Zwiegespräch - Peter Handke - E-Book

Zwiegespräch E-Book

Peter Handke

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Beschreibung

Der eine erinnert sich noch immer an jenen Theaterbesuch als Schulkind: nicht an das Stück, dafür an das Dekor, die Kulisse. Ein Urbild, das er auf seinen Wanderungen durch die Nachbarorte wiedererkennt, in einer Scheune, dem Haus auf dem Friedhof – und in ständiger Erwartung, dass die Türen aufgehen, die Fenster aufspringen, ein Mensch heraustritt.
Der andere erinnert sich an seinen Urahn, den Großvater, der am Isonzo und in Galizien in den Schützengräben lag und mit den Tieren auf seine Art umging, die Schlange auf den Rechen spießte und die Hornissen lebendig im hohlen Baum einmauerte. Für ihn ein Spiel wie die sonntägliche Kartenrunde.
»Wahr gesagt, alter Freund: Zwei besondere Narren sind wir, ein jeder auf seine Weise.« Mit unvergleichlicher Musikalität lässt Peter Handke zwei Sprecher auftreten. In der Wechselrede, ihrem Dialog, scheinen Bilder und Erinnerungen auf. Dabei im Zentrum: der Großvater, ein Spieler, und die Theaterbühne, ein Spielort. Das Spiel im Spiel? Ein meisterhaftes Zwiegespräch.

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Seitenzahl: 41

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Titel

Peter Handke

Zwiegespräch

Suhrkamp

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eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2022

Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe der Bibliothek Suhrkamp 2022.

Erste Auflage 2022© Suhrkamp Verlag AG, Berlin, 2022Alle Rechte vorbehalten.Wir behalten uns auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.

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Umschlaggestaltung: Willy Fleckhaus

eISBN 978-3-518-77358-1

www.suhrkamp.de

Widmung

für Otto Sander und Bruno Ganz

Genug jetzt ins Leere geschaut.

Von Leere keine Rede. Oder doch. Nur hat die sich in der Zwischenzeit bevölkert. Will sagen: hat sich belebt. Die Bevölkerung läßt freilich noch auf sich warten. Aber, was wird das, jetzt und jetzt, dann für ein Auftrieb und Auftritt sein? Solch eine Bevölkerung, solch eine Szene hat die Welt – will sagen: habe ich – noch nie und nirgends gesehen. Im übrigen hast auch du all die Zeit ins Leere geäugt, bis auf die paar Male, wo du ins Äugeln geraten bist. Einmal hast du gar gezwinkert, als ob du da jemand Unsichtbarem zuzwinkertest. Spezieller Narr vor seinem speziellen Narrenkasten.

Wahr gesagt, alter Freund: Zwei besondere Narren sind wir, ein jeder auf seine Weise. Du, der sich einen noch keinmal erträumten Volksauflauf erwartet, und ich, der im Tagtraum seinen Vorfahren, um nicht zu sagen Ahnen, zuzwinkert, will sagen, den heutigen Tagtraum betreffend, einem einzelnen, dem einzigen mir im Leben begegneten Ahn, meinem Großvater.

Aber ist der denn nicht lange schon tot?

Ja, und?

Wieder wahr. Und recht so: Auf, spielen wir weiter die Narren.

Ja, spielen wir. Ahoi. La Paloma.

Doch erst einmal erzähle ich. Achtung, Erzählung. Ein wenig Geduld fürs Erzählen, bittschön. Und dann Geduld durch das Erzählen! Daß ich mir, schon von klein auf, von einer menschenleeren Szenerie etwas wie ein zauberisches Sichbevölkern erwartete, das kam so: Als Kinder waren wir damals, wenigstens einmal im Jahr, Theaterzuschauer. Das gehörte zur Schulzeit, und in der Regel fanden die Aufführungen in der Schule selber statt, im Turnsaal oder wo auch immer, und die Akteure gehörten zu einer das Land von Dorf zu Dorf durchstreifenden Wandertruppe. Ob mit oder ohne Rampe, mit oder ohne Vorhang, war es jedesmal, als schauten wir auf zu dem Spielgeschehen und als werde mit diesem ein Vorhang aufgezogen. Das war uns Kindern, gleich welche Geschichte sich da gleich wie abspielte, schon genug Aufregung. Eine andere Aufregung freilich – und darum erzähle ich jetzt davon – wurde es dann für mich, und zwar für mich Kind allein, nicht mehr, so kam's mir zumindest vor, Teil der Kinder, sondern für mich in der Einzahl, bei dem vielleicht einzigen schulorganisierten Besuch in der Stadt, in dem zum Theaterspiel offiziell bestimmten Bau und Anwesen. Und meine andere, die erwartungsvolle und bis heute unerfüllte Aufregung, kam nicht vom Agieren der Schauspieler, sondern allein vom Dekor. Gespielt wurde ein Kinderstück, und das Dekor, die ganze Geschichte lang dasselbe, war ein typisches Dekor des Kindertheaters, des damaligen. Die Geschichte habe ich vergessen, nicht freilich das Dekor. Ich sehe, habe es jetzt vor mir, da-dort im Leeren. Es war das, es ist das ein Haus im Hintergrund der Bühne, und in meiner Vorstellung habe ich Kind vom Anfang bis zum Ende der Spielzeit darauf gewartet, daß die Haustür dort aufgeht und ein Mensch, und zwar ein einmaliger, noch keinmal mir vor Augen gekommener, heraustritt zu mir, nein, zu uns Zuschauern. Nur ist die Tür die Geschichte lang zugeblieben. Dabei war das Haus, samt Tür und Fenstern, gar mehreren, für mich ein echtes Haus. Es wirkte, es wirkt bewohnt, samt Licht in den Fenstern, einem seltsam stillen, in allen Fenstern dem gleichen. Erwartung eines Schattens, endlich, dahinter. Aber solch ein Menschenschatten, ein einzelner, der ist damals ausgeblieben, und er zeigt sich auch im Augenblick nicht. Bloß ist das jetzt kein Schattenspiel, das ich in den Fenstern dort hinten erwarte, und schon gar kein vereinzeltes. Und trotzdem erwarte ich, und wie! Erwarte, daß an dem Theaterhaus dort, dem alten, dem längst verjährten Gerümpel dort hinten sämtliche Türen und Fenster aufspringen und – und – und –

– daß es ernst wird?