ZOMBIE RULES - David Achord - E-Book

ZOMBIE RULES E-Book

David Achord

5,0

Beschreibung

Zach Gundersons Leben war ohnehin schon scheiße. Deshalb wirft es ihn auch nicht allzu sehr aus der Bahn, als plötzlich die Zombie-Apokalypse ausbricht. Zusammen mit Rick, einem in die Jahre gekommenen Vietnam-Veteran, Alkoholiker und Prepper, der das Ende der Welt schon seit Jahren kommen sieht, zieht er sich auf eine abgelegene Farm zurück. Von Rick lernt er Tipps und Tricks, um unter den neuen Gegebenheiten zu überleben. Aber er wäre kein normaler Sechzehnjähriger, wenn er nicht auch selbst ein paar Überlebenstechniken ausprobieren würde. Und wann immer sich eine Vorgehensweise besonders bewährt, findet sie Einzug in Zachs "Zombieregeln". Denn Regeln müssen sein, auch wenn der Rest der Welt den Bach runtergeht und sich, wie so oft, die Menschen als weitaus größeres Problem herausstellen … "Wer Zombieromane mit komplexen Charakteren und einer interessanten Dynamik sucht, sollte hier zugreifen." [Amazon.com]

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Zombie Rules

David Achord

This Translation is published by arrangement with SEVERED PRESS, www.severedpress.com Title: ZOMBIE RULES. All rights reserved. First Published by Severed Press, 2014. Severed Press Logo are trademarks or registered trademarks of Severed Press. All rights reserved.

Impressum

Deutsche Erstausgabe Originaltitel: ZOMBIE RULES Copyright Gesamtausgabe © 2018 LUZIFER-Verlag Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Tina Lohse Lektorat: Astrid Pfister

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2018) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-373-2

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Inhaltsverzeichnis

Zombie Rules
Impressum
Die Gegenwart
Zwei Jahre zuvor in der Highschool-Hölle
Meine Großmutter
Der schlimmste Tag meines Lebens
Der Anfang
Exodus
Tod eines Schlägers
Lauffeuer
Unser erster Zombie
Ein Ausflug nach Franklin
Hausgäste
Rick, der Rechtschaffene
Hausgäste und Fisch
Der Tod der Rechtschaffenheit
Ein angemessenes Begräbnis
Eine Art Wiedersehen
Freunde und Feinde
Training
Teilen lernen
Verrat an der Brücke
Keine Wiedergutmachung
Ein neuer Freund
Ein Rettungsversuch
Die Houston-Kaserne
Wiedervereinigung auf dem Sidco Drive
Adoption
Aprilschauer
Eindringlinge
Honig & Höschen
Fallen stellen
Hallo Leon
Angeschossen
Gefangen
Hölle auf dem Hausdach
Flucht
Wiedervereint, und es fühlt sich gut an
Ein Mann-zu-Mann-Gespräch
Die Späher
Eine sternenklare Nacht
Zurück in der Gegenwart

Die Gegenwart

Ich stand gerade auf der Galerie im zweiten Stock der Bücherei und schaute über die schwelenden Überbleibsel aus Büchern und umgeworfenen Regalen. Rußgeschwärzte Deckenplatten zeugten von einem Feuer, das sich nicht vollständig hatte durchsetzen können. Nichtsdestotrotz war es nun einmal geschehen. Viele der Bücher hatten überlebt, hatten jedoch beträchtliche Rauch- und Wasserschäden davongetragen. Erstaunlicherweise war noch immer etwas Druck auf dem Brandschutzsystem. Das Wasser plätscherte nur noch tröpfchenweise aus den Sprinklerköpfen. Hier und da stiegen aber noch immer Rauchschwaden auf. Dieses Feuer war erst kürzlich gelegt worden; innerhalb der letzten Stunde. Es gab noch mehr Akte von Vandalismus. Die meisten der Fenster waren zerbrochen und obszönes Graffiti war böswillig auf die Wände einer Einrichtung geschmiert worden, die zuvor eine Bildungsstätte gewesen war.

Heiden! Das ist das Wort, mit dem ich sie beschreibe. Irgendwie hatten viele von ihnen überlebt, während so viele gute Menschen gestorben waren. Sie zogen nun in Gangs verschiedener Größen umher und hinterließen eine Spur des Verderbens. Es stand ihnen nicht der Sinn danach, die Gesellschaft wiederaufzubauen, stattdessen folgten sie nur ihren eigenen kurzsichtigen und zerstörerischen Begehren. Für mich gab es hier nun nichts mehr.

Seit dem Ausbruch der Seuche waren meine Besuche in der Gegend um Nashville herum eher sporadisch geworden. Die städtischen Gebiete, die dicht besiedelt gewesen waren, als die Gesellschaft noch normal und funktionsfähig gewesen ist, war nun von Infizierten bevölkert.

Meine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als ich ein wütendes Schreien hörte. Es war aber offenbar nicht unmenschlichen Ursprungs, sondern definitiv menschlich. Meine Überlebensinstinkte warnten mich, aber ich war nun einmal neugierig. Deshalb stahl ich mich heimlich durch eine Seitentür aus der Bücherei. Die gedämpften Stimmen wurden nun prägnanter und ich konnte den Ursprung ausmachen. Ich schlich die Edmondson-Mautstraße entlang, um den Geräuschen entgegenzugehen, und behielt dabei argwöhnisch die Umgebung im Auge, als ich im Laufen Deckung hinter den verlassenen Autos suchte. Ich musste nicht weit gehen.

Vor mir waren drei von ihnen. Ich benutzte mein Zielfernrohr, um einen guten Blick auf sie werfen zu können. Zwei von ihnen waren wild aussehende Männer. Die dritte Person war ein junges Mädchen mit langem dunklem Haar. Einer der Männer, ein großer schlaksiger Mann mit runden Schultern, schimpfte gerade laut auf das Mädchen ein, und ich sah, wie er ihr mit dem Handrücken eine schallende Ohrfeige verpasste. Sie fiel zu Boden, und der andere, eine kürzere, schmutzigere Variante seines Freundes, lachte daraufhin laut auf. Beide trugen Bärte, in die Zöpfe eingeflochten waren. Es sah ehrlich gesagt ziemlich dämlich aus. Der Große fing nun an, das Mädchen zu treten. Keine festen Tritte, die ihr die Rippen gebrochen hätten, sondern eher sanfte Tritte. Tritte, die zur Demütigung und Erniedrigung gedacht waren.

Ich hockte mich neben ein umgekipptes Auto und stützte mein Gewehr auf einen der platten Reifen auf. Als ich sie im Visier hatte, packte der Große das Mädchen gerade im Genick und riss ihr brutal die Hose herunter.

Berichtigung … hatte ich Mädchen gesagt? Mithilfe meines Zielfernrohrs konnte ich noch andere Dinge entdecken. Nein, das war definitiv kein Mädchen. Aber er war nur noch Haut und Knochen. Es war deshalb schwierig, sein Alter festzustellen, vielleicht elf oder zwölf?

Ich traf eine spontane Entscheidung. Ich würde diese Bastarde umbringen. Sie waren Tyrannen. In meinem Herzen hatte ich ein ganz spezielles und düsteres Plätzchen für Tyrannen. Sie hatten eine Whiskey-Flasche hin- und hergereicht, als sie den kleinen Jungen malträtiert hatten. Der Kurze nahm einen großen Schluck daraus und lachte hämisch, als sein Freund dem Jungen die Hose herunterriss.

Ich checkte noch einmal die Gegend durch mein Zielfernrohr und ließ sie für einen Moment aus den Augen, um meine Umgebung abzusichern. Paranoia war heutzutage nämlich durchaus eine positive Charaktereigenschaft und ich wollte auf keinen Fall von hinten überwältigt werden. Als ich wieder zu ihnen hinübersah, hatte das große Ekel seine Geisel über die Ladeklappe des Pick-ups gebeugt und seine eigenen Hosen unten. Er hatte keine Ahnung, dass ich ihn beobachtete, als er begann, den Jungen auf brutale Weise zu schänden. Einfach ekelhaft.

Seine Hüften rotierten leidenschaftlich, was leider zu heftig für einen sauberen Kopfschuss war. Also platzierte ich das Fadenkreuz stattdessen zwischen seine Schulterblätter, atmete langsam ein, stieß die Luft wieder aus und drückte dann sanft den Abzug. Wenn ich es über die zehnte Klasse hinaus geschafft hätte, dann wäre jetzt eine nette und anschauliche Beschreibung der Zerstörung erfolgt, die das Hohlspitzgeschoss mit Bootsheck bei ihm verursachte, so, wie es in jedem actionreichen Buch, das ich je gelesen hatte, zu finden ist, aber ich werde mir die Mühe nicht machen. Ich denke, es ist auch so alles sonnenklar.

Nachdem ich den Ersten erschossen hatte, stand Tyrann Nummer zwei verdutzt da. Sein alkoholgetränktes Gehirn war offenbar zu langsam, um zu verarbeiten, was gerade passiert war. Ich lud deshalb in Ruhe meine Winchester durch und feuerte erneut. Die Whiskyflasche rutschte nun aus seiner Hand und zerbarst auf dem Boden.

Ich musste mir keine Sorgen darum machen, verhaftet zu werden. So war die Welt in diesen Tagen eben geworden. Was für eine Art, meinen achtzehnten Geburtstag zu feiern.

Zwei Jahre zuvor in der Highschool-Hölle

Ich war verliebt. Jeder kennt diese Art von Liebe. Eine schwärmerische und verträumte Jugendliebe. Es war erbauend und zugleich vernichtend. Das Gefühl beherrschte jeden wachen Gedanken und sogar meine Träume. Teufel, es beschäftigte mich sogar, wenn ich morgens auf dem Klo hockte.

Ich saß gerade im Geschichtsunterricht und warf dem Objekt meiner Bewunderung Blicke zu, als ich von Ms. Rotzbauer, meiner Lehrerin, jäh aus meinen Träumereien gerissen wurde. Eine Lehrerin aus der Hölle.

»Zacharias Gunderson, passt du auch auf?«

Das bin ich, Zacharias Gunderson. Derzeit befinde ich mich in der Highschool-Hölle der zehnten Klasse. Acht Stunden täglich inhaftiert in einer abgehalfterten öffentlichen Schule. Der weitläufigen Meinung nach hätte diese schon vor Jahren niedergebrannt werden sollen. Der Name der Lehrerin lautete in Wirklichkeit Rothbauer, ein alter jüdischer Familienname, aber sie hatte eine derart rotzige Gesinnung, dass alle Schüler sie Rotzbauer nannten … natürlich nur hinter ihrem Rücken.

Ich sah zu ihr auf. Sie war klein und recht korpulent, ähnlich wie ein pralles Bierfass. Sie war um die fünfundvierzig Jahre, aber sie sah mindestens zehn Jahre älter aus, und momentan starrte sie mich finster über den Rand einer schmutzigen Brille hinweg an.

»Oh ja, Ma'am. Ich bin hier.« Ein paar meiner Freunde kicherten. Ich grinste und sah zu Macie hinüber. Sie blickte kurz ausdruckslos zu mir und widmete ihre Aufmerksamkeit dann wieder ihrem Schulbuch.

Ihr Name war Macie Kingsley. Sie hatte langes, blondes Haar, hellbraun-grüne Augen, perfekte, weiße Zähne und ein paar nette Kurven. Sie war im Cheerleader-Team und sehr beliebt. Ich war im Leichtathletik-Team. Wir gingen jetzt schon seit beinahe drei Monaten miteinander und Samstagnacht, vor gerade einmal zwei Tagen, hat sie mich endlich rangelassen.

Ihr wisst ja genau, was ich damit meine. Wir haben Liebe gemacht, den Geschlechtsakt vollzogen, gerammelt wie die Karnickel.

Samstag ist unser dreimonatiges Jubiläum gewesen und ich hatte gewollt, dass es etwas ganz Besonderes war. Macie hatte gesagt, ich solle sie überraschen. Ich hatte mich für ein romantisches Picknick im Mondenschein entschieden und dafür gesorgt, dass es perfekt wurde. Ich hatte es mit der Beharrlichkeit eines Generals von Steuben geplant.

Ich hatte eine entlegene Stelle ausgesucht, mit Blick auf einen Bach, der auf einer Seite an die Farm, auf der ich in meiner Freizeit arbeitete, grenzte. Es gab dort einen wunderschönen Ausblick auf das Tal. Ich hatte den gesamten Nachmittag damit verbracht, dort Gartenfackeln aufzustellen, Decken auszulegen und ein Lagerfeuer vorzubereiten. Meine Großmutter hatte Gemüse-Wraps für mich gemacht und Rick war so nett gewesen, eine Flasche Wein für uns zu kaufen.

Als die Sonne unterging, entfachte ich das Feuer, öffnete den Wein und sagte ihr, was ich für sie empfand. Wäre es ein Film gewesen, hätte das Publikum garantiert über meine Unbeholfenheit gelacht. Nichtsdestotrotz reagierte Macie, indem sie mir sagte, sie würde mich auch lieben. Ich verlor daraufhin meine Unschuld unter dem Herbstmond in einer lauen Samstagnacht.

Noch nie zuvor war ich so glücklich gewesen.

Durch die Erinnerungen war ich abgelenkt und erregt worden. Zumindest, bis Ms. Rotzbauer wieder einmal meine Gedanken unterbrach. »Na dann könntest du der Klasse doch bitte mitteilen, was das erste Nationaldenkmal der Vereinigten Staaten gewesen ist, hm?«

Die Klasse war nun vollkommen still. Der alte Fettarsch war berüchtigt dafür, verfängliche Geschichtsfragen zu stellen, wenn sie der Meinung war, dass sich ein Schüler nicht ausreichend einbrachte. Wenn man falsch lag, und das tat so ziemlich jeder, bestrafte sie einen mit extra Hausaufgaben. Und das war nicht nur ein Kapitel lesen um die verfluchte Frage am Ende beantworten zu können. Teufel, da gehörte so gut wie immer ein kompletter Aufsatz zu. Sie starrte mich eindringlich und kalt an. Der Ansatz eines höhnischen Grinsens erschien um ihre Mundwinkel herum.

»Das ist ganz leicht: Devils Tower, und zwar ohne Apostroph zwischen dem l und dem s. Nicht zu verwechseln mit dem ersten Nationalpark, der natürlich der Yellowstone war«, antwortete ich in einem unbekümmerten Tonfall und sah wieder zu Macie hinüber, auf der Suche nach Anerkennung. Doch es erfolgte keine Reaktion von ihr.

Rotzbauer war offensichtlich noch nicht fertig mit mir. »Sehr scharfsinnig oder aber du hattest einfach nur Riesenglück. Fahre doch bitte fort, Zacharias. Warum blendest du die Klasse nicht einfach mit deinem strahlenden Intellekt? Erzähl uns mehr.«

»Muss das wirklich sein? Ich meine, ich habe ihre alberne Frage doch richtig beantwortet.«

Dieses Mal lachte nur noch einer meiner Freunde, aber es war eher ein leises Kichern, das außerdem schnell verstummte. Alle Augen waren nun auf Rotzbauer gerichtet. Sie war eine nachtragende und kleinliche Frau. Ihr kennt diesen Typ bestimmt. Jede Schule hat mindestens einen davon. Sie war eine dieser Lehrerinnen, die sich im Glanz der Macht über ihre Schüler sonnten, wohl wissend, dass die Schulverwaltung dank ihres Beamtenstatus nichts gegen sie unternehmen konnte. Eine echte Tyrannin.

»Na dann möchtest du vielleicht den Rest der Woche mit Nachsitzen verbringen, hmmmm?« Sie gestikulierte heftig. Sie wollte anscheinend, dass ich aufstand, damit sie mich besser vor der Klasse demütigen konnte. Ich hatte allerdings etwas anderes im Sinn.

Ich seufzte und stand auf. »Nun gut.« Ich holte tief Luft. »Der Devils Tower ist ein vulkanischer Gesteinskörper in Wyoming. Die Erhebung hat eine Höhe von etwa dreihundertachtzig Metern, und man nimmt an, dass entweder ein erodierter Lakkolith vorliegt, oder er der Pfropfen eines erloschenen Vulkans ist. Der Name ist das Resultat der Fehlinterpretation eines Namens, den die amerikanischen Ureinwohner ihm gegeben hatten. Präsident Theodore Roosevelt, übrigens ein eiserner Republikaner, weihte ihn 1907 als erstes Denkmal der Nation ein. Der amtierende Präsident ist die einzige Person mit der Befugnis, ein Nationaldenkmal zu ernennen, und das geschieht in der Regel immer durch eine Verfügung des Präsidenten. Es gibt derzeit einhundertvier Schutzgebiete mit dem Titel eines Nationaldenkmals …«

»Das reicht fürs Erste, Gunderson. Setzen.« Rotzbauer beugte ihren Kopf nach unten, um mir angemessen scharfe Blicke über den Rand ihrer lächerlichen Brille zuwerfen zu können, aber es hielt die Klasse nicht davon ab, zu applaudieren. Macie klatschte allerdings nicht mit, sondern sah mich nur ganz eigenartig an. Die Klingel ertönte und ich eilte zur Tür, bevor Rotzbauer sich noch irgendeine Art von Rache ausdenken konnte.

Im Flur wartete ich auf Macie. »Hey«, sagte ich zu ihr, als sie aus der Klasse kam. Ich versuchte, einen schnellen Kuss zu stehlen, aber sie drehte ihren Kopf geschickt zur Seite. Meine Lippen erwischten deshalb nur den Hauch ihrer Wange.

»Nicht hier«, flüsterte sie kurz angebunden. Leute klopften mir im Vorbeigehen anerkennend auf den Rücken und gratulierten mir zu meinem kleinen Triumph.

Ich lief neben Macie her und Felix stieß ebenfalls zu uns. Er war mein bester Freund. »Mann, du hast da drinnen ja echt den Vogel abgeschossen! Die alte Rotzbauer hat gar nicht mehr gewusst, wie ihr geschieht. Du musst eine Art Genie sein, Zach! Woher weißt du all das Zeug?«

Macie und Felix sahen mich erwartungsvoll an. Doch ich zuckte nur mit den Schultern. »Ich lese viel und habe eben ein gutes Gedächtnis.«

»Na, wenn du nicht bald anfängst, dein tolles Gehirn auch auf Klassenarbeiten anzuwenden, wirst du die Highschool niemals abschließen. Dann kannst du dich von jeglichen Aussichten auf ein Stipendium verabschieden.« Macie unterstrich ihre Bemerkung, indem sie ihre Nase rümpfte und sich umdrehte, um davonzugehen. Ich musste mich anstrengen, um sie einzuholen. Felix begann, uns zu folgen, aber ich sah zu ihm zurück und schüttelte den Kopf. Er verstand den Hinweis.

Ich holte Macie ein und lief dann neben ihr her. »Hey, Schatz, was ist denn los? Du scheinst irgendwie sauer auf mich zu sein.« Sie sah mich von der Seite an, während sie weiterging. »Es liegt nicht an dir. Ich bin bald dran und fühl' mich dann einfach immer gereizt.« Sie erkannte meine offensichtliche Verwirrung und verdrehte die Augen. »Meine Periode, Zach. Ich bekomme meine Periode. Gott, Zach, für jemanden, der so klug ist wie du, bist du ganz schön naiv.«

Ich konnte fühlen, wie meine Wangen rot anliefen. Sie schnaubte verächtlich, drückte dann aber kurz meine Hand.

»Hast du Training nach der Schule?« Ich nickte. Leichtathletik und ein gutes Gedächtnis waren meine Stärken. Ich setzte allerdings auf ein Leichtathletik-Stipendium nach der Highschool. Meine einzige lebende Verwandte war meine Großmutter und ihr einziges Einkommen bestand aus ihrer Sozialhilfe. Ansonsten würde nur ein gemeinsames Leben mit Rick auf der Farm oder eine langfristige Verschuldung durch Studiendarlehen infrage kommen.

Macie sah sich verstohlen um und küsste mich dann schnell auf die Wange. »Ich habe jetzt Cheerleader-Training. Schätze, ich sehe dich dann morgen.«

Das war nicht, was ich hören wollte. »Das Training dauert doch nur ein paar Stunden. Warum soll ich denn danach nicht rüberkommen? Ich kann auch in der Schule duschen.« Doch Macie schüttelte schnell den Kopf. »Warum nicht?«

Das Lächeln wich nun einem Stirnrunzeln. »Zach, hör auf, so bedürftig zu sein.«

Ich sagte nun gar nichts mehr und ließ den Kopf sinken. Ich konnte es nicht verhindern. »Zach, du meine Güte. Ich gehe mit den Mädchen nach dem Training noch lernen, okay? Das wird wahrscheinlich spät werden.«

Ich sah hoch. »Was ist denn spät? Ich meine, ich könnte ja auch nur für ein paar Minuten vorbeikommen.«

Sie unterbrach mich mit einem Kopfschütteln. »Wie wäre es, wenn du mich einfach anrufst, bevor du ins Bett gehst?«.

Ich grinste. »Dann können wir unsere schmutzigen Gedanken teilen.«

»Klar, Zach. Wir reden dann später«, sagte sie beinahe beiläufig und lief davon, bevor ich ihr noch einen weiteren Kuss geben konnte.

Felix kam angetrabt, als Macie davonging. »Na, Zach, wie läuft es denn zwischen dir und Macie?« Felix fragte ständig nach uns beiden. Denn er hatte keine Freundin. Wir waren zusammen aufgewachsen und lebten nur einen Block voneinander entfernt. Er war der Einzige, der mich eine Woche lang jede Nacht heulen gesehen hatte, nachdem meine Eltern gestorben waren. Es war ein dummer Autounfall gewesen, ein direktes Resultat der Trunkenheit meines Vaters. Felix hatte mich deswegen nicht verurteilt oder gehänselt, sondern hatte immer einen brüderlichen Klaps auf die Schulter und freundliche Worte für mich übriggehabt. Er war ein guter Kerl und ein guter Freund. Aber der arme Felix hatte noch nie eine Freundin gehabt. Er behauptete zwar etwas anderes, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er noch nicht einmal ein Mädchen geküsst hatte. Der arme Kerl war klein, unbeholfen und hatte eine enorme Sehschwäche, was von ihm erforderte, eine unglaublich dicke Brille zu tragen. Das verschlimmerte seine an sich schon unansehnliche Erscheinung noch mehr. Dennoch war er immer noch mein Freund.

»Nun, Kumpel, ich denke, sie ist die Frau, die ich eines Tages heiraten werde.«

Seine Augen leuchteten auf und vergrößerten sich hinter den Brillengläsern zu zwei großen Kugeln. »Wow, das ist ja mal was Neues. Da muss aber was Großes passiert sein, damit du …« Er hielt mitten im Satz inne und schaute mich dann fassungslos an. Ich konnte nicht anders, als zu grinsen. Man konnte es am besten als ein breites, selbstgefälliges Grinsen bis über beide Wangen bezeichnen. »Ach du heilige Scheiße«, rief er begeistert. »Du hast die nackte Brezel mit ihr gemacht!«

»Pscht, nicht so laut, Mann«, sagte ich mit gedämpfter Stimme. »Ich will nicht, dass es die ganze Welt erfährt. Komm schon, wir müssen zum Training. Vielleicht erzähle ich dir dann davon.«

Er kicherte, als wir uns umdrehten und in Richtung der Umkleideräume marschierten. Ich passte einen Moment nicht auf und rempelte jemanden an. Sein Name war Jason Argos. Er stand regungslos an der Ecke und es wirkte beinahe so, als ob er uns zugehört hätte. Ich entschuldigte mich schnell bei ihm, denn ein Zehntklässler ging nicht einfach so umher und rempelte einen Zwölftklässler an.

»Oh, sorry, Jason! Ich wusste nicht, dass du da stehst«, sagte ich hastig.

Jason sah mich einen Moment lang merkwürdig an. »Kein Problem. Mein Fehler.«

Er starrte mich weiterhin an, drehte sich dann aber zur Seite, damit wir vorbeigehen konnten. Jason war in der Zwölften. Er war sehr gut aussehend, gemischtrassig, achtzehn Jahre alt, ein Meter achtundneunzig groß und extrem muskulös. Er gehörte zur ersten Schulmannschaft und hatte zahlreiche Auszeichnungen in Baseball und Football bekommen. All das machte ihn zum wahrscheinlich populärsten Kerl der Schule. Er war sehr beliebt bei den Mädchen und es mangelte ihm niemals an Verabredungen.

Felix schwärmte immer mit wahrer Begeisterung von ihm. »Hey Kumpel«, sagte Felix nun und versuchte so zu tun, als wären sie die besten Freunde. Doch Jason nickte als Antwort nur. Er tolerierte Felix lediglich, genau wie die meisten anderen Zugehörigen der Unterschicht. Auf dem Weg zum Sportplatz führte Felix seine Liebe zu Jason fort.

»Hast du schon gehört? Er hat die Baseballsaison mit einem ERA von 2.01 beendet. Freitagabend hatte er drei Touchdown-Pässe gegen Overton. Er hat nicht nur seinen eigenen Wurftrainer, er hat auch einen Quarterback-Trainer. Das ist echt phänomenal!« Er sah sich verschwörerisch um. »Gerüchten zufolge wurde ihm schon ein Haufen Geld unter der Hand angeboten, um bei einem College-Team im östlichen Teil des Staates mitzuspielen, falls du weißt, was ich meine«, sagte er mit einem Zwinkern.

»Glaubst du denn, er wird deinen Heiratsantrag annehmen?«, fragte ich sarkastisch.

Felix lachte und wurde daraufhin tatsächlich rot. »Du bist echt zum Schießen, Zach.«

Unser Gespräch wurde plötzlich von einem der stellvertretenden Schulleiter unterbrochen. »Zacharias, ein Mann wartet auf dem Parkplatz auf dich. Er sagt, er wäre dein Chef und es gäbe einen Notfall bei deiner Großmutter.«

Meine Großmutter

Ich entdeckte Rick in seinem Truck und er winkte mir zu. Er hatte seine drei Hunde bei sich, die Moe, Larry und Curly hießen. Sie waren Streuner, die er gefunden und adoptiert hatte. Es war schwer, zu sagen, welche Rassenkreuzungen für ihre genetische Aufmachung verantwortlich waren. Wir nahmen zwar an, dass sie dieselbe Mutter hatten, konnten uns aber nicht sicher sein.

»Hey, Rick, was ist denn los?«, fragte ich, als ich angelaufen kam. Rick war ein angegrauter alter Vietnam-Veteran, der mit mir zusammen auf der Farm arbeitete. Technisch gesehen war er mein Chef. Er war bereits über sechzig. Ein hartes Leben, mit freizügigen Mengen Alkohol und Zigaretten, hatten tiefe Furchen in seinem sonnengeschädigten Gesicht hinterlassen. Es wirkte so, als hätte er sich, schon seit einer Woche nicht mehr rasiert. Felix kam kurze Zeit später nach und sagte ebenfalls Hallo. Doch Rick ignorierte ihn.

»Ich soll dich zum Krankenhaus bringen, deine Großmutter hatte einen Schlaganfall.« Er sah zu Felix herüber. »Dein warmer Bruder kann von mir aus auch mitkommen.« Felix begann zu protestieren, aber ich sprach zuerst.

»Was ist passiert?«, fragte ich entsetzt.

Rick sah mich an, als wäre ich bescheuert. »Das habe ich doch gerade gesagt. Sie hatte einen Schlaganfall.« Er starrte mich noch für ein paar Sekunden an, bevor er das Gefühl bekam, weiter ausholen zu müssen. »Die Briefträgerin hat sie im Garten gefunden und den Notarzt angerufen. Ich weiß nicht, warum sie dich nicht in der Schule angerufen haben, aber der Nachbar dachte wohl, du wärst auf der Arbeit und hat sich deshalb dort gemeldet. Ich habe den Anruf entgegengenommen.« Er sah sich um und nahm einen Schluck aus einem Halbliterfläschchen billigen Whiskeys. »Du steigst jetzt am besten ein und ich fahre dich zum Krankenhaus. Wenn wir dort mit den Ärzten gesprochen haben, sehen wir weiter.«

Felix verzichtete darauf mitzukommen und war einverstanden, meinen kleinen Ford Ranger Pick-up nach Hause zu fahren, ließ mich ihm aber versprechen, ihn sofort anzurufen, sobald ich mehr wüsste. Er klopfte mir aufmunternd auf den Rücken und trabte dann davon. Ich ging hinüber zur Fahrerseite. »Rutsch rüber, ich sollte fahren«, befahl ich ihm. Es war immer schwer, Ricks Grad der Nüchternheit oder die Abwesenheit davon einzuschätzen.

Rick grunzte. »Ich bin nich' betrunken, du Klugscheißer.«

»Komm schon, Rick, du hast gerade erst deinen Führerschein zurückbekommen. Du musst dich nicht schon wieder festnehmen lassen.« Rick grunzte erneut, gab aber nach dem obligatorischen Aufstand das Steuer in meine klugscheißerischen und nüchternen Hände ab.

Wir fuhren den ganzen Weg, ohne etwas zu sagen. Rick lauschte einem Radiosender. Der Moderator faselte gerade etwas von Regierungsverschwörungen. Ich hörte ihm gar nicht zu.

Oma war bewusstlos, als wir ankamen, und ich wurde direkt von einem Arzt abgefangen, bevor ich in ihr Zimmer gehen konnte.

»Wie geht es ihr, Doktor?«, fragte ich zögerlich. Er gab mir keine Antwort, zumindest nicht sofort.

»Sind Sie ihr einziger lebender Verwandter?«, fragte er mich dann plötzlich unverblümt. Ich zuckte mit den Schultern. »Sie sind unter achtzehn, vermute ich, oder?«

Ich nickte. Er sah hinüber zu Rick, roch wahrscheinlich den Alkohol und richtete seine Aufmerksamkeit dann doch wieder auf mich. »Sie hatte einen heftigen Schlaganfall und hat vermutlich noch dazu eine Weile draußen gelegen, bevor sie gefunden wurde. Ihre Körpertemperatur war sehr niedrig, als sie eingeliefert wurde. In ihrem Alter und bei der schlechten Verfassung sieht die Prognose …«

Er beendete den Satz nicht, aber das war auch nicht nötig. Ich schaute an ihm vorbei in das Zimmer. Sie war an einige Monitore angeschlossen, hatte mindestens zwei Infusionen in den Armen und ein Schlauch befand sich in ihrem Mund. Sie sah schrecklich, schwach und sterblich aus.

Auf der Fahrt hierher war ich stark gewesen und hatte alles unter Kontrolle gehabt, doch jetzt nicht mehr. Ich fühlte Tränen in mir aufsteigen. Der Arzt legte tröstend seine Hand auf meine Schulter. »Sicher, dass es keine weiteren Familienangehörigen gibt, Sohn?«

Ich wischte über meine Augen. »Meine Eltern starben bei einem Autounfall, als ich noch klein war. Sie hat mich daraufhin aufgenommen. Mein Vater hat noch Verwandte irgendwo in Schweden, aber ich habe keine Ahnung, wie ich diese erreichen soll. Es könnte auch noch ein paar Cousins geben, aber ich bin ihnen niemals begegnet.« Ich erzählte ihm nicht, dass die Familie meines Vaters ihn schon vor vielen Jahren enteignet hatte, noch bevor ich geboren wurde. Ich sah den Arzt an. »Unser einziges Einkommen kommt von meinem Job auf einer Farm und von Grandmas Sozialhilfe. Wir werden die Krankenhausrechnungen nie im Leben bezahlen können.«

Er hielt seine Hand in die Höhe. »Mache dir darum mal keine Sorgen. Wir haben Verfahrensweisen für mittellose Patienten.« Mein Mund zog sich bei dieser Bemerkung missbilligend zusammen. Meine Großmutter mittellos zu nennen, störte mich unglaublich, aber es war nun mal leider die Wahrheit. Teufel, sie und ich verfügten wahrscheinlich zusammen über nicht mehr als hundert Dollar. Sie besaß nicht einmal das Haus, in dem wir lebten. Ich hatte sogar schon darüber nachgedacht, die Schule zu schmeißen, um Vollzeit arbeiten zu können, aber sie hatte davon nichts hören wollen. Sie bestand darauf, dass ich die Schule beendete und aufs College ging.

Ich durfte die Nacht leider nicht in Omas Zimmer verbringen. Das Personal teilte mir auf höfliche, aber bestimmte Weise mit, dass ich nur in der Lobby sitzen durfte, zusammen mit den Familien der anderen Patienten. Rick hörte das und sagte: »Junge, willst du wirklich die ganze Nacht in einem Raum voller Fremder hocken?« Ich ließ den Kopf hängen. »Falls etwas passiert, passiert's sowieso. Da gibt es nichts, was du tun kannst. Komm mit mir zur Farm und bleib bei mir«, schlug er vor.

Ich gab irgendwann widerwillig nach. Wir teilten dem Arzt aber vorher noch unsere Telefonnummern mit. Ricks Gehirn zündete kurz durch, als er begriff, dass er jetzt trinken konnte, ohne sich darum sorgen zu müssen, von einem hart gesottenen Bullen angehalten zu werden, indem er einfach mich fahren ließ. Als wir den Parkplatz erreichten, warf er mir die Schlüssel zu und nahm einen unbekümmerten Schluck.

Schweigend fuhren wir nun zur Farm. Es hatte mal ein Tor am Eingang gegeben, aber jemand, eine gewisse Person namens Rick, hatte es nach einer durchzechten Nacht beim Veteranenverein aus Versehen umgefahren. Er hatte entweder vergessen, dass es da war, oder es war ihm einfach egal gewesen. Am Tag darauf hatten wir über eine Stunde gebraucht, um die ramponierten Überreste des Tors aus dem Fahrgestell seines Pick-ups zu befreien. Rick war Hausmeister, Vorarbeiter und Mann für Alles auf der Farm. Die Grundstückseigentümer waren ein älteres Ehepaar namens Parson. Ihnen gehörten zweihundert Hektar Land und sie hatten weitere zweihundert Hektar von den Nachbarn gepachtet. Rick leitete die Farm und ich arbeitete für ihn. Er bekam ein Gehalt und lebte außerdem mietfrei in dem alten Gehöft.

Rick ging hinein und schaltete ein paar Lampen an. Nachdem er das Feuer in Gang gebracht hatte, machte er es sich in seinem ramponierten Sessel bequem; während ich mich auf die Couch setzte. Wir hörten dem knisternden Holz in der bedrückenden Stille zu. »Willst du einen Drink?«, fragte er irgendwann. Ich hob daraufhin nur meine Augenbraue. Er kicherte und nahm einen kräftigen Schluck. »Willst du darüber reden, Junge?« Ich schüttelte den Kopf. »Schau mal, das Ganze nimmt dich ziemlich mit, das kann man sehen. Ich frage, ob du darüber reden willst, und du sagst selbstverständlich nein. Das ist die Stelle, an der ich dir gut zureden sollte, aber das werde ich lieber lassen. Wenn du alles in dich hineinfressen willst, dann ist das deine Entscheidung. Wenn du reden willst … ich gehe nirgendwo hin. Wir können die ganze Nacht reden.«

Er hatte ja recht. Ich schätze, ich wollte tatsächlich darüber reden. Zumindest ein bisschen. »Was soll ich jetzt nur machen, Rick?«

»Nun, Kleiner, man plant in solchen Fällen immer für den schlimmsten Fall, und man gesteht sich das Unvermeidliche ein. Unvermeidlich ist, dass deine Oma bald sterben wird«, sagte Rick in einem sachlichen Tonfall.

Daraufhin war ich erst einmal verdattert. »Woher willst du das wissen?«

»Teufel, Zach, wie alt ist sie? Vierundachtzig? Fünfundachtzig?«, fragte er. Ich bestätigte Letzteres. »Okay, sie ist fünfundachtzig Jahre alt und nicht gerade bei bester Gesundheit. Sie hatte einen Schlaganfall und fiel an einem kalten Tag in ihrem Garten um. Keine Ahnung, wie lange sie da draußen gelegen hat. Ich bin zwar kein Arzt, aber ich denke, dass ihre Chancen nicht allzu gut stehen, Junge.«

Ich nickte schweigend. Rick war ein alter Alkoholiker und er hatte seine Ecken und Kanten, aber er verfügte auch über eine Weisheit, die einem Leben auf der Straße und rauen Zeiten in Vietnam entsprang. Ich mochte ihn, denn er war locker drauf und auf seine eigene Art und Weise hatte er eine Menge Ratschläge für einen Jungen in meinem Alter. Meine Gedanken wurden auf einmal durch ein lautes Schnarchen unterbrochen. Der Alkohol hatte ihn für heute offenbar außer Gefecht gesetzt. Ich stand auf, nahm die Flasche aus seiner Hand und breitete eine Decke über ihn aus.

Mehrere Male versuchte ich, Macie anzurufen, aber ihr Handy war anscheinend ausgeschaltet. Ich hinterließ ihr mehr als eine Nachricht, dann rief ich irgendwann beim Krankenhaus an. Sie teilten mir mit, dass sich an Omas Zustand nichts verändert hatte. Ich versuchte es noch einmal bei Macie und versank dann schließlich in einen unruhigen Schlaf, während ich das Telefon fest mit meiner Hand umklammert hielt.

Der schlimmste Tag meines Lebens

Die Sonne ging gerade erst auf, als ich erwachte. Ich checkte sofort mein Handy. Keine Anrufe, weder vom Krankenhaus noch von Macie. Beim Krankenhaus rief ich zuerst an. Man drückte sich dort sehr vage aus, aber es hieß zumindest, dass sich ihr Zustand nicht verändert hätte. Dann versuchte ich erneut, Macie zu erreichen. Ihr Handy war immer noch aus. Also rief ich Felix an. Der antwortete beim ersten Klingeln, aber er hörte sich noch reichlich verschlafen an.

»Wie geht es deiner Großmutter?«, fragte er sofort.

»Nicht gut. Ich gehe heute nicht zur Schule. Ich will lieber bei ihr im Krankenhaus sein.«

»Kein Problem, Kumpel. Ich werde den Direktor sagen, wo du bist. Gibt es sonst noch etwas, das ich für dich tun kann?«

»Ja, falls du Macie siehst, sagt ihr, sie soll mich so bald wie möglich anrufen. Ich habe schon die ganze Nacht und heute Morgen versucht, sie zu erreichen, aber ihr Akku muss leer sein oder so was.«

Felix stimmte mir zu und wir legten auf. Rick wachte auf, als ich telefonierte. Er grunzte und furzte wie, na ja, wie ein alter, verkaterter Mann. »Hey, würdest du mich wohl heimfahren? Ich muss kurz duschen und will dann zum Krankenhaus fahren.« Er reagierte nicht, sondern ging ins Badezimmer. Einen Moment später hörte ich ihn Wasser lassen, gefolgt vom Klang der Klospülung und dem laufenden Wasserhahn.

Einen Moment später kam er wieder heraus und nahm halbherzig die Schlüssel vom Küchentresen. Sein Gehirn war offenbar noch nicht bereit für verbale Kommunikation. Er zeigte zur Tür und lief dann hinaus.

Ich verbrachte den ganzen Tag bei meiner Großmutter. Sie sah heute sogar noch schlechter aus. Alt, müde und schwach. Ich hielt ihre Hand und redete mit ihr, aber sie regte sich nicht. Nicht ein einziges Mal.

Ich wünschte, sie würde mich hören. Dann hätte ich ihr gesagt, was für ein guter Mensch sie ist. Ich war erst zwei Jahre alt, als meine Eltern starben. Sie war da bereits alt. Sie hätte es zulassen können, dass mich der Staat in ein Pflegeheim steckte, aber sie hat mich sofort aufgenommen und von da an, für mich gesorgt. Sie hat mich niemals angeschrien, immer dafür gesorgt, dass etwas zu essen auf den Tisch kam, und hat es nie versäumt, mir zu sagen, wie sehr sie mich liebte. An meinem fünfzehnten Geburtstag hatte sie mir eine Sonderfahrerlaubnis besorgt und mich mit einem blauen Ford Ranger Pick-up überrascht. Er war gebraucht gewesen und hatte schon so einige Kilometer drauf, aber alles in allem war er in einem ganz ordentlichen Zustand. Sie hatte sich geweigert, mir zu sagen, was er gekostet hatte. Es war auf jeden Fall das beste Geschenk gewesen, das ich je bekommen hatte.

Die Stationsschwester, eine matronenhaft aussehende, dunkelhäutige Frau mit Brüsten wie Wassermelonen, tolerierte mich zwar für ein paar Stunden, scheuchte mich dann aber schließlich doch hinaus. Ich musste wohl schlimm ausgesehen haben, denn sie ordnete an, ich solle mich ausruhen und sie versprach mir im Gegenzug, mich sofort anzurufen, falls sich etwas ändern sollte. Ich war gerade dabei, aus der Tür zu gehen, als plötzlich die Alarmsignale an den Maschinen einsetzten. Die Schwester schob mich unsanft hinaus, als weiteres Personal in das Zimmer eilte.

Code Blue. Herzstillstand. Ich sah still und hilflos zu. Sie gaben sich wirklich Mühe, aber für Oma war es offenbar an der Zeit.

Ich verbrachte die nächste Stunde mit der Krankenhausverwaltung und einem Kaplan, der nebenbei in eine fortwährende SMS-Unterhaltung vertieft war. Sie waren zwar höflich, aber Arbeit blieb nun einmal Arbeit. Sie wollten von mir wissen, was mit Omas Leichnam geschehen sollte. Ich war größtenteils wie benebelt. Ich fühlte mich müde, gestresst und einfach nur elend. Ich wollte nichts weiter tun, als mein Mädchen zu sehen und sie in meinen Armen zu halten. Ich versuchte wieder, sie zu erreichen, doch sie ging nicht dran. Wenigstens war ihr Handy wieder an, also schickte ich ihr eine SMS. Dann rief ich Felix an und informierte ihn über die Lage.

»Oh, das tut mir so leid, Kumpel. Kann ich irgendetwas für dich tun?«, fragte er betroffen.

»Ja, du kannst Macie finden und ihr sagen, sie soll bitte an ihr verdammtes Handy gehen. Ich habe sie nämlich immer noch nicht erreicht. Da stimmt doch irgendetwas nicht. Hast du denn überhaupt schon mit ihr gesprochen?« Felix blieb still. »Bist du noch da?«

Felix antwortete, doch seine Stimme klang plötzlich ganz anders. »Ja, ich habe mit ihr gesprochen. Hör mal, mache dir erst einmal keine Gedanken um sie. Gehe nach Hause und wir treffen uns dann dort, okay?«

»Was ist los, Felix?«

Nach ein wenig Diskussion rückte er schließlich mit der Sprache heraus. Er ließ nichts aus. Es schien so, als wüsste bereits die ganze Schule davon, aber ich hatte nichts davon geahnt. Macie war nun Jasons Freundin. Jason Argos, das wahnsinnig beliebte Sportass. Anscheinend hatten sie vor Kurzem miteinander auf einer Party rumgemacht, zu der ich zufälligerweise nicht eingeladen worden bin, und nun gingen sie offiziell miteinander. Ich legte auf und raste in Richtung Macies Haus.

Das war mein erster Fehler. Ich wurde angehalten, und versuchte es mit der Sympathie-Masche, indem ich dem Polizisten von dem Tod meiner Großmutter erzählte. Doch es funktionierte nicht. Er tadelte mich dafür, wie ein Irrer gefahren zu sein, und grinste, als er mir den Strafzettel für zu schnelles Fahren überreichte. Ich hielt mein Tempo von da an unten und nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich endlich an ihrem Haus an. Sie war sogar da … genauso wie Jason und einige andere Leute. Alle von ihnen waren Oberstufler, keiner von ihnen war mit mir befreundet. Sie alle lungerten im Vorgarten herum, lachten und hatten offenbar ihren Spaß. Ein paar von ihnen hielten sogar Flaschen mit Bier in den Händen, sorgsam eingewickelt in braune Papiertüten.

Macie sah mich und lief schnell die Stufen zu ihrem Haus hinauf. Ich steuerte dennoch schnurstracks auf sie zu. Jason stellte sich zwischen uns, bevor ich ihr zu nahekommen konnte. »Aus dem Weg, du Arschloch. Ich muss mit Macie reden.«

Ich versuchte, ihn zu umgehen, aber wie ich schon sagte, Jason ist groß und äußerst muskulös. Größer als ich und mit definitiv mehr Muskeln bestückt. Er trat nun wieder vor mich und hielt eine Hand in die Höhe.

»Bleib bitte mal stehen und höre mir zu, Alter. Macie und ich sind jetzt zusammen. Es geht nicht gegen dich, es ist einfach so passiert. Solche Sachen passieren eben. Du solltest jetzt gehen.«

Ich starrte ihn an. Er wirkte aufrichtig, vielleicht sogar mitfühlend. Ich atmete tief ein und versuchte meine Gefühle in den Griff zu bekommen.

»Und? Wie lange geht das schon so zwischen euch beiden?«, fragte ich leise. Meine Stimme brach und ich zitterte. Ich konnte zwei von seinen Kumpeln sehen, die grinsend hinter ihm standen und auf mich zeigten, als wäre ich so eine Art Zirkusnummer. Irgendein Mädchen, das ich noch nie zuvor gesehen hatte, richtete sogar ihr Handy auf mich.

Jason seufzte. »Das läuft schon seit ein paar Wochen. Hör mal, Zach, das ist nicht Macies Schuld. Sie war einfach nur durcheinander. Sie mag dich ja, aber nur als Freund, okay? Das Beste, was du tun kannst, ist jetzt zu gehen. Macie wird dich anrufen und dir später alles erklären.«

Mein Körper war vollkommen taub. Ich konnte nichts mehr spüren als ein Engegefühl in meiner Brust. Macie weigerte sich sogar, mich anzusehen. Jason hob teilnahmslos die Hände. Ich war gerade im Begriff, mich umzudrehen und davonzugehen, als er schmunzelte.

Abgesehen von dem Polizisten hatte ich dieses Schmunzeln schon einmal gesehen. Felix, Macie und ich waren vor ein paar Monaten bei einem Baseballspiel der Schule gewesen. Jason hatte großartig geworfen. Nur einer der gegnerischen Spieler hatte einen Treffer unterbringen können, was noch dazu ein Homerun gewesen war. Ein paar Innings später hatte Jason ihn mit einem Wild Pitch am Kopf getroffen. Nach dem Spiel war ein Grüppchen von uns zusammengekommen und wir hatten dabei zugesehen, wie ein Lokalreporter ihn interviewte. Er hatte ihn nach dem Fehlwurf gefragt. Jason entschuldigte sich überschwänglich dafür. Er sagte, er hatte nur versucht, einen Slider zu werfen, der ihm dann aber misslungen war. Er fuhr damit fort, dass es ihm sehr leidtäte, den anderen Spieler verletzt zu haben und dass er für ihn beten würde. Der Reporter dankte Jason und drehte sich weg. Doch als der Reporter nicht mehr hinsah, schmunzelte Jason. Und zwar genauso, wie er jetzt schmunzelte.

Ich holte zum Schlag aus, ein Haken, von dem ich sicher war, dass er ihn umhauen würde. Doch er blockte ihn mit Leichtigkeit ab und reagierte mit einer Eins-Zwei-Kombination. Ich schlug auf dem Boden auf und fühlte mich benommen und gedemütigt. Das hätte schon ausgereicht. Ich war erledigt. Sobald die Sternchen vor meinen Augen verflogen waren, wollte ich nur noch aufstehen und zu meinem Pick-up zurückgehen, mit so viel Würde, wie ich noch aufbringen konnte.

Doch es sollte offenbar nicht sein. Während ich unten lag, beschlossen seine beiden Kumpel plötzlich, mitzumischen. Sie kamen angelaufen und begannen plötzlich, mich brutal zu treten. Das Letzte, was ich sah, bevor ich das Bewusstsein verlor, war Macie, die mich anblickte.

Es war der Tag vor Thanksgiving und damit mein sechzehnter Geburtstag, und ja, es war definitiv der schlimmste Tag meines Lebens.

Der Anfang

Ich kam im Krankenwagen wieder zu Bewusstsein. Ich fühlte mich vollkommen benebelt. Ich konnte noch gar nicht vollständig erfassen, was mit mir geschehen war. Das Einzige, was ich begriff, war, dass diese Krankenwagenfahrt zur nächsten Notaufnahme eine weitere Rechnung bedeutete, die ich nicht bezahlen konnte. Die Sanitäterin, eine attraktive Blondine, die mich an Macie erinnerte, stellte mir einfache Fragen, zum Beispiel, wie mein Name lautete, welcher Tag heute war, und ob ich irgendwelche ansteckenden Krankheiten hätte. Als sie fertig war, lächelte sie und drückte aufmunternd meine Hand. Ich schätzte mal, dass ich zufriedenstellend geantwortet hatte.

Das Personal in der Notaufnahme war sehr nett, aber in Eile. Der Ort war schließlich voller Patienten. Sogar der Polizist, derselbe, der mir den Strafzettel verpasst hatte, war sehr höflich, als er den Bericht meines tätlichen Angriffs aufnahm. Er war sogar nett genug, jedes Mal seinen Kopf wegzudrehen, wenn er husten musste. Ich hatte mehrere Prellungen, ein blaues Auge, das bereits zugeschwollen war, eine leichte Gehirnerschütterung, ein oder zwei gebrochene Rippen und meine Hoden fühlten sich an, als hätte sie jemand mit einem Vorschlaghammer bearbeitet.

Der Arzt sagte, ich würde das Ganze überleben, aber noch eine ganze Weile Schmerzen haben. Wenn er nur gewusst hätte, wie sehr er damit recht hatte. Er stellte mir ein Rezept für ein paar Schmerzmittel aus und entließ mich. Ich war nicht versichert und fragte mich, ob das einen Unterschied bei meiner Behandlung ausmachte.

Felix und sein Vater warteten auf mich, als der Pfleger mich in einem Rollstuhl herausschob.

Felix … was für ein Freund. Er hatte innerhalb von Minuten gehört, was passiert war. So was verbreitete sich schnell in der Schule. Er hatte daraufhin Macie angerufen, die gnädig genug gewesen war, ihn zu informieren. Er und sein Vater fuhren daraufhin zu ihrem Haus, um meinen Pick-up zu holen, und eilten dann zur Notaufnahme.

Die beiden starrten mich mit mitleidigen Blicken an. Mr. Stewart war ein älterer Klon seines Sohnes. Tatsächlich sah er aus wie Mr. Magoo. Sie trugen beide die gleichen Brillen, hatten den gleichen Körperbau und sogar ihre Frisuren waren identisch. Sie halfen mir behutsam zu meinem kleinen Ford Ranger und Felix fuhr mich schweigend nach Hause. Ich hielt meine Augen während der Fahrt geschlossen, um die Schmerzen zu lindern und unnötige Konversation zu vermeiden.

»Okay, Kumpel, wir sind jetzt zu Hau… oh Scheiße«, stieß Felix hervor. Ich öffnete meine Augen nun doch und schaute hinaus. Jemand hatte beschlossen, mir noch einen reinzuwürgen. Sie hatten ausgewählte Graffiti auf die vordere Fassade des Hauses gesprüht. Sagen wir einfach, es waren ein paar abfällige Bemerkungen bezüglich meines Geschlechts, meiner sexuellen Orientierung und meines Penis. Sehr nett. Ich schätze mal, damit seine Großmutter zu verlieren, sammelte man heutzutage nur noch wenig Sympathiepunkte.

Mr. Stewart parkte auf der anderen Straßenseite und wartete. Er schien die Graffiti nicht gesehen zu haben. Felix starrte fassungslos auf den Vandalismus. »Mann, das ist so richtig mies. Warum haben die das nur gemacht?« Er schüttelte empört den Kopf. Das hätte ich auch gemacht, wenn mein Schädel nicht so geschmerzt hätte.

»Soll ich über Nacht bei dir bleiben? Papa hätte bestimmt nichts dagegen und ich kann dann auch versuchen, das hier sauberzumachen.« Er sah mich mit diesen großen, mitleiderregenden Augen an, als wäre er derjenige, der gerade eine Tracht Prügel bezogen hatte.

Ich schüttelte den Kopf, was die Schmerzen nur noch verschlimmerte. »Ich weiß das zu schätzen, Felix, wirklich. Aber ich möchte einfach nur ein Weilchen allein sein.« Ein Klopfen am Fenster des Pick-ups unterbrach und erschreckte mich. Ich vermutete, dass ich noch immer unter Schock stand. Ich drehte meinen Kopf schnell zur Seite, was einen stechenden Schmerz durch meinen gesamten Körper fahren ließ.

Es war Felix' Vater. Als ich unter großen Schwierigkeiten das Fenster herunterkurbelte, klopfte er mir auf die Schulter und schlug vor, ich solle ein paar Klamotten zusammensuchen und das Wochenende bei ihnen verbringen. Immerhin war morgen Thanksgiving. Doch ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß es wirklich zu schätzen, Mr. Stewart, aber ich will einfach nur noch ins Bett. Ich werde Felix morgen anrufen, wie wäre es damit?« Er setzte an, mit mir zu diskutieren, entschied sich dann aber dagegen. Stattdessen nickte er nur traurig und ging zurück zu seinem Auto. Ich musste Felix versprechen, ihn sofort anzurufen, falls etwas sein sollte, und dann gab er mir einen seiner üblichen Klopfer auf die Schulter, was eine weitere Schmerzwelle durch meinen Körper zucken ließ.

Ich schaffte es ohne allzu viel Schmerzen ins Haus und anschließend ins Bett. Ich lag gerade und sah fern, als mein Handy klingelte. Ich schaute auf die Rufnummer. Es war Macie! Mein Verstand sagte mir, dass ich nicht drangehen sollte, aber mein Herz gewann irgendwann die Oberhand.

»Bist du okay?«, fragte sie.

»Wow, was für 'ne blöde Frage. Was glaubst du denn, Macie? Lass mal sehen … meine Großmutter ist gerade gestorben, du reißt mir das Herz raus, ich werde verprügelt und als ich von der Notaufnahme heimkomme, sehe ich, dass irgendein unreifer Idiot mein Haus mit einer Sprühdose beschmiert hat. Was glaubst du? Glaubst du, ich bin okay?«

Sie antwortete nicht. Irgendetwas sagte mir, dass sie von den Graffiti bereits wusste. Ich ließ die Stille eine Weile andauern. »Also, wirst du mir sagen, warum das alles geschehen ist? Oder soll ich dich für den Rest meines Daseins für ein bitterböses Miststück halten?«

»Das ist nicht fair, Zach«, antwortete sie in einem tadelnden Tonfall, so als ob sie wirklich dachte, dass all das tatsächlich meine Schuld wäre.

»Dann erleuchte mich bitte.« Ich hätte gar nicht erst fragen sollen. Falls ich mich recht erinnerte, sagte sie mir, ich sei arm, unreif, ein Versager und würde nichts aus meinem Leben machen. Ich würde mich nur selbst belügen mit der Hoffnung auf ein volles Stipendium mit einem so albernen Sport wie Leichtathletik. Sie sagte außerdem noch ein paar Dinge, die mein Selbstvertrauen erfolgreich noch tiefer sinken ließen, aber ich erinnerte mich im Nachhinein nicht mehr an alle Beleidigungen. An irgendeiner Stelle dieser einseitigen Konversation schaltete mein Gehirn offenbar endlich auf Durchzug.

Ich hörte schweigend zu, und als sie fertig war, legte ich auf, ohne ein Wort zu sagen. Sie schickte mir ein paar Minuten später eine SMS.

Es ist einfach besser so. Hasse mich bitte nicht.

Ich hasste sie nicht, ich liebte sie, was es nur noch schlimmer machte. Ich weinte ein wenig und schlief dann während einer Nachrichtenmeldung über einen schlimmen Grippeausbruch im Mittleren Osten ein. Ich bekam gerade noch mit, dass der Berichterstatter die Leute an die Grippeimpfungen erinnerte.

Ich träumte schlecht. Ich träumte von Leuten, die mich jagten und schlugen. Ich träumte, wie ich Macie und Jason beim Sex erwischte. Sie wurden von ihrer fleischlichen Ekstase förmlich verzehrt. Ich schrie Macie an, woraufhin Jason mich ansah und schmunzelte. Ich wachte ruckartig auf, was mir den Schmerz umso mehr in die Glieder fahren ließ.

Ich schaffte es letzten Endes bis zum Morgen. Dann mühte ich mich aus dem Bett und sah, dass mehrere Textnachrichten auf meinem Handy warteten. Mein Herz schlug einen Moment schneller. Aus irgendeinem dummen Grund dachte ich, dass es vielleicht Macie war, die mich anflehte, ihr zu verzeihen. Wie gesagt, dumm, sehr dumm.

Die Anruferkennung zeigte, dass die Rufnummern unterdrückt worden waren. Die erste SMS war ein Link zu einem YouTube-Video. Die darauffolgenden Nachrichten waren nur eine Reihe von lol lol lol!

Ich klickte auf den Link. Darin war ich zu sehen, wie ich noch einmal verprügelt wurde. Ich sah zu, wie ich versuchte, Jason zu treffen. Ich erkannte die Wut in seinem Gesicht, als er meinen Schlag blockte und mich umhaute. Dann kamen seine Freunde heran und fingen an, mich zu treten. Zu meiner Überraschung schob Jason sie irgendwann zur Seite und wies sie an, aufzuhören. Da war irgendein Ausdruck in seinem Gesicht … Besorgnis vielleicht? Ich schätze, ich sollte dankbar dafür sein. Wenn die beiden nicht aufgehalten worden wären, wäre ich wahrscheinlich in sehr viel schlechterer Verfassung.

Macie hatte die ganze Zeit nur auf dem Treppenaufgang gesessen, eine Zigarette geraucht und mit einer Art gelassener Gleichgültigkeit dabei zugesehen.

Ich weinte daraufhin noch etwas mehr. Meine Selbstachtung war nun offiziell tiefer gesunken als Walscheiße am Boden des Ozeans.

Nach einer Weile schleppte ich mich aus dem Bett, sah von einer Dusche ab und verbrachte eine vergebliche halbe Stunde mit dem Versuch, die Hauswand von dem Graffito zu befreien. Ich hatte eine Scheuerbürste und einen Eimer mit heißem Wasser und Allzweckreiniger, aber ich konnte nicht mehr als ein paar Sekunden schrubben, bevor die Schmerzen mich dazu zwangen, eine Pause einzulegen. Letzten Endes gab ich auf. In meiner derzeitigen Verfassung hatte ich weder die Kraft noch die Energie für so etwas. Ich ging rein und legte mich wieder hin.

Schätzungsweise zehn Minuten später klingelte es an der Tür, genau zu dem Zeitpunkt, als ich gerade am Einnicken war. Natürlich pochte mein Herz, denn ich dachte, es wäre vielleicht Macie. Ich mühte mich aus dem Bett. Doch nein. Es war Felix. Er hatte einen großen Korb voller Essen, Getränke und seine Xbox dabei. Er machte eine ruckartige Bewegung mit dem Kopf, was mir zu verstehen gab, dass ich aus dem Weg gehen sollte, und begab sich in die Küche.

»Ich habe meinen Eltern gesagt, dass du auf keinen Fall rüberkommen würdest, also hat meine Mom uns einfach etwas zu Essen gemacht, und du wirst es nicht glauben, aber mein Dad hat uns sogar etwas Bier darunter geschmuggelt! Hast du schon gesehen?«, fragte Felix. Ich schüttelte den Kopf. Er machte uns nun ein paar Erdnussbutter-Sandwiches. Normalerweise hätte ich gelächelt, aber ich brachte es einfach nicht über mich.

»Du setzt dich jetzt hin, isst dein Sandwich und lässt es ruhig angehen. Ich werde draußen die Farbe abschrubben. Mach dir keine Sorgen, dein alter Kumpel Felix ist jetzt da.«

Felix kämpfte daraufhin mehrere Stunden mit der Farbe. Er schaffte es, alles zu entfernen, aber nun waren lauter verfärbte Flecken auf der Hausverkleidung, die etwas heller als der Rest waren. Wenn man genau hinsah, waren die Worte immer noch zu erkennen. Irgendwann loggte ich mich auf meiner Facebook-Seite ein. Ich war nicht allzu überrascht, abfällige Kommentare dort vorzufinden. Oh, und Macie war nicht mehr länger in meiner Freundesliste. Keine große Überraschung. Ich las die Kommentare … manche waren unterstützend, andere ziemlich grausam. Felix kam rein, als ich mir das Ganze anschaute. Er sah über meine Schulter auf den Bildschirm und seufzte. »Tut mir echt leid, Kumpel. Die Leute können manchmal ganz schön scheiße sein.«

»Das ist doch nicht deine Schuld, Felix. Nicht deine Schuld.« Ich hielt die Tränen zurück, löschte meinen gesamten Account und schaltete den Laptop aus.

Wir verbrachten den Rest des Tages damit, zu essen und fernzusehen. Irgendwann schnappte sich Felix die Fernbedienung und drehte die Lautstärke auf. »Hey, guck dir das mal an.« Es war ein Sonderbericht. Die Nachrichtensprecherin, eine junge brünette Frau mit einer netten Oberweite, einem großen Mund und strahlend weißen Zähnen, berichtete über das Grippevirus.

»Berichte aus dem Mittleren Osten weisen auf einen tödlichen Virenstamm hin, der bereits das Ausmaß einer landesweiten Epidemie erreicht hat. Krankenhäuser und Kliniken geben an, von Patienten überrollt zu werden. Wir sind mit dem CNN-Auslandskorrespondenten, Jim Denzing nun live in Kairo. Jim?«

Das Bild wechselte zu einem attraktivem, aber mitgenommen aussehenden Mann, der in einer chaotischen Notaufnahme zu stehen schien. Sein Hemd war mit Schweiß getränkt und seine Krawatte gelockert. Er hatte sich offenbar schon seit einigen Tagen nicht mehr rasiert, aber der Look stand ihm irgendwie. Man hörte nun Sirenen und im Hintergrund konnte man Männer in Uniformen sehen. Sie trugen Sturmgewehre und rannten in alle möglichen Richtungen. Es sah absolut chaotisch aus.

Es gab eine vorübergehende Pause, während der Satellit Jim die Anweisung übertrug zu reden. »Lacy, der beste Ausdruck, um zu beschreiben, was hier gerade vor sich geht, ist ein wildes Durcheinander. Unaufhörlich strömen den ganzen Abend Patienten hierher und es ist kein Ende in Sicht. Wir haben unbestätigte Berichte, dass manche der Patienten sehr gewalttätig sind, und die Soldaten mussten wohl auch schon schießen. Es ist nur wenig über den Ausbruch bekannt oder warum alles so schnell eskaliert ist.« Jim hielt einen Moment inne und griff dann an seinen Ohrhörer.

»Okay, ich werde gerade gefragt, ob dieses Grippevirus schon Todesopfer gefordert hat. Wir haben das medizinische Personal vor Ort befragt und sie haben uns an das Militär verwiesen, was wiederum die Auskunft verweigert hat. Die Antwort bleibt deshalb unklar, aber es wird angenommen, dass die Todeszahlen bereits recht hoch sind.« Plötzlich war das Geräusch von Geschützfeuer außerhalb des Bildes zu hören und Jim duckte sich instinktiv.

»Es tut mir fürchterlich leid, Lacy. Was Sie und unsere Zuschauer gerade nicht sehen können, scheint eine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Soldaten und ein paar Zivilisten zu sein. Wir werden die Kamera herumschwenken, um das Ganze ins Bild zu bekommen. Ich muss die Zuschauer allerdings warnen, dass dies eine Liveübertragung ist und es deshalb zu verstörenden Bildern kommen kann.« Die Kamera drehte sich nun um annähernd hundertachtzig Grad. Die Soldaten wurden tatsächlich angegriffen und das in absolut brillanten Farben. Sie schossen zurück, und obwohl die angreifenden Leute unbewaffnet waren, schienen die Soldaten den Kampf zu verlieren. Die Übertragung dauerte noch etwa fünf Sekunden an, bevor das Bild schließlich ausfiel. Die letzte Einstellung zeigte mehrere Barrikaden, die von einem Schwarm von Leuten überrannt zu werden schienen.

»Das ist echt kranker Scheiß, Mann«, sagte Felix erschrocken und wechselte den Sender. Wir verbrachten den Rest des Abends damit, Ironman-Filme zu sehen und mit der Xbox zu spielen.

Meine Großmutter wurde am Montag nach Thanksgiving beigesetzt. Ihr Pfarrer hielt den Gottesdienst ab. Die Gemeinde der Kirche, zu der sie nur unregelmäßig gegangen war, hatte für eine einfache Beerdigung und eine anschließende Einäscherung gesammelt. Es waren nur wenige Leute anwesend. Felix und seine Eltern waren natürlich da und manche der alten Knacker, die meine Großmutter seit einigen Jahren gekannt hatten. Ich kannte nicht alle von ihnen persönlich, dennoch begrüßte ich sie und dankte ihnen für ihr Kommen. Ich versuchte, höflich zu sein, aber ich schwöre, jeder Einzelne von ihnen hustete und keuchte. Nichts ist ekelerregender als ein alter Mensch mit schleimigem Husten. Ich hielt wohlweislich Abstand von ihnen. Ich kämpfte mich halbwegs gut durch, glaube ich. Ich hatte gehofft, Macie würde auftauchen. Dann hätte sie gesehen, wie sehr ich litt, und hätte mich trösten und mich um Vergebung anflehen können. Doch sie kam nicht.

Als ich es nicht mehr aushielt, schlich ich in ein leeres Büro, verriegelte die Tür und weinte für eine Stunde im stillen Kämmerlein.

Exodus

Rick wartete bereits auf mich, als ich in meinem kleinen Zuhause ankam. Er parkte mit seinem glänzenden Dodge Ram am Straßenrand in zweiter Reihe. Sein Pick-up war ein direkter Gegensatz zu seiner persönlichen Hygiene. Der Geländewagen war nämlich immer sauber und unaufhörlich frisch gewachst. Heute Abend hatte er einen Anhänger mitgebracht. Als er ausstieg, sah er sich zuerst um, als würde ihm nachspioniert werden, dann humpelte er schnell auf mich zu. Sein Hinken war einer alten Kriegsverletzung geschuldet, mit freundlichen Grüßen aus Vietnam.

»Ich gehe niemals zu Beerdigungen. Ich hasse die. Die Leute verhalten sich dann immer so dumm und sagen lauter dummes Zeug. Also, hier ist mein Pflichttext: Mein herzliches Beileid und all der andere Scheiß. Jetzt lass uns reingehen und reden. Es wird langsam kalt hier draußen.«

Ich machte uns Kaffee und wir setzten uns in der Küche an einen Esstisch aus Walnuss-Imitat. Er war sauber, hatte aber so seine Macken und Kratzer. Als ich das Licht anmachte, sah Rick mich mit gerunzelter Stirn an. »Was zum Teufel ist denn mit dir passiert? Dein Gesicht sieht ja aus wie ein Football. Warst du in eine Schlägerei verwickelt oder so was?«

Ich weihte ihn daraufhin ein und zeigte ihm sogar das Video. Er schüttelte nur den Kopf. »Das ist echt übel, Mann. Die Welt ist ein schrecklicher Ort geworden und es wird mit jeder Minute schlimmer.« Er nahm einen großen Schluck Kaffee und starrte mich dann aufmerksam an. »Willst du es ihnen irgendwann zurückzahlen?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Ich wüsste nicht wie, aber eines Tages vielleicht.«

Rick nickte. »Wenn du bereit dazu bist, lasse es mich wissen. Ich stehe dann hinter dir. Ich mag zwar ein alter Säufer mit einem Hinkebein sein, aber ich bin dennoch ein hinterlistiger Bastard und kann immer noch gut schießen.«

Ich nickte ernst, wusste aber nicht wirklich, was ich dazu sagen sollte. Klar wollte ich mich an ihnen allen rächen, einschließlich des Mädchens, das das Ganze gefilmt hatte. Aber ich hatte nie in Erwägung gezogen, Schusswaffen mit einzubeziehen. Teufel, ich hatte an so etwas wie Reifenaufschlitzen gedacht oder daran, ihre Häuser mit Eiern zu bewerfen. Heimtückisches Zeug ohne jegliche Konfrontation eben.

Er füllte seine Tasse auf, zog eine kleine Flasche mit billigem Whiskey aus seiner Jackentasche und versetzte seinen Kaffee einen kräftigen Schuss. Ich schüttelte den Kopf. Er zuckte mit den Schultern und starrte mich wieder mit ernstem Blick an.

»Okay, Zeit, über ein paar ernste Sachen zu reden.« Daher also der ernste Blick. »Ich werde dir erst einmal alles erklären und dann musst du ein paar wichtige Entscheidungen treffen. Da du gerade erst sechzehn geworden bist, wird schon bald ein hässliches, altes Weib vom Jugendamt hier aufkreuzen. Egal, was du dann sagst oder tust, man wird dich in ein Pflegeheim stecken, bis du achtzehn bist.« Er hielt inne und nahm einen Schluck, vermutlich, um das erst einmal sacken zu lassen.

»So, wie ich das sehe, kannst du mit den Eltern von deinem Freund sprechen und ich glaube, sie würden dich bestimmt aufnehmen. Du bist ein verdammt guter Junge und der beste Freund von dem komischen Kauz, und es wäre ein gutes Zuhause für dich. Aber ich denke, ich habe eine noch bessere Idee.« Er zeigte mit seiner Tasse auf mich. Teile des Inhalts schwappten dabei über den Rand. »Wir packen deinen Krempel einfach gleich ein und du ziehst bei mir ein. Ich habe das schon mit den Parsons geklärt.«

Ich wollte antworten, aber er hob eine Hand. »Ich weiß nicht, ob du in den letzten Tagen die Nachrichten verfolgt hast, aber da passiert etwas echt Eigenartiges da draußen. Was wirklich Schlimmes. Leute auf der ganzen Welt liegen im Sterben, aber da ist noch mehr. Viele von denen rasten total aus, so Zombie-mäßig, weißt du, was ich meine?«

Ich schüttelte den Kopf. Ich hätte vielleicht sogar gelacht, wenn mir nicht so elend zumute gewesen wäre. »Wovon redest du da? Willst du mir etwa sagen, dass das Ende der Welt naht oder so etwas?« Rick nickte düster. Ich brachte nur ein halbherziges Grunzen zustande. »Du musst dich endlich von dem Fusel fernhalten.«

Rick hob eine buschige Augenbraue. »Kann sein, dass ich total meschugge bin, ich wette, eine Menge Leute würden dir da recht geben. Ich gebe auch zu, dass bei mir ein paar Schrauben locker sind, aber was, wenn ich recht habe? Hmm? Was, wenn der verrückte alte Mann richtig liegt? Was dann?« Er hob wieder eine Hand. »Sag jetzt noch gar nichts, denn ich will dir erzählen, was passiert, wenn ich recht habe … kompletter Zusammenbruch der Gesellschaft. Ich sehe, wie du mich jetzt anschaust. Aber nur, weil ich verrückt bin, heißt das nicht, dass ich den Verstand verloren habe.« Er betonte jedes Wort, nahm wieder einen Schluck und beugte sich nach vorn. »Es hat bereits angefangen, Zach.« Er schob die Fernbedienung über den Tisch. »Schalte den Fernseher ein, falls du mir nicht glaubst. Schalt auf Fox oder CNN.«

Ich folgte seinem Ratschlag. Es kamen ein paar Sportnachrichten und dann fingen sie tatsächlich an, über den Grippeausbruch zu reden. Die Nachrichtensprecherin, dieselbe Frau, die Felix und ich an Thanksgiving angestarrt hatten, berichtete nun von einer Nachrichtensperre in verschiedenen Teilen des Mittleren Ostens. Ich wechselte daraufhin zu CNN. Sie interviewten gerade jemanden vom CDC, der Seuchenschutzbehörde. Die Bildunterschrift identifizierte ihn als Doktor und stellvertretenden Direktor der Einrichtung. Er starrte auf einen Punkt auf dem Boden und sagte, dass man ruhig bleiben und die Grippeimpfung in Anspruch nehmen solle. Die Lokalnachrichten berichteten von überfüllten Notaufnahmen im gesamten mittleren Bereich von Tennessee. Ich zappte durch ein paar andere Sender. Überall das Gleiche. Ich sah hinüber zu Rick und er zeigte auf den Fernseher.

»Siehst du, da geht gerade etwas echt Schlimmes vor sich. Nun, du Schlaumeier, was hältst du von der ganzen Sache?«

Ich dachte für ein oder zwei Minuten darüber nach, während ich weiterhin die Nachrichten ansah, dann schaltete ich den Ton ab. »Influenza«, verkündete ich leichthin.

Er runzelte die Stirn und seine Augen wurden zu Schlitzen, als wollte er mich fragen: Wie hast du mich gerade genannt? »So nannte man es 1918. Influenza, auch besser bekannt als die spanische Grippe. Es war eine weltweite Epidemie. Man ist sich bis heute nicht sicher, wie viele daran gestorben sind, aber die Schätzung liegt bei fünfzig Millionen Menschen. Jahre später hat das CDC