Zukunftstechnologie Tissue Engineering - Will W. Minuth - E-Book

Zukunftstechnologie Tissue Engineering E-Book

Will W. Minuth

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Beschreibung

Mit Hilfe des 'Tissue Engineering' konnten in den vergangenen zehn Jahren große Fortschritte bei der Züchtung von künstlichem Gewebe erzielt werden. Künstliche Gewebe werden heute bereits zum Ersatz verbrannter Hautbereiche z.B. in der plastischen Chirurgie oder zum Aufbau verletzter Knorpelstrukturen eingesetzt.

Dieses besonders umfangreich und anschaulich illustrierte Praktikerbuch vermittelt die grundlegenden Einblicke in die komplexe Welt der Gewebeentstehung und der Züchtung von künstlichem Gewebe mit Hilfe des 'Tissue Engineering'.

Einführend werden die Grundlagen der Zellbiologie und Gewebeentstehung und des weiteren der Gewebezüchtung behandelt. Ein besonderes Augenmerk legen die Autoren auf die Mechanismen der Gewebedifferenzierung und die kritische Bewertung von Eigenschaften in reifenden Gewebekonstrukten. Gesicherte therapeutische Erfolge beim 'Tissue Engineering' werden nur dann erzielt, wenn die reifenden Gewebekonstrukte zuverlässig die gewünschten funktionellen Eigenschaften entwickeln.

Ein zweiter Schwerpunkt dieses Buches liegt auf der Anwendung von Stammzellen unterschiedlichster Herkunft beim 'Tissue Engineering'. Es reicht nicht aus, Stammzellen zu isolieren und zu vermehren, vielmehr müssen daraus sorgfältig gesteuert funktionelle Gewebe entwickelt werden.

Abgerundet wird dieses Buch durch ein außergewöhnlich umfangreiches Glossar, das rund 1000 Stichwörter aus Zellbiologie, Gewebekulturtechnik und 'Tissue Engineering' enthält.

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Seitenzahl: 547

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Contents

Vorwort

1 Entwicklungsvorgänge

2 Zellen und Gewebe

2.1 Die Zelle

2.2 Gewebearten

3 Klassische Kulturmethoden

3.1 Historie

3.2 Erste Kulturen

3.3 Gewebekultur

3.4 Organkultur

4 Tissue Engineering

4.1 Zelltherapien

4.2 Gewebekonstrukte

4.3 Organmodule

4.4 Kosmetische Maßnahmen

5 Konzepte zur Gewebeherstellung

5.1 Quellen

5.2 Stammzellen

5.3 Zellen aus Geweben

5.4 Matrices

5.5 Kulturtechniken für das Tissue Engineering

5.6 Praxis der Perfusionskultur

6 Reifung von Gewebekonstrukten

6.1 Primär- und Sekundärkontakte

6.2 Strukturanlage

6.3 Terminale Differenzierung

6.4 Einflüsse des Kultur-Environments auf die Entwicklung von Gewben

6.5 Schritt für Schritt

6.6 Gewebefunktion nach Implantation

6.7 Die Gewebeentwicklung verläuft in drei Schritten

7 Entwicklung des Perfusionssystems Tissue Factory

7.1 Ansprüche an das Kultursystem

7.2 Artifizielles Interstitium

7.3 Smart Matrices

7.4 Optimales Gehäuse für das Perfusionssystem

7.5 Versorgung des reifenden Gewebes mit Medium

8 Sicherung der Gewebequalität

8.1 Normen und Zellbiologie

8.2 Beurteilung der Komplexität

8.3 Expressionsverhalten

8.4 Eignung eines Scaffolds

8.5 Versteckte Heterogenität

8.6 Untersuchung zellulärer Ultrastrukturen

8.7 Funktionsübertragungen

8.8 Qualitätssischerung

8.9 Implantat-Host-Interaktionen

9 Perspektiven

10 Ethische Aspekte

Glossary

Herstellerfirmen

Literatur

Register

Bitte beachten Sie auch folgende Titel

R.Schwarz, M. Wenthe, H. Gasse

Histologie Lernprogramm

2002

ISBN 3-527-30636-6

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Molekularbiologie der Zelle

December 2003

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Culture of Human Tumor Cells

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March 2003

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Taschenatlas der Biotechnologie und Gentechnik

2001

ISBN 3-527-30865-2

P.J.Quesenberry, G.S. Stein, B. Forget, S. Weissman

Stem Cell Biology and Gene Therapy

1998

ISBN 0-471-14656-0

Herausgeber

Prof. Dr. Will W. Minuth

Universität Regensburg

Institut für Anatomie

Universitätsstrasse 31

93053 Regensburg

Dr. Raimund Strehl

Universität Regensburg

Institut für Anatomie

Universitätsstrasse 31

93053 Regensburg

Dr. Karl Schumacher

Universität Regensburg

Institut für Anatomie

Universitätsstrasse 31

93053 Regensburg

Wichtiger Hinweis:

Forschung und klinische Tätigkeit erweitern permanent unsere Kenntnis. Soweit in diesem Buch deshalb eine Dosierung oder Applikation angesprochen wird, so darf der Leser darauf vertrauen, dass diese Angaben dem Wissensstand bei der Fertigstellung des Buches entsprechen. Dennoch gilt für jeden Benutzer, die Beipackzettel der verwendeten Präparate und Medizinprodukte zu überprüfen und in eigener Verantwortung Empfehlungen für Dosierung und Kontraindikationen in den jeweiligen Ländern zu beachten.

Finden der Literatur zu den Suchbegriffen

Da auf dem Gebiet der Zellbiologie und des Tissue Engineering ein enorm großer und vor allem ein sehr schneller Wissenszuwachs zu verzeichnen ist, haben wir anstatt Literaturreferenzen zu jedem Kapitel eine Reihe von Suchkriterien zusammengestellt. Anhand dieser ausgewählten Stichworte kann in jeder medizinischen oder biologischen Datenbank wie z.B. PubMed oder Biological Abstracts stets die aktuelle Literatur zum Thema abgerufen werden.

Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet.Dennoch übernehmen Herausgeber, Autoren und Verlag für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler keine Haftung.

Bibliografische Information

Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

© 2003 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprachen übertragen oder übersetzt werden.

Print ISBN 978-3-527-30793-7

Epdf ISBN 978-3-527-60890-4

Epub ISBN 978-3-527-65980-7

Mobi ISBN 978-3-527-65981-4

Vorwort

Warum zu dieser Zeit dieses Buch? Einiges ist zusammen gekommen. Bei der Umstrukturierung unseres Labors mussten wir aufräumen, ordnen und archivieren. Viel interessantes Material aus vergangenen Tagen war aus ganz unterschiedlichen Gründen liegen geblieben, nicht weiter geführt und deshalb auch nicht veröffentlicht worden. Beim Sichten der Daten und Bilder stellten wir fest, dass wir aus nicht gelungenen Experimenten eigentlich viel mehr gelernt hatten als aus Versuchen, deren Daten nahtlos in das gerade gewählte Versuchsdesign passten. Wenn wir auf Schwierigkeiten gestoßen waren, haben wir nicht aufgegeben. Immer wieder stellten wir neue Fragen und führten weitere Experimente durch, bis wir zu logischen Erklärungen kamen.

Hinzu kam, dass wir im Laufe der Jahre viele Kurse für Zell- und Gewebekultur sowie Tissue Engineering für Teilnehmer aus dem In- und Ausland durchgeführt haben. Unsere Kursteilnehmer stellten dabei häufig so interessante und grundlegende Fragen, die aber mit Hilfe der bisher geschriebenen Bücher ungenügend oder gar nicht beantwortet werden konnten. Zur Lösung der Probleme waren intensive Recherchen in Datenbanken notwendig. Die Antworten zu diesen vielen Fragen haben wir skizziert, strukturiert und als Basiswissen in den vorliegenden Text eingearbeitet.

Obwohl wir täglich Studenten in mikroskopischer Anatomie ausbilden, ist uns beim Schreiben des vorliegenden Textes immer mehr klar geworden, wie wenig über die Entwicklung von funktionellen Geweben bekannt ist. Aber gerade dieser Aspekt hat zukünftig eine enorm große Bedeutung für die Herstellung von Gewebekonstrukten aus adulten Zellen oder aus Stammzellen bei der Anwendung am Patienten. Aus einzeln vorliegenden Zellen müssen sozial agierende Zellverbände hergestellt und als funktionelle Gewebe dem Patienten implantiert werden. Dabei darf es keine Gesundheitsgefährdung geben.

Dieses Buch stellt theoretische Grundlagen und experimentelle Konzepte vor, die den Einstieg in das neue Gebiet des Tissue Engineering ermöglichen sollen. Darüber hinaus soll das Buch Studenten, technischen Mitarbeitern und jungen Wissenschaftlern/innen Einblicke in die faszinierende Welt von entwicklungsfähigen Zellen und Geweben geben. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir erst am Anfang einer sehr spannenden und zukunftsorientierten wissenschaftlichen Entwicklung stehen. Deshalb müssen wir uns erst darauf einrichten, viel Neues über die Ent wicklung von Geweben zu lernen. Nach genügender experimenteller Erfahrung wird sich noch im Laufe dieser Dekade das Tissue Engineering von einer rein empirischen zu einer analytisch reproduktiven Wissenschaft verändern. Wir werden lernen, die Gewebeentwicklung Schritt für Schritt zu überblicken und sie experimentell zu simulieren. Neben den molekularbiologischen Abläufen einer Gewebeentwicklung werden die epigenetischen Faktoren des Mikroenvironments dabei eine sehr große Rolle spielen. Außerdem müssen wir uns darauf einstellen, dass mit den Methoden der Zellkultur kein funktionelles Gewebe generiert werden kann.

Will W.Minuth, R. Strehl, K. Schumacher

Regensburg im Februar 2003

1

Entwicklungsvorgänge

Zell-, Gewebe- und Organkulturen sind heute aus der biomedizinischen Forschung nicht mehr wegzudenken. Dies hat ganz unterschiedliche Gründe. Zum einen wurden in den letzten Jahren enorme Fortschritte bei der Klärung molekular- und zellbiologischer Vorgänge mithilfe kultivierter Zellen erzielt, zum andern ist die industrielle Produktion von vielen Medikamenten und Antikörpern ohne die verschiedenen Zellkulturen nicht mehr vorstellbar. Schließlich werden kultivierte Zellen immer wieder als eine mögliche Alternative zu Experimenten an Tieren in die Diskussion gebracht.

Alle Zellen unseres Organismus können mit den zur Verfügung stehenden modernen Methoden heute aus Geweben isoliert werden. Zudem können so gut wie alle Zellen heutzutage ohne größere Schwierigkeiten sowohl in analytisch kleinem wie auch im technisch großem Maßstab für die unterschiedlichsten Aufgaben kultiviert werden. Die Größenskala reicht von einzelnen Zellen in einem hängenden Tropfen bis zu Bioreaktoren mit tausenden von Litern Kulturmedium. Bei diesen Techniken kann man auf einer inzwischen circa 50jährigen experimentellen Erfahrung mit Zellkulturen aufbauen. Schlagworte für die moderne industrielle Anwendung und die damit verbundenen Arbeiten sind Cell culture engineering, Metabolic engineering, Bioprocessing genomics, Viral vaccines, Industrial cell culture processing, Process technology, Cell kinetics, Population kinetics, Insect cell culture, Medium design, Viral vector production, Cell line development, Process control und Industrial cell processing. Allerdings geht es bei fast allen diesen Vorhaben um eine spezielle Art der Kultur. Die jeweiligen Zellen sollen sich so schnell wie möglich vermehren, um mit hoher Effizienz ein Bioprodukt wie z.B. ein Medikament oder einen Impfstoff zu synthetisieren. Für alle diese Arbeiten wurde im Lauf der letzten Jahre eine breite Palette an innovativen Geräten entwickelt. Zudem sind Anwendungen so gut optimiert, dass in den nächsten Jahren kaum noch Effizienzsteigerungen zu erwarten sind. Informationen zu diesem speziellen Themenkomplex stehen zudem in einer großen Auswahl an bisher erschienenen Büchern zur Verfügung.

Ganz anders muss das Arbeiten mit Gewebekulturen und damit das Tissue Engineering gesehen werden. Hierbei geht es um den Erhalt bzw. um die Herstellung von funktionellen Geweben und Organteilen auf der Basis von kultivierten Zellen. Diese Konstrukte sollen zur Unterstützung der Regeneration, als Implantate oder als bioartifizielle Module am Krankenbett genutzt werden. Beim Tissue Engineering handelt es sich um eine vergleichsweise junge Technik, die auf einem erst ca. 10-15 Jahre alten Erfahrungsschatz aufbauen kann. Ganze Wissenschaftszweige aus dem Bereich der Biomaterialforschung, den Ingenieurwissenschaften, der Zellbiologie, der Biomedizin und den einzelnen Disziplinen in der Chirurgie müssen hier eng zusammen arbeiten.

Einerseits wurden in den letzten Jahren beachtliche Fortschritte bei der Herstellung von artifiziellen Geweben mit den gegenwärtig zur Verfügung stehenden Methoden gemacht. Andererseits ist es dennoch eine Tatsache, dass die hergestellten Konstrukte noch nicht die notwendige gewebespezifische Qualität aufweisen. Leberparenchymzellen in bioartifiziellen Modulen z.B. zeigen nur einen Bruchteil ihrer ursprünglichen Entgiftungsleistung, implantierte Pankreasinselzellen verlernen mit der Zeit ihre Fähigheit zur Insulinsynthese, Nierenepithelien wollen die benötigte Barrierebzw. Transportfunktion nicht aufrecht erhalten und Knorpel- bzw. Knochenkonstrukte bilden eine zu wenig belastbare extrazelluläre Matrix. Zudem kommt es häufig vor, dass Proteine von den Gewebekonstrukten gebildet werden, die untypisch sind und bei der medizinischen Anwendung Entzündungen, ja sogar Abstoßungsreaktionen hervorrufen können.

In der Öffentlichkeit wird von den Medien meist der Eindruck erweckt, dass schon in den nächsten, Tagen fast sämtliche bisher unheilbare Krankheiten mit einer Zelltherapie, dem Tissue Engineering oder dem Bau eines Organs therapiert werden können. Bevorzugt sollen dazu Stammzellen verwendet werden. Im Rampenlicht stehen ganz besonders die embryonalen Stammzellen, deren zukünftige Bedeutung in diesem Zusammenhang noch völlig offen ist und deren zellbiologischen Fähigkeiten kritiklos zu begeistern scheinen. Bei genauerer Betrachtung jedoch wird klar, dass die meisten Kenntnisse bisher an pluripotenten Stammzellen des hämatopoetischen Systems gewonnen wurden. Weitaus weniger Erfahrungen sind über die embryonalen Stammzellen bei Versuchs- und Nutztieren bekannt, ganz wenig und wirklich überprüfte experimentelle Daten gibt es zu den embryonalen Stammzellen des Menschen. Die in dieser Hinsicht gewonnenen Ergebnisse erscheinen neuerdings oft wenig euphorisch und offenbaren eine Menge an noch ungelösten Problemen.

Vergleichsweise wenig Kenntnis gibt es bisher auch zur Entwicklung von totipotenten Stammzellen des Menschen. Hier wird die internationale Forschung erst innerhalb des kommenden Jahrzehnts zeigen, ob die Versprechungen vieler Biotechfirmen einer kritischen Analyse wirklich standhalten. Mit isolierten Stammzellen allein kann man bei der Regeneration von funktionellen Geweben zunächst nichts bewirken. Stammzellen müssen wie alle anderen Gewebezellen zuerst einmal in genügender Menge vermehrt werden, dann soziale Zellverbände bilden und sich durch heute noch viele unbekannte Mechanismen zu spezialisierten Geweben entwickeln. In einem entstehenden Organismus laufen diese Entwicklungsvorgänge wie selbstverständlich ab. Versucht man dagegen unter in- vitro-Bedingungen diese Vorgänge zu simulieren, so stellt man fest, dass sich mit den heutigen Strategien noch recht unvollständige Eigenschaften in den Konstrukten entwickeln.

Zukünftiger Themenschwerpunkt beim Tissue Engineering ist es deshalb aus unserer Sicht herauszufinden, wie funktionelle Gewebe in Kultur generiert werden können und wie die Ausbildung von Eigenschaften individuell gesteuert werden kann. Artifizielle Gewebe werden nur dann für den Menschen eine sinnvolle Therapieform darstellen, wenn ohne dem Patienten zu schaden damit eine Erkrankung überwunden werden kann. Dabei muss das hergestellte Gewebe die notwendigen funktionellen Eigenschaften als Regenerationsgewebe, Implantat oder Biomodul aufweisen.

Jeden Tag haben wir in der Makroskopischen sowie in der mikroskopischen Anatomie mit allen Arten von funktionellen Geweben des erwachsenen Organismus zu tun. In Bereichen des erwachsenen Organismus und damit am Endpunkt der Entwicklung kennen wir uns naturgemäß aus. Zahlreiche gesicherte Erkenntnisse gibt es auch zur frühembryonalen Entwicklung des Menschen, da viel über die Entwicklung der Urgewebe in den Keimblättern des Embryo gearbeitet wurde. Jeder Zeitpunkt und Ort der Entstehung eines bestimmten Gewebes oder Organs ist genau untersucht worden. Überraschend wenig ist dagegen über die Entwicklungsmechanismen in den entstehenden funktionellen Geweben bekannt. Die Kenntnis über diese Entwicklung allerdings beinhaltet den Schlüssel zur Herstellung von optimalen artifiziellen Geweben.

Die einzelnen Datenbanken sind wenig ergiebig, wenn Daten zur funktionellen Gewebeentstehung abgefragt werden. Es mag überraschen, aber wir konnten auch kein Buch über die Vorgänge bei der funktionellen Gewebeentstehung finden. In jünster Zeit sind jedoch auf diesem Gebiet verstärkte Aktivitäten zu beobachten. Es gibt verschiedene Ansätze, die Entstehung der Grundgewebe mit ihren funktionellen Facetten molekularbiologisch zu erklären. Treibende Kraft dafür sind sicherlich die Stammzellen. Es hat sich gezeigt, dass sich auch diese Zellart nicht automatisch zu den einzelnen funktionellen Geweben entwickelt. Nur die genaue Kenntnis über die spezifische Entwicklungsphysiologie kann zur Generierung von optimalen Geweben führen.

Im Bereich der regenerativen Medizin gibt es faszinierende und noch völlig ungeklärte Fragen, warum sich z.B. manche Zellen in einem Organismus ein Leben, Monate oder Wochen lang nicht teilen, während andere Zellen innerhalb von Tagen erneuert werden. Häufig liegen beide Vorgänge sogar unmittelbar benachbart in den einzelnen Geweben vor. Dies kann nicht allein auf die Wirkung von Wachstumsfaktoren und morphogene Substanzen zurückgeführt werden. Vielmehr muss das jeweilige Mikromilieu und die Zellinteraktion einen wesentlichen Einfluss auf das individuelle Regenerationsverhalten haben. Dies bedeutet, dass zukünftig der Blick für die Entwicklungsbedürfnisse von Geweben neu geschärft und entsprechend erweitert werden muss.

[Suchkriterien: Cell culture; Organ culture; Tissue culture; Tissue Engineering]

2

Zellen und Gewebe

2.1 Die Zelle

Sowohl natürliche Gewebe wie auch künstliche Gewebekonstrukte bestehen aus vielen verschiedenen zellulären Elementen und der dazugehörenden spezifischen extrazellulären Matrix (ECM). Dabei müssen die Zellen untereinander vielzellige Verbände bilden und in hohem Maß mit der extrazellulären Matrix interagieren. Bevor man an die Herstellung von künstlichen Geweben denkt, ist es deshalb notwendig ein grundlegendes Wissen über Zellen und natürliche Gewebe zu haben. Im Folgenden können aus verständlichen Grunden allerdings nur einige wichtige Aspekte der mikroskopischen Anatomie vermittelt werden.

2.1.1 Die Zelle als funktionelle Einheit

Zuerst sollen Zellen des Menschen als kleinste funktionelle Einheit des Lebens schematisch vorgestellt werden. Als typische Eigenschaft einer lebenden Zelle wird generell angegeben, dass sie adäquat auf Reize, wie z.B. auf Hormone reagiert. Ein weiteres typisches Charakteristikum ist, dass sich ihre Zellzahl durch Teilung in regelmäßigen Zeitabständen verdoppelt. Diese Aussage trifft auf alle embryonalen sowie auf Zellen des reifenden Organismus zu. Für Zellen in einem Gewebe des erwachsenen Organismus dagegen gibt es spezifische Unterschiede. Zellen in der Darmschleimhaut werden innerhalb weniger Tage erneuert, während sich Parenchymzellen in der Leber oder der Niere nur nach Jahren teilen. Herzmuskelzellen und Neurone teilen sich normalerweise ein Leben lang nicht mehr.

Der menschliche Körper besitzt etwa 1 × 1013 in enger sozialer Gemeinschaft lebende Gewebezellen. Zusätzlich finden sich 3 × 1013 Blutzellen, die zum großen Teil in isolierter Form in der Blutbahn nachgewiesen werden. Die Zellgröße variiert dabei sehr stark. Der Durchmesser von Gliazellen (Nervengewebe) beträgt ca. 5 μm, der von Spermien 3 – 5 μm, von Leberzellen 30 – 50 μm und der einer menschlichen Eizelle 100 – 120 µm.

Ebenso wie die Größe ist die Gestalt von Zellen sehr variabel angelegt. Zwischen Kugel- oder Spindelformen und der streng geometrischen Gestalt von Zellen in Epithelien werden alle Übergänge vorgefunden. Die Zelloberflächen können sowohl glatt als auch reliefartig gestaltet sein, zudem können individuelle Oberflächenvergrößerungen von einzelnen Mikrovilli bis hin zum spezialisierten Bürstensaum ausgebildet sein. Eine tierische oder menschliche Zelle ist von einer selektiv permeablen Plasmamembran umgeben ( Abb. 2.1). Im Innern befindet sich das Zytoplasma mit dem Zellkern (Nukleus) und den anderen lebenswichtigen Organellen. Lichtmikroskopisch können nach einer Färbung die überwiegend basophilen Zellkerne leicht von dem meist azidophilen Zytoplasma unterschieden werden.

Abb. 2.1: Schematische Darstellung einer Zelle mit ihren Organellen. Dargestellt sind Zellkern (1), Plasmamembran (2), endoplasmatisches Retikulum (3), Golgi Apparat (4), Mitochondrien (5), Sekretgranula (6), Mikrovilli (7) und Zentriolen (8).

2.1.2 Plasmamembran

Die Plasmamembran ist eine biologische Membran, die physikochemische Kompartimente gegeneinander abgrenzt. Sie besteht aus einer Phospholipid-Doppelschicht, wodurch unpolare Moleküle wie O2 und CO2 frei diffundieren können. Sie stellt eine Barriere für Elektrolyte, Aminosäuren und Zuckermoleküle dar. Im Elektronenmikroskop erscheint sie als trilaminäre Struktur dunkel – hell – dunkel. In dieser Lipiddoppelschicht sind zahlreiche Proteine eingebaut, die u.a. durch gezielte Transportaufgaben oder als Hormonrezeptoren eine Mittlerfunktion für den Informationsaustausch zwischen dem Zytoplasma und dem Zelläußeren haben. Eine Zellmembran ist jedoch keine mechanisch feste und damit starre Struktur, sondern eine fluide, visköse und damit recht fragile Umhüllung. Sowohl die einzelnen Phospholipide als auch die Membranproteine sind mehr oder weniger frei in dieser Schicht beweglich. Neben den Phospholipiden gibt es noch andere Lipidmoleküle in der Doppelschicht, wie z.B. das Cholesterin, das einer gewissen Stabilisierung dient.

In der äußeren Lipidschicht sind in der Plasmamembran viele Glykolipide und Glykoproteine enthalten, deren Zuckerreste nach außen ragen und eine eigene Schicht bilden, die als Glykokalix bezeichnet wird. Die in die Plasmamembran eingebauten Proteine bestehen aus integralen und assoziierten Membranproteinen, die jeweils hydrophobe und hydrophile Anteile enthalten. Die hydrophoben Anteile dienen zur Verankerung in der Lipidschicht, während die hydrophilen Anteile in den Extrazellulärraum oder aber ins Zytoplasma hineinreichen. Bei vielen dieser Proteine handelt es sich um Glykoproteine. Funktionell kann es sich z.B. um Transportproteine für Elektrolyte oder Aminosäuren, Rezeptorproteine für Hormone oder auch um Verankerungsproteine handeln.

Eine Hauptaufgabe der Plasmamembran ist ihre Funktion als Diffusionsbarriere. Sie kontrolliert über viele aktive oder passive Transportvorgänge, welche Moleküle in die Zelle hinein oder heraus gelassen werden. Eine weitere Aufgabe der Plasmamembran speziell bei Gewebezellen ist die Kommunikationsfähigkeit. Über die Plasmamembran können Zellen untereinander kommunizieren und dabei physiologischmechanische Zellkontakte durch Tight junctions oder Kommunikationskanäle über Gap junctions ausbilden. Dies dient sowohl einem kontrollierten Stoffaustausch, als auch der Zellerkennung oder der Signalverarbeitung. Diese Funktionen sind besonders wichtig, wenn sich aus einzelnen isoliert vorliegenden Zellen soziale Verbände entwickeln, aus denen dann funktionelle Gewebe entstehen.

2.1.3 Zellkern

Mit Ausnahme von Erythrozyten haben alle menschlichen Zellen einen Zellkern. Der wichtigste Bestandteil des Zellkerns sind die Chromosomen. In ihnen ist die gesamte genetische Information enthalten. Zudem ist der Zellkern das Steuerorgan für viele Zellfunktionen. Der Zellkern mit den einzelnen Chromosomen kann lichtmikroskopisch nur während der Interphase, also zwischen zwei Mitosen deutlich erkannt werden. Ebenfalls wird der Nucleolus nur in dieser Phase beobachtet. In der Regel besitzt eine Zelle nur einen Zellkern. Bei manchen Zellarten in speziellen Geweben kommen jedoch auch zwei oder auch mehrere Zellkerne vor. Dies ist bei Leberparenchymzellen, Osteoklasten und in der quergestreiften Muskulatur zu erkennen.

2.1.4 Mitochondrien

Die Mitochondrien stellen die Kraftwerke der Zellen dar und sind Träger von Enzymen, die dazu dienen, Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP) zu gewinnen. Die charakteristischen Reaktionsprozesse in den Mitochondrien sind der Energie produzierende Zitronensäurezyklus und die b-Oxidation der Fettsäuren. An Stellen, an denen viele Mitochondrien innerhalb einer Zelle gefunden werden, ist davon auszugehen, dass sich auch hier Synthese- oder Arbeitsprozesse mit einem erhöhten Energiebedarf abspielen. Ein solcher Vorgang ist z.B. daran zu erkennen, dass die Plasmamembran stark aufgefaltet ist (Abb.2.2). Innerhalb der Falten kommen viele Mitochondrien zu liegen. Physiologische Transportuntersuchungen an solchen Zellen haben gezeigt, dass an dieser Stelle auch vermehrt energieverbrauchende Transportpumpen eingebaut sind, die den erhöhten Stoffaustausch bewerkstelligen. Solche Vorgänge sind z.B. deutlich als morphologisches Korrelat an den Zellen des Streifenstucks in den Speicheldrüsen zu beobachten.

Abb. 2.2: Histologische Darstellung einer exokrinen Drüse mit einem Streifenstück als Teil des Ausführungsganhrungsganges. Die basale Plasmamembran ist stark aufgefaltet. In die Falten der Plasmamembran werden Mitochondrien eingesetzt, die die notwendige Energie für die an dieser Stelle ablaufenden Pumpvorgänge liefern. Die Zellkerne werden aufgrund der Membranfaltung in die luminale Zellseite gedrängt.

2.1.5 Endoplasmatisches Retikulum

Das endoplasmatische Retikulum spielt die entscheidende Rolle bei der Proteinbiosynthese. An freien Ribosomen (Polysomen) werden zytoplasmatische Proteine gebildet, während am endoplasmatischen Retikulum Proteine der Plasmamembran, sowie sekretorische Proteine entstehen. Im Zytoplasma liegen die Ribosomen entweder einzeln, oder in Form kleiner Ketten vor, die Polyribosomen genannt werden. Die Polyribosomen sind über einen Strang messenger-RNA (mRNA) miteinander verbunden. An solchen Polyribosomen wird beispielsweise das sauerstoffbindende Protein Hämoglobin gebildet. Die an der Bildung von Glyko- und Lipoproteinen beteiligten Ribosomen dagegen geben ihr gebildetes Produkt nicht einfach ins Zytoplasma frei, sondern reichen es in das Lumen des endoplasmatischen Retikulums weiter. Dabei handelt es sich um ein Membransystem, das mit Röhren und Zisternen netzartig die Zellen durchzieht. Zum Teil ist es mit besonders vielen Ribosomen besetzt und wird dann als raues endoplasmatisches Retikulum (rER) bezeichnet. Bei den Ribosomen handelt es sich um Makromoleküle, die aus Proteinen und Ribonukleinsäuren aufgebaut sind und nicht von einer Membran umhüllt werden.

2.1.6 Golgi-Apparat

In unmittelbarer Nachbarschaft zum endoplasmatischen Retikulum ist der Golgi-Apparat zu finden. Er besteht je nach Zelltyp aus unterschiedlich zahlreichen Dictyosomen und Golgi-Vesikeln. Die Dictyosomen oder Golgi-Felder erscheinen im elektronenoptischen Schnitt als Stapel von Membransäckchen, umgeben von zahlreichen Vesikeln. Im Golgi-Apparat werden die vom endoplasmatischen Retikulum kommenden Transportvesikel verarbeitet, in denen sich neu synthetisierte Proteine befinden.

Beispielsweise werden hier angelieferte Proteine mit speziellen Zuckermolekülen versehen. Daraus entstehen Glykoproteine oder Proteoglykane. Häufig erreichen Proteine erst durch diese Glykosilierung ihre biologische Funktionen.

2.1.7 Endosomen, Lysosomen, Peroxisomen

Bei den Endosomen und Lysosomen handelt es sich um eine heterogene Organellengruppe, die den verschiedensten Stoffwechselprozessen dient. Lysosomen sind Membranbläschen mit einer sehr speziellen Enzymausstattung für die intrazelluläre Stoffaufarbeitung, Separierung und Verdauung. Die in den Lysosomen entstandenen Abbauprodukte können in das umgebende Zytoplasma weitergegeben oder gegebenenfalls wieder verwendet werden. Andererseits können die Lysosomen als Endspeicher nicht abbaubarer Restprodukte dienen. Sie werden dann als Residualkörperchen bezeichnet, die diagnostisch als Pigment- oder Lipofuchsingranula sichtbar werden. Wenn die Inhaltsstoffe der Lysosomen unkontrolliert ins Zytoplasma gelangen, können durch Autolysevorgänge die gesamte Zelle sowie die Nachbarzellen zerstört werden.

Peroxisomen kommen nicht in allen Zellen vor, andererseits sind manche Zellen wie Leberzellen oder Tubuluszellen der Niere besonders reich an Peroxisomen. Die wichtigste Funktion dieser Organellen besteht darin, dass sie Wasserstoffperoxid bildende Oxidasen und Katalasen enthalten. Sie spielen eine wesentliche Rolle bei der Glukoneogenese, im Fettstoffwechsel und bei verschiedenen Entjpgtungsreaktionen.

2.1.8 Zytoskelett

Weitere sehr wichtige Bestandteile für die Zellen bildet das Zytoskelett (Abb.2.3). Es besteht aus den Mikrotubuli, den Mikrofilamenten und den Intermediärfilamenten. Sie bilden ein Mikronetz- oder Trabekelwerk und fungieren als Skelett der Zelle.

Wichtige Proteine dieses Netzwerkes sind Tubulin, Aktin, Myosin, die vielen verschiedenen Keratine, die Nexine, Vimentin, Desmin und die Neurofilamente. Mikrotubuli dienen dem gerichteten Transport von Molekülen innerhalb der Zelle. Neurone z.B. können Axone besitzen, die 1m lang sind. Auch die Synapse als das Ende des Neurons muss vom Perikaryon gesteuert werden. Mit dem Mikrotubulussystem wird sicher gestellt, dass bei einer Transportgeschwindigkeit von bis zu 400mm pro Tag auch der entfernteste Punkt der Zelle versorgt wird.

Abb. 2.3: Das Zytoskelett einer Zelle besteht aus Mikrofilamenten (1), Intermediärfilamenten (2) und Mikrotubuli (3). Durch die dreidimensionale Verknüpfung dieser Strukturen entsteht ein Trabekelwerk, in welches die einzelnen Zellorganellen wie z.B. Mitochondrien eingebaut sind. Dadurch werden in gleichartigen Gewebezellen die Organellen auch immer in der gleichen Position vorgefunden.

Mikrofilamente wie Aktin und Myosin sind in Zellen in unterschiedlicher Menge zu finden. Zellen, die Ausläufer bilden, ihre Form und Lage verändern, weisen besonders viele Mikrofilamente auf. Intermediäre Filamente wie z.B. die Zytokeratine bilden das Skelettsystem in Epithelzellen aus und verleihen dadurch der Zelle eine spezifische Eigengestalt und Stabilität.

2.1.9 Extrazelluläre Matrix

Die meisten Zellen bilden nicht nur ihre eigenen Organellen, sondern auch Proteine der umgebenden extrazellulären Matrix. Dabei handelt es sich um ein interaktives Gerust, welches einerseits mechanische Stabilität verleiht und andererseits Zellverankerung sowie Zellfunktionen zu steuern vermag. Für den Aufbau einer extrazellulären Matrix synthetisieren die Zellen hauptsächlich hochmolekulare fibrilläre Proteine, die aus der Zelle herausgeschleust und in der nächsten Umgebung zu einem unlöslichen Geflecht zusammengesetzt werden. Bei Epithelzellen oder Muskelzellen ist dies die folienartige Basalmembran, während Bindegewebszellen ein dreidimensionales Netzwerk ausbilden, das als perizelluläre oder extrazelluläre Matrix (ECM) bezeichnet wird. Die Basalmembran und die perizelluläre Matrix bestehen im wesentlichen aus den gleichen Proteinfamilien, jedoch sind die Einzelkomponenten wegen der teilweisen Aminosäuresequenzdifferenzen unterschiedlich miteinander verwoben. Bestandteile der extrazellulären Matrix sind die verschiedenen Kollagene, Laminin, Fibronektin und die einzelnen Proteoglykane. Bei vielen Geweben ist die extrazelluläre Matrix weich, druck- und zugelastisch, während sie bei Sehnen, Knorpel und Knochen mechanisch stark belastbare Strukturen ausbildet.

2.1.10 Zellzyklus

Zur Entwicklung von Geweben und zum Ersatz von abgestorbenen Zellen bei der Regeneration im erwachsenen Organismus müssen sich die Zellen vermehren. Diese Proliferation vollzieht sich im Rahmen des Teilungszyklus (Abb.2.4). Zuerst verdoppeln die Zellen ihren Inhalt und replizieren die DNA in der Interphase. Im Anschluss daran teilen sich die Zellen in der Mitose.

Eine Zelle in der Interphase ist anhand des meist deutlich mikroskopisch sichtbaren Nukleolus zu erkennen. Entschliesst sich eine Zelle zur Teilung, so erreicht sie die G1-Phase, in der die Neubildung von wichtigen Bestandteilen wie z.B. RNA, Proteinen und Lipiden innerhalb von ca. 24 Stunden erfolgt. Zusätzlich kommt es zur Vergrößerung des Zellvolumens. In der nachfolgenden S-Phase wird die in der Zelle befindliche DNA repliziert. Ist diese wichtige Phase abgeschlossen, so gelangt die Zelle in die G2-Phase. Die Replikation der DNA wird abgeschlossen und alles wird für die eigentliche Zweiteilung der Zelle vorbereitet.

Abb. 2.4: Schema zum Zellzyklus, der sich in die G0-, G1-, S- und G2-Phase gliedert. In der M-Phase findet die eigentliche Zweiteilung der Zelle statt.

Die Mitose selbst dauert etwa 4 Stunden. In der beginnenden Prophase werden die DNA/Histonkomplexe kondensiert bis die 46 Chromosomen entstanden sind. An den entstehenden Zentriolen bildet sich die Mitosespindel aus. Die Kernhülle und der Nukleolus werden aufgelöst. Es erfolgt eine Phosphorylierung der Lamine in der Kernmembran, danach bilden sich wieder verwertbare Vesikel. In der Metaphase ordnen sich die Chromosomen dann in der Äquatorialebene, d.h. in der zukünftigen Teilungsebene, an. Jedes Chromosom besteht dabei aus zwei Schwesterchromatiden. Mikroskopisch lassen sich in diesem Stadium deutlich die kurzen und langen Abschnitte der einzelnen Chromosomen erkennen. Im weiteren Verlauf teilen sich die Chromosomen in die Schwesterchromatiden und werden während der Anaphase mithilfe von Motorproteinen entlang von Mikrotubuli zu den beiden Zentriolen transportiert. In der nachfolgenden Telophase werden neue Kernhüllen synthetisiert. Die Zellteilung selbst wird durch die Bildung eines Aktin- und Myosinringes beendet, der die Zelle in der Mitte durchschnürt. In dieser Phase der Zytokinese erhält jede Tochterzelle einen der neu gebildeten Zellkerne, die Hälfte des Zytoplasma und die notwendigen Organellen.

Je nach Gewebeart können sich Zellen relativ häufig binnen Tagen oder erst nach Monaten und Jahren teilen. Außerdem gibt es Zellen, die sich lebenslang nicht mehr teilen. Solche gerade nicht proliferierenden Zellen befinden sich in der G0-Phase.

[Suchkriterien: Cell cycle mitosis division interphase]

2.2 Gewebearten

Die Entwicklung von Zellverbänden komplexer Organe spiegelt sich in den strukturellen und funktionellen Besonderheiten von Geweben wieder. Gewebe ist nicht nur eine Anhäufung von einzelnen Zellen, sondern besteht aus definierten zellulären und spezifischen extrazellulären Strukturen. Beide Anteile sind funktionell unersetzlich.

Erstaunlicherweise besitzt der Mensch nur vier verschiedene Grundgewebearten. Diese sind das Epithelgewebe, das Bindegewebe, das Muskelgewebe und das Nervengewebe. Daraus resultieren vier ganz verschiedene Funktionen, wie z.B. die Abgrenzung des Organismus gegen andere Kompartimente, Verbund von Strukturen, Bewegung sowie Steuerung.

Kein Organ des Körpers besteht nur aus einem Grundgewebe, fast alle benötigen alle vier Grundgewebe in einer spezifischen Anordnung, damit ihre speziellen Funktionen wirksam werden können. Beispielhaft ist hier das Gefäßsystem zu erwähnen. Es besteht aus Epithelgewebe, welches das Gefäßrohrlumen auskleidet, aus glattem Muskelgewebe, um den Durchfluss verändern zu können, aus Nervengewebe, zur Steuerung der Durchflussmenge und aus Bindegewebe, welches die einzelnen Strukturen miteinander verbindet und das Gefäßrohr in die Umgebung einbaut. Gewebe können aus gleichartigen oder auch aus recht unterschiedlichen Zellen bestehen. Besonderes Merkmal ist, dass in den einzelnen Geweben benachbarte Zellen klar definierte, teils sehr enge, teils auch lockere soziale Kontakte zur Aufrechterhaltung spezifischer Funktionen ausbilden.

Typischerweise findet man in den Geweben viele freie Zellen wie Leukozyten, Plasmazellen und Makrophagen, die auf Abbauprodukte der Zellen, Antigene oder bakteriellen Befall reagieren und somit im Dienst der immunologischen Abwehr stehen. Dementsprechend sind in den gesunden Geweben wenige dieser Zellen zu beobachten, während bei Erkrankungen die Zellzahl drastisch zunimmt.

[Suchkriterien: Tissue muscle epithelium connective neural]

2.2.1 Epithelgewebe

Die Epithelien bestehen aus geometrischen, räumlich besonders eng verbundenen Zellen, die auf einer flächenhaften Basalmembran verankert sind (Abb.2.5). Zwischen den Epithelzellen wird so gut wie keine Interzellularsubstanz gefunden.

Epithelgewebe bildet eine Vielzahl biologischer Barrieren. Damit ist die zentrale Funktion des Epithelgewebes im Organismus schon beschrieben. Es bedeckt Oberflächen in Form von dicht nebeneinander liegenden Zellen und bildet dadurch eine Barriere zwischen den luft- oder flüssigkeitsgefüllten Kompartimenten des Körpers. Allein das Epithelgewebe entscheidet deshalb auf zellulärer Ebene, was vom Körper aufgenommen oder abgegeben wird. Es reguliert die Gas- oder Flüssigkeitsaufnahme bzw. die Abgabe über aktive oder passive Transportmechanismen. Der epitheliale Zellverband ist luckenlos und mit Ausnahme der Stria vascularis im Innenohr gefäßlos.

Epithelzellen sitzen mit ihrer basalen Zellseite einer Basalmembran auf. Die Basalmembran ist das strukturelle Element, welches das Epithelgewebe von dem darunter liegenden Bindegewebe trennt. Ist diese Barriere funktionell nicht mehr intakt, so können z.B. Karzinomzellen das epitheliale Kompartiment verlassen und in das darunter liegende Bindegewebe infiltrieren.

An ihrer Oberfläche können die Epithelzellen unterschiedliche Zelldifferenzierungen ausbilden. Einerseits weisen sie eine mehr oder weniger glatte Oberfläche auf, andererseits können sie einen dichten Mikrovillisaum zur Oberflächenvergrößerung oder bewegliche Kinozilien zum Transport tragen. Kennzeichen aller Epithelien ist die Zellpolarisierung. Dies bedeutet, dass jede Zelle eine dem Lumen zugewandte und eine der Basalmembran zugewandte Seite hat, woraus funktionell eine Polarisierung und damit eine Abgabe bzw. eine Aufnahmeseite des Gewebes hervorgeht.

2.2.1.1 Baupläne von Epithelien

Oberflächen auskleidende Epithelien können einschichtig, mehrreihig oder mehrschichtig sein. Die in den epithelialen Verbänden vorkommenden Zellen können ganz unterschiedliche Formen haben. Sie können flach, platt oder kubisch sowie zylindrisch geformt sein. Einschichtige Epithelien zeichnen sich dadurch aus, dass alle Zellen Kontakt mit der darunter gelegenen Basalmembran haben. Abgeflachte Epithelzellen bilden die typische Zellform von Plattenepithelien, welche in Gefäßen vorkommend als Endothelzellen bezeichnet werden.

Gefäßendothelzellen sind in der Regel permanent dem Blutstrom ausgesetzt und brauchen daher eine besonders feste Verankerung mit der Basalmembran (Abb.2.6). Auf ihrer Oberfläche besitzen sie AdhäsionsMoleküle für Leukozyten in Form von Selektinen. Diese wiederum können ZuckerMoleküle auf Leukozyten binden und somit das Verlassen dieser Zellen aus der Blutbahn einleiten. Weiterhin besitzen Endothelzellen kontraktile Filamente, womit sie die Breite ihrer Interzellularspalten in gewissem Ausmaß regulieren können. Endothelzellen bilden zudem Stickstoffmonoxid (NO), welches zu einer Tonusverminderung in den glatten Muskelzellen der Gefäßmedia und dadurch zu einer Durchströmungszunahme führt.

Plattenepithelien kommen aber auch außerhalb von Gefäßen vor. So kleiden sie z.B. den Alveolarraum in der Lunge aus und garantieren durch ihre sehr flache Zellform eine möglichst kurze Diffusionsstrecke für Kohlendioxid und Sauerstoff. Darüber hinaus wird diese Epithelform sowohl im dünnen Teil der Henle‘schen Schleife in der Niere als auch im auskleidenden Epithel der serösen Pleura- oder Peritonealhöhlen vorgefunden.

Isoprismatische Epithelien sind lichtmikroskopisch daran zu erkennen, dass ihre Zellbreite gleich der Zellhöhe ist (Abb.2.5A). Isoprismatische Zellen sind u.a. in renalen Tubulusstrukturen oder Speicheldrüsen vorzufinden und stehen hier durch Transportprozesse im Dienste der Harnaufbereitung bzw. der Speichelprodüktion. Ebenso werden isoprismatische Zellen in den Follikeln der Schilddrüse als Hormonspeicher und -spender nachgewiesen. Säulenepithelien sind dagegen höher als breit und kleiden z.B. das Lumen des ganzen Dünn- und Dickdarmes als Enterozyten aus, wo sie der Nahrungsaufnahme dienen.

Abb. 2.5: Bauplan von einschichtigen, mehrreihigen und mehrschichtigen Epithelien. Typisch für alle Epithelien ist, dass die Zellen besonders enge Nachbarschaftsbeziehungen zueinander haben und auf einer Basalmembran verankert sind. A. Schematische Darstellung eines isoprismatischen Epithels. Die basale Seite einer jeden Zelle ist auf der Basalmembran verankert, die apikale Plasmamembran grenzt an das Lumen. Die lateralen Zellgrenzen haben Kontakt zu den Nachbarzellen. B. Beim mehrreihigen Epithel sind mehrere Zelltypen vorhanden. Alle Zellen sind auf der Basalmembran verankert, aber nicht alle erreichen das Lumen. C. Beim mehrschichtigen Epithel hat nur die basale Zellschicht Kontakt zur Basalmembran.

Abb. 2.6: Mikroskopische Ansicht des Schrägschnittes einer Arteriole. Zu erkennen ist das Lumen links in der Mitte, welches mit einem Endothel ausgekleidet ist. In der Media der Gefäßwand sind zahlreiche glatte Muskelzellen zu sehen.

Mehrreihige Epithelien haben mit einschichtigen Epithelien gemeinsam, dass alle Zellen Kontakt mit der Basalmembran haben (Abb.2.5B). Sie unterscheiden sich jedoch von den einschichtigen Epithelien, da nicht alle Zellen die Epitheloberfläche erreichen, wodurch die Zellen und ihre Zellkerne auf unterschiedlichem Höhenniveau liegen. Im mehrreihigen Epithel der Atemwege z.B. sind als Sonderausstattung luminal bewegliche Kinozilien vorhanden, deshalb wird es auch als Flimmerepithel bezeichnet (Abb.2.7).

In mehrschichtigen Epithelien sind die Zellen in drei unterschiedliche Ebenen übereinander geschichtet (Abb.2.5C). Basalzellen sind auf der Basalmembran verankert und haben keinen Kontakt mit der Epitheloberfläche. Aus dieser Basalzellschicht regeneriert sich permanent und ein Leben lang das Epithel aus Stammzellen. In der über den Basalzellen gelegenen Intermediärzone und dem luminal gelegenen Stratum superficiale haben die Zellen keinen Kontakt mehr mit der Basalmembran. Die Oberflächenzellen grenzen an die Epitheloberfläche, wo sie in gewissen Zeiträumen abgeschilfert werden. In mehrschichtigen Plattenepithelien sind die Oberflächenzellen abgeflacht, ihre Zellausrichtung liegt im Gegensatz zu den Basalzellen parallel zur Oberfläche. Die Basalzellen sind in der Regel iso- bis hochprismatisch. Zellen der Intermediärzone verlieren diese Orientierung, sie werden polygonal und ihre Zellkernausrichtung parallelisiert sich immer mehr zur Epitheloberfläche. Die Schleimhäute der Mundhöhle bis zum unteren Drittel der Speiseröhre (Abb.2.8), aber auch die Vagina sowie Übergangsbereiche des Urogenital- oder Verdauungstraktes zur äußeren Haut weisen diese mehrschichtigen Plattenepithelien auf.

Abb. 2.7: Histologische Abbildung eines mehrreihigen Flimmerepithels im Atemtrakt. Das Epithel grenzt an die luftführende Straße. Die mit Kinozilien besetzte luminale Epithelseite dient der Säuberung und befördert Schmutzpartikel in Richtung Mundhöhle.

Abb. 2.8: Histologische Abbildung des mehrschichtigen unverhornten Epithels der Mundhöhle. Die Epithelzellen bilden eng benachbarte Zellverbände. Dadurch entsteht eine biologische Barriere zwischen der luminalen und basalen Epithelseite.

Im Gegensatz zu den mehrschichtigen Plattenepithelien wie z.B. der Mundschleimhaut weist das mehrschichtige Plattenepithel der äußeren Haut eine Verhornung auf. Das mehrschichtige Plattenepithel der Haut zeigt Besonderheiten durch den dynamischen Verhornungsprozess, welcher im Stratum granulosum beginnt. Die zur Regeneration befähigten Basalzellen liegen im Kontakt zur Basalmembran. Allerdings kommen sie hier nicht alleine vor, sondern sind benachbart mit Melanozyten, die durch ihr Pigment zur Braunfärbung der Haut führen. In der Intermediärzone findet sich zunächst das Stratum spinosum. Das stachelartige Aussehen dieser Zellschicht ist bedingt durch das zahlreiche Vorkommen von Fleckdesmosomen, in die Bündel von kondensierten Zytoskelettanteilen einmünden. Diese zellulären Besonderheiten dienen dem Schutz von Scherkräften, die auf die äußere Haut einwirken können. Im darüber beginnenden Stratum granulosum sind zytoplasmatische Keratohyalingranula, die im hohen Maße das Protein Filagerin beinhalten, schon lichtmikroskopisch zu erkennen. Neben der Quervernetzung von Proteinen erfahren die oberflächlichen Zellen einen Organellabbau einschließlich des Kerns. Letztendlich bestehen die Zellen des oberflächlich gelegenen Stratum corneums nur noch aus dicht gepackter Hornsubstanz, die von einer modifizierten Zellmembran begrenzt werden. Neben den Melanozyten finden sich noch Langerhans-Zellen, die immunologische Aufgaben wahrnehmen.

Ein weiteres mehrschichtiges Epithel ist das Übergangsepithel, auch Urothel genannt, welches auf seiner luminalen Seite dem Harn ausgesetzt ist. Biologisch aggressive Substanzen, wie der Harnstoff, und der wechselnde pH des Urins haben dazu geführt, dass die Oberflächenzellen besonders ausgeprägte Tight junctions aufweisen sowie auf ihrer luminalen Zellseite kondensierte Zytoskelettelemente besitzen. Diese bestehen aus Aktin und Intermediärfilamenten sowie Uroplakin. Die oberflächlich gelegenen Deckzellen haben eine polygonale Zellform und stielförmige Zellausläufer, die die Basalmembran erreichen sollen. Hierdurch unterscheiden sie sich wesentlich von den anderen mehrschichtigen Plattenepithelien. Der Name Übergangsepithel rührt daher, dass das Epithel abhängig vom Füllungszustand unterschiedlich gedehnt werden kann und dadurch auch sehr unterschiedliche Zellhöhen aufweist.

[Suchkriterien: Tissue epithelial morphology histology]

2.2.1.2 Drüsen

Drüsen entstehen dadurch, dass Zellen von Oberflächenepithelien in das darunter liegende Bindegewebe hineinknospen. Bildet die Drüse einen Ausführungsgang, so spricht man von einer exokrinen Drüse (Abb.2.9A, 2.9B). Verliert der ausgewachsene Epithelteil jedoch seinen Kontakt mit dem ursprünglichen Oberflächenepithel, kann die im Bindegewebe verbleibende Epithelinsel ihre Sekrete nur an das Interstitium und an Kapillaren abgeben. Man spricht dann von der Bildung einer endokrinen Drüse und einer inneren Sekretion, wobei das Sekret Hormone beinhaltet (Abb.2.9C).

Abb. 2.9: Schematische Darstellung der Bildung von Drüsen. A. Exokrine und endokrine Drüsen bilden sich aus einem einschichtigen embryonalen Epithel. B. Durch Einsenkung des Epithels in das darunter liegende Bindegewebe entsteht ein Drüsenschlauch. Behält das Lumen Kontakt zur Oberfläche, dann handelt es sich um eine exokrine Drüsenbildung. C. Verlieren die eingesenkten Epithelzelle den Kontakt zum Lumen, so entsteht daraus einen endokrine Drüse. Gleichzeitig werden vermehrt Kapillaren in diesem Bereich ausgebildet.

Drüsengewebe besteht aus Epithelzellen, welche ein Sektret bilden und dieses aus der Zelle ausschleusen. Immer steht die basale Zellseite in nahem Kontakt mit Blutgefäßen, da sie zahlreiche Nährstoffe aus dem Blut für die Synthese aufnehmen müssen. Die Sekretabgabe erfolgt bei den Speicheldrüsen auf der luminalen Seite des Azinusepithels, während bei endokrinen Drüsen das gebildete Hormon immer in Richtung Kapillare abgegeben wird.

Wenn eine Verbindung zwischen dem ins Bindegewebe eingewachsenen Epithelgewebe und dem Oberflächenepithel bestehen bleibt, kann das in den Drüsenendstukken gebildete Sekret in einen Ausführungsgang geleitet werden. Zusätzlich kann das gebildete Sekret durch spezielle Zellen im Ausführungsgang in seiner Wasser- und Elektrolytzusammensetzung ähnlich wie in der Niere modifiziert werden. Dieser Vorgang ist z.B. im Streifenstuck der Ausfuhrungsgänge der Parotis möglich (Abb.2.10). Die Zellen der exokrinen Drüsen sind polarisiert, denn sie nehmen Stoffe aus dem Interstitium über die basale Zellseite auf, bilden daraus Sekretprodukte, welche dann an der luminalen Seite in den Ausführungsgang abgegeben werden. Dabei können ganze Organe wie die Mundspeicheldrüsen rein exokrine Funktionen haben.

Neben rein exokrinen Funktionen können auch endokrine Leistungen in einem Drüsenorgan anzutreffen sein. Das klassische Beispiel ist hier die Bauchspeicheldruse mit den endokrinen Langerhans-Inseln, die Insulin und Glukagon an das Gefäßsystem abgeben, um damit den Zuckerstoffwechsel zu regulieren. Andererseits bilden die exokrinen Drüsenanteile des Pankreas Verdauungsenzyme wie Amylase und Lipase, die dann nach Vereinigung der Ausführungsgänge zum Ductus pancreaticus in den Zwölffingerdarm abgegeben werden.

Die Drüsenendstucke von exokrinen Drüsen werden je nach Art der gebildeten Sekrete in seröse, muköse oder gemischt sero-muköse Endstucke eingeteilt. Die Epithelzellen der Drüsen zeigen entsprechende histologische Besonderheiten (Abb.2.10). Die Zellen der serösen Endstucke besitzen einen runden Zellkern, der in der Mitte der Zelle liegt. Das Zytoplasma stellt sich in den Routinefärbungen rötlich homogen dar. Das seröse Sekret ist dünnflüssig und enzymreich. In den Zellen von mukösen Drüsenzellen ist der Zellkern dagegen deutlich abgeflacht und liegt nahe der basalen Zellseite. Das Zytoplasma erscheint schaumig und weißlich. Das Sekret ist visköser und enzymärmer als das seröse Sekret. In manchen Endstücken sitzen seröse Drüsenkappen den mukösen Anteilen auf. Diese Bereiche werden dann als “von Ebner’sche Halbmonde” bezeichnet.

Abb. 2.10: Lichtmikroskopische Ansicht einer Speicheldrüse, die au muköoesenundser\rmoesenAziniaufgebautist:

Abb. 2.11: Histologische Darstellung einer Schilddrüse. Das Epithel bildet ballonförmige Follikel, die in ihrem Lumen mit Kolloid gefüllt sind.

Sekrete werden von den Drüsenzellen in ganz unterschiedlicher Form abgegeben. Der merokrinen Form der Sekretabgabe liegt die Exozytose zugrunde. Dabei fusionieren die intrazellulären Sekretvesikel mit der luminalen Plasmamembran, wobei das Sekret nach außen abgegeben wird, ohne dass strukturelle Zellanteile der Zellmembran verloren gehen. Bei der apokrinen Form der Sekretabgabe wird das Sekret mit dem apikalen Zellanteil abgestoßen. Dieser Prozess geht also mit strukturellen Zellanteilverlusten einher. Bei der holokrinen Sekretionsform gehen die Drüsenzellen durch Apoptose zugrunde, wodurch die Freisetzung der dicht in der Zelle verpackten Sekrete erfolgt.

Die Drüsenendstucke können unterschiedlich geformt sein. Prinzipiell können sie eine röhrenartige Form aufweisen oder sie sind gewunden und röhrenartig. In azinösen Endstücken ist das Endstück beerenartig aufgetrieben. Es können auch beide Formen mit einem gemeinsamen großen Ausführungsgang in einer Drüse angetroffen werden. Man bezeichnet dies als zusammengesetzte Drüsen.

In der Regel sind die Hormon bildenden, also die endokrinen Drüsenzellen nicht polarisiert. Eine Ausnahme bildet hier die Schilddrüse, die als endokrine Drüse polarisierte Epithelzellen aufweist (Abb.2.11). Hier dient die Polarisierung allerdings der Speicherung von Hormonen, die bei Bedarf wieder mobilisiert und ins Interstitium abgegeben werden können.

[Suchkriterien: Glands morphology histology mucous serous seromucous]

2.2.1.3 Epithelien zur Sinneswahrnehmung

Sinnesepithelien sind epitheliale Zellverbände, die Reize aufnehmen und fortleiten können. In der Retina stehen sie im Dienste des Sehens, im Innenohr im Dienste des Hörens, als Geschmackszellen (Abb.2.12) vermitteln sie das Schmecken, in der Oberschicht der Haut dienen sie als Mechanorezeptoren und im Bereich des Nasendaches sind sie als Riechepithel ausgebildet.

Grundsätzlich muss bei den im Sinnesepithel integrierten Rezeptoren zwischen primären und sekundären Sinneszellen unterschieden werden. Primäre Sinneszellen nehmen an einer Zellseite einen Reiz auf und leiten die Erregung über eigene Zellfortsätze weiter. Dieses Kennzeichen trifft z.B. auf die Riechzellen zu (Abb.2.13). Man kann sie auch als Nervenzellen betrachten, die an einer Zellseite Rezeptoren für bestimmte Duftmoleküle ausgebildet haben. Somit ist das Riechepithel mit den Riechzellen die einzige Stelle im Körper, an der eine Nervenzelle unmittelbar Kontakt mit einer exponierten Oberfläche hat. Sekundäre Sinneszellen dagegen haben eine Wahrnehmungsseite mit entsprechenden Rezeptoren, stehen allerdings wie z.B. im Geschmacksepithel im Bereich ihrer Plasmamembran synaptisch mit Nervenzellen in Kontakt.

Abb. 2.12: Histologischer Ausschnitt aus dem Oberflächenepithel der Zunge mit integrierten Geschmacksknospen.

Sinneszellen bilden nie alleine das entsprechende Epithel, sondern kommen immer in Gesellschaft von Basalzellen und Stützzellen vor. Es wird davon ausgegangen, dass die Basalzelle als Stammzelle für beide Zelltypen wie Sinnes- und Stützzelle dient. Die Stützzellen sollen das für die Rezeption notwendige Environment bilden und aufrechterhalten. Andererseits ist beschrieben, dass die Stützzellen im Vorfeld einer Reserveleistung oder Transdifferenzierung stehen und sich zu den Sinneszellen umwandeln können.

Abb. 2.13: Schematische Darstellung des Riechepithels auf einer perforierten Basalmembran. Die Sinneszelle trägt auf der luminalen Zellseite lange Mikrovilli zur Reizwahrnehmung. Auf der basalen Seite wird die Erregung über ein Axon weitergeleitet. An den lateralen Zellseiten ist die Sinneszelle von hochprismatischen Stützzellen sowie von Basalzellen umgeben.

[Suchkriterien: Sensory epithelium morphology histology]

2.2.2 Bindegewebe

Das Bindegewebe kommt an allen Stellen des menschlichen Körpers in einer besonders grossen Vielfalt vor. Es besteht aus vielgestaltigen Zellen, die teils in isolierter Form wie beim Knochen vorkommen, teils sich zu Zellfamilien wie beim Knorpel zusammengelagert haben. Zwischen den Zellen befinden sich unterschiedlich große Räume, die mit mechanisch belastbarer Interzellularsubstanz und/oder Flüssigkeit ausgefüllt sein können (Abb.2.14).

Wie der Name andeutet, verbindet das Bindegewebe ganz unterschiedliche Strukturen miteinander. Häufig wird die Bedeutung des Bindegewebes in den einzelnen Organen unterschätzt und das Organparenchym mit seinen funktionellen Zellen in den Vordergrund gestellt. Genauso bedeutungsvoll ist das Bindegewebsstroma in den einzelnen Organen. Es bildet die Matrix für die Organstruktur und führt versorgende und regulierende Strukturen an das Parenchym heran. Somit sind Stroma und Parenchym zwei unersetzbare Komponenten und nur ihre sinnvolle Kombination ermöglicht die komplexen Funktionen eines Organs.

Abb. 2.14: Schematische Darstellung eines Fibroblasten, der von extrazellulären Matrixproteinen wie Kollagen (schraffiert), Fibronektin und Proteoglykanen umgeben ist.

[Suchkriterien: Connective tissue morphology histology]

2.2.2.1 Vielfalt

Neben dem Organstroma ist der Binde- und Stützapparat des Körpers und damit das Fett-, Knorpel- und Knochengewebe mit seinen spezifischen Eigenschaften zu sehen. Bei den unterschiedlichen Arten des Bindegewebes wird besonders deutlich, dass dieses Gewebe nicht nur zelluläre, sondern auch eine besondere extrazelluläre Komponente hat. Dabei kann das qualitative und quantitative Verhältnis von zellulärem und extrazellulärem Anteil ganz unterschiedlich ausgebildet sein.

Bei den Bindegewebezellen werden außerdem die fixen von den freien und damit beweglichen Zellen unterschieden. Zusätzlich unterscheiden sich Bindegewebezellen in ihrem Differenzierungsgrad und damit in ihrem Funktionszustand.

Unter dem Begriff freie Bindegewebezellen fasst man die Leukozyten, die Plasmazellen, die Makrophagen und die Mastzellen zusammen. Diese Zellen verlassen die Blutbahn und siedeln sich im Bindegewebe in unterschiedlichem Maße an, wodurch eine ganz unterschiedliche Verteilung im Bindegewebe resultiert. Ein verstärktes Aufkommen von Leukozyten, Plasmazellen und Makrophagen im Bindegewebe ist im Rahmen von entzündlichen Reaktionen zu beobachten.

Abb. 2.15: Histologische Darstellung von Mesenchymzellen, die umgeben sind mit einer faserarmen extrazellulären Matrix (ECM). Aus diesem Gewebe können sich alle Bindegewebsformen entwickeln.

Die einzelnen Bindegewebezellen entstehen aus Mesenchymzellen (Abb.2.15). Unreife Zellen werden Fibroblasten, Chondroblasten oder Osteoblasten genannt. Dabei handelt es sich um Zellen, bei denen der Aufbau der extrazellulären Matrix im Vordergrund steht. Fibrozyten, Chondrozyten und Osteozyten dagegen sind im gereiften Gewebe zu finden. Der Fibroblast z.B. ist eine Bindegewebezelle, bei der die Syntheseleistung des Kollagens einer Sehne, eines Bandes, eines Meniskus oder einer Gelenkkapsel im Vordergrund steht. In diesem Zustand hat der Fibroblast einen grossen, ovalen Zellkern mit einem deutlichen Nukleolus. Die Zellgrenzen sind fortsatzreich und das Zytoplasma zeigt ein deutliches endoplasmatisches Retikulum. Der Fibrozyt dagegen weist eine geringe Syntheseleistung auf. Er kontrolliert und überwacht die entstandene extrazelluläre Matrix im fertigen Gewebe. Zu erkennen ist ein Fibrozyt an seiner spindelförmigen Zellform und einem schmalen, länglichen Zellkern. Während sich Fibroblasten noch häufig teilen, liegen Fibrozyten im postmitotischen Stadium vor. Bei der Verletzung des Bindegewebes können durch veränderte Umgebungsbedingungen aus Fibrozyten in begrenztem Umfang wieder Fibroblasten entstehen.

Eine fixe Bindegewebezelle bildet die extrazelluläre Matrix, welche wiederum aus geformten und ungeformten Anteilen besteht. Die geformten Anteile bestehen aus Fasermaterial, die ungeformten Anteile werden als amorphe Grundsubstanz beschrieben. Die amorphe Grundsubstanz enthält neben Proteoglykanen und Glykoproteinen interstitielle Flüssigkeit. Die Zusammensetzung der interstitiellen Flüssigkeit gleicht hinsichtlich Elektrolyten und anderen löslichen Substanzen der Zusammensetzung des Blutplasmas. Die interstitiellen Flüssigkeitsmengen können unter pathophysiologischen Umständen massiv ansteigen. Alle Substanzen, die zwischen Zellen und der Blutbahn ausgetauscht werden, müssen die interstitielle Flüssigkeit als Transportmedium benutzen. Die Glykoproteine und Proteoglykane, die im Lichtmikroskop amorph erscheinen, stehen im Dienste der mechanischen Stabilität des Gewebes. Sie sind in der Lage, im hohen Maße Wasser zu binden, wodurch z.B. die für den Knorpel wichtigen druckelastischen Eigenschaften erzeugt werden.

Abb. 2.16: Histologischer Längsschnitt durch eine Sehne. Zu erkennen sind die dunkel angefärbten spindelformigen Zellkerne der Fibrozyten. Dazwischen verlaufen parallel angeordnet Bundel von Kollagenfasern Typ I.

Die Fasern der extrazellulären Matrix werden in kollagene, retikuläre und elastische Typen unterteilt, die von den einzelnen Bindegewebezellen gebildet werden. Dabei erfolgt die Bildung von Kollagenfibrillen in einem intrazellulär und einem extrazellulär ablaufenden Vorgang. Intrazellulär erfolgt die Synthese von verschiedenen Polypeptidketten, die durch Verdrillung zu einer Tripelhelix zur Prokollagenbildung führen. Die Prokollagen-Tripelhelix wird durch Exozytose ausgeschleust. Extrazellulär werden Registerpeptide vom Prokollagen abgespalten, wodurch die entstandenen Tropokollagene zu Mikrofibrillen und schließlich zu kollagenen Fasern mit besonders zugfesten Eigenschaften aggregieren. Typisches Beispiel dafür ist die Sehne (Abb.2.16).

Es gibt circa 25 verschiedene Kollagentypen. Die einzelnen Bindegewebeformen bestehen nicht nur aus Fasern eines einzelnen Kollagentyps, sondern meistens finden sich mehrere verschiedene Kollagentypen in einem Bindegewebe, wobei allerdings ein Kollagentyp vorherrscht. Lockeres Bindegewebe enthält z.B. einzelne verzweigte Fasern vom Kollagen Typ I und bildet damit das Stroma von Organen. Sehnen dagegen sind auffallend faserreich (Abb.2.16). Die einzelnen Fibrozyten liegen eingeengt zwischen den Fasern, was zu einer flugelartigen Form führt. Sie werden deshalb Flügelzellen genannt. Kollagen II wiederum findet man im hyalinen Knorpel. Es ist wichtig für die Mikrostrukturierung, die in Verbindung mit den Proteoglykanen die druckelastische Eigenschaft des Knorpels bedingt. Kollagen IV dagegen findet man ausschließlich in den Basalmembranen der Epithelien, wo sie der Zellhaftung dienen. Retikuläre Fasern bestehen aus Kollagen III. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich mit Silbersalzen konturieren lassen. Deshalb werden sie auch als argyrophile Fasern bezeichnet. Retikuläres Bindegewebe bildet die Matrix von vielen lymphatischen Organen wie der Milz, der Lamina propria des Darmes und den Lymphknoten (Abb.2.17). In dieser speziellen Matrix werden die lymphatischen Zellen auf räumliche Distanz zueinander gehalten, so dass ihre gesamte Oberfläche mit interstitieller Flüssigkeit benetzt ist. Gleichzeitig bewirkt dieses Bauprinzip, dass die im retikulären Maschenwerk befindlichen Zellen bei starker Kompression nicht verletzt werden.

Elastische Fasern bestehen nicht aus Kollagenmolekülen, sondern hauptsächlich aus Elastin und Fibrillin. Die geknäuelten Elastinmoleküle geben den elastischen Fasern ihre zugelastischen Eigenschaften. Elastische Fasern findet man vornehmlich in herznahen Arterien vom elastischen Typ und in den Lungenalveolen.

Abb. 2.17: Silberimprägnierung von retikulären Fasern in einem Lymphknoten. In den Faserzwischenräumen bilden sich Mikrokompartimente, in denen u.a. die Lymphozyten angesiedelt sind.

[Suchkriterien: Connective tissue collagen elastic reticular fibers]

2.2.2.2 Das Fettgewebe als Speicher

Fettgewebe stellt eine besondere Form des Bindegewebes dar (Abb.2.18). Gemeinsam ist der Fettzelle und den Fibrozyten, dass sie sich beide aus den gleichen mesenchymalen Vorläuferzellen entwickeln. Die gereiften Fettzellen (Adipozyten) sind in zwei unterschiedlichen Formen im menschlichen Körper vorzufinden. Einmal als das an vielen verschiedenen Körperregionen vorkommende univakuoläre, weiße Fettgewebe (Abb.2.18A) und zum anderen als das hauptsächlich während der Säuglingsphase vorkommende multivakuoläre, braune Fettgewebe (Abb.2.18B).

Abb. 2.18: Schematische Darstellung einer univakuolären Fettzelle (A) und einer multivakuolären Fettzelle (B). Im Zentrum der univakuolären Zelle befindet sich der Fettvorrat. Dadurch werden die gesamten Organellen mit dem Zytoplasma an die Peripherie der Zelle verschoben.

Man kann sich leicht vorstellen, dass die univakuolären Fettzellen sehr fragile Gebilde sind. Als Bestandteile des Bau- und Speicherfettes müssen sie aber einer erheblichen mechanischen Belastung standhalten. Zur Stabilisierung ist deshalb um jede Fettzelle ein Maschenwerk aus retikulären Fasern ausgebildet (Abb.2.19).

Fettgewebe erfüllt im menschlichen Körper ganz verschiedene Funktionen. Es stellt neben dem Glykogen in der Leber und im Skelettmuskel den größten Energievorrat im Körper dar, wobei Fette in Form von Triazylglyzerinen gespeichert werden. Weiterhin bestimmt das Fettgewebe als Nischen- und Baufett die Körperform. An Fußsohlen und Handflächen fungiert es als Baufett mit mechanischer Polsterfunktion. Da Fettgewebe ein schlechter Wärmeleiter ist, dient es als subkutanes Fettgewebe auch zur Wärmeisolierung.

Abb. 2.19: Silberimprägnierung des dreidimensionalen retikulären Maschenwerkes, welches jede einzelne Fettzelle umgibt.

Die univakuoläre Fettzelle bezitzt einen großen Fetttropfen im Zytoplasma, welcher die Zellorganellen völlig an den Rand drängt (Abb.2.18A). Der Zellkern erhält dadurch eine abgeflachte Form. Bei der Anwendung von Routinefärbung führen die Fixierungsbehandlungen mit Xylol und Alkohol zum Herauslösen des Fetttropfens, wodurch eine leer erscheinende Vakuole übrig bleibt. Die Fettvakuole in Verbindung mit dem abgeflachten Zellkern erinnert an einen Siegelring. Weiterhin ist das Fettgewebe gut vaskularisiert, wodurch Fette an- und abtransportiert werden können.

Multivakuoläres Fettgewebe dient während der Säuglingsperiode u.a. der Wärmeproduktion aus den gespeicherten Fetten. Dieses Fettgewebe ist besonders gut vaskularisiert und wird durch die Zytochrome der vielen Mitochondrien bräunlich gefärbt. Die Fettzellen dieses braunen Fettgewebes weisen multiple, kleine Fetttropfen im Zytoplasma auf und der runde Zellkern liegt zentral (Abb.2.18B).

[Suchkriterien: Adipose tissue histology morphology fat]

2.2.2.3 Knochen und Knorpel als Stützgewebe

Die Stützfunktion wird im Körper größtenteils von Knorpel und Knochen übernommen. Knorpelgewebe ist ein bradytrophes Gewebe, welches keine Innervation sowie keine Vaskularisierung zeigt (Abb.2.20). Die Ernährung erfolgt über Diffusion ausdem umgebenden Geweben. Das Knorpelgewebe wird an manchen Stellen von einem aus kollagenen Fasern und mesenchymalen Zellen bestehenden Perichondrium umspannt.

Abb. 2.20: Hyaliner Knorpel während der Entwicklung in der mikroskopischen Ansicht. Zu erkennen ist eine diskrete Distanz, welche die benachbarten Chondrone einnehmen. In den Interterritorialräumen wird mechanisch belastbare extrazelluläre Matrix ausgebildet.

Abb. 2.21: Einzelne Chondrone im hyalinen Knorpel. Die Chondrozyten liegen in isogenen Gruppen beieinander.

Knorpel besteht aus Chondrozyten, die von einer speziellen extrazellulären Matrix eingemauert sind. Dabei können in einer Knorpelhöhle bis zu 10 Knorpelzellen liegen, die aus einem Chondroblast hervorgegangen sind und dann als isogene Gruppen bezeichnet werden (Abb.2.21). Die Chondrozyten sind rundlich und zeigen einen gut ausgeprägten Syntheseapparat, durch den die Bildung von Kollagen II, Proteoglykanen, Hyaluronsäure und Chondronektin erfolgt. Die genannten Komponenten und deren Mikrostrukturierung führen in der extrazellulären Matrix zu einer hohen mechanischen Stabilität mit einer den physiologischen Gegebenheiten angepassten wechselnden Wasserbindungskapazität.

Unmittelbar umgeben werden die Chondrozyten von einer Knorpelkapsel (Kollagen Typ VI) und einem nach außen angrenzenden Knorpelhof, welcher als ein spezieller Bereich der extrazellulären Matrix angesehen wird. Zusammen mit den Chondrozyten wird der Knorpelhof Territorium oder Chondron genannt. Alles außerhalb des Territoriums versteht man als die extraterritoriale Matrix. Abhängig von der Anzahl der Knorpelzellen und der Zusammensetzung der extrazellulären Matrix werden drei unterschiedliche Formen des Knorpels angetroffen (Abb.2.22).

Abb.2.22: Schematische Darstellung der Chondrone und extrazellulären Matrix in hyalinem Knorpel (A), Faserknorpel (B) und elastischem Knorpel (C).

Abb. 2.23: Histologische Darstellung von elastischem Knorpel mit zahlreichen Fasern.

Der hyaline Knorpel ist ein an vielen Stellen des Körpers vorkommendes Gewebe, denn er bildet den Gelenkknorpel mit einer großen mechanischen Belastbarkeit. Weiterhin spielt der hyaline Knorpel bei der Skelettentstehung eine entscheidende Rolle, da der hyaline Knorpel fast die gesamte zukünftige Wachstumsmatrix für das knöcherne Skelett bildet und später dann durch Knochengewebe ersetzt wird. Aus diesem Vorgang geht der Ersatzknochen hervor.

Der elastische Knorpel ist ähnlich wie der hyaline Knorpel strukturiert. Zusätzlich aber bilden die Chondrozyten große Mengen an elastischen Fasern für die extrazelluläre Matrix, woraus seine Deformierbarkeit resultiert (Abb. 2.23). Elastischen Knorpel findet man z. B. im Bereich der flexiblen Ohrmuschel und der Epiglottis im Kehlkopf.

In der extrazellulären Matrix des Faserknorpels dominieren Kollagen Typ I Fasern. Daraus ergeben sich seine besonderen druck- und zugfesten Eigenschaften (Abb. 2.24). In den Knorpelhöhlen werden bei diesem Gewebe nur einzelne Chondrozyten gefunden. Faserknorpel befindet sich in der Schambeinfuge und im Anulus fibrosus der Bandscheiben. Hier umgibt er den gallertigen Nucleus pulposus mit seinen speziellen Anforderungen.

Neben den verschiedenen Knorpelarten ist das Knochengewebe das mechanisch stabilisierende Element des Bewegungsapparates. Zusätzlich beherbergt es die Zellen des blutbildenden Knochenmarks. Außerdem dient es als Kalzium- und Phosphatspeicher.

Abb. 2.24: Histologische Darstellung von Faserknorpeln. Zu erkennen ist, dass nur einzelne Chondrozyten in den Knorpelhöhlen vorkommen. Typisch ist außerdem, dass die interterritorialen Räume mit parallel verlaufenden Fasern ausgefüllt sind.

Abb. 2.25: Schematische Darstellung eines Knochenbälkchens, welches von Osteoblasten und Osteozyten aufgebaut wird. Osteoklasten wirken antagonistisch und bauen Hartsubstanz wieder ab.

Während der Knochenentstehung werden Knochenbälkchen von Osteoblasten gebildet (Abb. 2.25). Diese synthetisieren zuerst eine kollagenhaltige Matrix, die als Gerüst für die Mineralisierung benötigt wird. Bei diesem Vorgang mauern sich die Osteoblasten in die mineralisierte Matrix ein. Sie nehmen dabei eine rundliche Form ein und werden ab jetzt Osteozyten genannt. Häufig stehen sie mit Nachbarzellen über dünne zytoplasmatische Fortsätze in Verbindung.

Im Knochengewebe findet man einen weiteren Zelltyp, der die Knochenmatrix resorbiert. Diese Zellen werden Osteoklasten genannt (Abb. 2.26). Ihre resorbierende Tätigkeit wird durch das Nebenschilddrüsenhormon Parathormon gesteuert. Vorläuferzellen der Osteoklasten fusionieren, so dass Osteoklasten mit bis zu 60 Zellkernen entstehen. Sie säuern über eine Protonenpumpe die Knochenoberfläche an und lösen dadurch die Hydroxyapatitkristalle auf. Die gleiche Funktion können auch einkernige osteolytische Osteozyten übernehmen.

Bei der Bildung von Lamellenknochen werden die Osteozyten in Lakunen nachgewiesen (Abb. 2.27). Von den Lakunen gehen Kanalikuli ab, in die sich regelmäßig zahlreiche filigrane Osteozytenfortsätze erstrecken. Über Gap junctions können sie mit anderen Osteozyten Kontakt aufnehmen und miteinander kommunizieren bzw. Stoffwechselprodukte austauschen. Die zwischen den Osteozyten gelegene Matrix des Knochens enthält neben Proteoglykanen und Glykoproteinen viel Kollagen Typ I. Es wird vermutet, dass bestimmte Glykoproteine wie Osteocalcin und Sialoprotein die Mineralisierung an den Kollagen Typ I Fasern vermitteln. Die so gebildeten Hydroxyapatitkristalle bewirken die Härte des Knochens, während die Kollagen Typ I Fasern das Auffangen von Zugkräften bewirken, die bei mechanischer Beanspruchung auf den Knochen entstehen.

Abb. 2.26: Mikroskopische Ansicht eines Knochenbälkchens. Zu erkennen sind am Rand des Knochenbälkchens viele Osteoblasten. Innerhalb des Bälkchens sind eingemauerte Osteozyten zu sehen. Im Zentrum befindet sich ein mehrkerniger Osteoklast.

Abb. 2.27: Schematische Darstellung eines Osteons. Im Zentrum ist der Havers-Kanal zu sehen, konzentrisch sind 3 Lamellen angelegt. Zwischen den Lamellen sind die Osteozyten angesiedelt, die über filigrane Zellfortsätze miteinander kommunizieren.

Der Knochen wird an seiner äußeren Oberfläche von einem speziellen Gewebe, dem Periost bedeckt. Die Markhöhle wird vom Endost ausgekleidet. Im ausgewachsenen Lamellenknochen dringen von außen Gefäße über die Volkmann-Kanäle ins Knocheninnere. Dort haben sie Verbindung mit senkrecht zu ihrer Verlaufsrichtung ziehenden Havers-Kanälen. Die in den Havers-Kanälen verlaufenden Gefäße bilden das Zentrum eines Osteons, welches als Baueinheit des Lamellenknochens dient (Abb. 2.28). Um die Havers-Kanäle sind konzentrisch mehrere mineralisierte Lamellen angeordnet. Zwischen den Lamellen befinden sich in Lakunen die Osteozyten, welche über Kanalikuli miteinander in Kontakt stehen. Die Räume zwischen den konzentrisch geformten Osteonen sind durch General- und Schaltlamellen ausgefüllt.

Abb. 2.28: Schliffpräparat eines Lamellenknochens. Zu erkennen ist der Havers-Kanal mit konzentrisch verlaufenden Lamellen. Dazwischen finden sich die dunkel erscheinenden Lakunen, die von Osteozyten besiedelt werden.

[Suchkriterien: Bone tissue morphology histology]

2.2.3 Muskelgewebe

In diesem Gewebe werden kontraktionsfähige Zellen vorgestellt, mit denen eine Bewegung und Spannungsentwicklung von skeletalen Elementen, im Herz oder in vielen Organen bzw. Gefäßen ermöglicht wird. Histologisch unterschieden werden glatte Muskelzellen, Herz- und Skelettmuskulatur.

Die zellulären Elemente des Muskelgewebes bewirken eine aktive Kontraktion. Diese Funktionen können nur in einer sehr engen Kooperation mit dem Bindegewebe geleistet werden. Es führt Nervenfasern und Gefäße an die Muskelzellen heran und umhüllt das Muskelgewebe. Weiterhin bildet das Bindegewebe in Form von Sehnen die Verbindung zwischen den einzelnen Muskeln und Knochen. Lichtmikroskopisch sind die verschiedenen Muskelgewebe anhand von drei Kriterien relativ einfach zu unterscheiden (Tab. 2.1):

Tab. 2.1: Differentialdiagnostische Kriterien fu¨r die lichtmikroskopische Unterscheidung von Skelettmuskulatur, Herzmuskulatur und glatter Muskulatur.

[Suchkriterien: Muscle tissue histology morphology]

2.2.3.1 Zielbewegungen

Die Skelettmuskulatur gehört zur Willkürmuskulatur und kann somit bewusst gesteuert werden. Skelettmuskulatur enthält riesige Muskelzellen, die bis zu 10 cm lang und 0,1mm dick werden können und zahlreiche Zellkerne aufweisen (Abb. 2.29). Aufgrund dieser Länge werden sie als Muskelfasern bezeichnet. Skelettmuskulatur ist lichtmikroskopisch einfach zu identifizieren. Im Längsschnitt ist eine Querstreifung zu erkennen, die durch die geordnete intrazelluläre Strukturierung des kontraktilen Apparates aufgrund isotroper und anisotroper Bereiche entsteht. Man spricht deshalb auch von der Querstreifung der Skelettmuskulatur.

Abb. 2.29 Mikroskopische Darstellung von Skelettmuskulatur. Die im Längsschnitt gezeigten Muskelfasern dienen der Kontraktion und sind in diesem Fall u. a. an ihrer Querstreifung erkennbar. Um die Kontraktion nicht zu beeinträchtigen, liegen die Kerne vom Kontraktionsapparat verdrängt in der Peripherie der Muskelfaser.

Hauptsächlicher Anteil der Muskelfaser sind die Myofibrillen. Dadurch ist das Zytoplasma, welches in Muskelzellen als Sarkoplasma bezeichnet wird, lichtmikroskopisch kaum zu erkennen. Zwischen den Myofibrillen finden sich neben vielen Mitochondrien sogenannte T-Tubuli. Dabei handelt es sich um Einsenkungen der Plasmamembran ins Sarkoplasma, welche mit dem Ca++ speichernden und die Myofibrillen umgebenden sarkoplasmatischen Retikulum in Kontakt stehen. Das sarkoplasmatische Retikulum ist ein verzweigtes Netzwerk, welches aus Zisternen des endoplasmatischen Retikulums entsteht.

In den längs orientierten Muskelfasern befinden sich Myofibrillen. Die Myofibrillen wiederum enthalten durch Z-Linien begrenzte Sarkomere, welche wiederum parallel ausgerichtete Aktin- und Myosinfilamente enthalten. Diese können sich ineinander verschieben. Durch eine zunehmende Überlappung der kontraktilen Aktin- und Myosinfilamente verkürzen sich die in einer Myofibrille hintereinander gereihten Sarkomere. Eine sichtbare Muskelkontraktion ergibt sich somit aus der Summation aller in einem Muskel befindlichen Myofibrillen.

Bei der steuerung der Muskelkontraktion wird über die synaptische Verbindung der Muskelfaser mit einer Nervenzelle eine Membrandepolarisation ausgelöst, die über die T-Tubuli in das Innere der Muskelfaser weitergeleitet wird (Abb. 2.30). Der funktionelle Kontakt der T-Tubuli mit dem die Myofibrillen umgebenden sarkoplasmatischen Retikulum führt bei einer Membrandepolarisation zu einer Ca++-Freisetzung. Die Ca++-Freisetzung wiederum bewirkt eine Querbrückenbildung von Myosin und Aktin mit einer Positionsänderung des Myosinköpfchens gegenüber einem Aktinmolekül, wodurch eine Verschiebung zwischen Aktin und Myosin und damit eine Kontraktion erfolgt. Die Dissoziation von Aktin und Myosin erfolgt nur in Anwesenheit von ATP.

Abb. 2.30: Schematische Darstellung der motorischen Endplatte an einer Skelettmuskelfaser. Der Nervenimpuls zur Kontraktion gelangt über den synaptischen Spalt und das T-Tubulussystem zum Sarkomer. Dort findet nach der Impulsübertragung die Kontraktion statt.

Abb. 2.31: Mikroskopische Ansicht von Axonen, die eine motorische Endplatte und damit Synapsen auf der Oberfläche von Muskelfasern bilden.

Die synaptische Verbindung von Nervenfaser und quergestreifter Muskelfaser wird motorische Endplatte genannt (Abb. 2.31). Unter einer motorischen Einheit versteht man alle vom gleichen Motoneuron gesteuerten Muskelfasern. Motorische Einheiten mit einer hohen Anzahl von versorgten Muskelfasern führen zur Massenbewegung. Kleine motorische Einheiten sind dagegen z. B. im Bereich der äußeren Augenmuskulatur anzutreffen, wodurch feinste Bewegungsabstufungen möglich sind.

Jede Muskelfaser wird von retikulären Bindegewebefasern umsponnen, welche mit der Basalmembran der Muskelfaser verankert sind. Dieser bindegewebige Verbund um eine Muskelfaser wird als Endomysium beschrieben. Weiterhin führt das Endomysium Gefäße und Nervenfasern an die Muskelzellen heran. Das Perimysium dagegen fasst mehrere Muskelfasern zu einem Muskelfaserbündel zusammen. Das Epimysium liegt dem gesamten Muskel auf und ist durch einen Verschiebespalt von der derben Muskelfaszie getrennt.

Im Muskel-Sehnen-Übergang finden sich multiple Einfaltungen der Muskelfaserplasmamembran, in die zahlreiche Kollagenfibrillen eindringen und eine besonders starke Verbindung zwischen Muskelgewebe und Sehne bewirken. Die Sehne überträgt die Muskelkontraktion auf den Knochen.

[Suchkriterien: Skeletal muscle tissue histology morphology myofibrils striated]

2.2.3.2 Rhythmische Kontraktion

Die Herzmuskulatur weist aufgrund der zentralen Stellung des Herzens im Blutkreislauf einige Besonderheiten auf. Dadurch ist sie differentialdiagnostisch besonders einfach einzuordnen. Ebenso wie die Skelettmuskulatur zeigt sie im Längsschnitt eine Querstreifung (Abb. 2.32). Die Querstreifung kommt auch hier dadurch zustande, dass die Z-Streifen zwischen den Sarkomeren verschiedener Myofibrillen auf einer Höhe liegen.

Abb. 2.32: Histologische Darstellung der Herzmuskulatur. Typisch sind die verzweigten Zellen, der zentral liegende Zellkern und die Glanzstreifen als Verbindungselemente.

Ein wesentlicher Unterschied zur Skelettmuskulatur besteht jedoch darin, dass die Herzmuskelzellen einen einzigen zentral gelegenen Zellkern aufweisen. Dieser ist von einem myofibrillenfreien, schmalen Raum umgeben, in dem Organellen und Granula Platz finden. Auffallend im morphologischen Bild ist die massive Kapillarisierung zwischen den Herzmuskelzellen, wodurch erst eine permanente Pumpleistung ermöglicht wird. Weiterhin findet man zwischen den Herzmuskelzellen wenige Fibrozyten und gelegentlich kollagene Fasern.

Nervenfasern fehlen fast gänzlich im Herzmuskelgewebe. Dafür verfügt das Herz über ein spezielles Erregungsleitungssystem und Erregungszentrum. Diese speziellen Herzmuskelzellen sind sarkoplasmareicher und fibrillenärmer im Gegensatz zu den Myozyten der Arbeitsmuskulatur. Weiterhin zeigen sie einen deutlichen Glykogenreichtum. Diese Zellen sind in der Lage, spontane und rhythmische Erregungen zu bilden. Die gebildeten Erregungen breiten sich dann über die Herzmuskulatur während der Systole von der Herzspitze auf die restliche Kammermuskulatur aus. Die fortschreitende Erregungsausbreitung wird durch spezielle Zell-Zellverbindungen in Form von Gap junctions zwischen den einzelnen Myozyten erreicht (Abb. 2.33). Zusammen mit den Zonulae adhaerentes und Desmosomen, die beide der mechanischen Verbindung dienen, sind sie lichtmikroskopisch als Glanzstreifen zu erkennen.

Abb. 2.33: Schematische Darstellung der Kontaktzone zwischen zwei Kardiomyozyten. Zur mechanischen und funktionellen Kopplung sind die Fascia adhaerens, ein Fleckdesmosom und eine Gap junction dargestellt.

Abb. 2.34: Mikroskopische Darstellung von glatter Muskulatur, die längs und quer geschnitten ist.

[Suchkriterien: Heart muscle tissue histology morphology myocard]

2.2.3.3 Unwillkürliche Kontraktion

Glatte Muskulatur findet man in vielen inneren Organen und Gefäßen (Abb. 2.34