Zeitstromende - Henning Heske - E-Book

Zeitstromende E-Book

Henning Heske

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Beschreibung

Der Band versammelt die besten Gedichte von Henning Heske aus den letzten zwanzig Jahren. Sie erweisen sich als klug komponiert und nähern sich immer wieder dem Grenzbereich von Natur und Kultur, Wissenschaft und Kunst.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 35

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Henning Heske

Zeitstromende

Ausgewählte Gedichte

© 2018 Henning Heske

Verlag & Druck: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback

978-3-7469-4772-3

Hardcover

978-3-7469-4773-0

e-Book

978-3-7469-4774-7

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Landmarken

Landmarke I

Die Pyramide des Ruhrgebiets ist dreiseitig

und hohl. Nachts leuchtet sie

als Lichtskulptur. Die beiden Grabkammern:

Aussichtsplattformen zwischen Stahlrohren.

Ein extraterrestrischer Tetraeder über 90 Meter

Heimaterde, dem Monte Schlacko. Der Horizont,

ein Panorama des Strukturwandels:

stillgelegte Hochöfen und ehemalige Zechen,

Gartenstadtsiedlungen und Technologieparks.

Geschichte auf Halde oder

die Halde als (historisches) Ereignis?

Landmarke II

Die Dinosaurier des Ruhrgebiets sind stählern

und ausgebrannt. Nachts illuminiert.

Drei aufragende Hochöfen, dem Rost überlassen,

aufgebahrt in einem unenglischen Park.

Landschaft als Architektur und Museum:

Sinterbunker, Gasometer und Kraftzentrale.

Labyrinthische Industrierelikte eines Molochs.

In der Gleisharfe leben Mitglieder der roten Liste,

homolog zur Langsamkeit des Windrads.

Landmarke III–VII

Auf der höchsten Erhebung Castrop-Rauxels:

eine Krone aus Edelstahlstelen der Bergehalde Schwerin,

eine riesigen Sonnenuhr. Anderswo ein begehbarer Vulkan.

Artefakte des Bergbaus. Der Mensch präsentiert sich

als geologischer Faktor und kultiviert den Abraum.

Hangböschungshalden, Spitzkegeln, terrassierte Tafelberge.

Landschaftsbauwerke als eine Tierra helada,

begrünt nach allen Regeln der Pflanzensoziologie.

Wie Kubricks schwarzer Monolith ragt die Bramme

aus dem Gipfel, eine monumentale Walzstahlplatte

als Fixpunkt einer öden Kuppe. Eine Himmelstreppe

aus Sandstein und Granit verwandelt die Industriewüste

in ein mystisches Konglomerat. Die Metamorphosen

des tauben Gesteins: Skulptur, Kreuzweg und Amphitheater.

Kein Ort wie Falun, ein Helikon aus abyssalem Material.

Rückfahrt

Eine holprige Fahrt durch Alleen,

die Schilder bleiben stumm.

Das Kinderzimmer des Vaters

ist kleiner jetzt, die Brücke

verschwunden. Viele Nester

leer, die Störche sind verzogen.

Nur die Seen spiegeln wie einst

und schweigen.

Lorbeerblatt

Morgenlichtlamellen: Trittsteine zum Tagesufer.

Die geöffneten Fensterflügel präsentieren

ein sich und dich bewegendes Kalenderblatt.

Ein zehnzackiger Stern in der Ebene: Lucca,

Stadt der Mauerflaneure mit den weithin sichtbaren

Steineichen auf dem Torre Guinigi, Ejakulat des Reichtums,

und der umbauten Ellipse der Historie.

Die Menschen in den Gassen schreiben

die endemische Sprache

ihrer Wege im ligurischen Labyrinth.

Hier verklärte Puccini die Nacht,

hier fallen die Tauben geröstet in den Olivenhain.

Junkie

Zwei Scherben aus braunem Glas,

die das Tageslicht brechen.

Diese Espressoaugen, dunkles Koffein

des Morgengrauens. Diese Flamingobrüste,

exotischer Champagner wacher Nächte.

Zwei verschlungene Hände.

Halten, was niemand verspricht.

Wunschlos durchs Laub

mäandrierender Wege.

Bis ans Ende der Dosis.

Venusbild

Verbotenes Gelände – unvermint.

Deine Kleidungsstücke unterm Tisch,

unser göttliches Speisen obendrauf.

Nightswimming im Badezimmer:

tanzende Schatten auf den Kacheln.

Der Schaum stand dir malerisch.

Diabolisches Bodypainting mit Kajal-

und Lippenstift. Die Pizza danach.

Mein Seufzer beim Chinesen und

der kurze Abspann am Morgen.

Deine weiße Haut auf dem brennenden Foto –

Löschversuche.

Engelszunge

Der Sommer kam schon im Mai,

meine Liebesschwüre nur bis

zur Mailbox. Die Putten pfiffen

es von der Decke, bis ich mich verirrte –

in einen Nacken mit blonden Halmen.

Wein reinigte die Nächte. Der Sauvignon

schmeckte rund und fruchtbetont

wie ihre Pfirsichhaut. Die weiße Mühle

wurde unser Himmelbett und irgendwo

zwischen ihren Flügeln verlor sich

mein Gesicht.

Blue Moon

Deine Augen, eineiige Zwillinge

der dunklen Seite des Mondes.

Kein Wunder, dass ich mondsüchtig

bin. Die Spiegelung des Sonnenlichts

gegen die kalte Haut der Nacht.

Diese riesige Aspirin-Tablette

über der Bourbon Street.

Blume, Reiter und Stunde,

nicht nur der Mond ist blau.

Hochdruckausläufer

Der Zugang zum Sommer: eine aufgerissene Balkontür.

Mädchen auf Fahrrädern sirren vorbei.

Die Zeit wälzt sich schwerfällig weiter.

Erst spät die Versöhnung mit den Insekten.

Die Tiefe der schlaflosen Nacht:

ein pubertäres Panorama.

Campus

Ein überlebensgroßes Dichterporträt,

nachts an den Hörsaal gemalt.

Gesichter zwischen Bibliotheksregalen,

unsichere Symbole der Empathie.

Archiv der Zeitmitschriften.

Kaum verständliche Zeichen in Büchern –

die Mathematik der Beziehungen.

Im Botanischen Garten der Traum

von einer fröhlichen Wissenschaft.

Blutspenden für den Wahlkampf.

Das Leben, ein Studium der Vorsehung.

Topfpflanze

Um Hoffnung kämpfen wollten wir –

mit Fahrrädern und Bürgerinitiativen,

sogar mit einer Antiparteienpartei.

Die politische Logik der Sonnenblume:

Radikalökologie und Fundamentalopposition.

Der Dunst der Basisdemokratie

aus den Teebechern der Wohngemeinschaften

verzog sich über der Startbahn.

Kein ganzheitlicher Paradigmenwechsel.

All die selbst gestrickten Alternativen