Zeitschrift für kritische Theorie / Zeitschrift für kritische Theorie, Heft 44/45 - Roger Behrens - E-Book

Zeitschrift für kritische Theorie / Zeitschrift für kritische Theorie, Heft 44/45 E-Book

Roger Behrens

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Beschreibung

Die »Zeitschrift für kritische Theorie« ist ein Diskussionsforum für die materiale Anwendung kritischer Theorie auf aktuelle Gegenstände und bietet einen Rahmen für Gespräche zwischen den verschiedenen methodologischen Auffassungen heutiger Formen kritischer Theorie. Sie dient als Forum, das einzelne theoretische Anstrengungen thematisch zu bündeln und kontinuierlich zu präsentieren versucht. Das Heft wird einen Schwerpunkt zum Thema »Zur gesellschaftlichen Lage der Musik heute« enthalten.

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Zeitschriftfür kritische Theorie

Heft 44–45 / 2017

herausgegeben von Sven Kramer und Gerhard Schweppenhäuser

zu Klampen

Zeitschrift für kritische Theorie, 23. Jahrgang (2017), Heft 44–45

Herausgeber: Sven Kramer und Gerhard Schweppenhäuser

Geschäftsführender Herausgeber: Sven Kramer, Leuphana Universität Lüneburg, Institut für Geschichtswissenschaft und Literarische Kulturen

Redaktion: Roger Behrens (Hamburg), Thomas Friedrich (Mannheim), Sven Kramer (Lüneburg), Susanne Martin (Gießen), Martin Niederauer (Würzburg), Gerhard Schweppenhäuser  (Würzburg), Dirk Stederoth (Kassel)

Redaktionsassistenz: Julia Menzel

Korrespondierende Mitarbeiter: Rodrigo Duarte (Belo Horizonte), Jörg Gleiter (Berlin), Christoph Görg (Kassel), Johan Frederik Hartle (Karlsruhe), Frank Hermenau (Kassel), Fredric Jameson (Durham, NC), Per Jepsen (Kopenhagen), Douglas Kellner (Los Angeles, CA), Claudia Rademacher (Bielefeld), Gunzelin Schmid Noerr (Mönchengladbach), Jeremy Shapiro (New York, NY)

Redaktionsbüro: Alle Zusendungen redaktioneller Art bitte an das Redaktionsbüro:

Zeitschrift für kritische Theorie

Leuphana Universitätfür Lüneburg

z. Hd. Prof.Dr.Sven Kramer

Scharnhorststraße 1, Geb. 5

D-21335 Lüneburg

E-Mail: [email protected]

www.zkt.zuklampen.de

Erscheinungsweise: Die Zeitschrift für kritische Theorie erscheint einmal jährlich als Doppelheft. Preis des Doppelheftes: 32,– Euro [D]; Jahresabo Inland: 28,–Euro [D]; Bezugspreis Ausland bitte erfragen. Berechnung jährlich bei Auslieferung des Heftes. Das Abonnement verlängert sich automatisch, wenn die Kündigung nicht bis zum 15.11. des jeweiligen Jahres erfolgt. Fragen zum Abonnement bitte an folgende Adresse:

Germinal GmbH,

Verlags- und Medienhandlung,

Siemensstraße 16,

D-35463 Fernwald

Tel.: 0641/41700

Fax: 0641/943251

E-Mail: [email protected]

Umschlagentwurf: Johannes Nawrath

Layout und Satz: Janik Söllner; Fakultät Gestaltung, Hochschule für angewandte Wissenschaften, Würzburg-Schweinfurt

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ›http://dnb.ddb.de‹ abrufbar.

Aufnahme nach 1995, H. 1; ISSN 0945-7313; ISBN: 978-3-86674-700-5

Die Zeitschrift für kritische Theorie erscheint mit Unterstützung der Leuphana Universität Lüneburg und der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorbemerkung der Redaktion

ABHANDLUNGEN

Gunzelin Schmid Noerr Wie die »dunklen Schriftsteller des Bürgertums« die Dialektik der Aufklärung erhellen

Magnus Klaue Das Weltkind und seine Propheten. Jean-Paul Sartre in Berlin, 1948

Christian Voller Alfred Seidel und die Nihilisierung des Nihilismus. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der Kritischen Theorie

Dirk Braunstein und Christian Voller Ein Brief von Alfred Seidel an Theodor W. Adorno

Jan Sieber »Der Schatten des wildesten Interesses«. Sublimierung und Begehren in Adornos »Ästhetischer Theorie«

Elmar Flatschart Negative Dialektik oder Dialektik der Absenz? Eine Diskussion von Roy Bhaskars Dialektischem Kritischen Realismus mit Blick auf die Frankfurter Schule

SCHWERPUNKT

Gunnar Hindrichs Peripetien der Verweigerung

Richard Klein Adorno als negativer Hermeneutiker. Zu seiner Theorie der musikalischen Interpretation

Alain Patrick Olivier Die Rhythmik des Fortschreitens. Über das Verhältnis von Musik und Gesellschaft

Elvira Seiwert Quasi una phantasmagoria oder Die verschwiegene Musik

Claus-Steffen Mahnkopf Versäumte Erinnerungskultur? Musik im Vorfeld einer kommenden Unbedingten Kunst

Susanne Kogler Musik, Gesellschaft, Rezeption und Kritik. Zur Lage der Musik heute

Martin Niederauer Zur wissenschaftlichen Kritik an Adornos Jazztheorie

BESPRECHUNGEN

Roger Behrens Zur gesellschaftlichen Lage der Musik. Eine Literatur-Rundschau

Kritische Theorie – Neue Bücher des Jahres 2016 in Auswahl

Autorinnen und Autoren

Anmerkungen

Vorbemerkung der Redaktion

Vor 150 Jahren erschien der erste Band des Kapitals von Marx. 50 Jahre später sah es so aus, als könne von Lenin in Russland die Kapitalismuskritik in Praxis überführt werden. Einen kurzen geschichtlichen Augenblick lang mochte man glauben, der Kapitalismus könne abgeschafft und eine ausbeutungsfreie Gesellschaft begründet werden. Als aber vor 70 Jahren die Dialektik der Aufklärung von Horkheimer und Adorno veröffentlicht wurde, war die Welt gerade aus einer neuen Art von Barbarei hervorgegangen; die versöhnte, ausbeutungsfreie Gesellschaft schien ferner denn je. 1990 war es mit dem Zusammenbruch des realen Sozialismus schließlich auch mit dem Versuch vorbei, eine staatliche Alternative zum Kapitalismus aufzubauen.

»Philosophie, die einmal überholt schien«, so eröffnet Adorno seine Negative Dialektik, »erhält sich am Leben, weil der Augenblick ihrer Verwirklichung versäumt ward«, weil »die Veränderung der Welt mißlang«1. Das bezog sich nicht zuletzt darauf, dass die Hoffnungen, die mit der Oktoberrevolution und anderen Aufbrüchen nach dem Ersten Weltkrieg verbunden waren, aus der Sicht eines philosophischen, nicht mit der Arbeiterbewegung verkoppelten Marxismus schon in den 1920er Jahren verrauchten. Noch heute misslingt die Veränderung der Welt auf schreckliche Art. Nach wie vor produziert die kapitalistische Wirtschaftsweise systematisch und massenweise Elend, während immer weniger Reiche immer größere Anteile am allgemeinen Wohlstand besitzen. Die Geschichte scheint rückwärts zu laufen; Nationalisten und Autokraten erstarken. Der Widerstand gegen ökonomische Ausbeutung und staatliche Repression sucht in den Metropolen, zunehmend desperat, nach Formen jenseits von bloßer Symbolik oder regressivem Exzess.

Als Adorno 1969 gefragt wurde, ob die Philosophen denn Aktionen gegen die damalige Obristendiktatur in Griechenland befürworten sollten, antwortete er: »In Griechenland würde ich selbstverständlich jede Art von Aktion billigen. Dort herrscht eine total andere Situation. Doch aus dem sicheren Hort zu raten, macht ihr mal Revolution, hat etwas […] Läppisches«2. In der Bundesrepublik gehe es weiter darum, die Gesellschaftsanalyse voranzubringen und sich dabei auch in die Einzelphänomene zu versenken. Adorno fügte an: »Ich geniere mich gar nicht […] zu sagen, daß ich an einem großen ästhetischen Buch arbeite.«3 In seiner postum veröffentlichen Ästhetischen Theorie zeigte sich dann erneut, welcher Stellenwert der Kunst in Adornos Idee einer befreiten Gesellschaft zukommt:

»Kunstwerke sind die Statthalter der nicht länger vom Tausch verunstalteten Dinge, des nicht durch den Profit und das falsche Bedürfnis der entwürdigten Menschheit Zugerichteten. […] Eine befreite Gesellschaft wäre jenseits der Irrationalität ihrer faux frais und jenseits der Zweck-Mittel-Rationalität des Nutzens. Das chiffriert sich in der Kunst und ist ihr gesellschaftlicher Sprengkopf.«4

Schrieb Adorno von Kunst, meinte er vor allem die Musik, und hier primär die neue Musik Arnold Schönbergs, Anton Weberns und Alban Bergs. Musik, so Adorno, stehe ein für »Versöhnung«, ihr »Mitvollzug« sei »die gelungene Selbstentäußerung des Subjekts in einer Sache, die dadurch seine eigene wird: Vorwegnahme eines Zustands, in dem Entfremdung getilgt wäre.«5

Die ZkT wendet sich einmal mehr der Ästhetik zu und fragt im vorliegenden Themenschwerpunkt nach der aktuellen gesellschaftlichen Lage der Musik. Adorno hatte sie 1932 in einem programmatischen Aufsatz für die Zeitschrift für Sozialforschung schon einmal aus der Sicht der kritischen Theorie analysiert. Seither haben sich die politischen, die medialen und viele weitere Koordinaten verschoben. Zugleich sind einige gesellschaftliche Konstanten geblieben, allen voran die Persistenz des Kapitalismus. Unsere Fragen an die Expertinnen und Experten aus dem Gegenstandsbereich lauteten: Wie können die aktuellen Ausprägungen der Musik in der Perspektive der kritischen Theorie auf den Begriff gebracht werden? Wie ist das musikalische Feld heute organisiert? Welche ästhetischen Aspekte bedürfen einer Aktualisierung, welche wären überhaupt erst einzuführen? Welche Stellung kann bzw. sollte eine aktuelle kritische Theorie gegenüber einzelnen Phänomenen der Musik, der Musikkultur und der Musiktheorie einnehmen?

Die in diesem Schwerpunkt versammelten Antworten dokumentieren, wie lebendig und wie breit gespannt die musiktheoretischen Überlegungen im Anschluss an die kritische Theorie heute sind: Gunnar Hindrichs setzt bei Helmut Lachenmanns Formel einer »Verweigerung des Gewohnten« an und erläutert sie unter anderem im Hinblick darauf, wie sie den ästhetischen Apparat verstört. Hieran anknüpfend thematisiert er drei aktuelle Weisen der Verweigerung der Verweigerungsästhetik – durch Kitsch, Konzeptualismus und Wirklichkeitsbezug. Den Abschluss bildet eine Kritik an dem Konzept einer Musikverweigerungsmusik. – Richard Klein setzt sich mit Adornos Fragmenten zur Theorie der musikalischen Reproduktion auseinander und arbeitet aus ihnen unterschiedliche Ebenen der musikalischen Hermeneutik heraus. Kritisch untersucht er dabei Adornos Sicht des Verhältnisses von rationaler Analyse und performativem Akt sowie der Relation zwischen künstlerischer und hermeneutischer Interpretation, um abschließend auf die Paradoxien eines Ideals der wahren Interpretation einzugehen. – Alain Patrick Olivier wirft die Frage nach einer Rhythmik des Fortschritts in der Musik und in der Gesellschaft auf. Nach einer einführenden Klärung des adornoschen Gesellschafts- und Fortschrittsbegriffs thematisiert er die Logik des Fortschritts im Gegensatz zur Logik der Reaktion mit Bezug auf das musikalische Kunstwerk. Davon ausgehend untersucht Olivier, wie diese Konzeption in Adornos Kranichsteiner Vorlesungen dialektisch betrachtet wird. Dabei berücksichtigt er auch das für die Moderne grundlegende Spannungsverhältnis zwischen Be- und Entschleunigung. – Elvira Seiwert untersucht die Präsenz des Kapitalismus im musikalischen Festspielbetrieb und geht dabei näher auf Bayreuth und Donaueschingen ein. Sie verzeichnet Begleitphänomene wie den Kult und die Eventisierung, und sie verweist auf den Anteil der Medien, etwa in Gestalt des Deutschen Fernsehpreises. Vor allem aber registriert – und kritisiert – sie das kontinuierliche Verschwinden der Musik aus dem Musikleben, die hier vorsätzlich zum Schweigen gebracht werde. – Claus-Steffen Mahnkopf befragt das Verhältnis unterschiedlicher Strömungen in der neuesten deutschen Musik sowie in der Musikkultur zu dem durch die Shoah verursachten Kulturbruch und konstatiert eine Schieflage: Dieses erinnerungskulturell besonders relevante Thema habe die Musikwelt noch kaum erreicht oder führe sie zu zweifelhaften Konsequenzen. Demgegenüber optiert er für eine Unbedingte Musik. – Suanne Kogler fragt direkt nach der Aktualität von Adornos Aufsatz Zur gesellschaftlichen Lage der Musik. Verfolgte Adorno eine Analyse von Musik als Gesellschaftskritik, von Produktion, Interpretation und Rezeption sowie eine Weiterentwicklung der Ästhetik, könne dieser Anspruch heute nur interdisziplinär eingelöst werden. Entsprechend stellt Kogler zeitgenössische Gesellschaftsanalysen heutigen ästhetischen Diskussionen über Kunst und künstlerische Phänomene gegenüber und untersucht so die Bezüge zwischen der aktuellen gesellschaftlichen Lage und der Lage der Musik. –Martin Niederauer setzt sich mit der wissenschaftlichen Kritik an Adornos Jazztheorie auseinander. Adorno werde immer wieder vorgeworfen, er habe eine falsche musikalische Analyse geliefert, seine Jazztheorie nie aktualisiert, unplausible psychoanalytische Analogien hergestellt und rassistisch argumentiert. Diese Kritikpunkte konfrontiert Niederauer mit Adornos einschlägigen Schriften wie auch mit Studien aus der Jazzforschung und reflektiert darüber nicht nur bekannte Schwächen, sondern auch verkannte Stärken der oftmals gescholtenen Jazzaufsätze. – In einer Literaturübersicht stellt Roger Behrens Positionen kritischer Theorie der Musik vor, die im weiten Feld der so genannten Popkultur zu verorten sind. Den ökonomischen Motiven der Kulturindustrie folgend, hat sich Musik in ihren unterschiedlichsten Bereichen seit dem Zweiten Weltkrieg einigermaßen kohärent entwickelt, so dass – eine These, die neuere Publikationen nahelegen – heute Popmusikgeschichte beides ist: allgemeine Musikgeschichte und allgemeine Kulturgeschichte.

Das Doppelheft versammelt außerdem die folgenden Abhandlungen: Gunzelin Schmid Noerr widmet sich in seinem Text zur Dialektik der Aufklärung der Horkeimer-Adorno’schen Frage, »Wie die ›dunklen Schriftsteller des Bürgertums‹ die Dialektik der Aufklärung erhellen«. In einer Verbindung von historischer und systematischer Darstellung benennt er kritisch die ihrerseits dunklen Stellen der Diskussion von Kant und de Sade in der Dialektik der Aufklärung und arbeitet die Geltungskraft heraus, die ihr Grundgedanke gleichwohl besitzt. Kritik an der Aufklärung muss als Kritik der bürgerlichen Gesellschaft deren Grundlagen in Frage stellen. Nur dann kann sie der Reduktion von Vernunft auf naturbeherrschende Rationalität begegnen, in der Aufklärung in Irrationalität umschlägt. – Historisch eingebettet in eine Darstellung von Sartres Berlinbesuch anlässlich einer Aufführung der Fliegen im Jahre 1948, diskutiert Magnus Klaue die Implikationen des existentialistischen Freiheitsbegriffs. Dieser wird mit dem Freiheitsbegriff und dem Konzept des Eingedenkens in der Kritischen Theorie konfrontiert, die sich in der Dialektik der Aufklärungangesichts der Shoah vom Konzept der Geschichte als einer von Klassenkämpfen verabschiedete. Klaue zeigt, wie der existentialistische Kult von Zukunft und Verantwortung zur Entlastungsideologie wurde – nicht nur bei jungen Deutschen, sondern auch bei Franzosen, die die Kollaboration und das Scheitern des Widerstands geistig zu verarbeiten versuchten. – Christian Voller stellt Alfred Seidel vor, der in der Mitte der 1920er Jahre eine interessante Stellung in der Frankfurter Frühphase der Kritischen Theorie einnahm, dann aber nach seinem frühen Suizid in Vergessenheit geriet. In seinem Werk gibt es signifikante Parallelen zum Kreis um Horkheimer, die theoriegeschichtlich rekonstruiert werden. Christian Voller und Dirk Braunstein edieren und kommentieren einen Brief Seidels an Adorno, der die ins Private hineinreichenden personellen sowie einige gedankliche Verflechtungen zwischen beiden belegt. – Jan Sieber geht von der These aus, dass die Bedeutung der Psychoanalyse für Adornos Ästhetik bisher noch nicht ausreichend beachtet worden sei. Er rekapituliert, wie dort Ungereimtheiten des Freud’schen Sublimierungskonzepts im Lichte des Motivs des »interesselosen Wohlgefallens« aus Kants Ästhetik diskutiert werden und gibt eine Skizze von Adornos dialektischer Theorie der Sublimierung. Dort würden trügerische und treffende Momente auf dialektische Begriffe gebracht, die sowohl der klinischen Reduktion der Kunstrezeption als auch deren idealistischer Überhöhung innewohnen. So lasse sich das Begehren des Subjekts als unerlässlicher Bestandteil ästhetischer Erfahrung angemessen rekonstruieren. – Elmar Flatschart thematisiert die dialektische Revision von Roy Bhaskars epistemologischer Theorie eines kritischen Realismus. Er macht deutlich, dass Bhaskars Dialektik-Konzept den kritischen Realismus auf einen falschen Weg bringt, indem er die ontologischen Erschleichungen in Bhaskars ontologischem Konzept der »Absenz« einer analytischen Kritik unterzieht. Wenn die »Schnittstelle von kritischer Gesellschaftstheorie und (Wissenschafts-)Philosophie« neu in den Blick genommen würde, ließe sich, so Flatschart, dennoch an Bhaskars Modell eines kritischen Materialismus anknüpfen.

Redaktion und Herausgeber trauern um Peter Bürger, der im August 2017 gestorben ist. Wie nicht zuletzt sein Beitrag Marginalien zu Benjamins »Einbahnstraße« in Heft 17/2003 der ZkT belegt, stand Bürger im Dialog mit der kritischen Theorie. Er hat sich ein Arbeitsleben lang mit literatursoziologischen und -ästhetischen Aspekten beschäftigt, die für sie von höchster Relevanz sind.

Gunzelin Schmid Noerr

Wie die »dunklen Schriftsteller des Bürgertums« die Dialektik der Aufklärung erhellen*

I. Kant vs. de Sade – Gibt es ein grundsätzliches Argument gegen den Mord?

Kant, der Rousseau im Allgemeinen schätzt und wie die Revolutionäre in Frankreich von den Ideen der Freiheit und Gleichheit überzeugt ist, bestimmt in der Metaphysik der Sitten das Recht als »Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann«1. Das entspricht dem liberalen Selbstverständnis der Moderne, demzufolge die Freiheit des Individuums nicht mehr, wie in der traditionalen Gesellschaft, durch die Autoritäten von Staat und Kirche, sondern einzig durch die Freiheit der anderen Individuen zu begrenzen sei. Während aber Rousseau den Schritt des Menschen vom Naturzustand in den der Gesellschaft als Deformation des wahren Menschen ansieht, kann nach Kant der Mensch als Vernunftwesen den gesellschaftlichen Antagonismus der gegeneinander gerichteten Interessen durch eine moralische Kultur der gegenseitigen Achtung überwinden. Kant geht davon aus, dass in der bestehenden bürgerlichen Ordnung ein solches allgemeines Gesetz der Freiheit als eines gerechten Ausgleichs der Einzelinteressen praktisch verwirklicht werden könne.

In derselben geschichtlichen Epoche, im Ausgang der europäischen Aufklärung, gibt ein anderer Anhänger Rousseaus, der aber schon von den Zeitgenossen und bis heute als Skandalautor angesehen wird und deshalb Jahrzehnte seines Lebens in Gefängnis und Irrenanstalt verbringt, der Infragestellung aller autoritären Bevormundung und der Proklamation von Freiheit und Gleichheit eine ganz andere Bedeutung: Der Marquis de Sade entwirft eine Utopie des von jeder inneren und insbesondere äußeren, strafrechtlichen Triebhemmung freien Individuums. Demzufolge lässt sich die Willkür des einen nur mit der Unterdrückung der Willkür des anderen verbinden, und gerade das macht für de Sade erst ein republikanisches Gemeinwesen wahrhaft freier Menschen aus. Und während Kant einer Version des Kategorischen Imperativs die Gestalt des Instrumentalisierungsverbots gibt – »Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest«2 –, proklamiert de Sade im Gegensatz dazu die schrankenlose Verfügung über andere: »[K]eine Leidenschaft [bedarf] mehr der völligen Freiheit als diese; keine ist despotischer; von ihr besessen, liebt es der Mensch zu befehlen, Gehorsam zu finden und sich mit Sklaven zu umgeben, die gezwungen sind, ihm Genüge zu tun.«3

Dies bezieht sich insbesondere auf das Recht zur sexuellen Verfügung, wobei de Sade in seiner Gesellschaftsutopie als einziges Kriterium das der Lust des Verfügenden zulässt: »[E]s geht dabei keineswegs um das, was das Objekt spüren könnte, das von der Natur und dem Gesetz zur momentanen Stillung der Begierden des anderen verurteilt ist; es geht nur um das, was dem zuträglich ist, der begehrt.«4

Da aber strikt gilt: »Alle Menschen sind frei geboren, alle sind gleich an Rechten«5, bedeutet das immerhin, dass jeder und jede wechselseitig jede und jeden anderen zum Sklaven ihrer und seiner Lust machen kann, solange sie oder er nur begehrt. Und die Rechtfertigung dieser Sklaverei schließt ausdrücklich Verleumdung, Diebstahl, Prostitution, Ehebruch, Inzest, Vergewaltigung, ja sogar Mord ein, auch wenn hier das Prinzip der ausgleichenden Wechselseitigkeit versagt und de Sade bei der Rechtfertigung des Mordes ersatzweise den angeblich kollektiven Nutzen der Natur oder der Republik heranzieht. Hier wie anderswo versteigt er sich zu den gewagtesten Trugschlüssen:

»Wagen wir es, unsere Seele einen Augenblick lang mit der heiligen Fackel der Vernunft zu erhellen: ist es eine andere Stimme als die der Natur, die uns den persönlichen Haß, die Racheakte, die Kriege eingibt, mit einem Wort, alle Beweggründe für fortwährende Morde? Wenn sie uns dazu rät, so bedarf sie ihrer. Wie können wir uns also ihr gegenüber schuldig fühlen, wenn wir nur ihren Absichten folgen? Mehr braucht es nicht, um jeden aufgeklärten Leser davon zu überzeugen, daß der Mord die Natur niemals beleidigen könnte.«6

Während Kant Freiheit aus Vernunftprinzipien konstruiert, proklamiert de Sade eine Freiheit der zerstörerischen Triebe. Offenbar zeigen die moralischen Wegweiser Kants und de Sades in diametral entgegengesetzte Richtungen.

Ist es dennoch möglich und sinnvoll, de Sades Utopie als dialektische »Aufhebung« und »Wahrheit« von Kants Begriff des autonomen Subjekts zu interpretieren? Eben dies nämlich ist eine der zentralen Thesen der Dialektik der Aufklärung. Horkheimer und Adorno behaupten im zweiten Exkurs ihres Buches, dass der moderne Wissenschaftsbegriff, wie Kant ihn in seiner Vernunftkritik begründet hat, den moralischen Gefühlen der Individuen die ethische Legitimation entzogen habe: »Die Morallehren der Aufklärung zeugen von dem hoffnungslosen Streben, an Stelle der geschwächten Religion einen intellektuellen Grund dafür zu finden, in der Gesellschaft auszuhalten, wenn das [materielle] Interesse versagt.«7

Weiterhin behaupten die Autoren, dass die mörderischen Konsequenzen dieses Aufklärungsprozesses zuerst von de Sade imaginiert, dann im Konkurrenzkapitalismus ansatzweise praktiziert und schließlich in der offenen Gewalt des Faschismus in extremer Form verwirklicht worden seien. Kant habe die Konsequenzen seines Vernunftbegriffs verleugnet, indem er – vergeblich – Moral anstelle der traditionellen Autoritäten durch die dem gesellschaftlichen Reproduktionsprozess abgelauschte formale Vernunft selbst zu restituieren versucht habe.

Horkheimer und Adorno stellen de Sade in eine Reihe mit anderen Philosophen, die sie als die »dunklen Schriftsteller des Bürgertums«8 bezeichnen. Ebenfalls dieser Gruppe zugeordnet werden dort beispielhaft Machiavelli, Hobbes, Mandeville und Nietzsche. An anderen Orten werden, zumindest bezüglich eines Teiles ihrer Lehren, in diesem Sinn auch Spinoza, Bayle, Holbach, Helvétius und Condorcet sowie, last but not least, Schopenhauer genannt,9 dessen Metaphysik des irrationalen Weltwillens für Horkheimer dennoch zum Anker einer Hoffnung auf Solidarität der sterblichen Wesen wird.10 Die »dunklen Schriftsteller des Bürgertums« verkörpern in eigentümlichen Mischformen Tendenzen der Aufklärung und der Gegenaufklärung. Sie wagen den unverhohlenen Blick in die gesellschaftlichen und individuellen Abgründe – das macht sie für die Erkenntnis bedeutsam. Dabei geht es nicht um eine Kritik der Gegenaufklärung im Namen der Aufklärung, sondern um den Nachweis, inwiefern Aufklärung selbst zur Gegenaufklärung wird:

»Die dunklen Schriftsteller des Bürgertums haben nicht wie seine Apologeten die Konsequenzen der Aufklärung durch harmonistische Doktrinen abzubiegen getrachtet. Sie haben nicht vorgegeben, daß die formalistische Vernunft in einem engeren Zusammenhang mit der Moral als mit der Unmoral stünde. […] Die Unmöglichkeit, aus der Vernunft ein grundsätzliches Argument gegen den Mord vorzubringen, nicht vertuscht, sondern in alle Welt geschrien zu haben, hat den Haß entzündet, mit dem gerade die Progressiven Sade und Nietzsche heute noch verfolgen.«11

Diese These wirkt bis heute verstörend, widerspricht sie doch der Grundvoraussetzung der philosophischen Ethik wenigstens in ihrem Mainstream, dass, bei allen Unterschieden in den Strategien der Moralbegründung, eine solche doch prinzipiell möglich sei. Sie ist aus ihrem historischen Kontext heraus zu verstehen. Die Dialektik der Aufklärung war eine philosophische Antwort auf den durch den Nationalsozialismus ausgelösten epochalen Rückfall in die Barbarei des Weltkriegs und der staatlich organisierten Massenvernichtung. Die Fortschrittserwartungen, die sich seit langem an den Aufbruch der Moderne geheftet hatten, schienen zerstoben. Dennoch hatten die Autoren nicht im Sinn, sich selbst einem hoffnungslosen Kulturpessimismus hinzugeben. Aber sie sahen den einzigen Weg, an die Aufklärung anzuknüpfen, in der rückhaltlosen Verfolgung ihrer Dialektik. Um sich die kulturelle Situierung der These von der neuen Bodenlosigkeit der Moral vor Augen zu führen, mag ein Verweis auf einen anderen, zeitgenössischen Denker erhellend sein, der dasselbe Gefühl das des »Absurden« nennt. Auch Albert Camus situiert sich, wie Horkheimer und Adorno, »im Zeitalter des Vorsatzes und des vollkommenen Verbrechens«, »in einer Epoche, die in fünfzig Jahren siebzig Millionen Menschen entwurzelt, versklavt oder tötet«12. So wird auch für ihn die Frage, ob es ein grundsätzliches Argument gegen den Mord gibt, zur zeitdiagnostischen Schlüsselfrage. Das Gefühl des Absurden resultiert aus Erfahrungen der untergründigen Verwandtschaften von emanzipatorischen und autoritären Ideologien und Bewegungen. In einer Welt, in der jegliches Handeln, unabsehbar oder nicht, in das Morden einmünden kann, gehen die Argumente für und gegen den Mord in einem Feld der Indifferenz ineinander über: »Ohne Für und Wider hat der Mörder weder unrecht noch recht. Man kann die Verbrennungsöfen schüren, so wie man sich der Pflege Leprakranker widmet. Bosheit und Tugend sind Zufall oder Laune.«13

Dabei geht es nicht um den individuellen Mord aus Leidenschaft, sondern um den kollektiven, ideologisch gesteuerten Massenmord des 20. Jahrhunderts. Auf dem Weg der Ideengeschichte des Sinnlosen, Absurden stößt auch Camus auf die wichtige Wegmarke de Sade, dem er die »erste zusammenhängende Offensive«14 gegen das Christentum zuschreibt. Er findet in de Sades Romanen die Vorwegnahme zweier moderner Ideen, der schrankenlosen individuellen Freiheit und der totalen Erniedrigung und Instrumentalisierung der Menschen:

»Zwei Jahrhunderte im Voraus hat Sade die totalitäre Gesellschaft in verkleinertem Maßstab gefeiert im Namen einer von Sinnen geratenen Freiheit […]. Mit ihm beginnt tatsächlich die zeitgenössische Geschichte und Tragödie. […] Unsere Zeit hat sich beschränkt, seinen Traum einer universalen Republik und seine Technik der Erniedrigung seltsam zu verbinden. […] Das Verbrechen, das nach seinem Wunsch die außergewöhnliche und köstliche Frucht des entfesselten Lasters sein sollte, ist heute nicht mehr als die stumpfe Gewohnheit einer nun polizeimäßigen Tugend.«15

Die Erfahrung des Absurden ist nach Camus kein ontologischer, sondern ein zeitdiagnostischer Befund, das Gefühl des Absurden kein Endpunkt, sondern ein Ausgangspunkt der Analyse. Camus sucht nach einem Ausweg aus dem nihilistischen Zerstörungsprozess der neuzeitlichen Vernunft und findet ihn – auch hier wieder eine gewisse Parallele zur Kritischen Theorie16 – in der Bejahung des »Leben[s] als einzig notwendige[m] Gut«, einem Gut, das »allen gehört«17 und deshalb dem überlegten Mord entgegensteht. Camus nennt diese Wendung, »das Verlangen, dass der Skandal aufhöre«, die »Revolte«. Sie »keimt auf beim Anblick der Unvernunft, vor einem ungerechten und unverständlichen Leben«18. Das »Absurde« ist der existenzialistische Name für die negative Dialektik der Aufklärung, die »Revolte« der Name für die Rettung der Aufklärung.

II. Die Konzeption der »Dialektik der Aufklärung« und die Anregung Gorers

Die Arbeit an der Dialektik der Aufklärung, die Horkheimer und Adorno zwischen 1939 und 1944 verfassten, wurde hauptsächlich von drei Motiven getragen:

– Erstens ging es um eine Weiterentwicklung der philosophischen Grundlagen des Historischen Materialismus. Diese Überlegungen kreisten lange Zeit um die Thematik einer »dialektischen Logik«, das heißt einer materiellen Kategorienlehre zentraler philosophischer Begriffe wie Freiheit, Kultur, Fortschritt oder Vernunft.

– Zweitens sahen sich die Autoren bezüglich des vom Nationalsozialismus verursachten globalen Rückfalls in die Barbarei zu einem umfassenden, geschichtsphilosophischen Erklärungsversuch der Moderne veranlasst, der zugleich bis in die anthropologischen Grundlagen hineinreichen sollte.

– Drittens hatten sie (zusammen mit Mitarbeitern des Instituts für Sozialforschung) ein umfangreiches empirisches Forschungsprojekt über Antisemitismus entworfen, das mit Förderung des American Jewish Committee durchgeführt werden konnte. Nun sollte der Antisemitismus auch ein zentrales Thema des Buches bilden, insofern »die Juden«, wie es dann im ausgearbeiteten Text hieß, »heute die Gruppe [sind], die […] den Vernichtungswillen auf sich zieht, den die falsche gesellschaftliche Ordnung aus sich heraus produziert«19.

Die früheste schriftliche Formulierung des späteren, in der Druckausgabe von 1947 verwendeten Buchtitels findet sich in einem Brief Adornos vom 10. November 1941, in dem dieser an Horkheimer von Einfällen bei der Lektüre des 1934 erschienenen Buches von Geoffrey Gorer, The Revolutionary Theories of the Marquis de Sade,20 berichtet: »Sie betreffen wesentlich die Dialektik der Aufklärung oder die Dialektik von Kultur und Barbarei. […] Sollte übrigens nicht der Komplex Sade und Antisemitismus für uns einen ersten Kristallisationspunkt abgeben?«21

In dieser Bemerkung Adornos verbinden sich die drei genannten Motive. Die Aufklärung, in der die Grundsätze der Moderne philosophisch formuliert worden waren, in ihrer Dialektik zu analysieren, hieß, Hegels Aufklärungskritik wieder aufzunehmen und zeitgemäß, nämlich materialistisch, zu reformulieren. Hegel hatte in der Phänomenologie des Geistes der Religionskritik der französischen Aufklärer – namentlich nennt er nur Diderot – vorgehalten, sie sei »ebensowenig [wie der Glaube] über sich selbst aufgeklärt«22. Ein entsprechendes, aus der Aufklärung mit Notwendigkeit resultierendes Programm einer Aufklärung zweiter Stufe zielte unter historisch-materialistischen Vorzeichen auf die geschichtlich-gesellschaftliche Situierung der grundlegenden Begriffe der Aufklärung wie Vernunft, Freiheit und Autonomie. Dabei fungierte der »Komplex Sade« als Beispiel für den Funktionswandel der ethischen Vernunft. Im Juliette-Exkurs der Dialektik der Aufklärung erscheint de Sade gewissermaßen als eine radikale Konsequenz der Kant’schen Erkenntniskritik.

Gorers Buch dürfte auch deshalb als Anregung fungiert haben, weil darin mehrfach – schon 1934 – Verbindungslinien zwischen den Sade’schen Romanfiguren und nationalsozialistischen Führen und Funktionären (aber auch zu »sadistischen« Tendenzen des kulturindustriellen Kinos in den USA) gezogen werden.23 Gorer schreibt: »I must apologize for the constant references to Nazi Germany, but its history in all its details is so similar to the conditions de Sade describes that it almost seems as though one were reading the plot of an unknown novel of his, and the apt comparisons spring spontaneously.«24

So deutet er die zynische Rede des Ministers Saint-Fond in de Sades Juliette über die Möglichkeiten, die Massen zu manipulieren, zu unterdrücken und auszubeuten als Vorwegnahme von Prinzipien der Hitlerdiktatur.25 Insgesamt ist der Roman Juliette »by far the most realistic of de Sades books. Research has shown that one after another of the institutions and persons that de Sade denounced were not figures of a diseased imagination – but historical truth.«26

Gorer zufolge hat die von de Sade ausführlich beschriebene, sexuell getönte Gewalt vielfach ihre realen Entsprechungen überall dann,

»whenever men get unrestrained power over their fellows – whether in revolution or counter-revolution, in prisons in America, Guiana, Morocco, Poland, Hungary, Germany, or through their position among races they are allowed to believe inferior – in the colonies, in Putumayo, in the Belgian Congo, in Polish Ukraine or among non-Aryans in Germany, or through position and wealth in Cuba or the native Indian States, they will practice on their victims the most revolting tortures, and tortures which receive a greater or lesser, and usually greater sexual tinge.«27

Worüber und wie würde de Sade, fragt Gorer, heute schreiben? »It would no longer be necessary for him to rake classical literature for examples of gratuitous cruelty and oppression; the daily press would furnish him with sufficient examples.«28

In diesem Zusammenhang zitiert er aus einem damaligen Presseartikel, in dem von grausamen Folterungen und Morden, begangen von verschiedenen SA-Führern, berichtet wird. – So bezieht schon Gorer auf seine Weise den Desillusionismus der Aufklärung auf die Barbarei des Nationalsozialismus. Der Name des Autors bleibt allerdings in der Dialektik der Aufklärung unerwähnt.

III. Zu den Begriffen »Bürgertum« und »Aufklärung«

Die Zuschreibung »bürgerlich« diente in der marxistischen Literatur bis weit über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus der klassenmäßigen Herkunfts- oder Standortbestimmung eines Autors. Die Dialektik der Aufklärung steht in philosophiegeschichtlicher Hinsicht gleichsam noch mit einem Bein in dieser Tradition, während sie sich mit dem anderen Bein in das Gefilde einer Geschichte der Vernunft begibt. Als bürgerlich in diesem zweiten Sinn sind Fähigkeiten von Individuen und Erwartungen an diese zu bezeichnen, die von einer organisierten städtischen Marktwirtschaft abhängen. Horkheimer und Adorno postulieren dies als gemeinsamen Bezugspunkt von bürgerlicher Subjektivität, die sich allerdings in unterschiedlichen Konstellationen entfaltet. So hängt die für das deutsche Bürgertum um 1800 typische Eigenheit der Innerlichkeit mit seiner realen politischen Machtlosigkeit zusammen und findet sich so nicht in der englischen Literatur derselben Epoche.29 Sucht man nun nach den geschichtlichen Wurzeln des bürgerlichen Subjekts, dann kann man beim mittelalterlichen Stadtrecht kaum Halt machen.

Anders als die anderen genannten Autoren (Machiavelli, Hobbes, Mandeville, Nietzsche) war de Sade kein »bürgerlicher Schriftsteller« im Sinn der Standes- und Klassenangehörigkeit, stammte er doch aus einer Familie von jahrhundertealtem Adel. Er war auch kein – wie es sie nicht selten gab – adeliger Interessenvertreter des bürgerlichen, »dritten Standes«, gar im Vorgriff auf die dann erst im 19. Jahrhundert übliche Abgrenzung gegenüber dem »vierten Stand« des Proletariats. Wie aus seinen politischen Schriften hervorgeht, sprach er sich für die radikale Abschaffung des Privateigentums aus und verurteilte im Zuge der Französischen Revolution und mit zunehmender Radikalität König, Kirche, Aristokratie und reiches Bürgertum als Ausbeuter des Volkes, so dass Gorer ihn »einen der ersten konsequenten Sozialisten«30 nennt – wobei allerdings dieser »Sozialismus« vor allem »der Absicherung des Trieblebens des Individuums gegen den Strafvollzug des Staates«31 dienen sollte. Wenn Horkheimer und Adorno de Sade als »bürgerlich« bezeichnen, so ist dies offenbar in einem geschichtsphilosophischen Sinn zu verstehen, indem sie ihm einen paradigmatischen Ausdruck von individueller Freiheit und rechtlicher Gleichheit als politischen Grundideen der Moderne zuschreiben. In demselben Sinn bezeichnet Adorno später Kants Moralphilosophie als bürgerlich, weil sie das erstarkte Selbstbewusstsein des Subjekts ausdrückt, »sich aus Freiheit selbst das Gesetz zu geben«, »ein Prinzip, das einem jeglichen Traditionalismus und einer jeglichen ständischen, feudalen und absolutistischen Ordnung entgegengesetzt ist«32.

Was unter Freiheit und Gleichheit konkret zu verstehen ist, hängt vom geschichtlichen Stand der gesellschaftlichen Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse ab. Als diese in der europäischen Frühzeit (nämlich in der griechischen Archaik) zum ersten Mal einheitliche, sich der eigenen Selbsterhaltung bewusste Individuen erforderten und ermöglichten, wurde mit dem Homerischen Odysseus das »Urbild […] des bürgerlichen Individuums«33 geschaffen. Horkheimer und Adorno folgen hier Nietzsches Interpretation des Geistes der Antike in der Ambivalenz von souveränem Denken und lebensfeindlichem »Nihilismus«.

»In der Tat erstrecken die Linien von Vernunft, Liberalität, Bürgerlichkeit sich unvergleichlich viel weiter, als die historische Vorstellung annimmt, die den Begriff des Bürgers erst vom Ende der mittelalterlichen Feudalität her datiert. Indem die neuromantische Reaktion den Bürger dort noch identifiziert, wo der ältere bürgerliche [!] Humanismus heilige Frühe wähnt, die ihn selber legitimieren soll, sind Weltgeschichte und Aufklärung in eins gesetzt.«34

Das Zitat zeigt, dass das Attribut »bürgerlich« durchaus uneinheitlich verwendet wird, nämlich auch im Sinn der neuzeitlichen Geistesgeschichte. Postuliert man demgegenüber ein »Urbild des bürgerlichen Individuums«, dann ist dieses freilich – so lässt sich weiterhin festhalten – nicht identisch mit seinen jeweiligen historisch bestimmten Erscheinungsformen, und diese sind nicht auf jenes zu reduzieren. Horkheimer und Adorno vernachlässigen diese Differenz offenbar absichtlich, indem sie mit gezielten Anachronismen spielen, etwa wenn es von dem an den Mast gefesselten, den Sirenen lauschenden Odysseus heißt, er wohne »einem Konzert bei, reglos lauschend wie später die Konzertbesucher, und sein begeisterter Ruf nach Befreiung verhallt schon als Applaus.«35 Man kann das als historisch unzulässige Vermischung zurückweisen, aber auch als Skizzierung einer Genealogie des künstlerischen wie auch alltagspraktischen Symbolismus und der in ihm enthaltenen Triebhemmung und Sublimierung begreifen. In diesem letzteren Sinn konzipieren die Autoren eine Entstehung der Subjektivität aus der Erfahrung des Leidens:

»Der Held […] ist im Leiden mündig geworden. In der Vielfalt der Todesgefahren, in denen er sich durchhalten mußte, hat sich ihm die Einheit des inneren Lebens, die Identität der Person gehärtet. […] Furchtbares hat die Menschheit sich antun müssen, bis das Selbst, der identische, zweckgerichtete, männliche Charakter des Menschen geschaffen war, und etwas davon wird noch in jeder Kindheit wiederholt. Die Anstrengung, das Ich zusammenzuhalten, haftet dem Ich auf allen Stufen an, und stets war die Lockung, es zu verlieren, mit der blinden Entschlossenheit zu seiner Erhaltung gepaart.«36

Wie bei den modernen Individuen die gesellschaftliche Vorgeschichte ihrer Zurichtung in ihr Unbewusstes abgesunken ist, so verleugnen auch die Theoretiker der bürgerlichen Gesellschaft zumeist diesen disharmonischen Abgrund des sozialen Zusammenspiels. Dies tun jedenfalls die »hellen« Schriftsteller des Bürgertums, die die möglicherweise erschreckenden Resultate ihrer eigenen Forschungen am Ende gleichsam ungeschehen machen, indem sie ethische Postulate ins Spiel bringen, die nach ihren eigenen Voraussetzungen eigentlich substanzlos sind. Demgegenüber bringen die »dunklen« Autoren jenes »Furchtbare« zu Tage, das »die Menschheit sich [hat] antun müssen«, und ziehen Konsequenzen aus den aufklärerischen Grundannahmen, mit denen sie das harmonistische Selbstbild der bürgerliche Gesellschaft erschüttern.

»Die Verschwörung der Machthaber gegen die Völker mittels ihrer unentwegten Organisation«, heißt es in der Dialektik der Aufklärung im Anschluss an die Erwähnung von de Sades »Sinn fürs Planen«, »liegt dem aufgeklärten Geist seit Machiavelli und Hobbes so nahe wie die bürgerliche Republik.«37 Vernunft als Planung ist grundsätzlich ambivalent, kann ebenso in politische Freiheit wie Unfreiheit umgesetzt werden. Der »aufgeklärte Geist« war, mit Machiavelli, jedenfalls schon am Ende des 15. Jahrhunderts, und, mit Nietzsche, noch am Ende des 19. Jahrhunderts wirksam. Darüber hinaus verwenden Horkheimer und Adorno den Begriff der Aufklärung nicht im engeren Sinn historisch, als Epochenbezeichnung (wie sie üblicherweise für das 18. Jahrhundert angesetzt wird), sondern strukturell, als Entfaltung rationaler Planung. Dafür spricht auch, über den hier fokussierten Kontext hinaus, die nahezu transhistorische Gleichsetzung von Aufklärung mit dem begrifflich sich selbst kontrollierenden Denken (im Gegensatz zum magischen und mythischen Denken), wie sie insbesondere im Eingangskapitel Begriff der Aufklärung entfaltet wird. Indem die Autoren Aufklärung dort als »Entzauberung« bestimmen, schließen sie an Max Webers historische Wissenschaftstheorie an. Weber hatte in Wissenschaft als Beruf (1919) den wissenschaftlichen Fortschritt als

»ein[en] Bruchteil, und zwar de[n] wichtigste[n] Bruchteil, jenes Intellektualisierungsprozesses« bezeichnet, »dem wir seit Jahrtausenden unterliegen«: »Die zunehmende Intellektualisierung und Rationalisierung bedeutet […] nicht eine zunehmende allgemeine Kenntnis der Lebensbedingungen, unter denen man steht. Sondern sie bedeutet etwas anderes: das Wissen davon oder den Glauben daran: daß man, wenn man nur wollte, es jederzeit erfahren könnte, daß es also prinzipiell keine geheimnisvollen unberechenbaren Mächte gebe, die da hineinspielen, daß man vielmehr alle Dinge – im Prinzip – durch Berechnung beherrschen könne. Das aber bedeutet: die Entzauberung der Welt.«38

Für Weber bestand die wichtigste heutige Konsequenz dieses schon Jahrtausende währenden Entzauberungsprozesses im Rückzug der Wissenschaften von den Fragen des Lebenssinns. Dadurch wird, so Weber, die Antwort auf die Frage, wie wir leben wollen, allein den privaten Vorlieben und Intuitionen überlassen: »Es ist das Schicksal unserer Zeit, mit der ihr eigenen […] Entzauberung der Welt, daß gerade die letzten und sublimsten Werte zurückgetreten sind aus der Öffentlichkeit, entweder in das hinterweltliche Reich mystischen Lebens oder in die Brüderlichkeit unmittelbarer Beziehungen der Einzelnen zueinander.«39

Horkheimer und Adorno identifizieren Aufklärung mit Entzauberung im Sinne Webers als strukturellen Begriff der soziokulturellen Rationalisierung, bedingt durch die materielle, gesellschaftliche Organisation der Naturbeherrschung. Unter Aufklärung ist eigentlich, wie Horkheimer in einer späteren Vorlesung formuliert, »das gesamte philosophische Denken zu verstehen, das, im Gegensatz zur Mythologie, seit den Griechen den Kampf darum führt, Klarheit in die eigenen Vorstellungen zu bekommen in dem Sinn, daß die Begriffe und Urteile für jeden einsichtig sein sollen.«40 Allerdings bleibt die Dialektik der Aufklärung nicht bei Webers heroisch-resignativer Feststellung stehen, dass sich die normative Vernunft verflüchtige, sondern stellt diese als Widerstreit der Vernunft mit sich selbst dar. Die »Krankheit der Vernunft«41 ist demnach nur durch die reflexive Anstrengung einer dialektischen Vernunft heilbar, deren Wirksamkeit allerdings von entgegenkommenden gesellschaftlichen Entwicklungen abhängt.

Die Schwäche dieses Aufklärungsbegriffs liegt, wie schon beim Begriff »bürgerlich«, in der Tendenz zur historischen Entdifferenzierung. Zwar fanden Intellektualisierung, Rationalisierung, Entzauberung der Welt über die verschiedensten Epochen der Zivilisationsgeschichte hinweg statt, aber doch mit tiefgreifenden Unterschieden in den Mitteln, Zielen und Folgen, was Horkheimer und Adorno gelegentlich auch selbst einräumen, wenn sie der neueren Aufklärung eine spezifische, sonst nicht erreichte Radikalität zuschreiben.42 Beim Vergleich der Epochen lassen sich durchaus Ähnlichkeiten feststellen (zum Beispiel zwischen der Renaissance des 15. und der Aufklärung des 18. Jahrhunderts), ohne dass doch Unterschiedliches gleichzusetzen wäre. Zwar wurde die Rede von der »griechischen Aufklärung« schon seit dem 19. Jahrhundert geläufig, aber damit wurde die Philosophie des 5. Jahrhunderts v. Chr. bezeichnet und nicht, wie Horkheimer und Adorno diese Analogie im umwertenden Anschluss an die »spätromantisch-deutsche Interpretation der Antike«43 ausweiten, die Homerischen Epen des 8. Jahrhundert v. Chr. Während die modernen »Kulturfaschisten«44 Aufklärung noch in ihren mythischen und epischen Frühformen bekämpften, machen Horkheimer und Adorno sich deren Einsicht in die rationalen Seiten des Mythos gegen die Intention ihrer Protagonisten zunutze, um ihre These von der ursprünglichen Verschlingung von Mythos und Aufklärung zu stützen.

Die Odyssee als Urgeschichte des bürgerlichen Individuums – dieser Topos war im deutschen Bildungsbürgertum seit dem Ende des 18. Jahrhunderts geläufig. Patriarchale Selbstfindung, Selbstbeherrschung und Individuierung – zentrale Themen des neuzeitlichen Bürgertums – wurden im Spiegel der griechischen Archaik vergegenwärtigt. Dabei kam es, wie Heinz Steinert zeigt, auch zu manchen Umdeutungen.45 So handelt es sich bei der Sexualisierung der Sirenen gemessen am Homerischen Text offenbar um eine viktorianische Projektion. Horkheimer und Adorno werten die in Klassik wie Romantik populäre Heldengeschichte um, indem sie deren dunkle Kehrseite beleuchten: Das zu sich selbst kommende Individuum, das die archaischen Mächte durch Opfer, List und Betrug überwindet, kann dies nur um den Preis der innerlichen Verhärtung und Entsagung. Jedoch hätten, Steinert zufolge, die Autoren der Dialektik der Aufklärung hier noch deutlich weiter gehen können:

»Die Dialektik der Aufklärung ist am Beispiel des Individuums, wenn man die Odyssee als Darstellung seiner ›Urgeschichte‹ lesen will, noch viel trostloser, als die Kritiker der Dialektik der Aufklärung ihr vorwerfen. Diese Errungenschaft verleugnet den Anteil der Knechte und der Frauen, denen sie beiden ohnehin vorenthalten wird, und ihres Opfers an der Möglichkeit, es gegen die alten Mächte zu erkämpfen. Diese Errungenschaft besteht in einer selbstmitleidigen Erzählung, die nur innerhalb der Oberschicht abgenommen wird. Und sie dient dazu, als bildungsbürgerliche Individualität von den wirtschaftsbürgerlichen Geschenken alimentiert zu werden.«46

IV. Per astra ad aspera – von Kant zu de Sade und Nietzsche

Wie die Auseinandersetzung mit den Neuromantikern, die den Mythos idealisierten, zeigt, greifen die Autoren der Dialektik der Aufklärung die Interpretationen der Aufklärungsgegner auf und unterziehen sie einer Umwertung: Wenn Aufklärung schon in ihren archaischen Frühformen aufgespürt und denunziert werden kann, dann kann – so der Gedanke – auf dieser Basis umgekehrt auch deren frühestes zivilisatorisches Potential aufgedeckt werden. In dieser Weise werden auch die sogenannten »dunklen Schriftsteller des Bürgertums« herangezogen. Machiavelli, Hobbes, Mandeville und Nietzsche haben gemeinsam, dass sie Einsichten aus der Perspektive der Herrschenden formuliert haben, die sich für gegenläufige, herrschaftskritische Interessen nutzbar machen lassen. Ihr Blick in gesellschaftliche, psychische und kulturelle Abgründe erfolgte ohne ein zureichendes Bewusstsein von den ökonomischen Bewegungsgesetzen und ohne hinreichende Perspektive auf emanzipatorische Alternativen. Erst die entsprechende Umwertung ihrer Analysen gibt diesen die nötige Stoßkraft.

Horkheimer und Adorno folgen bei der Interpretation der »dunklen Schriftsteller« einem übergreifenden Argumentationsmuster, das sich zusammenfassend als mehrfache Dechiffrierung verstehen lässt.

– Die Darstellungen werden nicht wörtlich genommen, sondern im Sinne des Historischen Materialismus umgedeutet und auf andere Wirklichkeitsausschnitte bezogen.

– Als Hauptmangel ihrer Analysen wird ihre fehlende Einsicht in die ökonomischen Bewegungsgesetze der Gesellschaft gesehen.

– Die pessimistischen Zuspitzungen und Verallgemeinerungen werden als symptomatische Problemindizierungen interpretiert, mit denen einer trügerischen Harmonisierung der gesellschaftlichen Widersprüche entgegengearbeitet wird.

– Der deskriptive Aspekt des jeweiligen dunklen Weltbildes wird gegenüber dem evaluativen Aspekt in den Vordergrund gestellt.

– Die herrschaftsaffirmativen Bewertungen werden gegen die Intentionen des jeweiligen Autors herrschaftskritisch umgedeutet. .

Die »dunklen Schriftsteller des Bürgertums« erhellen, der Dialektik der Aufklärung zufolge, schonungslos die Bruchlinien der bürgerlichen Gesellschaft und damit auch die Vereinfachungen und Trugschlüsse der »hellen« Schriftsteller. Indem ihre Texte gleichsam gegen den Strich gebürstet werden, tragen sie entscheidend zur Selbstaufklärung der Aufklärung bei. So verkörpern die ›Immoralisten‹ de Sade und Nietzsche eine logisch mögliche, wenn auch nicht intendierte Konsequenz des ›Moralisten‹ Kant und der Vernunftmoral überhaupt. Ihre Einsichten und Ideen widersprechen inhaltlich der von Kant vertretenen Ethik, aber sie lassen sich als Konsequenz (oder Über-Konsequenz) aus den erkenntniskritischen Ideen der Aufklärung verstehen, die sich insbesondere auf die Befreiung von Bevormundung durch Systematik der Erkenntnis (Ordnung im Denken nach Prinzipien) und die Selbstbestimmung des Subjekts mittels des kalkulierenden Denkens zum Zweck der Selbsterhaltung beziehen. De Sade und Nietzsche enthüllen demnach die destruktiven Möglichkeiten des von Fremdbestimmung freien, vollständig aufgeklärten, bürgerlichen Subjekts, das sich rücksichtslos das ihm bekömmlich Scheinende aneignet. Zugleich verweisen sie durch ihre Rebellion gegen die bürgerliche Ordnung auf die der Moral und dem Recht inhärente Tendenz, Freiheit zu beschneiden oder abzuschaffen auch da, wo Moral und Recht angeblich Freiheit schützen sollen. Sie offenbaren die Schattenseite der Aufklärung, deren (selbst)zerstörerisches Potential.

Im Juliette-Exkurs der Dialektik der Aufklärung beginnt der Gang vom »Hellen« zum »Dunklen« – sozusagen per astra ad aspera – mit Kants berühmter Bestimmung des Begriffs der Aufklärung als »Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.«47 Ist der »Verstand«, nach Kant, die begrifflich urteilende Bestimmung der durch die Sinne gegebenen Inhalte, so die »Vernunft« eine Art höherer Instanz, die den Verstand leitet, ohne doch das denkende Subjekt zu bevormunden, und zwar als Vermögen, die Begriffe und Urteile nach Ideen oder Prinzipien zu ordnen, aus dem Besonderen das Allgemeine zu abstrahieren und wiederum aus diesem das Besondere abzuleiten. Mittels der Vernunft arbeitet der Verstand nicht beliebig und willkürlich, sondern selbstbestimmt und konsistent.

»Nichts wird von der Vernunft beigetragen als die Idee systematischer Einheit, die formalen Elemente festen begrifflichen Zusammenhangs. Jedes inhaltliche Ziel, auf das die Menschen sich berufen mögen, als sei es seine Einsicht der Vernunft, ist nach dem strengen Sinn der Aufklärung Wahn, Lüge, ›Rationalisierung‹, mögen die einzelnen Philosophen sich auch die größte Mühe geben, von dieser Konsequenz hinweg aufs menschenfreundliche Gefühl zu lenken.«48

Diese Reduktion der Vernunft auf formale Stimmigkeit, die Verbindung von Allgemeinem und Besonderem, die vorgängige Korrespondenz von Erkenntnis und Tatsachen wird von Horkheimer und Adorno als Ausdruck der gesellschaftlichen Praxis der Naturbeherrschung zum Zweck der Selbsterhaltung gedeutet. Das Ich, die innere Instanz der Planung, ist »das Produkt sowohl wie die Bedingung der materiellen Existenz«, »es erweitert sich und schrumpft mit den Aussichten wirtschaftlicher Selbständigkeit und produktiven Eigentums«49.

Die der Selbsterhaltung im gesellschaftlichen Maßstab vor allem dienliche Erkenntnisform ist die kalkulierende und klassifizierende Wissenschaft, in der das einzelne Objekt, auch der einzelne Mensch, nur als austauschbarer Repräsentant eines Typus erscheint. Diese Form der Vernunft prägt den Inhalt der personalen Mündigkeit: die Fähigkeit zur Teilnahme am Wirtschaftsprozess. Die verschiedenen Subjekte verwenden dieselben intersubjektiv gültigen Erkenntnisformen, stehen aber zugleich in vielfachen Interessengegensätzen; der Gewinn des einen ist der Verlust des anderen. So spaltet sich der Begriff der Vernunft auf einerseits in »die Idee eines freien Zusammenlebens der Menschen, in dem sie zum allgemeinen Subjekt sich organisieren«, und andererseits in die »Instanz des kalkulierenden Denkens, das die Welt für die Zwecke der Selbsterhaltung zurichtet und keine anderen Funktionen kennt als die der Präparierung des Gegenstandes aus bloßem Sinnenmaterial zum Material der Unterjochung«50. Moralischuniverselles und instrumentell-partikulares Denken und Handeln treten auseinander. Das wissenschaftliche Wissen entsteht durch methodisch angeleitete Operationen. Vor diesem Wissensverständnis haben aber – und hier setzt die negative Dialektik des fortschreitenden Denkens ein – die Vernunftideen selbst keinen Bestand: »Blickte die geheime Utopie im Begriff der Vernunft durch die zufälligen Unterschiede der Subjekte auf ihr verdrängtes identisches Interesse hin, so ebnet die Vernunft, wie sie im Zug der Zwecke bloß als systematische Wissenschaft funktioniert, mit den Unterschieden gerade das identische Interesse ein.«51

So untergräbt, lange vor der späteren positivistischen Wissenschaftstheorie des 19. und 20. Jahrhunderts, schon Kants Erkenntniskritik dessen eigene Morallehre: »Der Bürger, der aus dem kantischen Motiv der Achtung vor der bloßen Form des Gesetzes allein einen Gewinn sich entgehen ließe, wäre nicht aufgeklärt, sondern abergläubisch – ein Narr.«52 Dabei agiert der Unternehmer des 19. Jahrhunderts, weil er durch die ökonomische Konkurrenz kontrolliert wird, noch nicht völlig moralfrei. Die weitestgehende Entmoralisierung erfolgt dagegen im Nationalsozialismus. »Die totalitäre Ordnung […] setzt kalkulierendes Denken ganz in seine Rechte ein und hält sich an die Wissenschaft als solche. Ihr Kanon ist die eigene blutige Leistungsfähigkeit.«53

Die dann folgende de Sade-Interpretation knüpft an die formale Vernunft-Funktion des Planens und Organisierens an, die zur Verwirklichung aller denkbaren Ziele verwendet werden kann, der Kritik der totalitären Gewalt ebenso wie ihrer Affirmation. Bei de Sade sind sie in den Dienst des strengen Reglements seiner Orgien und totalitären Regierungskünste der Versklavung und Ausbeutung gestellt. Tatsächlich beschreibt er die sexuellen Handlungen und Gewalttaten seiner literarischen Figuren weniger als Ausfluss von Triebimpulsen, die Verstand und Vernunft unterlaufen und zerstören; stattdessen lässt er in ihnen Sinnlichkeit und Denken als organisatorische Leistungen einer vollkommen freien Persönlichkeit kumulieren – frei vor allem von jeglichen gesellschaftlichen Zwängen und moralischen Rücksichten. Horkheimer und Adorno spüren den Parallelen von Kant und de Sade nach und stoßen auf die Forderungen nach Selbstbeherrschung (Dominanz der Vernunft über Gefühle, insbesondere moralischer Art) und nach der Dominanz des wissenschaftlichen Wissens (im Unterschied zum Glauben an Unbewiesenes). Dieses richtet sich im Verlauf der Aufklärung zwar in erster Linie gegen die Religion, aber in der Folge auch gegen moralische Allgemeinbegriffe wie Menschenliebe, Reue, Mitleid, Wohltun. Auch der Genuss und die ekstatische Liebe, die der Dialektik von sublimierten und entsublimierten Affekten folgen und ebenfalls mythische Reste mit sich führen, werden von der formalisierten Vernunft fortschreitend entwertet.

»Natur« (oder das, was als Natur proklamiert wird) dient bei de Sade wie bei Nietzsche zur Rechtfertigung von Kälte und Immoralität. Ein solcher Begriff der Natur enthält nicht nur den Krieg aller gegen alle, den Willen zu Kampf, Überwältigung und Herrschaft, sondern auch alle Arten von Anlagen, erworbenen Fertigkeiten, Privilegien, Reichtümern, die mit dem Genuss von Ungleichheit und Macht zusammenhängen. Nachdem keine transzendent begründete Ordnung mehr anerkannt wird, bleibt als einziger Ordnungsfaktor nur das Recht des Stärkeren. Freilich kehrt auch in dieses Weltbild die Moral zurück, indem sich die Schwachen »schuldig« machen, wenn sie sich (zum Beispiel im Christentum) vereinigen und damit selbst zu Starken werden, dabei aber das eigentliche »Naturgesetz« der Stärke umgehen. Der Preis dieser Versündigung an der Natur sind Krankheit und Verfall. Mit dieser Ansicht schaffen sich die herrschenden Klassen bei ihren Raubzügen ein gutes Gewissen. Der Hass gegen alles Unterlegene, insbesondere Frauen- und Judenhass, ist der Dialektik der Aufklärung zufolge der krampfhafte, projektive Versuch, der Lockung der zerfließenden Natur und den Anstrengungen der Zivilisation zu widerstehen. Bevor der Nationalsozialismus aus diesen Ansichten eine blutige gesellschaftliche Realität gemacht hat, haben de Sade und Nietzsche die Umwertung der bürgerlich-aufklärerischen Werte im Schatten der entstehenden Industrie und der geschichtlich ermächtigten formalen Vernunft literarisch ins Extrem getrieben und damit die negative Dialektik der Aufklärung dargestellt.

Aber sie haben auch, entgegen ihren eigenen Intentionen, deren positive, hoffnungsvolle Spielräume eröffnet (die man allerdings suchen, erkennen und nutzen muss): »Indem [das Bürgertum] im eigenen Spiegel vor sich selbst erschrickt, eröffnet es den Blick auf das, was über es hinaus liegt.« »Indem die mitleidlosen Lehren die Identität von Herrschaft und Vernunft verkünden, sind sie barmherziger als jene der moralischen Lakaien des Bürgertums.«54

V. Zur Metakritik der formalen Vernunft

Die »formale Vernunft« zeigt in der Dialektik der Aufklärung ein Doppelgesicht – und soll doch eine Vernunft sein. Zunächst ist die praktische Vernunft bei Kant bekanntlich in dem Sinn formal, dass sie das Gute nicht gleichsam im direkten Zugriff zu bestimmen sucht, sondern indirekt, auf dem Wege eines Prüfverfahrens hinsichtlich der Verallgemeinerbarkeit eines Grundsatzes, der auf mögliche Handlungspräferenzen angewandt werden soll. Nicht vorgegebene soziale oder religiöse Wertvorstellungen, Gefühle des Wohlwollens oder gesunder Menschenverstand entscheiden über die moralische Qualität von Einstellungen oder Handlungen, sondern allein die vernünftige Form ihrer Anforderungen, ihre Verallgemeinerbarkeit. Auch wenn nun die entsprechende Anwendung des Kategorischen Imperativs auf die konkreten moralischen Fragen – so die Kritik der Autoren – letztlich nicht gelingen kann, da die gesellschaftliche Totalität dem Einzelnen niemals hinreichend einsehbar ist,55 hat der Formalismus immerhin den Vorteil, das Bewusstsein über partikulare moralische Wertvorstellungen, die bestimmten Gruppen, Milieus oder Überlieferungen zugehören, hinaus zu heben. Während das Erfahrungswissen von der Pluralität der Moralen zu einer skeptischen Haltung gegenüber ihren Geltungsansprüchen führt, löst der ethische Formalismus den Anspruch der Allgemeingültigkeit ein. Er bürgt dafür, dass der allgemeine moralische Zweck nicht durch die immer auch notwendigen Erwägungen über die Mittel und Umstände des Handelns außer Kraft gesetzt werden darf.

Nun besteht aber eine weitere Bedeutung des Formalismus der Vernunft darin, dass zugunsten eines effektiven und effizienten Einsatzes der jeweils verfügbaren Mittel von den moralischen Aspekten des Handelns abstrahiert wird. Die instrumentelle Vernunft, die in diesem Sinn das Handeln strukturiert (sei es, mit Camus gesprochen: den Betrieb von Verbrennungsöfen in den KZs, sei es die Pflege Leprakranker im Urwaldkrankenhaus) ist formal, insofern sie Fragen nach der Legitimität ihrer Inhalte, Ziele und Zwecke zugunsten der Organisation des Handelns dahingestellt sein lässt. Problematisch wird ein solches Verhalten, wenn die Zwecke, die es sich von außen vorgeben lässt, einer ethischen Prüfung, wenn sie denn stattfände, nicht standhalten würden. Dass es Bürger gibt, die sich, wie Horkheimer und Adorno gegen Kant vorbringen, einen wirtschaftlichen Gewinn trotz widersprechendem Kategorischem Imperativ nicht entgehen lassen,56 hätte Kant nicht bestritten – sah er den Menschen doch als ein »krumme[s] Holz[…]« an, aus dem »nichts ganz Gerades gezimmert werden«57 kann –, aber auch nicht als Einwand gegen die Geltung der praktischen Vernunft gelten lassen. Er hätte darauf bestanden, dass der ethische Formalismus mit dem instrumentellen nicht gleichzusetzen ist und diesem gegenüber eigenständig gilt. Demgegenüber argumentiert die Dialektik der Aufklärung nicht geltungstheoretisch, sondern historisch und gesellschaftstheoretisch, nämlich mit der epochalen Entwertung und Verdrängung des moralischen Potenzials im Übergang vom Liberalismus zum autoritären Staat: »Entgegen dem kategorischen Imperativ und in desto tieferem Einklang mit der reinen Vernunft behandelt [der Faschismus] die Menschen als Dinge, Zentren von Verhaltensweisen. […] Die totalitäre Ordnung […] setzt kalkulierendes Denken ganz in seine Rechte ein und hält sich an die Wissenschaft als solche.«58

Die »Wissenschaft als solche« kulminiert, der Dialektik der Aufklärung zufolge, in Klassifikationen und Wahrscheinlichkeitsrechnungen, in denen das Einzelne nur noch als Fall eines Allgemeinen wahrgenommen wird. Und die Moral als innerer Kompass wird zuletzt durch Disziplin und Gehorsam als starre Verhaltensmuster ersetzt. – Diese pauschalen Urteile werden zweifellos den komplexen Begriffen der Wissenschaft wie der Moral und ihren vielfachen Erscheinungsweisen nicht gerecht. Die neukantianische Unterscheidung zwischen nomothetischen und ideographischen Wissenschaften mag überholt sein, da Naturwissenschaften auch Partikularaussagen und Kultur- und Humanwissenschaften auch Allaussagen formulieren. Und auch eine kausal erklärende Soziologie muss sich, nach Max Weber, auf das Verstehen von Sinnzusammenhängen stützen. Jedenfalls aber wäre das Bild einer nur mit der großen Zahl kalkulierenden Wissenschaft, verstünde man es wissenschaftstheoretisch, reduktionistisch verzerrt.

Und geschichtlich verzerrt wäre auch das Bild der politisch-totalitären Ordnung als moralfreier. Der Nationalsozialismus hat keineswegs die Moral überhaupt zugunsten des kalkulatorischen Denkens suspendiert, sondern die universalistische Moral der »Menschheit« durch die partikularistische Moral der »Volksgemeinschaft«, wobei diese Moral dann durch eine skrupellos durchgesetzte instrumentelle Vernunft realisiert wurde. Die nationalsozialistische Moral behauptete, dass die eigene Rasse wertvoller sei als andere, und die verschiedenen Rassen jeweils eigene moralische Rechte und Pflichten hätten. Wenn wir hier zögern, überhaupt von »Moral« zu sprechen, dann aufgrund unserer kulturellen universalistischen Prägungen der Moderne. Versteht man unter Moral aber, in deskriptiv-explanatorischer Perspektive, ein System von Verpflichtungen, die durch Gefühle von Schuld und Empörung abgestützt werden, oder aber, mit Durkheim die »Bindung an eine wie immer geartete Gruppe«59, dann verfügt auch der rassistische Nationalismus über eine Moral.60 Die anthropologisch tiefsitzende Gruppenbezogenheit der Verhaltensorientierungen kehrt in der Moderne wieder in der verzerrten und destruktiven Gestalt der Verfolgung von Minderheiten und des Fremdenhasses.

Das abgründige Menschen- und Gesellschaftsbild, das die »dunklen Schriftsteller des Bürgertums« zeichnen und das zur Verdeutlichung der Dialektik der Aufklärung dient, ist nicht ontologisch, sondern kritisch-diagnostisch zu verstehen, als vorwegnehmende Verdeutlichung einer geschichtlichen Tendenz, die vom Liberalismus zum Faschismus führte. Es geht um die epochale Tendenz der gesellschaftlichen Verdrängung des ethisch-universalistischen Orientierungswissens durch das wissenschaftlich-technische Verfügungswissen.61 Das »Verfügungswissen« dient dazu, vielfältige, letztlich beliebige Kausal- und Mittel-Zweck-Relationen zu organisieren, wobei es in der Moderne, gestützt auf mathematische und zuletzt informationstechnische Verfahren, eine gewaltige Dynamik entwickelt. Demgegenüber bleibt das »Orientierungswissen«, das strebens- und sollensethische Regulative enthält, oft rudimentär und kraftlos. Die Orientierung an gerechtfertigten Zwecken und Zielen, die regulative Vernunft, gerät unter der Vorherrschaft der modernen, durch Imperative der Naturbeherrschung geprägten Rationalität an den Rand und macht allzu leicht Platz für einen neuen, alten Partikularismus und Irrationalismus.

ANMERKUNGEN

Vorbemerkung der Redaktion

1 Theodor W. Adorno: Negative Dialektik, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd.6, hg. v. Rolf Tiedemann, Frankfurt am Main 2003 (S.7-412), S.15.

2 Theodor W. Adorno: »›Keine Angst vor dem Elfenbeinturm‹. Ein ›Spiegel‹-Gespräch«, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd.20.1, hg. v. Rolf Tiedemann, Frankfurt am Main 1986 (S.402-409), S.408f.

3 Ebd., S.409.

4 Theodor W. Adorno: Ästhetische Theorie, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd.7, hg. v. Gretel Adorno u. Rolf Tiedemann, Frankfurt am Main 1970, S.337f.

5 Theodor W. Adorno: Der getreue Korrepetitor. Lehrschriften zur musikalischen Praxis, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd.15, hg. v. Rolf Tiedemann, Frankfurt am Main 1976 (S.157-402), S.187.

Gunzelin Schmid Noerr – Wie die »dunklen Schriftsteller des Bürgertums« die Dialektik der Aufklärung erhellen

* Eine erweiterte Fassung dieses Beitrags erscheint (zunächst online) im Handbuch Kritische Theorie, hg. v. Uwe Bittlingmayer u.a., Wiesbaden.

1 Immanuel Kant [1785/1786]: Die Metaphysik der Sitten, in: ders.: Werkausgabe, Bd. VIII, hg. v. Wilhelm Weischedel, Frankfurt am Main 1977 (S.309-634), S.337.

2 Immanuel Kant [1785]: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, in: ders.: Werkausgabe, Bd. VII, hg. v. Wilhelm Weischedel, Frankfurt am Main 1974 (S.7-102), S.61.

3 Donatien Alphonse François Marquis de Sade [1795]: »Franzosen, noch eine Anstrengung, wenn ihr Republikaner bleiben wollt«, in: ders.: Schriften aus der Revolutionszeit (1788-1795), hg. v. Georg Rudolf Lind, Frankfurt am Main 1969 (S.149-205), S.176.

4 Ebd., S.180.

5 Ebd., S.178.

6 Ebd., S.195.

7 Max Horkheimer u. Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, in: Max Horkheimer: Gesammelte Schriften, Bd.5, hg. v. Gunzelin Schmid Noerr, Frankfurt am Main 1987 (S.11-290), S.108.

8 Ebd., S.141.

9 So z.B. Max Horkheimer [1930]: Anfänge der bürgerlichen Geschichtsphilosophie, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd.2, hg. v. Gunzelin Schmid Noerr, Frankfurt am Main 1987 (S.177-268), S.221.

10 Vgl. Max Horkheimer [1961]: »Die Aktualität Schopenhauers«, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd.7, hg. v. Gunzelin Schmid Noerr, Frankfurt am Main 1985, S.122-142.

11 Horkheimer u. Adorno, Dialektik der Aufklärung, S.141f.

12 Albert Camus [1951]: Der Mensch in der Revolte. Essays, Hamburg 1997, S.9f.

13 Ebd., S.11.

14 Ebd., S.48.

15 Ebd., S.60.

16 Vgl. Horkheimer u. Adorno, Dialektik der Aufklärung, etwa S.64, 256.

17 Ebd., S.13.

18 Camus, Der Mensch in der Revolte, S.17.

19 Horkheimer u. Adorno, Dialektik der Aufklärung, S.197.

20 Bereits 1934 hatte Erich Fromm in der Zeitschrift für Sozialforschung eine wohlwollende Besprechung dieses Buches veröffentlicht.

21 Theodor W. Adorno: Brief an Max Horkheimer vom 10.11.1941, in: Max Horkheimer: Gesammelte Schriften, Bd.17, hg. v. Gunzelin Schmid Noerr, Frankfurt am Main 1996 (S.210ff.), S.211.

22 Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes, in: ders.: Werke, Bd.3, Frankfurt am Main 1970, S.418.

23 Wobei Gorer auf das seiner Ansicht nach verbreitete Missverständnis hinweist, »that the ghastly projects he [de Sade] puts into the mouths of his reactionary ›fascist‹ characters were taken to represent his own desires« (Geoffrey Gorer: The revolutionary theories of the Marquis de Sade, Paris 1934, S.99). Gorer berücksichtigt allerdings zu wenig die subjektive Ambivalenz der Sade’schen Szenarien, die nicht nur überspitzte Züge der Gesellschaft des Ancien Régime enthalten, sondern auch de Sades Wunschträume und Ersatzbefriedigungen. In der de Sade-Forschung insgesamt bleibt die Frage umstritten, wie weit der Autor für schrankenlose Triebbefriedigung eintrat oder deren Darstellung von ins Absurde getriebenen Konsequenzen als Demaskierung der jeweils Mächtigen verstanden wissen wollte. – In der 1953 veröffentlichten zweiten Auflage von Gorers Schrift, die auch der 1959 erschienenen deutschen Übersetzung zugrunde liegt, sind die Hinweise auf damalige nationalsozialistische Gräuel und andere zeitgeschichtliche Verbindungen weitgehend getilgt, weil der Autor in den 1950er Jahren davon ausging, dass diese Hinweise »den meisten Lesern heute ohne ausführliche historische Fußnoten wohl unverständlich bleiben müssten« (Vorwort zur zweiten Auflage, in: Geoffrey Gorer: Marquis de Sade. Schicksal und Gedanke, aus dem Englischen v. Peter Toussell, Wiesbaden 1959, S.9).

24 Gorer, The revolutionary theories of the Marquis de Sade, S.233f.

25 Ebd., S.134.

26 Ebd., S.96.

27 Ebd., S.243.

28 Ebd., S.249.

29 Vgl. Theodor W. Adorno [1963]: Probleme der Moralphilosophie, in: ders.: Nachgelassene Schriften, Abt. IV, Bd.10, hg. v. Thomas Schröder, Frankfurt am Main 1996, S.228ff.

30 Gorer, Marquis de Sade, S.209.

31 Georg Rudolf Lind: »Einleitung«, in: Donatien Alphonse François Marquis de Sade: Schriften aus der Revolutionszeit (1788-1795), hg. v. Georg Rudolf Lind, Frankfurt am Main 1969 (S.7-22), S.22.

32 Adorno, Probleme der Moralphilosophie, S.226.

33 Horkheimer u. Adorno, Dialektik der Aufklärung, S.67.

34 Ebd., S.68f.

35 Ebd., S.57.

36 Ebd., S.55f.

37 Ebd., S.110.

38 Max Weber [1919]: »Wissenschaft als Beruf«, in: ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, hg. v. Johannes Winckelmann, Tübingen, 5., erneut durchges. Aufl. 1982 (S.582-613), S.593f.

39 Ebd., S.612.

40 Max Horkheimer [1959/1960]: Die Aufklärung. Vorlesungsnachschrift von Hilmar Tillack, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd.13, hg. v. Gunzelin Schmid Noerr, Frankfurt am Main 1989 (S.570-645), S.571.

41 Max Horkheimer [1947]: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd.6, hg. v. Alfred Schmidt, Frankfurt am Main 1991 (S.19-186), S.176.

42 Vgl. Horkheimer u. Adorno, Dialektik der Aufklärung, S.115.

43 Ebd., S.67.

44 Ebd., S.68.

45 Vgl. Heinz Steinert: Das Verhängnis der Gesellschaft und das Glück der Erkenntnis: »Dialektik der Aufklärung« als Forschungsprogramm, Münster 2007, S.64ff.

46 Ebd., S.98f.

47 Immanuel Kant [1783]: »Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?«, in: ders.: Werkausgabe, Bd. XI, hg. v. Wilhelm Weischedel, Frankfurt am Main 1977 (S.51-61), S.53.

48 Horkheimer u. Adorno, Dialektik der Aufklärung, S.105.

49 Ebd., S.110.

50 Ebd., S.106.

51 Ebd., S.107.

52 Ebd., S.108.

53 Ebd., S.109.

54 Ebd., S.141, 142f.

55 Vgl. Adorno, Probleme der Moralphilosophie, S.232; bereits Max Horkheimer [1933]: »Materialismus und Moral«, in: ders.: Gesammelte Schriften, Bd.3, hg. v. Alfred Schmidt, Frankfurt am Main 1988 (S.111-149), S.115, 119ff.

56 Vgl. Horkheimer u. Adorno, Dialektik der Aufklärung, S.108.

57 Immanuel Kant [1784]: »Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht«, in: ders.: Werkausgabe, Bd. XI, hg. v. Wilhelm Weischedel, Frankfurt am Main 1977 (S.31-50), S.