Zweite Heimat - Markus Decker - E-Book

Zweite Heimat E-Book

Markus Decker

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Beschreibung

Knapp zweieinhalb Millionen Frauen und Männer sind seit der Wiedervereinigung in den »wilden Osten« gegangen: aus beruflichen Gründen, der Liebe wegen oder aus purer Abenteuerlust. So wie Rainald Grebe, Kabarettist aus dem Rheinland, dem der Westen zu spießig war, wie Gertraud Huber aus Niederbayern, die in der Uckermark den beliebten »Huberhof« betreibt, oder wie Dirk Grotkopp, der als Landarzt in Mecklenburg gebraucht wird. Der Weg in die Zweite Heimat ist lang, mitunter steinig und voller Überraschungen. Von der Faszination des Fremden, dem Anderssein und der Sehnsucht anzukommen, davon handeln diese lebensprallen, einfühlsam erzählten Porträts. Sie bieten einen neuen Blick auf die gesamtdeutsche Geschichte - 25 Jahre nach dem Mauerfall.

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Markus DeckerZweite Heimat

Markus Decker

Zweite Heimat

Westdeutsche im Osten

Für Christiane

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

1. Auflage, März 2015 (entspricht der 2. Druck-Auflage von Oktober 2014) © Christoph Links Verlag GmbH Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin, Tel.: (030) 44 02 32-0www.christoph-links-verlag.de; [email protected] Umschlaggestaltung unter Verwendung eines Fotos von Birgit und Horst Lohmeyer (Fotograf: Roman Pawlowski)

Inhalt

Vorwort

Agenten einer schwierigen EinheitEin Einleitungsessay

Als Onkel Herbert aus der Ostzone sein Holzbein ablegte373 Kilometer liegen zwischen Münster in Westfalen und Bernburg in Anhalt – dazwischen die ehemalige deutsch-deutsche Grenze.

Was allen in die Kindheit scheintDer Umzug von Düsseldorf nach Magdeburg hat den Psychoanalytiker Jörg Frommer seelisch gefordert.

In die postsozialistische Unordnung geflohenRainald Grebe, Kabarettist aus dem Rheinland, singt spöttische Lieder über die neuen Länder.

Mangelleben im ParadiesGertraud Huber aus Niederbayern führt in der Uckermark den beliebten »Huberhof«.

Fruchtbarer AufbruchStephanie Maiwald ging von Frankfurt am Main zum Studium nach Frankfurt an der Oder.

Lasst Blumen sprechen in LeipzigIlona und Peter Krakow sind seit 1994 eines der Ost-West-Paare.

Gott suchen in MitteldeutschlandIlse Junkermann aus Stuttgart wurde Bischöfin in einer atheistischen Umgebung.

Ein linker Abgeordneter findet AnschlussJan Korte sitzt für eine Partei im Bundestag, die in seiner niedersächsischen Heimat bedeutungslos ist.

»Er ist besser als mancher Ostdeutsche«Der Hesse Gotthard Debelius rettete ein Fachwerkhaus in Thüringen.

Vorhof zur HölleUwe Gerig wurde am ostdeutschen Harzrand geboren, übersiedelte in den Westen und zurück.

Glücklich in GörlitzWestrentner haben sich zu Hunderten in der östlichsten Stadt Deutschlands niedergelassen.

Ein Preis fürs BleibenBirgit und Horst Lohmeyer zogen von Hamburg in die Idylle Mecklenburgs - und damit zu den ostdeutschen Nazis.

Lust auf das UnbekannteDie rheinische Ökonomin Jutta Günther analysiert in Halle den Übergang Ostdeutschlands von der Plan- zur Marktwirtschaft.

»Der Wessi-Doktor wird sich nicht lange halten«Dirk Grotkopp wechselte als Landarzt nach Mecklenburg.

In Greifswald weint man zweimalEin Drittel der 12 000 Studenten stammt aus dem Westen.

»Wo mein Zuhause ist, bestimme ich«Der Unternehmer Thomas Kemmerich kam aus Aachen nach Erfurt, als die Mauer fiel.

Sprungbeförderung nach MagdeburgRainer Robra und Matthias Schuppe bauten in Sachsen-Anhalt die Landesverwaltung auf.

»Wir sind Unioner und ihr nicht!«Nico Schäfer heuerte 2011 bei dem Ostfußballclub Union Berlin an.

Aufarbeitung Marke WestHelmut Müller-Enbergs erforscht in Ost-Berlin das Wirken der Stasi.

Rückkehr in die BürgerlichkeitIngrid Mössinger aus Schwaben wurde Museumsdirektorin in Chemnitz.

Vier Westler für ThierseAls der bekannteste Politiker Ostdeutschlands das Feld räumte,

Vorwort

Ein Buch über Westdeutsche in Ostdeutschland? Das Thema habe sich doch 25 Jahre nach dem Mauerfall überlebt, raunen kritische Stimmen. Ja, mehr noch: Wer die Frage trotzdem aufwerfe, der arbeite an der Spaltung, statt sie zu beheben. Das jedenfalls finden selbsternannte Patrioten. Also: Schwamm drüber! Schwamm drüber? Nein, das wäre ganz falsch. Ich kann vielmehr an allen statistischen Erhebungen ablesen und an meinem eigenen Leben immer wieder beobachten, dass sich das Ost-West-Ding ganz und gar nicht erledigt hat. Es fängt an bei den Ostrentnern, zu denen ich – da seit über 20 Jahren im Osten beschäftigt – heute gehören würde, obwohl ich im Westteil der Republik geboren und aufgewachsen bin. Und es hört nicht auf bei Gesprächen, die ich mit Ostdeutschen führe und bei denen ich merke, dass wir von unterschiedlichen biografischen Voraussetzungen ausgehen. Manches, was selbstverständlich scheint, ist weiterhin erklärungsbedürftig. Heimat aber, so könnte man sagen, ist dort, wo man nichts erklären muss, sondern sich alles von allein versteht. Erst kürzlich fragte mich eine ostdeutsche Leserin am Telefon, ob ich aus dem Westen komme. Um mein »Ja« daraufhin mit den Worten zu quittieren: Man merke das. Es handelte sich um ein Misstrauensvotum.

Die fast anderthalbjährige Arbeit an diesem Buch mit insgesamt 30 längeren Interviews quer durch die ehemalige DDR stützt die These, dass die innere Einheit eine bestenfalls fragile Angelegenheit ist. Westdeutsche kostet es mal mehr, mal weniger Mühe, sich im Osten zurechtzufinden und sich dort heimisch zu fühlen. Mühelos ist es eigentlich nie. Zuweilen stellte sich bei Betroffenen im Laufe der Gespräche auch ein gewisser Aha-Effekt ein. Sie waren gezwungen, sich mit ihrer Lage als Westdeutsche im Osten einmal eingehender auseinanderzusetzen und stießen dabei auf Verdrängtes oder noch gar nicht Reflektiertes.

In einem Einleitungsessay habe ich vor dem Hintergrund der letzten 25 Jahre ein Bild der West-Ost-Wanderung entworfen, den Rahmen abgesteckt, in dem sich das Individuum bewegt. Tatsächlich begann diese Wanderung – von zahlreichen Ausnahmen zu DDR-Zeiten abgesehen – direkt nach dem Mauerfall, nicht erst nach der offiziellen Vereinigung am 3. Oktober 1990. Vieles in dem Prozess war zunächst regellos, herrlich regellos, wie manche fanden, ja fast rauschhaft. Es handelte sich überwiegend um die Wanderung von Eliten aus allen Lebensbereichen, die ein fremdes System in einem ihnen fremden Landesteil implantierten, dieses System beherrschten und es nicht selten immer noch tun. Die Wanderung war Folge eines Systemwandels, der von den Ostdeutschen selbst gewollt war und dessen Folgen sie nicht übersahen. Dabei ist der Essay ein Konstrukt aus zeitgeschichtlicher Erinnerung und dem Studium der auffallend schmalen Literatur zum Thema.

Der Hauptteil des Buches besteht aus Porträts von Migranten der ersten Stunde bis heute. Sie wurden nach dem Kriterium größtmöglicher Vielfalt ausgewählt, ohne dass diese Vielfalt Vollständigkeit beansprucht. Frauen und Männer sollten etwa gleich stark vertreten und territorial möglichst gleichmäßig auf den Osten verteilt sein. Auch sollten alle Altersgruppen vorkommen. Einzelne der Porträtierten kannte ich vorher. Andere habe ich komplementär dazu gesucht und zuweilen mit Hilfe Dritter gefunden. Dabei überwiegen Vertreter von Funktionseliten: Beamte, Politiker, Wissenschaftler – so wie Funktionseliten unter den West-Ost-Migranten generell überwiegen. Es sind aber auch »einfache Leute« dabei. Doch selbst sie ragen durch materielle Überlegenheit oder besonderes gesellschaftliches Engagement oft noch hervor. In der Vielfalt der Erfahrungen zeigt sich: Das Leben widerlegt die entwickelte Theorie nicht, geht aber über sie hinaus. Anfangs herrschte deutsch-deutsche Euphorie. Bald allerdings setzten teils bittere Kämpfe ein. Die Porträts, Ausnahmen bestätigen die Regel, geben ein Zeugnis dieser Kämpfe. Sie flachten in den Nullerjahren ab. Denn die größten Umwälzungen im Osten waren damals schon vorüber. Die Klischees wichen einem beiderseitigen Realismus. Man wusste inzwischen, was man voneinander zu halten hatte. Zugleich war die wirtschaftliche Not im Osten damals anhaltend groß. Nahezu jeder Zweite hatte keine Arbeit. Die Gesellschaft in den neuen Ländern war eine andere. Und sie ist es, wenn auch mit abnehmender Tendenz, geblieben. Das stellen sogar jene Westdeutschen mit Überraschung fest, die ihren Wohnort erst in den letzten fünf Jahren in den Osten verlegt haben und in Teilen von der falschen Voraussetzung ausgingen, das Land sei vollends zusammengewachsen. Das ist es nicht. Noch nicht.

Unter die Porträts mischen sich Reportagen über Gruppen: Westbeamte, Westrentner, Weststudenten und West-Ost-Liebende am Beispiel eines Paares aus Leipzig. Der Text über den Wettbewerb um die Nachfolge des ehemaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) ist ein Solitär. Er steht ganz für sich. Nicht nur, weil er in Berlin spielt, sondern auch, weil er die Perspektiven von Ost und West auf denselben Sachverhalt gleichsam paritätisch ausleuchtet. In allen anderen Fällen dominiert die westliche Perspektive, wenn auch jeweils eingeordnet. Die meisten Betroffenen haben sich sehr geöffnet, auch Ängste vor Ablehnung thematisiert. Einzelne haben Persönliches eher verborgen. Doch auch Letztere geben wie durch ein Fenster Einblick in die deutsch-deutsche Gegenwart.

Es soll in diesem Buch nicht darum gehen, die Schuld für offensichtliche Integrationsschwierigkeiten der einen oder anderen Seite zuzuschreiben, wenn man von Schuld überhaupt sprechen will. Die wesentliche Ursache für diese Schwierigkeiten liegt ohnehin weniger in den Einzelnen als in den historischen Bedingungen, denen sie unterworfen sind. Ziel ist es zu zeigen, wo die innere Einheit krankt und wo sie gelingt. Denn die innere Einheit entscheidet sich ja in der Regel weniger abstrakt, also im Aufeinanderprallen unterschiedlicher Landesteile. Sie entscheidet sich überwiegend in der konkreten menschlichen Begegnung. Und diese Begegnung findet entweder im Osten statt – dann, wenn Westdeutsche sich dort hinbegeben – oder umgekehrt. Erst wenn man die Erfahrungen beider Migrantengruppen nebeneinander legen würde, ergäbe sich ein vollständiges Puzzle. Das Buch über Ostdeutsche im Westen müsste also noch geschrieben werden.

Dieses Buch endet mit einem essayistischen Nachwort, das versucht, die unterschiedlichen Erfahrungen der Porträtierten auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und einen Ausblick zu geben. Das Fazit ist recht eindeutig: Oberflächlich betrachtet hat sich im vergangenen Vierteljahrhundert zwischen Ost- und Westdeutschen vielerlei angeglichen. Doch zumindest unter denen, die beim Fall der Mauer 20 Jahre alt und älter waren, gären die Differenzen unterhalb der Oberfläche weiter. Nur gesprochen wird darüber selten, weil viele das Thema für erledigt halten oder für erledigt halten wollen. Dabei sind Gespräche das Einzige, was hilft. Das war 1989 so. Und es ist heute nicht anders.

Agenten einer schwierigen Einheit

Ein Einleitungsessay

Er ist der Vater aller Sätze der deutschen Einheit und hat ihr vielleicht gerade deshalb am meisten geschadet – Willy Brandts berühmtes Diktum: »Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört.« Nicht, dass es der vormalige Kanzler und langjährige SPD-Vorsitzende nicht gut gemeint hätte mit dem Satz, den er am 10. November 1989 auf dem Balkon des Rathauses Schöneberg gesagt haben soll, den er in Wahrheit aber erst später in das Redemanuskript einfügte.1 Der Satz war in seinem Pathos der Stunde angemessen. Doch er war falsch. Ja, mehr noch: Er wurde zur sich selbst eben nicht erfüllenden Prophezeiung, sondern provozierte ihr Gegenteil. Waren sich die Deutschen in den ersten Monaten nach dem Fall der Mauer noch recht nahe, so wuchs die Entfremdung nach dem formellen Vollzug der Einheit am 3. Oktober 1990 rapide. Die Entfremdung war Ergebnis der Begegnung. Die Nähe war gefährlich geworden. Man sieht dies nicht zuletzt an jenen Menschen, die seit dem 9. November 1989 von West nach Ost übersiedelten, zunächst vereinzelt, dann immer zahlreicher. Sie werden neutral Westdeutsche genannt, kursieren in der wissenschaftlichen Literatur vereinzelt als »West-Ostler« und mutierten bald zu den böse beleumundeten »Wessis« mit der Steigerungsform »Besserwessis«. Ganz selten werden die Westdeutschen im Osten als das benannt, was sie tatsächlich sind: Migranten aus einem anderen Land – mit einer in Teilen anderen Geschichte, anderen Sprache und Kultur, anderen Religiosität, anderen Anbindung an die westliche Lebensart und einer anderen kollektiven Erinnerung an die Zeit nach 1945. Diese Migranten sind Agenten einer schwierigen Einheit.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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