dazu gesellten sich noch einige gleichaltrige Berater und Werbemanager sowie ein gewisser Thomas Schmid, später der wahre und wahrscheinlich einzige Grund für die Explosion des türkisen Projektes „Ballhausplatz“ und dafür, warum der seine Kanzlerschaft auf Ewigkeit anlegende Kurz nun doch kleinere Brötchen in der Privatwirtschaft backen muss.